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Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mangels Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger, eigenen Angaben zufolge sierra-leonischer Staatsangehöriger mit islamischer Religionszugehörigkeit und dem Volke der Sousou zugehörig, reiste - ebenfalls seinen eigenen Angaben nach - am 24. November 2016 auf dem Landweg in Deutschland ein und stellte am 25. November 2016 einen Asylantrag.
Beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates und der persönlichen Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrages durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 27. Dezember 2016 in der Sprache Kreol- und Pidgin gab der Kläger an, dass er sein Heimatland erstmalig am 2. August 2016 verlassen habe. Er sei über Guinea und Mali (2 Tage Aufenthalt) sowie Algerien (4 Tage Aufenthalt) nach Libyen gereist, wo er sich eine Woche lang aufgehalten habe. Dann sei er im September 2016 weiter nach Italien. Nachdem er dort einen Monat verbracht habe, sei er über die Schweiz nach Deutschland gereist.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 16. Januar 2017 in der Sprache Kreol- und Pidgin gab er im Wesentlichen an, dass seine letzte offizielle Anschrift in Sierra Leona die … in Waterloo gewesen sei. Seine Mutter wohne noch unter dieser Adresse, sein Vater sei bereits verstorben. Er habe außerdem noch zwei Brüder, eine Schwester sowie seine Großfamilie in Sierra Leone. Er habe in Italien seine Fingerabdrücke abgegeben und etwas unterschrieben, jedoch keinen Asylantrag gestellt. Dies sei im September 2016 gewesen. Auf Nachfrage des Bundesamts, wie er sich erklären könne, dass er am 9. November 2016 in Italien einen Asylantrag gestellt habe, antwortet der Kläger, dass er doch einen Asylantrag gestellt habe. Seine Reise bis Libyen habe er selbst finanziert, die Weiterreise durch Arbeit bei den Schleusern. Die Schule habe er zwölf Jahre lang besucht, jedoch nicht abgeschlossen. Seine Mutter habe sich in Sierra Leone um ihn gekümmert. Er sei Musiker und Fußballspieler, habe aber keinen Beruf erlernt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er im April 2016 in Freetown eine ohnmächtige Frau liegen gesehen habe. Es sei zur Ferienzeit gewesen und er habe mit einem Freund auf dem Strand Volleyball gespielt. Als der Ball ins Grün geflogen sei und sie ihn holen wollten, hätten sie die Frau gesehen. Sie seien insgesamt zu fünft gewesen. Die Suche nach dem Ball habe zwei Minuten gedauert, sie hätten jedoch nur die Frau gefunden, die hinter der Bar am Strand gelegen habe. Er und seine drei Freunde hätten versucht, die Frau zu reanimieren. Hierfür habe er die Frau hochgehoben und aufgestellt. Sie seien zu dritt gewesen, als sie der Frau geholfen haben. Dann seien aber Leute gekommen und hätten gesagt, dass die Frau tot sei. Dies seien die Brüder der Frau und andere Leute gewesen, die zu diesem Zeitpunkt auch am Strand gewesen seien. Die Brüder seien gekommen, da der Kläger und seine Freunde Hilfe gerufen hätten. Es habe sich herausgestellt, dass die Frau vergewaltigt und getötet worden sei. Diese Taten habe man dem Kläger und seinen Freunden unterstellt. Die Brüder von der Frau hätten sie gleich umbringen wollen. Er habe es aber geschafft, mit einem Minibus von Freetown nach Waterloo zu flüchten. Seitdem habe er nicht gewusst, wo sich seine Freunde befänden. Im August 2016 sei er von einem Bruder dieser getöteten Frau auf dem Fußballplatz gesehen und verfolgt worden. Da er sich gut ausgekannt habe, habe er erneut fliehen und entkommen können. Er habe Angst um sein Leben gehabt. Er sei unsicher gewesen, ob er wieder entdeckt werde und habe deshalb das Land verlassen.
Mit Bescheid vom 20. Juni 2017 wurden der Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffern 1 und 2 des Bescheids). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziffer 3 des Bescheids) und es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Der Kläger wurde aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung beziehungsweise 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Ihm wurde die Abschiebung nach Sierra Leone oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Ziffer 5 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6 des Bescheids). Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen, § 77 Abs. 2 des Asylgesetzes (AsylG). Der Bescheid wurde dem Kläger am 20. Juni 2017 zugestellt.
Am 26. Juni 2017 erhob der Kläger zur Niederschrift der Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth Klage gegen den Bescheid vom 20. Juni 2017 und beantragte,
1.den Bescheid vom 20. Juni 2017 aufzuheben und
2.die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG anzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Für die Beklagte beantragte das Bundesamt mit Schriftsatz vom 30. Juni 2017
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 zeigte der Klägerbevollmächtigte seine Vertretung unter Vollmachtsvorlage an.
Der Rechtsstreit wurde mit Kammerbeschluss vom 7. März 2019 auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. April 2019 Bezug genommen. Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
1) Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass der Kläger oder dessen Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung am 16. April 2019 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung, die dem Klägerbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis rechtzeitig zugestellt wurde, ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2) Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach § 77 Abs. 1 AsylG keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG sowie subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner Person vor. Auch erweist sich die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots als rechtmäßig. Das Gericht folgt den Feststellungen sowie der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
a) Die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil er auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. Anlage I AsylG).
b) Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG) scheidet aus.
Nach § 3 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Dabei kann die Verfolgung nach § 3c AsylG vom Staat, von den Staat ganz oder zum Teil beherrschenden Parteien oder Organisationen oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, gegen die der Staat Schutz zu gewähren nicht willens oder in der Lage ist. Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylG.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zunächst knüpft die vom Kläger geschilderte Verfolgung an keinen in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgrund an. Das Gericht erachtet den Vortrag des Klägers für nicht glaubhaft. Der Kläger hat das Auffinden der bewusstlosen bzw. toten Frau am Strand wenig detailliert geschildert. Es gelang ihm im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt nicht, einen nachvollziehbaren Sachverhalt darzustellen. Insbesondere die Angaben zur Personenzahl, die beim Auffinden der Frau bzw. dem Versuch der Wiederbelebung beteiligt waren, sind widersprüchlich. Zudem erfolgte die Darstellung der Flucht sowohl nach den Ereignissen am Strand als auch auf dem Fußballplatz äußerst oberflächlich. Auch auf Nachfragen des Bundesamts nach den genauen Ereignissen gab der Kläger nur sehr kurze Antworten. Die Möglichkeit, in der mündlichen Verhandlung - insbesondere auch auf entsprechende Nachfragen des Gerichts - die dargestellten Ungenauigkeiten bzw. die Widersprüche auszuräumen, hat der Kläger, obwohl er ordnungsgemäß geladen wurde, nicht genutzt.
Selbst wenn man den Vortrag des Klägers als wahr unterstellt, ist dem Kläger nicht die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, da er sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung aus einer der im Gesetz genannten Verfolgungsgründe außerhalb Sierra Leones befindet. Der Kläger ist nach seinen eigenen Angaben zum einen aus Furcht vor der Bedrohung durch die Angehörigen der getöteten Frau geflohen. Die Verfolgung durch die Brüder der Getöteten erfolgte jedoch nicht aus einem der § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe. Darüber hinaus liegt in diesem Zusammenhang auch keine Verfolgung durch einen in § 3c AsylG genannten Akteur vor. Schließlich scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3e Abs. 1 AsylG auch daran, dass vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich bei einer Rückkehr in einem anderen Landesteil Sierra Leones niederlässt, wo ihn die Angehörigen der Getöteten nicht finden.
c) Die Klage ist weiterhin unbegründet, soweit der Kläger subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG begehrt. Danach ist ein Ausländer subsidiärer Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ersthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gilt.
Einer Zuerkennung subsidiären Schutzes im Hinblick auf die angebliche Bedrohung durch die Brüder der Frau steht weiter entgegen, dass vom Kläger zu erwarten ist, dass er sich in den Landesteilen niederlässt, in denen er vor Nachstellungen der Brüder sicher ist (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Überdies hätte der Kläger bei einer Rückkehr die Möglichkeit, die Hilfe (übergeordneter) staatlicher Stellen in Anspruch zu nehmen. Insbesondere kann von einer allgemein mangelnden Schutzfähigkeit oder -willigkeit des sierra-leonischen Staates nicht ausgegangen werden.
Als junger, gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter ist der Kläger auch in der Lage, sich in Sierra Leone seinen Lebensunterhalt eigenständig zu erwirtschaften. Zudem hat er eine zwölfährige schulische Ausbildung, sodass er im Landesdurchschnitt als qualifiziert einzustufen ist. Auch wenn der Kläger bei seiner Rückkehr keine Unterstützung durch seine Familie erhalten sollte, kann dennoch vernünftigerweise von ihm erwartet werden, dass er in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und dessen Sprache er durchaus vertraut ist, ein Existenzminimum für sich zu sichern in der Lage sein wird. Ausreichend ist in Bezug auf die wirtschaftliche Situation des Klägers, dass es ihm voraussichtlich gelingen wird, sich mit Gelegenheitsarbeiten „durchzuschlagen“ (vgl. VG München, U.v. 7.8.2018 - M 28 K 17.37397 - juris Rn. 48; VG Würzburg, U.v. 12.8.2016 - W 1 K 16.30842 - juris).
d) Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf das Bestehen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten i.S.d. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz AufenthG berufen. Insoweit schließt sich das Gericht den Ausführungen in den Gründen des Bescheids vom 20. Juni 2017 an, auf die Bezug genommen wird, § 77 Abs. 2 AsylG.
Ergänzend ist auszuführen, dass nach § 60 Abs. 5 AufenthG ein Ausländer nicht abgeschoben werden darf, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In der Regel scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG - wie im vorliegenden Fall - aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus (BVerwG, U.v. 31.1.2013, Az. 10 C 15/12 - juris).
Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung) (BVerwG, U.v. 31.1.2013, a.a.O.). Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung ist die nach den eingeführten Erkenntnisquellen bestehende unzureichende Versorgungslage in Sierra Leone eine allgemeine Gefahr, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht.
Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen den Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O.).
Eine derartige besondere Gefahrenlage ist aufgrund der schlechten humanitären oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ersichtlich. Sierra Leone gehört zwar mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Millionen US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 zu einem der ärmsten Länder der Welt. Ferner lebt ein Großteil der Bevölkerung in absoluter Armut unter prekären wirtschaftlichen Verhältnissen (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt Sierra Leone vom 4. Juli 2018, S. 17). Wie bereits ausgeführt, ist der Kläger aber jung, gesund und arbeitsfähig. Individuelle, gefahrerhöhende Umstände sind nicht ersichtlich. Es kann erwartet werden, dass er in der Lage ist, sich ein Existenzminimum zu sichern.
e) Der Bescheid des Bundesamts gibt schließlich auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 keinen Anlass zu Bedenken. Diese entspricht den gesetzlichen Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und § 38 Abs. 1 AsylG.
f) Auch die nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von Amts wegen vorzunehmende Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie hält sich im Rahmen des § 11 Abs. 3 AufenthG.
3) Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
24.04.2019
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Bayreuth, Urteil vom 24.04.2019, Az. B 4 K 17.32367 (REWIS RS 2019, 7868)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 7868
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Keine drohende Verfolgung iSv § 3a AsylG oder ernsthafter Schaden iSv § 4 AsylG wegen …
RN 14 K 17.34384 (VG Regensburg)
Strafandrohung wegen männlicher Homosexualität in Sierra Leon begründet keine Verfolgung
RN 14 K 18.31251 (VG Regensburg)
Abschiebung, Asylantrag, Ausreise, Bescheid, Herkunftsland, Einreise, Abschiebungsverbote, Kaufpreis, Abschiebungsverbot, Bundesamt, Lehrer, Schutzstatus, Migration, Lebensunterhalt, Sierra …
RN 14 K 18.31414 (VG Regensburg)
Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus
Bedrohung durch Geheimgesellschaft (Ojeh-Society) - Unglaubhaftigkeit der Fluchtgründe