Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2011, Az. VIII ZR 50/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2496

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BUNDESGERICHTSHOF

I[X.] NA[X.]EN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 50/11
Verkündet am:

12. Oktober 2011
Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche
Verhandlung vom 14. September 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterinnen Dr.
[X.]ilger und Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer des [X.] vom 12. Januar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der
Kläger das [X.]ietverhältnis mit den Beklagten
gemäß
§ 1056 Abs. 2 [X.] kündigen kann.
Die Beklagten mieteten
mit Vertrag vom 7. Dezember
2002 von der Tan-te des [X.]
eine Wohnung in [X.].

. Gemäß
§ 23
des [X.]ietvertrags
ist eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen. Das Eigentum an dieser Woh-nung war dem Kläger von seiner Tante bereits mit notariellem Vertrag vom 27.
Dezember 1995 -
unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs
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übertra-gen worden. Unter dem 14. Oktober 2003 unterzeichneten die Beklagten und die Tante des [X.] eine Zusatzvereinbarung zum [X.]ietvertrag, wonach der 1
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Vertrag auf Lebenszeit der Beklagten
abgeschlossen
war; zudem
wurden eine
Erhöhung der [X.]iete sowie eine ordentliche Kündigung des Vermieters ausge-schlossen.
Der Kläger ist Alleinerbe seiner am 9. Juli 2007 verstorbenen Tante geworden.
Der Kläger hat im Verfahren vor dem Amtsgericht zunächst Klage auf Feststellung erhoben, dass die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 un-wirksam und der [X.]ietvertrag nicht auf Lebenszeit der Beklagten, sondern auf unbestimmte Zeit abgeschlossen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat er unter Zurücknahme der zunächst angekündigten Anträge nur noch den zunächst als Hilfsantrag angekündigten Feststellungsantrag gestellt, dass ihm ungeachtet der Vereinbarung vom 14. Oktober 2003 das Sonderkün-digungsrecht des § 1056 Abs. 2 [X.] zustehe und er dieses Kündigungsrecht jederzeit ausüben könne. Das Amtsgericht hat die Klage bezüglich der Feststel-lung einer Befugnis des [X.] zur jederzeitigen Ausübung des Kündigungs-rechts abgewiesen
und ihr im Übrigen
stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. [X.]it der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren wei-ter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:
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Der
Kläger sei ungeachtet der Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 zur Kündigung des [X.]ietvertrags gemäß § 1056 Abs. 2 [X.] berechtigt. Nach dieser Vorschrift stehe dem Eigentümer grundsätzlich ein Recht zur Son-derkündigung zu, wenn ein Grundstück -
wie hier
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durch den Nießbraucher über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet worden sei.
Zwar werde in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass der Eigentümer das Kündigungsrecht des § 1056 Abs. 2 [X.] nicht in [X.] nehmen könne, wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden sei. Da sich in einem solchen Fall die durch die Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über-gegangenen mietrechtlichen Verpflichtungen mit der durch die Eigentümerstel-lung bestehenden [X.]öglichkeit, diese zu erfüllen, vereinigt hätten, sei es treu-widrig, wenn sich der Grundstückseigentümer auf seine formale Rechtsposition berufe und das [X.]ietverhältnis nach § 1056 Abs. 2 [X.] kündige.
Im vorliegenden Fall bestehe allerdings keine persönliche Bindung des [X.] an die Zusatzvereinbarung zum [X.]ietvertrag. Denn es handele sich um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter zwischen der [X.] und den Beklagten. Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten sei nämlich beabsichtigt gewesen, die Verfügungsbefugnis des [X.] über die Wohnung über den Tod der Tante hinaus zu beschränken. Eine derartige [X.] könne nicht dazu führen, dass der Eigentümer auch nach der [X.] weiter gebunden bleibe, ohne zu einer Kündigung nach §
1056 Abs. 2 [X.] berechtigt zu sein.
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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht ein Sonderkündigungsrecht gemäß § 1056 Abs. 2 [X.] nicht zu.
1. Allerdings ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Ende des Nießbrauchs der ursprünglichen Vermiete-rin in den [X.]ietvertrag mit den Beklagten eingetreten ist.
Nach § 1056 Abs. 1 [X.] finden bei der Beendigung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung vermieteten Wohnraums geltenden Vorschrif-ten (§§
566, 566a, §
566b Abs.
1, §§
566c -
566e sowie §
567b [X.]) entspre-chende Anwendung, sofern der Nießbraucher ein Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet hat. Eine solche Vermietung über die Dauer des Nießbrauchs hinaus lag hier schon nach dem ursprünglichen, auf [X.] abgeschlossenen [X.]ietvertrag vor. Denn das [X.]ietverhältnis war im Zeitpunkt der Beendigung des Nießbrauchs ungekündigt, so dass die Wohnung über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet war; auf die Wirksamkeit der Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003, nach der die Wohnung für die [X.] der Lebenszeit der Beklagten vermietet ist, kommt es somit insoweit nicht an.
2. Durch § 1056 Abs. 2 [X.] wird dem Eigentümer grundsätzlich die [X.]öglichkeit eingeräumt, das [X.]ietverhältnis außerordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen; dies ermöglicht dem [X.] (vorzeitige) Beendigung des [X.]ietverhältnisses, wenn der
[X.]ietvertrag, in den er gemäß § 1056 Abs. 1 [X.] eintritt, auf bestimmte Zeit geschlossen oder die ordentliche Kündigung erschwert oder ausgeschlossen ist
([X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2009, § 1056 Rn. 16; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., § 1056 Rn. 9).
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Nach der Rechtsprechung des [X.], von der auch das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, ist dem Eigentümer jedoch nach Treu und
Glauben eine Kündigung nach § 1056 Abs. 2 [X.] verwehrt, wenn er unabhängig von § 1056 Abs. 1 [X.] persönlich an den [X.]ietvertrag ge-bunden ist, beispielsweise, wenn er ihn vor der Bewilligung des Nießbrauchs noch als Eigentümer selbst abgeschlossen hatte, wenn er dem [X.]ietvertrag [X.] oder wenn er Alleinerbe des Vermieters geworden ist ([X.], Urteile
vom 20. Oktober 1989
-
V
ZR 341/87, [X.]Z 109, 111, 117 f., sowie vom 20.
Oktober 2010 -
XII
ZR 25/09, NJW 2011, 61 Rn. 16 f.). In einem solchen Fall muss sich der Eigentümer an einer vereinbarten bestimmten Laufzeit des [X.]ietvertrages oder einer sonstigen Erschwerung der ordentlichen Kündigung festhalten lassen, denn anderenfalls würde die den Schutz des [X.]ieters bezwe-ckende Vorschrift des §
1056 [X.] in ihr Gegenteil verkehrt ([X.], Urteil vom 20. Oktober 1989
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V
ZR 341/87, aaO S. 118).
Das Berufungsgericht meint, dass diese Grundsätze hier nicht anwend-bar seien, weil die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 einen unzulässi-gen Vertrag zu Lasten Dritter darstelle, den sich der Kläger nicht entgegen [X.] lassen
müsse; vielmehr sei dem Kläger ungeachtet seiner Erbenstellung ein Sonderkündigungsrecht nach § 1056 Abs. 2 [X.] zuzubilligen.
Dies ist von [X.] beeinflusst. Ein unzulässiger und deshalb un-wirksamer Vertrag zu Lasten Dritter liegt nur dann vor, wenn durch ihn unmittel-bar eine Rechtspflicht eines am Vertrag nicht beteiligten [X.] -
ohne seine Autorisierung
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entstehen soll ([X.], Urteil vom 29. Juni 2004 -
VI
ZR 211/03, [X.], 3326 unter II
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mwN). Dies ist hier nicht der Fall, denn die [X.] vom 14. Oktober 2003 begründet lediglich vertragliche Pflichten der an ihr beteiligten ursprünglichen Vermieterin und späteren Erblasserin. Der Umstand, dass vom Schuldner eingegangene
vertragliche Pflichten mit dessen 13
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Tod auf den Erben (hier den Kläger) übergehen, ändert daran nichts. Denn die Pflichten des Erben, dem es freisteht, die Erbschaft anzunehmen oder auszu-schlagen oder seine Haftung für die Verbindlichkeiten auf den Nachlass
zu be-schränken, werden nicht unmittelbar durch den vom Erblasser geschlossenen Vertrag begründet, sondern treffen ihn erst aufgrund der Rechtsnachfolge.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Sache ist nicht zur Endentschei-dung reif, weil es weiterer Sachaufklärung bedarf.

Das Rechtsschutzziel des [X.]
richtet sich
(allgemein) gegen
die im [X.]ietvertrag und
in der Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003 enthaltenen Beschränkungen einer ordentlichen Kündigung des [X.]ietverhältnisses.
Dies ergibt sich aus den in der ersten Instanz angekündigten unterschiedlichen An-trägen sowie dem Schriftsatz vom 20. Februar 2010,
in dem der Kläger aus-führt,
dass die Zusatzvereinbarung vom 14. Oktober 2003
einer "jederzeitigen Kündigung"
nicht entgegenstehe, weil die gemäß §
550 [X.] erforderliche Schriftform mangels einer festen Verbindung der Zusatzvereinbarung mit dem [X.]ietvertrag verletzt sei.
[X.] dies zu, würde der [X.]ietvertrag gemäß §
550 Satz
1 [X.] als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten und
wäre -
unabhängig von
einem
Sonderkündigungsrecht
nach §
1056 Abs.
2 [X.]
-
eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 [X.] zulässig,
frühestens zum Ablauf eines Jahres seit der Zusatzvereinbarung
(vgl. Senatsurteile
vom 29.
Oktober 1986 -
VIII
ZR
253/85, [X.]Z 99, 54, 58 ff.
und
vom 4. April 2007 -
VIII
ZR 223/06, NJW 2007, 1742, Rn. 14 ff.).
Nach der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die dem Kläger
ein
Sonderkündigungsrecht gemäß
§
1056 Abs. 2 [X.] zugebilligt haben, kam es hierauf nicht an.
Das Berufungsgericht hatte 16
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deshalb bisher keinen Anlass, Feststellungen zu §
550 [X.] zu treffen und [X.] auf die Stellung sachdienlicher
Anträge hinzuwirken. Die
Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen (§
563 Abs. 1 ZPO).
Ball
Dr. Frellesen
Dr. [X.]ilger

Dr. Fetzer
Dr. Bünger

Vorinstanzen:
AG [X.]ünchen, Entscheidung vom 01.02.2010 -
463 C 19931/09 -

LG [X.]ünchen I, Entscheidung vom 12.01.2011 -
15 S 3210/10 -

Meta

VIII ZR 50/11

12.10.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2011, Az. VIII ZR 50/11 (REWIS RS 2011, 2496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2496

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 50/11

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