6. Zivilkammer | REWIS RS 2025, 3564
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Zur Haftung des Apothekers gemäß § 11 Abs. 1 ApoG bei Teilnahme an einer telemedizinischen Plattform
1. Der Betreiber einer telemedizinischen Plattform ist nicht Adressat von § 11 Abs. 1 ApoG.
2. Zur Frage des Zuweisungsverbots und der Einschränkung der Wahlfreiheit des Kunden gemäß § 11 Abs. 1 ApoG durch die Gestaltung des Bestellprozesses auf einer telemedizinischen Plattform.
Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung einer Telemedizin-Plattform.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden „Klägerin“) betreibt auf www.a.com eine telemedizinische Plattform, über die Patienten in [X.]u.a. [X.](z.B. auch für medizinisches Cannabis) und Krankschreibungen erhalten können (vgl. Anlage ASt 1).
Der Verfügungsbeklagte (im Folgenden „Beklagter“) betreibt eine lokale Apotheke in [X.]unter der Firma „... Apotheke“ (Anlage ASt 2). Zudem ist der Beklagte im Versandhandel mit medizinischem Cannabis tätig.
Die am vorliegenden Verfahren nicht beteiligte [X.]Ltd. mit Sitz in [X.]betreibt unter [X.]eine Telemedizin-Plattform, die auf den [X.]Markt ausgerichtet ist (vgl. Anlage ASt 4). Über diese Online-Plattform bietet sie Patienten Zugang zu medizinischer Beratung, Rezepten und Versand von Medikamenten an. Ihre Leistungen im Zusammenhang mit medizinischem Cannabis bewirbt sie wie folgt:
„Füllen Sie einen Online-Fragebogen aus und lassen Sie Ihre Angaben von einem zugelassenen Arzt überprüfen. Nach einer ärztlichen Beurteilung kann bei medizinischer Notwendigkeit ein Rezept ausgestellt werden. Die Lieferung erfolgt innerhalb von 1-2 Werktagen durch eine zugelassene Apotheke“ (vgl. Anlage ASt 4, Bl. 38 d.A.)."
[Bild]
([X.]S. 2 d. 2. S[X.]d. KlV v. 27.05.2025).
Sodann werden dem Patienten unter dem Punkt „Behandlung“ verschiedene Produkte wie folgt angezeigt, wobei eine Auswahl von Filtern ermöglicht wird (vgl. Screenshots Bl. 170 ff.):
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[Bilder]
Im Rahmen des [X.]kann der Patient bei der Auswahl der Versandart einerseits den „Premium-Lieferservice“ auswählen, der wie folgt beworben wird (vgl. Anlage ASt 6, Bl. 68 d.A.):
„Medikament mit [X.]– versandkostenfreie Lieferung in 1-2 Werktagen
*Wenn Sie unseren [X.]wählen, zahlen Sie nur einmal. Sie erhalten das Rezept, die automatische Apothekenauswahl und die Lieferung in einem Paket. Wenn die Ärzte zustimmen, stellen wir ein Rezept aus und senden es an unsere Partnerapotheke, abhängig von deren Lagerbestand. Sie erklären sich damit einverstanden, dass wir Ihre Bestellung einlösen und das Medikament von der Apotheke an Ihre Adresse liefern.“ (Unterstreichung nur hier)
[Bild]
Als zweite Versandoption wird „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente) – Abholung in der Apotheke“ (siehe obiger Screenshot) oder „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ mit dem Text
„Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)
*Nachdem Sie Ihre Bestellung bezahlt haben, wählen Sie die Apotheke aus, an die Ihr Rezept geschickt werden soll. Wenn Ihr Arzt das Rezept genehmigt, wird es an diese Apotheke weitergeleitet. Wenn die Apotheke die Bestellung annimmt, erhalten Sie eine Bestätigungs-E-Mail. Danach müssen Sie sich direkt mit der Apotheke in Verbindung setzen, um Ihre Medikamente zu bezahlen und sich nach [X.]oder Lieferoptionen zu erkundigen“,
wie auf folgendem [X.](Bl. 176 d.A.) ersichtlich, angeboten:
Hierbei wird die Verfügbarkeit der Medikamente erst nach Bezahlung der [X.]angezeigt.
Gegenüber Apotheken wirbt [X.]für ihr Plattformmodell wie folgt (Screenshot, Bl. 115 d.A.):
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In einem Parallelverfahren vor dem [X.]im November 2024 hat dieses der [X.]Ltd. untersagt, „in [X.]bestimmten Apotheken unmittelbar Verschreibungen zuzuweisen, wenn dies [wie in der dortigen Anlage] geschieht“, wobei sich aus dem Beschluss des [X.]vom 27.11.2024 (Az. 312 O 415/24) nicht ergibt, auf welcher Grundlage das Verbot erlassen wurde (vgl. Anlage ASt 5, Bl. 49 ff. d.A.). Der Beschluss wurde [X.]am 26.02.2025 zugestellt.
Die Klägerin veranlasste Anfang März 2025 drei Testbestellungen von medizinischem Cannabis über „S“. Bei einem dieser Testkäufe erhielt der Testkäufer nach Auswahl des [X.](vgl. Anlage ASt 6) am 21.03.2025 medizinisches Cannabis vom Beklagten per Post zugesendet, der als Versender auf dem Paket erkennbar war (eid. Vers., Anlage ASt 3). Eine Rechnung war der Lieferung nicht beigefügt. Vor Erhalt des Medikaments hatte der Testkäufer keine Kenntnis davon, welche Apotheke seine Verschreibung ausführt. Er zahlte lediglich den geschuldeten Betrag (für das Rezept, die Medikamente und deren Lieferung) an [X.](eid. Vers., Anlage ASt 3).
Der Testkäufer fragte eine der beiden anderen Apotheken nach einer Rechnung. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass die Apotheke auf Anweisung von [X.]keine Rechnung ausstellen dürfe und der Testkäufer eine Rechnung bei [X.]anfordern müsse, was dieser auch tat (vgl. eid. Vers., Anlage ASt 10). Die Klägerin legt hierzu exemplarisch die Rechnung einer der beiden weiteren Testkäufe vom 10.03.2025 vor (Anlage ASt 9).
Die Klägerin mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 15.04.2025 (Anlage ASt 11) wegen des behaupteten Wettbewerbsverstoßes mit Fristsetzung bis zum 22.04.2025 ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.04.2024 (Anlage ASt12) wies dieser die Ansprüche der Klägerin zurück.
Zwischen der Klägerin und [X.]bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.
[X.]verstoße gegen das Zuweisungsverbot gemäß § 11 Abs. 1 ApoG, weil [X.]eine automatische Apothekenauswahl ohne vorherige Beteiligung des Verbrauchers umsetze. [X.]bestimme selbstständig, welche Apotheke die jeweilige Verschreibung ausführen solle und weise damit seinen Partner-Apotheken regelmäßig direkt Verschreibungen in elektronischer Form in nicht unerheblichem Umfang zu. Hierin bestehe eine unzulässige Absprache zwischen [X.]als anderer Person gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG. [X.]sei als Dritter dem Adressatenkreis von § 11 Abs. 1 S. 1 zuzurechnen.
[X.]werbe auf ihrer Plattform sogar mit der direkten Zuweisung an Apotheken und mit der für die Apotheken somit realisierbaren Umsatzsteigerung (vgl. Screenshot, Bl. 115 d.A.).
Auch wenn [X.]neben dem „Premium-Lieferservice“ grundsätzlich die Option „Abholung in der Apotheke“ anbiete, sei die freie Apothekenwahl eingeschränkt, weil der [X.]technisch voreingestellt sei und bevorzugt werde, indem
Die Gestaltung des [X.]sei somit nicht diskriminierungsfrei. Der Verbraucher werde durch die Gestaltung der Plattform aktiv zum [X.]geführt. In einigen Fällen nehme der Verbraucher gar nicht wahr, dass er das Rezept auch zur Abholung bei einer lokalen Apotheke erhalten könne, die das Medikament ebenfalls vorrätig habe (vgl. [X.]Bl. 113 d.A.).
[X.]werde auf der Website von [X.]auch an keiner Stelle über den Umfang und die Bedeutung des Standard Services aufgeklärt (vgl. S. 2 d. 2. Ss v. 27.05.25). Der Verbraucher werde bewusst dahingehend beeinflusst, den Premium-Service zu nutzen. Er könne somit seine freie Apothekenwahl nicht treffen.
Hintergrund sei wohl die von [X.]im Premium-Service abgerechnete, versteckte Servicegebühr (wozu die Kammer bereits im Parallelverfahren 2-06 O 139/25 eine einstweilige Verfügung erlassen hat, Anlage ASt8).
[X.]sei auch nicht durch den Beschluss des [X.]ausgeräumt.
Gegenteiliges folge auch nicht aus der BGH-Rechtsprechung zum Marktplatzmodell von „Doc Morris“ (BGH, GRUR 2025, 496 ff.), weil im Streitfall kein vergleichbares Marktplatzmodell vorliege. Bei [X.]würden gerade keine verfügbaren oder am Marktplatz teilnehmenden Apotheken zur eigenen Auswahl vorgestellt, sondern [X.]übe die Auswahl der Apotheken selbstständig für den Verbraucher und ohne seine Beteiligung aus. Zudem sei mit der [X.]lediglich eine digitale Infrastruktur für den Onlinehandel bereitgestellt worden. Bei [X.]hingegen werde der Verbraucher mit technischen Mitteln zum Premium-Service hingeführt und seine Entscheidung gelenkt.
Es liege somit eine fremde rechtswidrige Haupttat von [X.]vor. Der Beklagte sei als Beteiligter für diese (mit-)verantwortlich. Er sei Mittäter oder zumindest Teilnehmer der durch [X.]begangenen Wettbewerbshandlung, da er die ihm zugewiesenen Verschreibungen ausführe. Nach Inkenntnissetzung durch die Abmahnung sei zudem von einer vorsätzlichen Beteiligung auszugehen.
Aufgrund des erfolgten [X.]ist die Klägerin der Auffassung, dass der Beklagte als Partner-Apotheke von [X.]tätig ist. Zwischen [X.]und den Partner-Apotheken müsse eine Absprache bestehen. Eine Absprache i.S.d. § 11 Abs. 1 [X.]setze dabei kein Rechtsgeschäft oder einen schriftlichen Vertrag voraus. Sie könne auch stillschweigend bzw. aus einer eingespielten Übung heraus bestehen. Eine Absprache ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass [X.]regelmäßig Geld an die Partner-Apotheke überweise (um die Rechnungen der Partner-Apotheken auszugleichen), was einen Informationsaustausch voraussetze. Ferner ergebe sich die Absprache aus der Anweisung von [X.]an die Apotheke, keine Rechnung auszustellen, sowie aus dem Umstand, dass [X.]Informationen über den Bestand und das Sortiment der jeweiligen Partner-Apotheke haben muss, um den von [X.]beworbenen schnellen Versand gewährleisten zu können.
Auch weise die hohe Anzahl an Kundenbewertungen auf der Plattform „Trustpilot“ darauf hin, dass Partnerapotheken eine erhebliche Anzahl von Verschreibungen erhalten und eine diesbezügliche Absprache bestehe. Selbst wenn keine ausdrückliche Absprache bestünde, liege jedenfalls eine gewisse Übung und somit eine stillschweigende Absprache vor.
Die Klägerin gehe davon aus, dass aufgrund der zu unterstellenden Absprache zwischen [X.]und ihren Partner-Apotheken von einem kollusiven, absichtlichen Zusammenwirken auszugehen sei.
Ferner legt die Klägerin folgenden [X.]als Auszug aus einem Apotheken-Partnervertrag vor, (Bl. 114 d.A.), der folgende Regelung beinhaltet:
„V P[r]eis
1. Arzneimittel und Selbstabholung
a) [X.]ist für den Einzug der Forderungen aus den von der Apotheke im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkauften [X.](die „Forderungen") verantwortlich, die hiermit im Voraus an [X.]abgetreten werden. Der Zahlungsdienstleister von [X.]erstellt im Namen von [X.]für alle Patienten eine Zahlungsbestätigung über die Gesamtkosten einschließlich aller kombinierten Leistungen (z.B. Arztbesuch und Medikamente). Da die Patienten über die [X.]einen einheitlichen Preis für alle Leistungen bezahlen, stellt [X.]alle notwendigen Rechnungen direkt an die Patienten aus. Die Apotheke ist nicht verpflichtet, dem Patienten eine Rechnung auszustellen, da diese nur die Teilkosten für die Medikamente ohne den Arztbesuch widerspiegeln würde. Zur Klarstellung: Das Risiko des Zahlungsausfalls und der Uneinbringlichkeit von Forderungen trägt allein S.“
Der Beklagte verstoße daher gemeinschaftlich mit [X.]gegen § 11 Abs. 1 ApoG, indem er in Kenntnis der ungerechtfertigten Bevorzugung eine Absprache mit [X.]unterhalte.
Der Anspruch der Klägerin bestehe gegen den Beklagten auch als eigenständigen Verletzer gemäß § 11 Abs. 1 ApoG. Die Klägerin sei auch insoweit aktivlegitimiert. Zwischen ihr und dem Beklagten bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da der Beklagte den Wettbewerb von [X.]durch seinen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 [X.]gezielt fördere und damit die Klägerin behindere.
Der Einwand des Beklagten zur mangelnden Dringlichkeit greife nicht durch, weil in der Abmahnung ein beispielhafter [X.]vom März 2025 verwendet worden sei und nicht das eigentlich bei dem Beklagten bestellte Produkt (nämlich medizinisches Cannabis der Sorte „X“). Zudem habe die Klägerin erst nach Übersendung der Testbestellung von der Rechtsverletzung durch den Beklagten erfahren.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
dem Verfügungsbeklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu [X.]250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu untersagen,
eine Absprache mit dem Betreiber der Internetseite [X.]hinsichtlich des [X.]zu unterhalten, die zum Gegenstand hat, dass der Antragsgegner ärztliche Verordnungen vom Betreiber der Internetseite [X.]aus dem Premium-Service übersandt bekommt, der Antragsgegner ohne vorherigen Kontakt mit dem Patient das Medikament versendet sowie die Bezahlung des Antragsgegners durch den Betreiber der Internetseite [X.]erfolgt und der Betreiber der Internetseite [X.]die Auswahl der Apotheke selbstständig ohne Beteiligung des Patienten vornimmt, wenn dies geschieht wie nachfolgend eingeblendet:
[Bild]
Der Beklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Beklagte behauptet, die Klägerin, die wie [X.]ebenso mit dem Beklagten zusammenarbeite, habe Druck auf den Beklagten ausgeübt und mitgeteilt, dass das Vorgehen gegen den Beklagten lediglich dazu diene, S, mit der sie „im Krieg“ sei, zu „vernichten“.
Er ist der Auffassung, der gestellte Antrag sei unbestimmt. Die Unterlassung der Unterhaltung einer Absprache sei nicht vollstreckungsfähig.
Ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben. Der Testkauf der benannten Blüte könne spätestens am [X.]erfolgt sein. Das Verlangen einer Fristverlängerung, weil der Klägervertreter „allein im Büro sei“, sei dringlichkeitsschädlich.
Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Eine Mitbewerberstellung zwischen den Parteien liege nicht vor.
Auch ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 [X.]liege nicht vor. Eine Zuweisung i.S.d. § 11 Abs. 1 [X.]setze voraus, dass der Patient ohne eigene Entscheidungsfreiheit einer bestimmten Apotheke zugeführt werde. Vorliegend fehle es aber an einer derartigen Fremdbestimmung. Der „Premium-Service“ von [X.]sei ein Zusatzangebot, das erst auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten aktiviert werde. Damit treffe der Patient eine autonome, informierte Wahl, die Apothekenauswahl an [X.]zu delegieren, was von einigen Patienten durchaus erwünscht sei, da sie sich nicht für die Auswahl einer bestimmten Apotheke interessierten. Sie hätten bei der Entscheidung für eine bestimmte Plattform bereits eine [X.]getroffen.
Wähle der Patient nicht den Premium-Service, bleibe es bei der uneingeschränkten Möglichkeit, das Rezept bei einer anderen Apotheke einzulösen.
Die Beschränkung auf bestimmte qualifizierte Partnerapotheken sei auch nicht verwerflich. Sie gewährleiste Prozess- und Versorgungssicherheit. Eine etwaige „versteckte Servicepauschale“ liege im Verantwortungsbereich von S.
Es bestehe auch keine unzulässige Absprache zwischen dem Beklagten und S. Der Beklagte stelle sämtliche Rechnungen gegenüber seinen Patienten selbst aus. Die Auskunft über eine etwaige Anweisung, keine Rechnungen auszustellen (vgl. eid. Vers. Anlage ASt 10) sei nicht von dem Beklagten erfolgt. Eine solche Anweisung sei ihm nicht bekannt. Überdies wäre auch ein bestehendes Inkasso- oder Factoring-Modell nicht unzulässig.
Sofern sich der Beklagte mit [X.]zu Lagerbeständen und Sortiment austausche, sei dies Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Rahmen der Lieferung und habe keinen Einfluss auf die freie Apothekenwahl des Patienten.
Die Auswahl- und Zuweisungsentscheidung erfolge ausschließlich auf der Plattform. Der Beklagte habe keinen Einfluss auf die Funktionalität der Website von S. Sein Beitrag beschränke sich auf den nachgelagerten Versandvorgang, also die spätere Ausführung einer bereits getroffenen Wahl. Er leiste daher keinen „planvoll lenkenden“ Beitrag. Es existiere auch kein gemeinsamer Tatplan. Eine Mittäterschaft scheide daher aus.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
I.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das [X.] gemäß § 14 UWG sachlich und örtlich zuständig. Der Antrag ist auch ausreichend bestimmt.
II.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsanspruch.
1.
Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 [X.]liegt nicht vor. Gemäß § 11 Abs. 1 [X.] dürfen [X.]und Personal von Apotheken, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, oder mit [X.]keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder die Fertigung von Arzneimitteln ohne volle Angabe der Zusammensetzung zum Gegenstand haben. Dies gilt auch für Rechtsgeschäfte oder Absprachen, die die Zuweisung von Verschreibungen in elektronischer Form oder von elektronischen Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form zum Gegenstand haben. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Apotheken, die in einem anderen Mitgliedstaat der [X.]oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] liegen, sowie deren Inhaber, Leiter oder Personal, soweit diese Apotheken Patienten in [X.]mit Arzneimitteln versorgen.
a.
Der Beklagte ist zwar als Apotheker in [X.]Normadressat und zwischen den Parteien besteht auch ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, da beide auf dem Gebiet des Versandhandels mit Medikamenten (speziell medizinischem Cannabis) tätig sind.
b.
Durch die Teilnahme des Beklagten an der Plattform [X.]ist auch davon auszugehen, dass zwischen dem Beklagten und [X.]bestimmte „Absprachen“ zur Funktionsweise der Plattform (einschließlich des Premium-Lieferservice-Modells) und den Rechten und Pflichten des Beklagten und von [X.]getroffen wurden, wenn auch, soweit ersichtlich, nur im Rahmen eines Nutzungsvertrags auf der Grundlage von AGB.
c.
Es liegt jedoch zwischen dem Beklagten und [X.]als Drittem i.S.d. § 11 Abs. 1 [X.]keine Absprache vor, die eine (unzulässige) Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand hat.
aa.
Untersagt sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 [X.]zunächst vor allem jedwede Absprachen, die auf einen Leistungsaustausch des [X.]mit dem Patienten bzw. Kunden gerichtet sind, d.h. die Zuweisung von Patienten an den Arzt bzw. die Zuweisung von Patienten an die Apotheke, insbesondere durch Zuweisung von Verschreibungen. Erforderlich ist hierbei, dass die ärztliche Verschreibung dem Patienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet wird (Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.). Die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 1 [X.]schützt das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Apothekers, so dass [ref=d3fc746a-bc1f-4aac-b854-9d7c2b9bcd6a]§ 11 Abs. 1 S. 1 ApoG[/ref] sicherstellen soll, dass sich der [X.]einer Apotheke bei seinem Kontakt zu anderen Gesundheitsberufen nicht von sachfremden und vor allem nicht von finanziellen Erwägungen leiten lässt (Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 1 m.w.N.). Der Apotheker soll seine Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen eigenverantwortlich wahrnehmen. Zudem soll das Recht des Patienten auf freie Wahl der Apotheke gewahrt werden, sodass es nicht zu einem Tätigwerden der beteiligten Berufsträger über den Kopf des Patienten hinweg ohne dessen Einflussmöglichkeit kommen darf (vgl. Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.).
Eine Absprache kann stillschweigend getroffen werden oder aus einer eingespielten Übung heraus entstanden sein. Es liegt jedoch keine unzulässige Absprache i.S.d. § 11 Abs. 1 [X.]vor, wenn die Zuweisung der Verschreibung einer zuvor von den Patienten getroffenen Auswahlentscheidung an die gewählte Apotheke folgt (vgl. Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3 m.w.N.). Am Merkmal der Zuweisung kann es dann fehlen, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines Applikationsarzneimittels hierzu neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten an die Hand gibt, etwa in Form der Aushändigung des Rezepts an den Patienten oder in Form der Beauftragung des Arztes mit der Einlösung in einer vom Patienten bestimmten Apotheke oder in einer vom Arzt selbst ausgewählten Apotheke, und der Patient sich dann für die zuletzt genannte Möglichkeit entscheidet (BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 23 – Zuweisung von Verschreibungen; Spickhoff/Sieper, ApoG, 4. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3).
bb.
In Anwendung dieser Grundsätze liegt eine unzulässige Zuweisung nicht vor.
Von der Klägerin wurde zuletzt unstreitig gestellt, dass auf der Plattform S die alternative Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ bzw. „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente) – Abholung in der Apotheke“ für jedes Produkt angeboten wird. Über diese Option werden auch die jeweiligen Apotheken mit ihren Verfügbarkeiten zur Auswahl angeboten.
(1)
Eine unzulässige Einschränkung liegt nicht schon deshalb vor, weil [X.]zwei verschiedene Wege der Bestellung aufzeigt.
Auf der Plattform [X.]wird sowohl bei der Option „Premium-Service“ als auch bei der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ die ärztliche Verschreibung dem Patienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet. Während im Rahmen der Option „Premium-Service“ die Plattform die Auswahl einer bestimmten Apotheke vornimmt, nimmt der Patient im Rahmen der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ selbst die Auswahl einer Apotheke vor. Dadurch, dass dem Patienten zum einen die Auswahl zwischen „Premium-Service“ und der Option „Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)“ angeboten wird, und dadurch, dass der Patient im Rahmen der letzteren Option eine bestimmte Apotheke auswählen kann, worauf er auch ausdrücklich hingewiesen wird, indem ihm offenbart wird, dass mit dem Premium-Service [X.]automatisch eine Apotheke für den Kunden auswählt, wird insgesamt das Recht des Patienten auf freie Apothekenwahl (§ 31 Abs. 1 S. 5 SGB V) nicht in unzulässiger Weise beschränkt.
Auch wenn im Rahmen des Premium-Service eine automatische Apothekenauswahl erfolgt, ist zu beachten, dass der Patient sein Wahlrecht bereits vorab durch Auswahl des Premium-Service am Ende des Bestellprozesses dahingehend ausgeübt hat, dass er der Plattform die Auswahl der konkreten Apotheke überlässt. Die Auswahl der konkreten Apotheke wird somit nicht ohne jegliche Einflussnahme des Patienten auf dem Weg von der ärztlichen Verschreibung bis zum Erhalt des Medikaments von der Apotheke getroffen. Vielmehr stehen dem Patienten verschiedene Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich (1) Einlösung des Rezepts bei einer vom Patienten bestimmten Apotheke mit Abholung; (2) Einlösung des Rezepts bei einer vom Patienten bestimmten Apotheke mit Versand und (3) Einlösung des Rezepts bei einer im Auftrag des Patienten von der Plattform ausgewählten Apotheke mit Versand. Im Rahmen der beiden ersten Optionen bleibt dem Patienten die Auswahl der konkreten Apotheke überlassen. Der Umstand, dass die Plattform dem Patienten – neben anderen Optionen der direkten Apothekenauswahl - die Möglichkeit gibt, die Auswahl einer konkreten Apotheke auf die Plattform zu übertragen, ist jedoch nicht unzulässig (vgl. BGH, GRUR 2016, 213 Rn. 23). Damit wird der Patient insgesamt nicht in seiner freien Apothekenwahl eingeschränkt.
(2)
[X.] wird auch nicht durch die konkrete Gestaltung und Funktionalität der Plattform „S“ in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die weiteren von der Klägerin beanstandeten Gestaltungsmerkmale den „Premium Service“ prominenter bewerben als den „Standardservice“. Dies führt jedoch noch nicht dazu, dass dem Patienten seine nach § 11 Abs. 1 [X.]geschützte Apothekenauswahlfreiheit genommen wird.
Denn entgegen der Ansicht der Klägerin wird die Option des „Standardservice“ nicht verschleiert. Vielmehr wird dem Patienten bereits zu Beginn des [X.]die alternative Option „[X.]Nur Rezept“ (blau unterlegt) gut sichtbar angeboten (vgl. S. 2 und S. 5 d. S[X.]d. AStV v. 27.05.25):
[Bild]
Unter der Formulierung „[X.]Nur Rezept“ als Gegenüberstellung zum „Premium Service Medikament + Rezept + Lieferung“ versteht der Patient, dass er im „Standardservice“ das Rezept erhält und die Einlösung des Rezeptes selbst betreiben muss. Später bei der Auswahl der Versandoptionen wird dem Patienten dann nochmals ausdrücklich erläutert, dass beim Premium-Service eine automatische Apothekenauswahl erfolgt, beim [X.]hingegen nicht. Durch diese Gestaltung des Bestellprozesses wird die Apothekenwahlfreiheit nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
(3)
Die freie Apothekenwahl des Patienten wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass auf der Plattform S nur solche Apotheken angezeigt werden, die mit der Plattform kooperieren. Denn der Patient, dem bewusst ist, dass nicht sämtliche Apotheken in Deutschland, in der [X.]und im [X.]an einer [X.] Plattform wie der von [X.]teilnehmen, hat durch den Aufruf der Plattform sein Wahlrecht bereits eigenverantwortlich auf Apotheken konkretisiert, die diesen Kommunikationskanal nutzen (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2025 – I ZR 46/24, GRUR 2025, 496 Rn. 62 – Partnervertrag).
cc.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Nutzung der Plattform [X.]durch den Beklagten das Vertrauen der Verbraucher in die Unabhängigkeit der Tätigkeit des Apothekers dahingehend beeinträchtigt wird, dass sich der Beklagte bei der Teilnahme an der Plattform von sachfremden oder finanziellen Erwägungen leiten lässt. Die Teilnahme an einer derartigen Plattform wie im Streitfall ist nicht generell unzulässig (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 62). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich und wurde von der Klägerin auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Beklagte einen finanziellen Vorteil durch die Absprache erlangt, die ihn in unzulässiger Weise gegenüber anderen Apotheken bevorzugen würde.
Nachdem der Beklagte bestritten hat, einen Partnervertrag mit [X.]zu unterhalten, der Regelungen entsprechend dem von der Klägerin vorgelegten Screenshot enthält, und nachdem er unbestritten dargelegt hat, dass er seine Rechnungen gegenüber den Patienten selbst ausstellt, hat die Klägerin insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass sich der Beklagte bei der Teilnahme an der Plattform von sachfremden oder finanziellen Erwägungen hat leiten lassen, insbesondere dass er Kenntnis von der Abrechnung einer „versteckten Servicepauschale“ hatte oder eine solche bei der Abrechnung der von ihm ausgelieferten Medikamente abgerechnet wurde. Der Vortrag der Klägerin zu Transaktionszahlen, die sich aus Bewertungen auf einer Bewertungsplattform herleiten lassen sollen, lässt keinen Rückschluss auf die Transaktionszahlen des Beklagten und eine etwaige Gefährdung der wohnortnahen Versorgung zu.
2.
Auf die Frage der Dringlichkeit kam es demnach nicht mehr an, wobei die Kammer diesbezüglich die Bedenken des Beklagten nicht teilt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 [X.]festgesetzt. Dabei war von dem in der vorgerichtlichen Abmahnung geltend gemachten Gegenstandswert von 30.000,00 [X.]auszugehen, von dem für das Eilverfahren ein Abschlag von 1/3 vorzunehmen war.
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Meta
28.05.2025
Landgericht Frankfurt am Main 6. Zivilkammer
Beschluss
Sachgebiet: O
§ 3 UWG, § 11 Abs. 1 ApoG
Zitiervorschlag: Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.05.2025, Az. 2-06 O 150/25 (REWIS RS 2025, 3564)
Papierfundstellen: REWIS RS 2025, 3564
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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I ZR 46/24 (Bundesgerichtshof)
Voraussetzungen eines unzulässigen Rezeptmakelns; Verlangen einer Nutzungsgebühr durch einen Internetmarktplatz - Partnervertrag
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