OLG München, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 26 WF 1758/14

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs eines Kindes nach Beschränkung der elterlichen Sorge durch Testament


Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Maximilian C. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 26.05.2014 und vom 31.10.2014 aufgehoben.

2. Für das Kind Maximilian C., geboren am 30.05.2008, wird eine Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung bei der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches, der dem Kind Maximilian C. nach dem Tod seines Vaters Dr. M. zusteht. Im Hinblick auf diesen Wirkungskreis wird Rechtsanwältin Sigrid H. als Ergänzungspflegerin bestellt.

Weiter umfasst der Wirkungskreis die Verwaltung des gesamten Vermögens, das das Kind Maximilian C. aufgrund des Todes seines Vaters Dr. M. erwirbt, einschließlich der Vertretung bei sämtlichen Rechtsgeschäften für die auf diesem Weg erworbenen Vermögenswerte. Als Ergänzungspflegerin für diesen Wirkungskreis wird Rechtsanwältin Christine M., ausgewählt.

3. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird für beide Rechtszüge nicht angeordnet.

4. Die Rechtsbeschwerde wird insoweit zugelassen, als die Frage betroffen ist, ob die Mutter des Kindes Maximilian C., Frau Nadine C., von der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche für das Kind durch die testamentarische Anordnung ausgeschlossen ist, so dass insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet werden muss.

Entscheidungsgründe

I. Maximilian Martin C., geboren am 30.05.2008, ist das Kind von Nadine C. und Dr. M. Den Eltern stand die gemeinsame elterliche Sorge gemäß der Sorgeerklärung vom 21.09.2011 zu. Dr. M. ist am 30.12.2013 verstorben. Er hinterlässt neben Maximilian C. keine weiteren Kinder.

Dr. M. hat am 22.07.2011 handschriftlich ein Testament verfasst, das durch das Amtsgericht - Nachlassgericht - Wolfratshausen am 17.01.2014 eröffnet wurde. In dem Testament bestimmte der Erblasser seinen Sohn Maximilian C. und seine Schwester, Elisabeth M., zu Erben zu jeweils 1/2. Zugleich wurde Testamentsvollstreckung für Maximilian C. angeordnet für den Fall, dass dieser beim Tode des Erblassers das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollte. Als Testamentsvollstreckerin wurde Elisabeth M. eingesetzt. Für den Fall, dass sie das Amt ablehne oder an der Übernahme des Amtes verhindert sei, wurde Rechtsanwältin Christine M. benannt. Weiter wurde angeordnet, dass die Mutter von Maximilian C. von der Verwaltung sämtlicher Vermögensgegenstände, die er aufgrund dieses Testaments an dem Nachlass des Erblassers erwirbt, ausgeschlossen wird, falls Maximilian C. beim Tod des Erblassers noch nicht volljährig sein sollte. Zur Pflegerin für solche Vermögenswerte wurde Elisabeth M. bestimmt, ersatzweise Christine M., wobei der Pfleger, soweit gesetzlich zulässig, von allen Beschränkungen befreit sein sollte.

Im Termin vom 10.02.2014 vor dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Wolfratshausen (Az.: VI 0003/14) erklärte Nadine C. als gesetzliche Vertreterin von Maximilian C. die Ausschlagung der angefallenen Erbschaft aus jedem Berufungsgrund.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wolfratshausen vom 21.05.2014 (Az.: 50 F 68/14) wurde die Ausschlagung der Erbschaft familiengerichtlich genehmigt. Die Genehmigung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich der Pflichtteilsanspruch des Kindes auf die Hälfte des Nachlasswertes beziehe und die testamentarische Erbfolge zugleich auf 1/2 bezogen sei. Für das Kind ergebe sich der Vorteil, dass die angeordnete Testamentsvollstreckung und damit auch die Kosten der Testamentsvollstreckung entfallen würden, wenn anstelle des Erbteils der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht würde.

Im vorliegenden Verfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts -Wolfratshausen vom 26.05.2014 für Maximilian C. eine Ergänzungspflegschaft angeordnet. Der Wirkungskreis umfasste die Vertretung bei der Verwaltung des Vermögens, das das Kind von Todes wegen erworben hat und von dessen Verwaltung die Kindesmutter qua Testament vom 22.07.2011 ausgeschlossen ist. Als Ergänzungspflegerin wurde Elisabeth M. ausgewählt.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2014 wurde namens und im Auftrag von Maximilian C., vertreten durch Nadine C., Erinnerung gegen die Auswahl der Ergänzungspflegerin im Beschluss vom 26.05.2014 eingelegt. Die Erinnerung wurde damit begründet, dass Elisabeth M. als Alleinerbin infolge der Ausschlagung der Erbschaft nunmehr den Pflichtteilsansprüchen von Maximilian C. ausgesetzt sei. Daher sei sie als Ergänzungspflegerin nach § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu übergehen. Es wurde angeregt, anstelle von Elisabeth M. den Großvater des Kindes mütterlicherseits Friedbert C. als Ergänzungspfleger zu bestellen. Christine M. sei eine Bekannte und Nachbarin von Elisabeth M. Aufgrund der persönlichen Beziehung zur Erbin sei der Verdacht einer Interessenkollision ebenfalls gegeben.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wolfratshausen vom 31.10.2014 wurde der Erinnerung teilweise abgeholfen. Als Ergänzungspflegerin mit dem Aufgabenkreis Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche des Maximilian C. gegen die Erbin Elisabeth M. wurde Rechtsanwältin H. ausgewählt. Im Übrigen verblieb es bei dem Beschluss vom 26.05.2014. Rechtsanwältin H. war bereits als neutrale, dritte Person im Genehmigungsverfahren zur Erbschaftsausschlagung zur Ergänzungspflegerin für Maximilian C. bestellt worden.

Der Erinnerungsführer beruft sich auf eine privat-schriftliche Erklärung beider Elternteile vom 28.09.2011, wonach im Falle einer Verhinderung beider Elternteile an der Ausübung der elterlichen Sorge, die auf Dauer anhalte, die elterliche Sorge von den Eltern von Nadine C., nämlich Annica C. und Friedbert C. ausgeübt werden sollte. Es wird darauf hingewiesen, dass alles, was Maximilian C. seit seiner Geburt administrativ betroffen habe, bisher Friedbert C. für ihn erledigt habe. Darüber hinaus würde Friedbert C. im Rahmen einer Ergänzungspflegschaft unentgeltlich für seinen Enkel tätig. Zudem bestehe kein Anlass, Nadine C. das Recht zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche zu nehmen. § 1638 BGB beziehe sich nur auf die Verwaltung des Erbvermögens, nicht aber auf die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche. Gegen Rechtsanwältin H. spreche, dass sie keine Kenntnis von dem Umfang des Nachlasses habe.

Auf Informationen von Seiten von Nadine C. und Friedbert C. wäre sie somit ohnedies angewiesen.

Der Senat hat an dem Beschwerdeverfahren Christine Martin beteiligt. Sie hat erklärt, dass sie bereit sei, als Ergänzungspflegerin zur Verwaltung der von Maximilian C. erworbenen Vermögenswerte tätig zu werden. Dagegen sei sie nicht bereit zur Geltendmachung seiner Pflichtteilsansprüche.

II. Auf die zulässige Beschwerde sind die beiden Beschlüsse des Amtsgerichts Wolfratshausen aufzuheben. Eine Ergänzungspflegschaft ist anzuordnen, wobei für die Verwaltung der aufgrund des Todes des Vaters erworbenen Vermögenswerte Frau Christine M. als Ergänzungspflegerin zu bestellen ist und zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen Frau Rechtsanwältin H. als neutrale dritte Person.

1. Die Erinnerung des Kindes Maximilian C. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 26.05.2014 ist als Beschwerde auszulegen. Offenkundig sollte insoweit der zulässige Rechtsbehelf eingelegt werden, wobei in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Beschlusses fälschlich die Erinnerung angegeben worden war. Richtigerweise war gegen diesen Beschluss die Beschwerde nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG statthaft. Die Ergänzungspflegerbestellung ist als Endentscheidung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG anzusehen (Staudinger-Bienwald, Neubearbeitung 2013, Rz. 119 zu § 1909 BGB).

Nachdem somit eine rechtzeitig und richtigerweise beim Amtsgericht Wolfratshausen eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.05.2014 vorliegt, ist eine gesonderte Anfechtung des Teil-Abhilfebeschlusses vom 31.10.2014 nicht notwendig. Die eingelegte gesonderte Beschwerde wurde deshalb auf Hinweis des Senats zurückgenommen. Nachdem eine Abhilfeentscheidung nach § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG verfahrensrechtlich nicht zulässig war, ist davon auszugehen, dass sich die ursprünglich zulässig eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 26.05.2014 automatisch auch gegen die unzulässige Teil-Abhilfeentscheidung vom 31.10.2014 richtet.

2. Aufgrund der Anordnung im Testament des Verstorbenen Dr. M. ist Nadine C. als Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge von einer Einschränkung der Vermögenssorge betroffen. Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen. Eine Bestimmung des Erblassers in diesem Sinn liegt vor.

Zunächst ist festzustellen, dass Nadine C. nicht nur von der Verwaltung von solchen Vermögensgegenständen ausgeschlossen ist, die Maximilian C. als Erbe von seinem Vater erwirbt. Vielmehr ist sie auch von der Verwaltung von solchen Vermögensgegenständen ausgeschlossen, die er aufgrund seines Pflichtteilsanspruchs nach seinem verstorbenen Vater erwirbt. Der Pflichtteil steht Maximilian C. aufgrund seiner Stellung als Kind des Erblassers zu, also bei enger Auslegung nicht aufgrund des Testaments. Berücksichtigt man den Sinn der Anordnung des Erblassers, die Mutter von der Verwaltung von Vermögenswerten aus dem Nachlass auszuschließen, zeigt sich, dass die Formulierung weiter zu verstehen ist. Die Besorgnis des Erblassers, wonach dem Kindesvermögen von der Mutter Schaden drohen könnte, lässt sich nicht auf den Fall einer Erbenstellung aufgrund testamentarischer Anordnung begrenzen, sondern betrifft genauso Vermögenswerte, die auf der Grundlage des Pflichtteilsanspruchs aus dem Nachlass dem Kind zufließen (Palandt-Götz, 74. Aufl., Rz. 3 zu § 1638 BGB, Münchener Kommentar BGB-Huber, 6. Aufl., Rz. 3 zu § 1638 BGB, Oberlandesgericht Hamm vom 08.08.1969, Az.: 15 W 172/69).

Die Verwaltung der Vermögensgegenstände aus dem Nachlass im Sinne des § 1638 Abs. 1 BGB umfasst nach Auffassung des Senats nicht nur die Anlage und die Verwendung von Werten, die dem Kind aufgrund seines Pflichtteilsanspruchs zufließen. Umfasst ist vielmehr von diesem Begriff auch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs einschließlich der Ermittlung seiner Höhe und einer eventuell notwendigen gerichtlichen Durchsetzung. Bereits der Pflichtteilsanspruch als solcher stellt einen Vermögenswert dar, der dem Kind nach dem Tod seines Vaters zusteht. Herr Dr. M. wollte Maximilians Mutter von der Verwaltung sämtlicher Vermögenswerte ausschließen, die dem Kind aufgrund seines Todes zukommen, somit auch von der Verwaltung, also der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Der Ausschluss nach § 1638 Abs. 1 BGB umfasst somit sowohl die Verwaltung der aufgrund des Pflichtteilsanspruchs dem Kind zufließenden Vermögenswerte als auch die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs.

3. Nachdem die allein sorgeberechtigte Mutter Nadine C. kraft Testaments von der Verwaltung ausgeschlossen ist, muss für die beiden Bereiche Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und Verwaltung der aufgrund des Pflichtteilsanspruchs erzielten Vermögenswerte ein Ergänzungspfleger gemäß §§ 1638, 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB bestellt werden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nach § 1917 Abs. 1 BGB Frau Elisabeth M. als Ergänzungspflegerin berufen ist, weil sie durch letztwillige Verfügung des Verstorbenen benannt wurde. Allerdings darf sie nach §§ 1917 Abs. 1, 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB ohne ihre Zustimmung als Ergänzungspflegerin übergangen werden, wenn ihre Bestellung das Wohl des Kindes gefährden würde. Anzusetzen ist insoweit ein objektiver Maßstab (Palandt-Götz,74. Aufl., Rz. 2 zu § 1778 BGB). Die Eingriffsschwelle liegt niedriger als in den Fällen der §§ 1666, 1667 BGB (BeckOK BGB/Bettin, § 1778 BGB Rz. 7). Für die Annahme einer Kindeswohlgefährdung genügt es, wenn die konkrete Besorgnis besteht, durch die Bestellung könnten die persönlichen oder vermögensbezogenen Interessen des Kindes erheblich beeinträchtigt werden; auf Verschulden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (Münchener Kommentar BGB/Schwab, § 1917 BGB Rz. 15, 16). Der Senat hält die Konstellation für sehr problematisch, in der die Alleinerbin sämtliche Pflichtteils- und eventuell Pflichtteilsergänzungsansprüche des Kindes zulasten des ihr verbleibenden Erbes bezahlen und anschließend gerade die von ihr bezahlten Vermögenswerte für das Kind verwalten muss. Noch deutlicher ist die Interessenkollision im Hinblick auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, die Elisabeth M. gegen sich selbst als Alleinerbin durchführen müsste. Im Hinblick auf die Verwaltung der Vermögenswerte hat der Erblasser eine Befreiung von Beschränkungen, soweit gesetzlich möglich, angeordnet. Die Möglichkeit, Einbußen beim ererbten Vermögen durch den praktisch freien Zugriff auf die als Pflichtteil ausbezahlten Summen zu kompensieren, stellt rein objektiv betrachtet einen gewissen Anreiz dar. Damit sei Frau M. nicht unterstellt, dass sie die Vermögensverwaltung nicht im Interesse des Kindes ausführen würde. Das Familiengericht kann dies aber nicht prognostisch mit Sicherheit feststellen, weil innere Vorgänge dafür maßgeblich sind. Bei objektiver Betrachtungsweise liegt eine Gefährdungslage vor. Frau Elisabeth M. ist somit von der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche ausgeschlossen. Dies hat bereits das Amtsgericht in dem Teil-Abhilfebeschluss richtig gesehen. Sie ist aber darüber hinaus auch von der Verwaltung der Pflichtteilsansprüche ausgeschlossen und somit trotz ihrer Benennung im Testament insoweit zu übergehen.

a) Im Hinblick auf die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche ist vorrangig Christine M. auszuwählen, weil sie ersatzweise durch den Erblasser als Ergänzungspflegerin benannt wurde, § 1917 Abs. 1 BGB. Frau M. lehnt es jedoch ab, als Ergänzungspflegerin die Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. Dies führt dazu, dass sie insoweit zu übergehen ist.

Eine weitere Anordnung hat der Erblasser nicht getroffen. In Frage kommen somit als Ergänzungspfleger für die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche Herr Friedbert C. als Großvater des Kindes mütterlicherseits und eine neutrale, dritte Person. Vorteile für das Kindeswohl durch eine Auswahl von Friedbert C. wären zum einen, dass Herr C. sich im Hinblick auf den Nachlass des Verstorbenen Dr. M. offenbar gut auskennt. Jedenfalls scheint er in die entsprechenden Erbauseinandersetzungen gut eingearbeitet zu sein. Weiter würde er die Tätigkeit als Ergänzungspfleger unentgeltlich ausüben und somit dem Kindesvermögen erhebliche Aufwendungen ersparen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass das Kindeswohl auch im Bereich der Vermögenssorge nicht ausschließlich durch finanzielle Interessen geprägt ist, sondern auch durch das Interesse, möglichst störungsfrei in die Familien mütterlicherseits und väterlicherseits eingebunden zu sein. Maximilian C. hat seinen Vater sehr frühzeitig verloren. Nach der Aktenlage zeichnet sich eine erbitterte Auseinandersetzung zwischen seinen Familienmitgliedern mütterlicherseits und väterlicherseits um die Vermögensgegenstände ab, die Dr. M. hinterlassen hat. Würde Friedbert C. als Ergänzungspfleger für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ausgewählt, so wäre die Besorgnis begründet, dass eine Entfremdung - vielleicht sogar eine Verfeindung - des Kindes mit seinen Familienangehörigen väterlicherseits gefördert würde. Die zu erwartenden erbitterten Auseinandersetzungen würden stets im Namen des Kindes Maximilian C. geführt. Es liegt somit nahe, dass diese Auseinandersetzung nachhaltig die familiären Beziehungen beschädigen könnte. Zudem bleibt noch zu berücksichtigen, dass Dr. M. in seiner testamentrischen Anordnung sehr eindeutig seinen Willen dokumentiert hat, dass die Mutter von Maximilian C. von sämtlichen Aufgaben der Vermögensverwaltung ausgeschlossen wird. Aufgrund des offenbar engen Verhältnisses zwischen Nadine C. und ihrem Vater ist anzunehmen, dass eine Auswahl des Großvaters mütterlicherseits dem Willen des Erblassers eher entgegenlaufen dürfte. Daran ändert auch nichts, dass Friedbert C. für den Fall der dauerhaften Verhinderung beider Elternteile an der Ausübung der elterlichen Sorge ersatzweise die elterliche Sorge übernehmen sollte. Diese Übernahme der elterlichen Sorge, die vor allem in der tatsächlichen Versorgung des Kindes auch begründet wäre, wenn beide Elternteile dauerhaft verhindert wären, ist zu unterscheiden von der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs. Offenbar wollte Dr. M. seine eigenen Familienangehörigen vor Auseinandersetzungen mit Nadine C. und damit zwingend auch mit ihrem Vater eher bewahren. Diesem Erblasserwillen würde entgegengearbeitet, wenn nunmehr Friedbert C. als Ergänzungspfleger für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ausgewählt würde.

Der Senat hält es deshalb für dem Kindeswohl dienlicher, wenn eine neutrale dritte Person die Aufgabe der Ergänzungspflegschaft übernimmt. Frau Rechtsanwältin H. wurde im Zusammenhang mit der Erbausschlagung bereits mit dem Erbfall befasst. Es ist nicht ersichtlich, dass von einer Seite Vorbehalte gegen Rechtsanwältin H. vorhanden wären. Somit bietet sie sich als neutrale, dritte Person für die Ergänzungspflegschaft an. Es ist davon auszugehen, dass dadurch eine Versachlichung in der Klärung der Pflichtteilsansprüche zwischen den beiden Familienteilen von Maximilian C. erreicht werden kann, so dass mögliche Schäden an seinem Verhältnis zu den Familien mütterlicherseits und väterlicherseits weitgehend verhindert werden können. Frau Rechtsanwältin H. hat sich bereiterklärt, die Ergänzungspflegschaft zu übernehmen.

b) Im Hinblick auf die Verwaltung der Maximilian C. nach der Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs zufließenden werte hat Dr. M. ersatzweise für seine Schwester Elisabeth M. Frau Christine M. bestimmt. Frau M. hat ihre Bereitschaft bekundet, insoweit als Ergänzungspflegerin tätig zu werden. Ein Grund, Frau M. bei der Auswahl als Ergänzungspflegerin zu übergehen, ist nicht ersichtlich. Die wenig konkretisierte Äußerung, sie stehe „im Lager“ der Familie M., ist nicht ausreichend, um eine Kindeswohlgefährdung im Sinne der §§ 1917 Abs. 1, 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu begründen. Zudem liegt es ja gerade nahe, dass der Verstorbene Dr. Meyer-Mickeleit für seinen Sohn einen Ergänzungspfleger auswählen wollte, der „im Lager“ seiner eigenen Herkunftsfamilie steht. Eingewendet wird neben einer gewissen Nähe zu der Alleinerbin Elisabeth M., dass Frau M. wenig Bezug zu Maximilian C. habe. Dies mag zutreffen, ändert aber nichts an der maßgeblichen Auswahl, die der Erblasser getroffen hat. Diese Auswahl darf nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung übergangen werden. Eine Kindeswohlgefährdung durch die Auswahl von Frau M. als Ergänzungspflegerin für die Verwaltung der Vermögenswerte ist nicht ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

IV. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 FamFG. Die Frage, ob nach § 1638 Abs. 1 BGB ein Ausschluss nur von der Verwaltung von Vermögenswerten gegeben ist, die aufgrund eines Pflichtteilsanspruchs dem Kind zufließen, oder ob auch die Geltendmachung dieser Pflichtteilsansprüche von dem Ausschluss erfasst ist, ist - soweit ersichtlich - noch nicht obergerichtlich geklärt. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung lässt der Senat insoweit die Rechtsbeschwerde zu.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

26 WF 1758/14

09.06.2015

OLG München

Entscheidung

Sachgebiet: WF

Zitier­vorschlag: OLG München, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 26 WF 1758/14 (REWIS RS 2015, 10091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10091


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 300/15

Bundesgerichtshof, XII ZB 300/15, 29.06.2016.


Az. 26 WF 1758/14

OLG München, 26 WF 1758/14, 09.06.2015.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 300/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 300/15 (Bundesgerichtshof)

Beschränkung der elterlichen Sorge durch Testament: Erbschaftsausschlagung durch ein von der Vermögensverwaltung ausgeschlossenes Elternteil


II- 5 UF 75/07 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


2 WF 232/22 e (OLG München)

Beschwerde, Testamentsvollstrecker, Kaufpreis, Sorgerecht, Erblasser, Kinder, Anordnung, Testamentsvollstreckung, Kindesvater, Miterbe, Eheleute, Nachlass, Pflegschaft, Verkauf, gesetzlicher …


IV ZR 223/03 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 300/15

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.