Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2009, Az. 5 StR 537/08

5. Strafsenat | REWIS RS 2009, 5801

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : nein Veröffentlichung : ja §§ 21e [X.] g, 192 [X.], § 338 Nr. 1 [X.] 1. Die Bestimmung des Vorsitzenden einer großen Straf- kammer ist auch nach der Neufassung des § 21g [X.] Teil der vorschriftsmäßigen Besetzung im Sinne des § 338 Nr. 1 [X.]. 2. Zur Ersetzung des ausgeschiedenen [X.]vor- sitzenden durch den zum Ergänzungsrichter bestellten neuen Vorsitzenden in einer laufenden Hauptverhandlung.
[X.], Beschluss von 8. Januar 2009 [X.] 5 StR 537/08

LG Göttingen [X.]

5 StR 537/08 [X.] vom 8. Januar 2009 in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 8. Januar 2009 beschlossen: Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2008 wird nach § 349 Abs. 2 [X.] als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. G r ü n d e
1 Das [X.] hat die Angeklagte wegen Mordes in vier Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die beson-dere Schwere der Schuld festgestellt. Die dagegen mit einer Befangenheits-rüge (§ 338 Nr. 3 [X.]) und der Sachrüge geführte Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom [X.] 2008 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]. Ebenfalls [X.] ist die Verfahrensrüge, die [X.] sei nicht vorschrifts-mäßig besetzt gewesen. 1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde: 2 a) Der mit Ablauf des 30. April 2008 in den Ruhestand getretene Vor-sitzende [X.] am [X.] F.
hatte für die am 19. Februar 2008 beginnende Hauptverhandlung die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters angeordnet. Das Präsidium hat bestimmt, dass Vorsitzender [X.] am [X.] A.

als Ergänzungsrichter mitzuwirken habe. Diesen Rich-ter bestellte das Präsidium am 23. April 2008 mit Wirkung vom 1. Mai 2008 3 - 3 - zum Vorsitzenden dieser [X.] als Nachfolger des [X.] [X.]s am [X.] F. . Vorsitzender [X.] am [X.] A.

übernahm in der [X.] Sitzung nach dem Ausscheiden des bisherigen Vorsitzenden den Vorsitz und führte das Verfahren bis zur Urteilsverkündung. Zum ständigen Vertreter des Vorsitzenden der [X.] war [X.] am [X.] S. bestimmt, der in dieser Sache als Berichterstatter tätig gewesen ist. 4 b) Die Revision macht geltend, die [X.] sei in der Person des Vorsitzenden [X.]s am [X.] A.

vom 19. bis 27. Verhandlungstag nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil dieser [X.] als nachrückender Ergänzungsrichter ohne gerichtsverfassungsrecht-liche Legitimation den Vorsitz in der Hauptverhandlung geführt habe. Den Vorsitz hätte der ständige Vertreter des [X.]vorsitzenden, [X.] am [X.] S. führen müssen. 5 6 2. Die Rüge ist [X.] im Gegensatz zur Auffassung des Generalbundes-anwalts [X.] als Besetzungsrüge gemäß § 338 Nr. 1 [X.] statthaft. Sie richtet sich zwar nicht gegen die Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s am [X.]
als Mitglied der [X.], sondern macht gel-tend, aus dem Kreis der vorschriftsmäßig berufenen [X.] hätte ein ande-rer [X.] den Vorsitz führen müssen. Indes ist auch die Bestimmung des Vorsitzenden Teil der vorschriftsmäßigen Besetzung im Sinn des § 338 Nr. 1 [X.]. a) Diese Auffassung liegt der älteren Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs [X.] wie selbstverständlich [X.] zugrunde (vgl. [X.]St 21, 40, 43; 108, 111; 131, 133; 25, 54, 55). Als ausschlaggebend hierfür ist die normativ [X.] herausgehobene Stellung des Vorsitzenden betrachtet worden, die es zu wahren gelte und die der 1. Strafsenat in [X.]St 25, 54, 55 f. wie folgt begründet und bewertet hat: —Nach § 62 Abs. 1 [X.] (jetzt § 21f [X.]) führt 7 - 4 - den Vorsitz in der [X.] der Vorsitzende [X.]. Sinn und Zweck dieser Vorschrift liegt darin, dass diese Stelle ein qualifizierter [X.] inne-haben soll. Zahlreiche Vorschriften von unterschiedlichem Gewicht (§§ 142 Abs. 1, 147 Abs. 5, 213 [X.], § 69 a.F., § 21 n.F. [X.], § 238 Abs. 1 [X.], §§ 194 Abs. 1, 176 [X.]) kennzeichnen äußerlich seine Stellung und geben den Rahmen für die besonderen Aufgaben, die der Vorsitz mit sich bringt (vgl. hierzu auch [X.], [X.] 8, 104 ff.): Die alsbaldige gründliche und zügige Durchführung der Hauptverhandlung, die im Interesse der Verfahrensbeteiligten und der Allgemeinheit liegt; die Beachtung der [X.] zur Gewährleistung eines [X.]; die allseitige Aufklärung des Sachverhalts und der Schutz des Angeklagten. All dies ist zunächst in die Hand des Vorsitzenden gelegt. Voraussetzungen dafür sind ein oft [X.] Aktenstudium und die Überwindung organisatorischer Schwie-rigkeiten, wie sie die Gewinnung von geeigneten Sachverständigen und die zeitliche Koordinierung in einem durchdachten Verhandlungsplan darstellt (vgl. dazu auch [X.] 1972, 42, 47). Schließlich obliegt es in erster Linie dem Vorsitzenden, bei wechselnder Zusammensetzung der Kammer, [X.] beim Hinzutreten jüngerer richterlicher Mitglieder, Güte und Stetigkeit ihrer Rechtsprechung und damit letztlich die Rechtssicherheit in besonderem Ma-ße zu gewährleisten (vgl. [X.]St 2, 71, 73; 21, 131, 133; [X.]Z 37, 210, 212; 49, 64, 66).fi b) Diese Rechtsauffassung ist auch angesichts geänderter [X.] heute uneingeschränkt zutreffend (vgl. [X.] in [X.] [X.] 6. Aufl. [X.] § 21e [X.] 4; § 21f [X.] 1; [X.], [X.] 51. Aufl. [X.] § 21f [X.] 3). 8 Zwar obliegt es nach der Neufassung des § 21g [X.] durch Art. 1 Nr. 6 des [X.] der Unabhängigkeit der [X.] und Gerich-te vom 22. Dezember 1999 ([X.], 2599) nicht mehr dem [X.], sondern [X.] dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichtern, die Geschäfte innerhalb überbesetzter Spruchkörper zu verteilen. Dabei muss 9 - 5 - der Beschluss über die Geschäftsverteilung hinreichend erkennen lassen, dass die [X.] und nicht der Vorsitzende das maßgebliche Kriterium für die richterliche Zuständigkeit festgelegt hat ([X.] [X.] Kammer [X.] NJW 2005, 2540, 2541). Im Blick auf die Rechtsfindung im einzelnen Verfah-ren betrifft diese Verringerung der Entscheidungskompetenz des [X.] aber nur partiell dessen Vorbereitung und lässt den normativ begründe-ten richtungweisenden Einfluss des Vorsitzenden auf die Rechtsprechung unberührt (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.] 25. Aufl. § 21f [X.] [X.] 3; [X.] aaO § 21f [X.] 2; vgl. auch [X.] aaO § 21f [X.] 2). Dem entspricht, dass die Bestellung eines Berichterstatters zur Stei-gerung der Effizienz des Spruchkörpers weiter dem [X.] werden kann (vgl. [X.]Z [VGS] 126, 63, 79; [X.]/[X.], [X.] 5. Aufl. § 21g [X.] 41; [X.] aaO § 21g [X.] 2; [X.] aaO § 21g [X.] 2) und die Vorschrift des § 21f Abs. 2 [X.] sogar betreffend die Vertretung des Vorsitzenden für das gesamte Geschäftsjahr die Bestimmung eines für diese Aufgabe am besten geeigneten [X.]s durch das Präsidium verlangt (vgl. [X.] aaO § 21f [X.] [X.] 17; [X.] in SK [X.] 49. Lfg. § 21f [X.] [X.] 4; [X.] aaO § 21f [X.] 9). c) Auch in der Rechtsprechung des [X.] wird nach der Neufassung des § 21g [X.] am Gedanken des richtunggebenden Einflusses des Vorsitzenden festgehalten (vgl. [X.] [X.] Kammer [X.] NJW 2004, 3482, 3483). Es ist lediglich offen geblieben, ob er dem einfachen Recht zuzuordnen oder ob er gar verfassungsrechtlich verankert ist ([X.] aaO). 10 3. Der [X.] lässt offen, ob die Besetzungsrüge zulässig erhoben ist. Der Verteidiger hat weder zu Beginn der Hauptverhandlung nach [X.] der Besetzung einschließlich der Ergänzungsrichterbestellung noch nach Übernahme des Vorsitzes durch den eintretenden Ergänzungsrichter einen Einwand erhoben, der zu diesem Zeitpunkt zu einer sinnvollen sachli-chen Prüfung durch das erkennende Gericht und damit möglicherweise zu 11 - 6 - einer Vermeidung einer Verfahrensrüge hätte führen können (vgl. [X.]St 51, 144, 147 f.; vgl. [X.], [X.] 51. Aufl. § 238 [X.] 10). Zwar ist nach bisherigem Verständnis die Präklusionsregelung des § 222b [X.] i.V.m. § 338 Nr. 1 [X.] auf Besetzungsfehler nicht anwendbar, die [X.] wie hier von der Revision geltend gemacht [X.] erst im Laufe der [X.] eingetreten sind ([X.]St 44, 361, 364 m.w.N.; [X.] StraFo 2005, 162, 163). Der [X.] lässt indes offen, ob hieran festzuhalten ist (entsprechend [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2008 [X.] 1 [X.], zur Veröffentlichung in [X.]St bestimmt; vgl. auch [X.]R [X.] § 222b Abs. 2 Satz 3 Besetzungsänderung 1) oder ob etwa in der vorliegenden Fall-gestaltung [X.] wie der [X.] meint [X.] eine erweiternde [X.] zum Anwendungsbereich von § 238 Abs. 2 [X.] mangels Beanstan-dung zum [X.] führen könnte (vgl. [X.] in [X.] 6. Aufl. § 238 [X.] 28 ff.). 12 13 4. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die [X.] war mit Vorsitzendem [X.] am [X.] A. als Vorsitzendem vorschriftsmäßig besetzt. Nach dem Übertritt des bisherigen Vorsitzenden der Schwurgerichts-kammer in den Ruhestand war das Präsidium des [X.]s gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 [X.] berechtigt und verpflichtet, den ausgeschiedenen Vorsitzenden während des Geschäftsjahres im Wege eines Wechsels im Sinne dieser Vorschrift zu ersetzen. Die Nachfolgeregelung ist umfassend für die [X.] erfolgt. Sie erfasst auch den Ausnahmefall einer begonnenen Hauptverhandlung, in welcher der neue [X.]vorsitzen-de bislang als Ergänzungsrichter mitgewirkt hat. Sie ist gegenüber der zum Beginn des Geschäftsjahres gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 [X.] getroffenen Vertreterregelung vorgreiflich (vgl. auch [X.] aaO § 21f [X.] 15). 14 - 7 - Wollte man jene Neuregelung auf Fälle einer bereits begonnenen Hauptverhandlung nicht anwenden, gälte nichts anderes. Denn mit der Be-stellung eines Vorsitzenden [X.]s zum Ergänzungsrichter, zumal desjeni-gen, der später als Nachfolger des zunächst amtierenden Vorsitzenden beru-fen wurde [X.] was ausdrücklich im Blick auf dessen bevorstehende Pensionie-rung und seine deshalb drohende dauernde Verhinderung erfolgt ist (Revisi-onsbegründung Rechtsanwalt [X.]) [X.] hat das Präsidium hier zu-gleich die Ersetzung des zunächst berufenen [X.]vorsitzenden durch jenen Ergänzungsrichter für den Fall des Eintritts der drohenden [X.] Verhinderung des Vorsitzenden angeordnet. Diese im Sinne gebote-ner optimaler Verfahrensförderung sachgerechte Regelung (vgl. [X.]St 21, 108, 111 f.; 44, 161, 170; [X.], Beschluss vom 22. Mai 2007 [X.] 5 StR 94/07) war mit dem Eintritt des Ergänzungsrichters in den Vorsitz zu befolgen. 15 Basdorf Brause Schaal [X.] König

Meta

5 StR 537/08

08.01.2009

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2009, Az. 5 StR 537/08 (REWIS RS 2009, 5801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5801

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