Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2018, Az. VIII ZB 57/16

8. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14789

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Gegenstand

Statthaftigkeit der Berufung: Wert des Beschwerdegegenstandes bei abgewiesener Klage des Wohnraummieters gegen den Vermieter auf Zustimmung zur Tierhaltung; Erforderlichkeit einer Einzelfallprüfung


Leitsatz

1. Wird eine Klage des Mieters gegen den Vermieter auf Zustimmung zur Tierhaltung in der gemieteten Wohnung abgewiesen, erfordert die Beurteilung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes einer dagegen gerichteten Berufung die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigt, eine umfassende Betrachtung des auf die begehrte Tierhaltung in der Mietwohnung gerichteten Interesses des Mieters. Das schließt subjektive Gesichtspunkte ein, weil die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglicht. Daher sind nicht nur objektive Kriterien, sondern namentlich die Beweggründe und Bedürfnisse des Mieters zu berücksichtigen.

2. Diese Gewichtung lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die zu berücksichtigenden Umstände individuell und vielgestaltig sind, so dass sich jede schematische Lösung verbietet (Fortentwicklung der Senatsurteile vom 14. November 2007, VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218 Rn. 19; vom 20. März 2013, VIII ZR 168/12, NJW 2013, 1526 Rn. 19).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 16. August 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 1.200 €.

Gründe

I.

1

Die mittlerweile im Rentenalter befindlichen Kläger sind Mieter einer in [X.]     gelegenen Wohnung der [X.] und hielten dort fast vierzig Jahre Hunde, zuletzt eine Schäferhündin. Nach deren Tod baten die Kläger die Beklagte vergeblich, die Haltung eines neuen Hundes in der Wohnung zu genehmigen. Die Beklagte machte geltend, die Kläger hätten mit ihrem vorherigen Hund den [X.] gestört und Gemeinschaftsflächen nicht vertragsgemäß genutzt.

2

Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom 27. Juni 2014, wonach die Hundehaltung "für die psychische Situation [der Kläger] sinnvoll" sei, haben diese beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Haltung eines Hundes, der älter als vier Jahre, erzogen und ruhig, maximal 30 cm groß sowie maximal 75 cm lang sei - mit Ausnahme eines Kampfhundes, eines Dobermanns, eines Rottweilers und dergleichen - zu genehmigen.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei die von der [X.] verwendete mietvertragliche Formularbestimmung, wonach nahezu jedwede Tierhaltung in der gemieteten Wohnung genehmigungsbedürftig sei, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der geltend gemachte Anspruch stehe den Klägern aber dennoch nicht zu, weil sie ihre vorherige Hündin in einer den [X.] störenden Weise gehalten und Gemeinschaftsflächen nicht vertragsgemäß genutzt hätten; es sei nicht zu vermuten, dass sich eine zukünftige Hundehaltung anders gestalte. Den [X.] hat das Amtsgericht auf 1.200 € festgesetzt und zur Begründung das "Interesse der Kläger" und insbesondere den Umstand angeführt, "dass diese sich auch auf medizinische Gründe berufen" hätten.

4

Gegen das Urteil des Amtsgerichts haben die Kläger Berufung eingelegt. Nach einem entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer hat das Berufungsgericht das Rechtsmittel durch Beschluss vom 16. August 2016 gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der erforderliche Wert des [X.] von mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) sei nicht erreicht. Die Kammer bemesse das Interesse eines Mieters an der Haltung eines Tieres in der gemieteten Wohnung regelmäßig mit 400 €. Ob das wirtschaftliche Interesse des Mieters in besonders gelagerten Einzelfällen höher bewertet werden könne, bedürfe keiner Entscheidung, weil ein solcher Ausnahmefall ersichtlich nicht vorliege.

5

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Kläger in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

8

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

9

a) Allerdings hat die Rechtsbeschwerde unter den hier gegebenen Umständen nicht schon deshalb Erfolg, weil das Berufungsgericht die aus seiner Sicht gebotene Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind, nicht nachgeholt hat.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] hat das Berufungsgericht zwar, bevor es die Berufung mangels - aus seiner Sicht - nicht ausreichender Beschwer verwerfen darf, eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil es auf der Grundlage seiner Wertbemessung von einer Beschwer der unterlegenen [X.] ausgegangen ist, die 600 € übersteigt. Denn die unterschiedliche Bewertung der Beschwer darf nicht zu Lasten der [X.] gehen ([X.], Urteile vom 14. November 2007 - [X.], [X.], 218 Rn. 12; vom 10. Februar 2011 - [X.], NJW 2011, 926 Rn. 15; Beschlüsse vom 3. Juni 2008 - [X.], [X.], 614 Rn. 5; vom 21. April 2010 - [X.] 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn. 18; vom 27. April 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1582 Rn. 3; vom 15. Juni 2011 - [X.], NJW 2011, 2974 Rn. 14; vom 29. April 2014 - [X.], juris Rn. 7; vom 21. Januar 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 509 Rn. 15; vom 8. März 2017 - [X.], juris Rn. 11).

Eine solche Entscheidung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall unterlassen, obwohl das Amtsgericht ersichtlich von der Zulässigkeit einer Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausgegangen ist, denn es hat den Streitwert auf 1.200 € festgesetzt und hatte daher aus seiner Sicht keine Veranlassung, über die Zulassung der Berufung zu befinden.

bb) Auf diesem Rechtsfehler des Berufungsgerichts beruht der angefochtene Verwerfungsbeschluss jedoch nicht. Die fehlende Prüfung der Zulassung der Berufung durch das Berufungsgericht ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich geworden, weil eine Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 24. März 2016 gemäß § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht in Betracht gekommen wäre.

(1) Dies kann der [X.] - anders als im Fall einer vom Berufungsgericht nachgeholten Zulassungsentscheidung ([X.], Beschlüsse vom 6. Oktober 2011 - [X.], [X.], 698 Rn. 2, 6; vom 26. Oktober 2011 - [X.] 561/10, NJW-RR 2012, 126 Rn. 15 f.; vom 9. Februar 2012 - [X.]/11, juris Rn. 3, 15; vom 21. Januar 2016 - [X.], aaO Rn. 2, 16) - im Rechtsbeschwerdeverfahren selbst prüfen, wenn die getroffenen tatsächlichen Feststellungen - wie hier - eine solche Entscheidung gestatten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. September 2013 - [X.], [X.] 2013, 1258 Rn. 22; vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.], 402 Rn. 12; vom 1. März 2012 - [X.], juris Rn. 3 f.; vom 19. Mai 2011 - [X.]/10, [X.], 432 Rn. 5; vom 12. April 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1079 Rn. 12; vom 23. März 2011 - [X.] 436/10, NJW-RR 2011, 998 Rn. 15; vom 21. April 2010 - [X.] 128/09, aaO Rn. 21).

(2) Ein Grund für die Zulassung der Berufung liegt im gegebenen Fall nicht vor, weil die hier erhobene Klage auf Erteilung der Zustimmung zur Haltung eines (näher bezeichneten) Hundes in der von den Klägern gemieteten Wohnung keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist (§ 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere weicht das Urteil des Amtsgerichts nicht von der Rechtsprechung des [X.]s zur Wirksamkeit eines formularmäßigen Tierhaltungsverbots in einem Wohnraummietvertrag ab ([X.]surteile vom 14. November 2007 - [X.], aaO Rn. 14 ff.; vom 20. März 2013 - [X.], NJW 2013, 1526 Rn. 15 ff.). Der Rechtsstreit hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, zumal die vorgenannten [X.]surteile auch Grundsätze dazu aufgestellt haben, wie die Frage zu beurteilen ist, ob die Haltung von Haustieren in dem Fall, dass eine mietvertragliche Regelung fehlt, zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört. Auch die Rechtsbeschwerde rügt nicht, dass ein Grund zur Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts gegeben wäre.

b) Es bedarf jedoch einer Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), weil der angefochtene Verwerfungsbeschluss auf einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Bemessung des Wertes des von den Klägern geltend gemachten [X.] (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) beruht. Dieser übersteigt entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Wertgrenze von 600 €.

aa) Die gemäß §§ 2, 3 ZPO im freien Ermessen des Berufungsgerichts liegende Bestimmung des Werts des [X.] kann allerdings vom [X.] nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht, etwa weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat, die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat ([X.]surteile vom 19. November 2014 - [X.], NJW 2015, 873 Rn. 14; vom 14. November 2007 - [X.], aaO Rn. 9; [X.], Beschlüsse vom 17. November 2017 - [X.], juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - [X.]/16, [X.], 358 Rn. 15; vom 17. November 2015 - [X.], [X.], 96 Rn. 9; jeweils mwN).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft angenommen, der gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des [X.], der hier dem Wert der Berufungsbeschwer der Kläger entspricht, werde nicht erreicht, weil es bei der Ausübung seines Ermessens zu berücksichtigende Umstände nicht in Betracht gezogen hat.

(1) Allerdings ist umstritten, nach welchen Kriterien der Wert des [X.] einer Berufung des Mieters einer Wohnung, dessen Klage auf Zustimmung zu der begehrten Tierhaltung in erster Instanz ohne Erfolg geblieben ist, zu bemessen ist.

Zum Teil wird die Auffassung vertreten, der Wert des [X.] einer Berufung des Mieters, dessen [X.] erstinstanzlich ohne Erfolg geblieben ist (oder der erstinstanzlich verurteilt worden ist, Tierhaltung in der Mietwohnung zu unterlassen), erreiche die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wertgrenze grundsätzlich nicht ([X.] [Zivilkammer 67], [X.], 526; [X.] 1996, 470 f.; [X.] [Zivilkammer 61], [X.], 41). Dabei wird zum Teil auf ein ideelles Interesse des [X.] abgestellt (vgl. [X.] [Zivilkammer 63], [X.], 41; Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 63 S 300/02, nicht veröffentlicht), zum Teil auf nicht näher konkretisierte objektive Gesichtspunkte ([X.], Beschluss vom 15. Oktober 2004 - 63 S 294/04, nicht veröffentlicht) oder - wie die vorgenannte Kammer in dem hier angefochtenen Beschluss entschieden hat - auf ein ebenfalls nicht näher konkretisiertes wirtschaftliches Interesse des Mieters.

Andere Entscheidungen messen das Interesse des Mieters an der Tierhaltung an dem vertraglichen Recht, die Wohnung zu Wohnzwecken zu nutzen ([X.], [X.], 94) oder an den fiktiven Kosten der zusätzlichen Abnutzung der Wohnung durch das Tier ([X.], [X.], 586; [X.], Beschluss vom 10. Oktober 1986 - 7 [X.]/86, juris). Maßstab sei jeweils ein geringer Teil der vereinbarten Monatsmiete, der in Anlehnung an § 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag zu vervielfältigen sei ([X.] aaO; [X.] aaO; [X.] aaO).

Eine vereinzelt gebliebene Entscheidung hält ebenfalls einen wirtschaftlichen Gesichtspunkt, nämlich den verkehrsüblichen Preis des Tieres, für maßgeblich ([X.], [X.], 127 f.).

Nach einer weiteren Ansicht kommt es im Einzelfall auf die Bedeutung der Tierhaltung für die Lebensführung des Mieters an ([X.] [16. Zivilkammer], [X.], 532 f.; [X.], 248; [X.], [X.], 291; [X.], [X.], 545 f.; [X.], Mietrecht, 13. Aufl., § 535 BGB Rn. 573 f.; ebenso zum [X.]: [X.] [Zivilkammer 65], [X.] 2016, 1444; [X.], [X.], 296 f.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass der [X.] der Lebensführung des Mieters diene; damit fänden auch subjektive Gesichtspunkte Eingang in die Bewertung ([X.], [X.], aaO).

(2) Die letztgenannte Ansicht ist vorzugswürdig.

(a) Die Bemessung des Wertes des [X.] nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an dem Erfolg seines Rechtsmittels ([X.], Beschluss vom 24. November 1994 - [X.], [X.]Z 128, 85, 88; [X.]sbeschluss vom 17. Mai 2006 - [X.], [X.], 2639 Rn. 8). Die Beschwer der in der ersten Instanz unterlegenen [X.] am Erfolg ihres Rechtsmittels hängt dabei maßgebend von ihrem wirtschaftlichen Interesse ab ([X.], Beschluss vom 24. November 1994 - [X.], aaO; [X.]surteil vom 19. November 2014 - [X.], aaO Rn. 16; jeweils mwN).

Ein wirtschaftliches Interesse des Mieters besteht auch an der Nutzung der ihm gegen Zahlung der vereinbarten Miete überlassenen Wohnung nach Maßgabe seiner im Rahmen des vertragsgemäßen [X.]s bestehenden Nutzungswünsche. Das schließt subjektive Gesichtspunkte ein, weil die Wohnung für jedermann Mittelpunkt seiner privaten Existenz ist und dem Einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglicht (BVerf[X.] 89, 1, 6; [X.]surteil vom 14. Dezember 2016 - [X.], [X.], 547 Rn. 55 mwN). Das Interesse am [X.] der Wohnung lässt sich somit nicht ausschließlich oder in erster Linie an objektiven Kriterien messen, sondern hängt auch mit den persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen des Mieters zusammen (vgl. BVerf[X.] 79, 292, 304 f.).

(b) Somit bietet ein Regelwert, sei es unterhalb oder auch oberhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, keine geeignete Orientierungshilfe, um den Wert des [X.] in Streitigkeiten um die Vertragsmäßigkeit der Tierhaltung in Mietwohnungen zu bestimmen. Die Beantwortung der Frage, ob der Wert des [X.] einer Berufung des Mieters bei Streit um die Berechtigung zur Tierhaltung in der Wohnung 600 € übersteigt, erfordert vielmehr eine umfassende Betrachtung des auf die Tierhaltung gerichteten Interesses des Mieters. Die Beurteilung des Werts des [X.] lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände individuell und vielgestaltig sind, so dass sich jede schematische Lösung verbietet (vgl. [X.]surteile vom 14. November 2007 - [X.], aaO Rn. 19; vom 20. März 2013 - [X.], aaO Rn. 19).

Ebenso wenig wie ein Regelwert trägt auch ein Prozentsatz der vereinbarten Miete dem Interesse des Mieters an Tierhaltung in der gemieteten Wohnung nicht Rechnung, zumal in Privatwohnungen gehaltene Haustiere typischerweise keine Nutztiere sind, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt sind, sondern aus Liebhaberei oder sonstigen ideellen Zwecken gehalten werden.

Daher sind bei der Bestimmung des Werts des geltend gemachten [X.] einer Berufung des in erster Instanz unterlegenen [X.] außer der Art und Anzahl der Tiere namentlich die persönlichen Verhältnisse des Mieters zu betrachten, wie etwa sein Alter sowie das Gewicht seiner Bedürfnisse und Beweggründe, die etwa kommunikativer, therapeutischer oder pädagogischer Art sein und von Freude an der Tierhaltung und der [X.] bis zum Angewiesensein auf das Tier reichen können.

(3) Diesen Maßstäben wird die angefochtene [X.] nicht gerecht. Zwar kann es im Einzelfall nicht zu beanstanden sein, den Wert des [X.] einer in erster Instanz erfolglosen Klage des Mieters auf Zustimmung zur Tierhaltung unterhalb der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO anzusetzen (vgl. [X.]surteil vom 14. November 2007 - [X.], aaO Rn. 10 mwN). Das Berufungsgericht hat jedoch einen schematischen und zudem ausnahmslos auf ein wirtschaftliches Interesse des Mieters verengten Blickwinkel eingenommen. Dadurch hat es sich die Sicht auf maßgebliche Umstände des [X.] verstellt. So haben die Kläger, die ohnehin seit langer Zeit ein Haustier in der Wohnung gehalten haben, ihr weiteres Interesse an der Tierhaltung unter Anführung gesundheitlicher Gründe dokumentiert; dies hat das Amtsgericht zu Recht bei der Festsetzung des Streitwerts berücksichtigt.

Das Berufungsgericht hat den Wert des [X.] zwar nach eigenem freiem Ermessen ohne Bindung an einen für die erste Instanz festgesetzten Streitwert zu bestimmen ([X.]surteil vom 14. November 2007 - [X.], aaO Rn. 12; [X.], Beschluss vom 8. Mai 2012 - [X.] und [X.], [X.], 2523 Rn. 10). Gleichwohl muss das Berufungsgericht die bei Ausübung seines Ermessens in Betracht zu ziehenden Umstände von sich aus berücksichtigen. Danach übersteigt der Wert des [X.] im Streitfall ersichtlich 600 €.

III.

Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der [X.] macht dabei von der Möglichkeit des § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO Gebrauch.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden gemäß § 21 GKG nicht erhoben.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Dr. Bünger     

      

Kosziol     

      

Meta

VIII ZB 57/16

30.01.2018

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 16. August 2016, Az: 63 S 120/16

§ 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 535 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2018, Az. VIII ZB 57/16 (REWIS RS 2018, 14789)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 462-463 REWIS RS 2018, 14789

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