Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2003, Az. IX ZB 44/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1603

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[X.] ZB 44/03vom18. September 2003in dem [X.]:ja[X.]Z:nein [X.] § 4a Abs. 2, § 175 Abs. 2, § 302 Nr. 1Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubtenHandlung zur Tabelle angemeldet, so ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts ge-mäß § 4a Abs. 2 [X.] nicht allein wegen eines dem Schuldner gemäß § 175 Abs. 2[X.] vom Insolvenzgericht erteilten Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 302 Nr. 1[X.] und die Möglichkeit des Widerspruchs zu versagen. Vielmehr ist ein Rechts-anwalt beizuordnen, wenn der Schuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten dartut,daß er nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen im konkreten Fallnicht in der Lage ist, ohne anwaltliche Hilfe eine Entscheidung über die Zweckmä-ßigkeit der Erhebung des Widerspruchs zu treffen.[X.], Beschluß vom 18. September 2003 - [X.]/03 - [X.]AG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.]. [X.] und [X.] Ganter, [X.], Dr. Bergmann und am 18. September 2003beschlossen:Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der [X.] vom 27. Januar 2003 wird auf [X.] Schuldners zurückgewiesen.Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wirdauf 750 Gründe:[X.] Beschluß vom 11. September 2002 eröffnete das [X.] das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.](nachfol-gend: Schuldner). Die Kosten des Insolvenzverfahrens sowie die Kosten [X.] wurden dem Schuldner durch Beschluß vom 5. Juli 2002gestundet. Mit Verfügung vom 21. November 2002 belehrte das Insolvenzge-richt den Schuldner nach § 175 Abs. 2 [X.], daß die [X.]imlaufenden Insolvenzverfahren eine Forderung aus einer vorsätzlich begange-nen unerlaubten Handlung angemeldet und daß der Schuldner in dem auf den- 3 -9. Dezember 2002 anberaumten Prüfungstermin die Möglichkeit habe, zubestreiten, daß die Forderung überhaupt bestehe, oder er den [X.] beschränken könne, daß die Forderung nicht aus einer vorsätzlich be-gangenen Handlung herrühre. Weiter wurde der Schuldner darauf hingewie-sen, daß er nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode nicht von dieser Forderungfrei werde, sollte ein Widerspruch unterbleiben und die Forderung vom [X.] festgestellt werden.Mit am Tage des Prüfungstermins eingegangenem Schriftsatz vom6. Dezember 2002 beantragte Rechtsanwalt [X.], ihn dem Schuldner gemäߧ 4a Abs. 2 [X.] für das Verfahren beizuordnen. Er nahm für den Schuldner andiesem Termin teil und widersprach bezüglich der angemeldeten Forderungder [X.] der Behauptung des Haftungsgrundes einer vorsätzlichbegangenen unerlaubten Handlung.Mit Beschluß vom 10. Dezember 2002 hat das Insolvenzgericht den [X.] abgelehnt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hatdas Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, daß die vom Schuldnervorgetragene Schwierigkeit hinsichtlich der angemeldeten Forderung aus un-erlaubter Handlung "jedenfalls im gegenwärtigen Verfahrensstand" nicht aus-reiche, die Beiordnung zu rechtfertigen.Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter.[X.] 4 -Das gemäß § 7 [X.], § 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, §§ 575, 576 ZPOzulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.1. Gemäß § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.] wird dem Schuldner, wenn ihm [X.] gestundet werden, auf Antrag ein zur Vertretung bereiterRechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, falls die Vertretung durch einenRechtsanwalt trotz der dem Gericht obliegenden Fürsorge erforderlich [X.]) Bei der Schaffung der Neuregelung des § 4a [X.] ging der [X.] davon aus, daß der Schuldner im Insolvenzverfahren regelmäßig selbstseine Rechte wahrnehmen kann. Allerdings obliegt dem Gericht eine Fürsor-gepflicht, die insbesondere in Verbraucherinsolvenzverfahren gegenüber denhäufig Rechtsunkundigen auch eine eingehende Beratung erforderlich [X.]. Vor diesem Hintergrund soll die Beiordnung eines Rechtsanwalts [X.] zulässig sein, wenn dies, etwa wegen der Schwierigkeit der Sach- [X.], erforderlich erscheint (vgl. [X.], BT-Drucks. 14/5680, S. 21).Der Gesetzgeber hat demnach die Voraussetzungen einer Beiordnung in § 4aAbs. 2 Satz 1 [X.] enger als im Rahmen der insoweit nicht anwendbaren Re-gelung der Prozeßkostenhilfe gemäß § 121 ZPO gefaßt. Etwa ist - anders [X.] § 121 Abs. 2 ZPO - eine Beiordnung nicht schon deswegen vorzunehmen,weil der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten [X.]) Hat ein Gläubiger eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenenunerlaubten Handlung angemeldet, so hat das Insolvenzgericht gemäß § 175Abs. 2 [X.] den Schuldner auf die Möglichkeit des Widerspruchs und daraufhinzuweisen, daß nach § 302 Nr. 1 [X.] Verbindlichkeiten des Schuldners aus- 5 -einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung - sofern sie ordnungsge-mäß beim Insolvenzverwalter angemeldet wurden - von der Erteilung der Rest-schuldbefreiung ausgenommen sind.Die - häufig formularmäßige - Erfüllung dieser [X.] rechtliche Beratung, die den Schuldner in die Lage versetzt, eigenver-antwortlich zu entscheiden, ob die Einlegung eines Widerspruchs bei der [X.] Sach- und Rechtslage zweckmäßig ist.Auf eine zuverlässige Einschätzung der Sach- und Rechtslage ist [X.] im Hinblick auf die mit der Erhebung oder dem Unterlassen des [X.] verbundenen weitreichenden Rechtsfolgen jedoch angewiesen.Unterbleibt der Widerspruch, obwohl die Voraussetzungen für die Durchset-zung eines solchen Anspruches nicht vorliegen, umfaßt die Restschuldbefrei-ung diese Forderung gemäß § 302 Nr. 1 [X.] nicht. Legt er hingegen [X.] ein, kann der Insolvenzgläubiger nach § 184 [X.] Klage auf Feststel-lung der Forderung gegen den Schuldner erheben. Dem damit verbundenenKostenrisiko kann der Schuldner schwerlich dadurch entgehen, daß er [X.] anerkennt (a.A. AG Göttingen, [X.], 221, 222). [X.] damit im allgemeinen nicht die Kosten gemäß § 93 ZPO auf den Gläu-biger verlagern, weil er durch den Widerspruch regelmäßig zur Erhebung einerentsprechenden Feststellungsklage Veranlassung gegeben hat. Der [X.] steht zwar einer Feststellung der Forderung nicht entgegen, § [X.]. 1 Satz 2 [X.], doch hindert er eine Vollstreckung aus der Tabelle, solan-ge er nicht durch ein entsprechendes Feststellungsurteil beseitigt worden ist,§ 201 Abs. 2 Satz 2 [X.] ([X.] Kommentar-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 302- 6 -Rn. 11). Damit stellt sich die Erhebung der Feststellungsklage grundsätzlich alsnotwendige prozessuale Reaktion des Gläubigers auf den Widerspruch dar.Einer solchen Klage und dem damit verbundenen Kostenrisiko wird sichder Schuldner aber nur aussetzen, wenn die angemeldete Forderung nicht be-steht oder zweifelhaft ist, ob sie aus einer vorsätzlich begangenen Handlungherrührt. Ist dies nicht der Fall, wird er vernünftigerweise von der [X.] Widerspruchs absehen. Dem Schuldner darf es demnach nicht zugemu-tet werden, den Widerspruch aufgrund seiner Rechtsunkundigkeit sozusagen"ins Blaue hinein" einzulegen.c) Eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts, den Schuldner über [X.] der Einlegung eines Widerspruches zu beraten, läßt sich [X.] aus der dem Insolvenzgericht obliegenden Fürsorge gemäß § 4a Abs. 2Satz 1 [X.] herleiten.Im Rahmen dieser Pflicht kann das Gericht u.a. der rechtsunkundigenPartei den Inhalt und die Auswirkung gesetzlicher Vorschriften erläutern, Hin-weise geben, auf die Beseitigung widersprüchlicher und mehrdeutiger Partei-angaben hinwirken und für die sachdienliche Fassung von Anträgen sorgen.Die Grenzen der Fürsorgepflicht sind jedoch dann erreicht, wenn das Gerichtseine Pflicht zur Neutralität und Gleichbehandlung der Beteiligten verletzt (vgl.zur Hinweispflicht gemäß § 139 [X.]/[X.], ZPO 23. Aufl. § 139 Rn. 2m.w.[X.] Grenzen wären überschritten, wenn die Fürsorgepflicht das Insol-venzgericht in dem hier maßgeblichen Zusammenhang dazu nötigte, die Auf-- 7 -klärung des der angemeldeten Forderung zugrundeliegenden Sachverhalts zubetreiben oder eine darauf gestützte rechtliche Bewertung einschließlich eineretwaigen Beweiswürdigung vorzunehmen. Das sind im [X.] anwaltliche Aufgaben und Pflichten. Denn dieses Verfahren dientnicht der Klärung bestrittener Forderungen. Diese hat vielmehr im ordentlichenStreitverfahren zu erfolgen (hier nach §§ 184, 180 Abs. 1 [X.]). Ein [X.] Verständnis der gerichtlichen Fürsorgepflicht würde nicht nur dietatsächlichen Möglichkeiten der Insolvenzgerichte überfordern, sondern es wä-re auch mit der Stellung des Gerichts als objektiver - der Parteinahme entzo-gener - Sachwalter unvereinbar. Die gerichtliche Fürsorgepflicht kann die spe-zifischen anwaltlichen Aufgaben und Pflichten nicht ersetzen. Wären die ge-richtliche Fürsorgepflicht und der anwaltliche Pflichten- und Aufgabenkreisdeckungsgleich, wäre die Möglichkeit der Beiordnung - wie in § 4a Abs. 2Satz 1 [X.] vorgesehen - überflüssig. Deswegen kann eine anwaltliche Bei-ordnung nicht unter [X.] Hinweis auf die gerichtliche Fürsorgepflichtunterbleiben (vgl. auch [X.] NJW 1997, 2103, 2104).d) Demnach kommt eine anwaltliche Beiordnung gemäß § 4a Abs. 2Satz 1 [X.] zur Beratung über die Zweckmäßigkeit der Einlegung eines [X.]es grundsätzlich in Betracht. Die Bewilligung im Einzelfall hängt [X.], daß der Schuldner - im Rahmen seiner laienhaften Möglichkeiten - demInsolvenzgericht einsichtig macht, daß er nach seinen persönlichen Fähigkei-ten und Kenntnissen - gemessen an der konkret angemeldeten Forderung ausvorsätzlich begangener unerlaubter Handlung - nicht in der Lage ist, ohne an-waltliche Hilfe eine selbstverantwortliche Entscheidung über die Zweckmäßig-keit der Erhebung eines Widerspruchs zu treffen. Für diese Darlegung muß- 8 -das Insolvenzgericht dem Schuldner eine angemessene Überlegungsfrist [X.] Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene [X.] Ergebnis nicht zu beanstanden.Die Darlegungen des - anwaltlich beratenen - Schuldners zur [X.] einer anwaltlichen Beiordnung gemäß § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.] reichennicht aus. In seinem Antrag vom 6. Dezember 2002 hat sich der [X.] lediglich darauf beschränkt mitzuteilen, der [X.] sei der Auffassung, "daß es sich nicht um eine [X.] unerlaubter Handlung" handele. Weitergehende konkretisierende auf [X.] und die angemeldete Forderung bezogene Angaben fehlen. Auch inder Begründung der Erstbeschwerde beschränkt sich der Beschwerdeführerauf allgemeine, vom konkreten Sachverhalt losgelöste Ausführungen über "re-gelmäßig" beim Schuldner nicht vorhandene Rechtskenntnisse der "[X.]" einer gegen ihn angemeldeten Forderung aus vorsätzlich [X.] unerlaubter Handlung.[X.] Ganter [X.] Bergmann

Meta

IX ZB 44/03

18.09.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2003, Az. IX ZB 44/03 (REWIS RS 2003, 1603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1603

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