Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. VIII ZR 215/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10371

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080616UVIIIZR215.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VIII [X.]/15
Verkündet am:

8. Juni 2016

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 286 Abs. 2 Nr. 1;
StromGVV, § 17 Abs. 1 Satz 1
Einem Grundversorger steht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu, so dass ein Stromkunde im [X.] mit Ablauf eines vom Versorger in der Rechnung mitgeteilten Datums ohne Mahnung in Verzug gerät, sofern dieses Datum wenigstens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung liegt.
[X.], Versäumnisurteil vom 8. Juni 2016 -
VIII [X.]/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
Juni 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, die Richterinnen Dr.
Hessel und Dr.
Fetzer sowie die Richter Dr.
[X.] und Kosziol
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 31.
August 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als hinsichtlich der Zinsforderung zum Nachteil der Klägerin er-kannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin begehrt
die Vergütung von Stromlieferungen, die nach ihrer Behauptung im Rahmen der Grundversorgung erfolgt sind; in der Revisions-instanz steht
nur noch
ein
Teil der Zinsforderung
im Streit.

1
-
3
-
Die Klägerin,
ein Energieversorgungsunternehmen, belieferte den [X.] mit
Allgemein-
und Heizstrom für seinen Haushalt.
Mit Schreiben vom 6.
September 2010 erteilte sie ihm
eine "Schlussrechnung"
in Höhe eines Ge-samtbetrags von 6.312,05

In dem
Rechnungsschreiben
vom 6. September 2010
heißt es:
"[]
Bitte begleichen Sie unsere Forderung in Höhe von 6.312,05

zum 21.09.2010 unter Angabe Ihrer Vertragskontonummer [].
Die Zusammensetzung des [X.] wird auf den nachfolgenden Seiten erläutert. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ihren An-sprechpartner in unserem Hause.
[X.] []"
Die Klägerin hat ihre Forderung
mit am 1.
Februar 2011 dem [X.]n zugestellten Mahnbescheid geltend gemacht, gegen den der [X.] [X.] eingelegt hat.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Dies hat die Klägerin in Hö-vom
[X.]n insoweit erklärten Aufrechnung [X.] und im Übrigen Berufung eingelegt. Das [X.] hat die erst-instanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage unter deren Abweisung im

nebst Zinsen seit dem 1.
Februar 2011 stattge-geben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Kläge-rin
die Verzinsung der ihr zugesprochenen Vergütungsforderung bereits ab dem 22.
September 2010.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
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-
4
-
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu [X.], da der [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ord-nungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Ur-teil indessen nicht auf der Säumnis des [X.]n, sondern auf einer Sachprü-fung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962

[X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Verzinsung ihrer [X.] erst seit dem 1.
Februar 2011, dem [X.] des Mahnbe-scheids. Erst durch diese Zustellung sei der [X.] gemäß §
286 Abs.
1 Satz
2 Alt.
2 [X.] in Verzug
geraten, so dass ab diesem [X.]punkt [X.] zuzusprechen seien.
Der weitergehende von der Klägerin bereits ab dem 22.
September 2010 geltend gemachte [X.] sei unbegründet.
Die Klägerin habe den [X.]n nicht verzugsbegründend
nach §
286 Abs.
1 Satz
1 [X.] gemahnt. Gesonderte Mahnschreiben zusätzlich zu den Rechnungen habe sie nicht versandt. Die Rechnung selbst enthalte eine
[X.] noch nicht. Eine fälligkeitsbegründende Rechnung könne nur im [X.] als zugleich verzugsbegründende Mahnung ausgelegt werden. Die An-gabe eines Zahlungsziels in der Rechnung genüge hierfür nicht.
Die Rechnungen enthielten auch keinen Hinweis auf einen [X.] nach 30 Tagen (§
286 Abs.
3 Satz
1
Halbs.
2 [X.]).

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-
5
-
Da verzugsbegründende
Tatbestände nach §
286 Abs.
2 Nr.
3 und 4 [X.] ersichtlich nicht vorlägen, habe Verzug ansonsten nur nach §
286 Abs.
2 Nr.
1 [X.] wegen Nichtleistung nach Ablauf einer kalendermäßig bestimmten Leistungszeit eintreten können. Eine solche Leistungsbestimmung könne [X.] grundsätzlich nicht einseitig erfolgen.
Die Festlegung des Fälligkeitszeitpunkts in der Rechnung
nach §
17 Abs.
1 Satz
1 StromGVV stehe einer kalendermäßigen Fälligkeitsvereinbarung nicht gleich. Es bedürfe
hierzu
entweder einer gesetzlichen Bestimmung oder einer Vereinbarung. Zwar bedürfe es einer Vereinbarung nicht, wenn der Schuldner die Leistungen aufgrund eines Anschluss-
und Benutzungszwangs in Anspruch nehme, bei dem
das Versorgungsunternehmen die privatrechtlichen Leistungsentgelte nach §
315 [X.] einseitig festsetzen
könne. Ein Anschluss-
und Benutzungszwang habe für die von der Klägerin erbrachten Leistungen jedoch nicht bestanden. Die Entscheidung, ob und von welchem Versorgungs-unternehmen der Kunde Strom beziehe, stehe jedem Verbraucher frei.
Eine Befugnis zur einseitigen Bestimmung der Leistungszeit sei auch aus §
17 Abs.
1 Satz
1 StromGVV nicht herzuleiten. Weder aus dem Wortlaut
dieser Regelung
noch aus der Begründung des Verordnungsgebers sei zu entneh-men, dass durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV die Verzugsvorschriften des §
286 [X.] hätten
geändert werden sollen. Sowohl §
17 Abs.
1 Satz
1 StromGVV als auch die Vorgängervorschrift §
27 [X.]
regelten
nur die [X.] zur Fälligkeitsbestimmung.
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6
-
II.
Diese
Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein
Anspruch der Klägerin
auf Zahlung von Verzugszinsen
(§ 280 Abs. 1, 2,
§
288 Abs. 1, § 286 [X.]) für den noch im Streit stehenden
[X.]raum vom 22.
September 2010 bis zum 31.
Januar 2011 nicht verneint
werden. Das [X.] hat verkannt, dass dem Grundversorger durch § 17 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem [X.] (Stromgrundversorgungsverordnung -
StromGVV) vom [X.] ([X.] I S. 2391) ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leis-tungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eingeräumt wird.
1. Zutreffend und von der Revision insoweit nicht beanstandet ist das Be-rufungsgericht allerdings
zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin den [X.] nicht
verzugsbegründend -
auch nicht zugleich mit der Rechnung -
ge-mahnt
hat (§ 286 Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2007
-
III ZR 91/07, [X.]Z 174, 77 Rn. 11 mwN).
2.
Ohne Rechtsfehler
hat das
Berufungsgericht
zudem einen Verzug des
[X.]n
ohne Mahnung gemäß § 286 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit Ablauf von 30
Tagen nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung verneint, denn
die Klägerin hat ihn auf diese Folge in der Rechnung nicht hingewiesen

286 Abs.
3 Satz
1 Halbs.
2 [X.]).
3. Eine Mahnung war auch nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entbehr-lich.
Nach dieser Vorschrift bedarf es einer Mahnung nicht, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene [X.] in 16
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7
-
der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Zwar hat die Klägerin nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt
den [X.]n im Rahmen eines [X.]ses beliefert, so dass §
17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV anzuwenden
ist. Nach dieser Vorschrift werden
Rechnungen und Abschläge "frühestens"
zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung zu dem vom Versorger angegebenen [X.]-punkt fällig.
Die [X.] lässt sich aber
nicht -
wie für § 286 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erforderlich -
nach dem Kalender berechnen.
Denn maßgeblich ist hierfür nach §
17 Abs.
1 Satz 1 StromGVV nicht nur der Zugang der Rechnung, sondern auch
der vom
Versorger angegebene [X.]punkt. Ohne diesen kann
die Fälligkeit nicht bestimmt werden.
4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der [X.] könne nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen einer nach dem Kalender bestimmten Leistungszeit ohne Mahnung in Verzug geraten sein.
a) Gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] tritt Schuldnerverzug ohne Mahnung zeitgleich mit der Fälligkeit ein, wenn eine [X.] (§ 271 [X.]) nach dem Kalender bestimmt ist.
Dies wird vom Gesetz deswegen für gerecht-fertigt gehalten, weil einerseits durch die kalendermäßige Bestimmung zum Ausdruck gebracht wird, dass die [X.] der Erfüllung für den Gläubiger wesent-lich ist, und weil andererseits der Schuldner in diesen Fällen genau weiß, wann er zu leisten hat ([X.], Urteil vom 13. Dezember 2001 -
VII ZR 432/00, [X.]Z
149, 283, 288).
Eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit kann dabei
durch Rechtsgeschäft,
Gesetz oder in einem Urteil getroffen worden sein ([X.], Urteil vom 25. Oktober 2007 -
III ZR 91/07, aaO
Rn. 7; vgl. auch BT-Drucks. 14/6040,
20
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-
8
-
S.
145
f.).
Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht für die
Anwendung der Vorschrift hingegen grundsätzlich nicht aus ([X.],
Urteil vom 25. Oktober 2007 -
III ZR 91/07,
aaO mwN). Etwas anderes gilt nur
dann, wenn dem Gläubiger -
wie auch das Berufungsgericht im Ansatz richtig
gesehen hat -
ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des §
315 [X.] hinsichtlich der Leistungszeit zusteht ([X.], Urteile vom 15.
Januar 1990 -
II ZR 164/88, [X.]Z 110, 47, 76; vom 15.
Februar 2005 -
X
ZR 87/04, NJW
2005, 1772 unter I 1; vom 12. Juli 2006 -
X [X.], NJW
2006, 3271 Rn. 7; vom 25. Oktober 2007 -
III ZR 91/07, aaO; Beschluss vom [X.] 2006 -
X
ZR 49/05, GE
2006, 1608
Rn. 18).
Ein solches einseitiges Be-stimmungsrecht hinsichtlich der [X.] der Leistung kann beispielsweise dann an-zunehmen sein, wenn privatrechtliche Leistungsentgelte wegen eines -
hier nicht vorliegenden -
Anschluss-
und Benutzungszwangs einseitig gemäß §
315 [X.] festgesetzt werden können ([X.], Urteil vom 15.
Februar 2005 -
X
ZR 87/04, aaO). Darüber hinaus kann es einer Vertragspartei aber
auch durch eine gesetzliche Bestimmung eingeräumt sein ([X.], Urteil vom 15.
Januar 1990
-
II
ZR 164/88, aaO; vgl. Senatsurteil vom 13.
Juni 2007 -
VIII
ZR 36/06, [X.]Z 172, 315 Rn. 14).
b) Entgegen der Auffassung der Revision haben die Parteien die Leis-tungszeit nicht durch Rechtsgeschäft kalendermäßig festgelegt, etwa indem sie im Wege einer Stundung vereinbart hätten, dass die Zahlung (erst) am 21. Sep-tember 2010 fällig werde. Denn die Entgeltforderung der Klägerin für den gelie-ferten Strom wurde gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV erst zwei Wochen nach Übersendung der Rechnung fällig -
da diese vom 6.
September 2010 da-tiert, hier mithin frühestens am 21. September 2010. Eine Stundungsvereinba-rung scheidet bereits aus diesem Grund von vornherein aus.

24
-
9
-
c) Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, liegt
in der
Anga-be des Fälligkeitszeitpunkts in der Rechnung eines Versorgers
eine kalender-mäßige Bestimmung der [X.] im Sinne des § 286 Abs.
2 Nr.
1 [X.], weil ihm
durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV bei Einhaltung der
dort be-stimmten
Zwei-Wochen-Frist ein einseitiges Recht im
Sinne des § 315 [X.] zur Bestimmung der Leistungszeit eingeräumt
wird.

aa) Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beur-teilt, ob ein Tarif-
beziehungsweise Grundversorgungskunde mit Ablauf des in einer Rechnung vom Versorger angegebenen [X.] ohne [X.] gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verzug gerät.
Die
überwiegend vertretene
Ansicht bejaht dies mit Blick auf
§ 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV beziehungsweise
dessen
Vorgängervorschrift (§
27 der [X.] über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Ta-rifkunden vom 21. Juni 1979 [[X.] I S. 684 -
[X.]]) sowie auf die
Parallel-vorschriften für die Versorgung mit Gas, Wasser und Fernwärme ([X.], [X.], 431, 435
[zu § 27 AVBFernwärmeV]; [X.], Urteil vom 4.
April 2014 -
6 [X.]/13, BeckRS 2015, 11415 unter II 5
[zu § 27 AVBWas-serV]; LG
Arnsberg, Urteil vom 6.
Dezember 2013 -
4 O 294/13, juris Rn.
36
[zu
§ 17 StromGVV/[X.]]; [X.], Urteil vom 15.
April 1993 -
5 [X.], [X.] Nr. 546 S. 4, 5
[zu § 27 AVBWasserV]; [X.]/Theobald/[X.], Energierecht, Stand
Januar 2016, § 17 StromGVV Rn.
9 [X.]. 1 und § 23 [X.] Rn. 21; [X.]/[X.], Recht der Energie-
und Wasserversorgung, Band 5, Stand August 2003, § 27 [X.] Rn. 187; [X.]/Topp, Allgemeine Versor-gungsbedingungen für Fernwärme, 2. Aufl., §
27 AVBFernwärmeV,
[X.]; [X.] in Hermann/[X.]/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den [X.], Band II, 1984, § 27 [X.] Rn. 3, 6, 17;
[X.]/Odenthal, Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Ver-25
26
27
-
10
-
sorgung mit Wasser [AVBWasserV] vom 20.
Juni 1980, 1981, § 27 unter 5; vgl.
[X.], Urteil vom 12.
Juli 2011 -
104 C 12/11, juris Rn.
15).

Ein Teil der Rechtsprechung versteht §
17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV demgegenüber
-
wie auch
das Berufungsgericht
-
lediglich als Regelung hin-sichtlich der Fälligkeit, die darüber hinaus keinen Einfluss auf die Vorausset-zungen des Verzuges hat und ein einseitiges Recht
des Versorgers
zur Be-stimmung der Leistungszeit nicht enthält ([X.], Urteile vom 1.
Dezember 2011 -
17a [X.], juris Rn. 27
[zu § 17 StromGVV/[X.]]; vom 4. Juli 2013 -
17
C
90/13, juris Rn. 7
[zu § 17 StromGVV]; LG
Kiel, Urteil vom 10. Juni 2015 -
12 [X.], juris Rn.
86
[zu §
17 [X.]]).
bb) Der Senat entscheidet die Frage dahingehend, dass § 17 Abs. 1 Satz
1 StromGVV
dem Versorger ein einseitiges Recht im Sinne des § 315 [X.] zur Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit (§
271 [X.]) gewährt.
Ein Tarif-
beziehungsweise Grundversorgungskunde kommt
demnach bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Schuld-nerverzuges regelmäßig zu dem vom Versorger in einer Zahlungsaufforderung angegebenen
[X.]punkt gemäß § 286 Abs. 2 Nr.
1 [X.] ohne Mahnung in [X.], sofern dieser [X.]punkt wenigstens zwei Wochen nach dem
Zugang dieser Zahlungsaufforderung liegt.
Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz
1 StromGVV will entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nach ihrem Sinn und Zweck sowie
ihrer Entstehungsgeschichte erkennbar nicht im buchstäblichen Sinne des Wortes "Fälligkeit" dem Versorger allein die Bestimmung des [X.]punkts überlassen, von dem ab er
die Zahlung fordern kann, sondern auch die Be-stimmung
des
[X.]punkts, zu dem der Kunde
leisten soll.
(1) Anders als das
Berufungsgericht angenommen hat,
lässt
der nur auf die Fälligkeit abstellende Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV diese
Aus-28
29
30
-
11
-
legung zu, denn mit der Fälligkeit ist
auch die Leistungszeit
im Sinne des §
286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] kalendermäßig
bestimmt, so dass
Verzug
allein aufgrund der Fälligkeit eintritt (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Dezember 2001 -
VII ZR 432/00, aaO; [X.]/[X.],
[X.], Neubearb. 2014, §
286 Rn.
68).
Auch
die Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV spricht für ein solches
Verständnis. Ausweislich der Verordnungsbegründung ([X.]. 306/06 [Verordnung], S. 37) entspricht diese Regelung der Vor-gängervorschrift in
§ 27 Abs. 1 [X.], die dem Versorger bereits ein Recht zur Bestimmung der Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.] (§ 284 Abs. 2 Satz 1 [X.] aF) gab.
Letzteres ergibt sich aus der Entstehungsgeschich-te des § 27 Abs. 1 [X.], denn
die
dem Bundesrat zwecks Zustimmung zu-geleitete ursprüngliche Fassung dieser Norm
bezog sich ausdrücklich auf die Leistungszeit und formulierte, dass "Rechnungen [...]
zu dem vom Elektrizitäts-versorgungsunternehmen
angegebenen [X.]punkt, []
zu zahlen sind" ([X.]. 76/79, S. 23).
Zwar ist dieser Wortlaut
im weiteren Verfahren auf eine Empfehlung des Rechtsausschusses dahingehend
geändert worden, dass "Rechnungen [...]
zu dem vom Elektrizitätsversorgungsunternehmen angege-benen [X.]punkt, []
fällig sind".
Eine inhaltliche Veränderung war mit dieser
ersichtlich an § 284 Abs. 2 Satz 1 [X.] aF (§ 286 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nF) orien-tierten Überarbeitung jedoch nicht verbunden, denn die Vorschrift sollte lediglich redaktionell verbessert werden
(Empfehlungen der Ausschüsse [X.].
76/1/79,
S. 23; Niederschrift über die Sitzung des [X.] vom 13. März 1979 Nr.
R
19/79 S.
21).
(2) Weiter
folgt auch aus
dem Sinn und Zweck des §
17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV, dass die Vorschrift dem Versorger die Möglichkeit zur einseitigen Bestimmung der Leistungszeit einräumt. Aus der -
vom Berufungsgericht nicht herangezogenen -
Verordnungsbegründung zur insoweit von
§ 17 Abs. 1 Satz 1 31
32
-
12
-
StromGVV unverändert
übernommenen Vorgängervorschrift des §
27 Abs. 1 [X.] geht hervor, dass diese Regelung
nicht nur Kundenbelangen, sondern ebenso einem zügigen Inkasso und damit
dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Elektrizitätsversorgung Rechnung tragen soll ([X.]. 76/79, S.
63).
Der
Zielsetzung eines zügigen Inkassos
liefe
es
zu-wider, wenn die Vorschrift lediglich zum Nachteil des Versorgers vom Grund-satz sofortiger Fälligkeit

271 Abs. 1 [X.])
abweichen und
den [X.]punkt,
zu dem dieser die Zahlung erstmals fordern kann, auf einen mindestens zwei [X.] nach Zugang der Rechnung liegenden Termin hinausschieben
würde.

Dem Verständnis, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV dem Versorger die Befugnis zu einer einseitigen Bestimmung der Leistungszeit einräumt
und sich nicht allein auf ein Hinausschieben der Fälligkeit beschränkt, steht nicht entge-gen, dass die
Vorschrift ausweislich der Verordnungsbegründung
auch
Belange der
Kunden
berücksichtigt
([X.].
76/79, aaO).
§ 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV trägt den Kundenbelangen insbesondere dadurch Rechnung, dass der Versorger bei seiner einseitigen [X.] nicht völlig frei ist, sondern hierbei zu beachten hat, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von wenigstens zwei Wochen
ab Zugang der Rechnung
verbleibt.
III.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuhe-ben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig -
bislang keine Fest-stellungen dazu getroffen hat, ob es sich bei dem zwischen den Parteien ge-schlossenen Vertrag um einen Grundversorgungsvertrag im Sinne des §
1
Abs.
1 StromGVV handelt (vgl. hierzu etwa Senatsurteile
vom 11. Mai 2011 -
VIII ZR 42/10, [X.], 1632 Rn. 32 [insoweit in [X.]Z 189, 356
nicht abge-33
34
-
13
-
druckt]; vom 6. April 2016 -
VIII ZR 236/10, juris Rn. 18), oder ob § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV aus anderen Gründen anwendbar ist
(vgl. Senatsurteil vom 31. Juli 2013 -
VIII ZR 162/09, [X.]Z 198, 111 Rn. 34 mwN).
Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht festzustellen haben,
ob der von der Klägerin in der Rechnung angegebene [X.]punkt für die Fälligkeit
(21. September 2010) wenigstens zwei Wochen nach dem Zugang der Rechnung vom 6. September 2010 liegt, so dass Zinsen entsprechend §
187 [X.] ab dem Folgetag zu [X.] wären (vgl. Senatsurteil vom 16. September 2015 -
VIII ZR 119/14, WM
2016, 652 Rn. 32).
Wäre diese
Frist nicht gewahrt, hätte
die Klägerin die durch §
17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV vorgegebene (Ermessens-)Grenze bei der
Bestimmung der Leistungszeit nicht eingehalten. Die [X.] durch die Klägerin wäre unbillig und damit unwirksam (§ 315 Abs. 3 Satz 2 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2006 -
X [X.], aaO Rn. 9), so dass der [X.] hierdurch nicht in Verzug geraten wäre.
-
14
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsan-walt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnis-urteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer [X.] einzulegen.

Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Fetzer

Dr. [X.]
Kosziol
Vermerk:
Gegen dieses Versäumnisurteil wurde am 15. August 2016 Einspruch
eingelegt.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.11.2014 -
13 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 31.08.2015 -
3 U 103/14 -

Meta

VIII ZR 215/15

08.06.2016

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2016, Az. VIII ZR 215/15 (REWIS RS 2016, 10371)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10371

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

VIII ZR 215/15

VIII ZR 42/10

VIII ZR 236/10

VIII ZR 162/09

VIII ZR 119/14

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