Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2017, Az. VII ZB 5/14

7. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9304

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Gegenstand

Zwangsvollstreckungsverfahren: Voraussetzung für die Ermittlung des Aufenthalts des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher


Leitsatz

Voraussetzung für die Aufenthaltsermittlung des Schuldners nach § 755 ZPO ist ein zugrundeliegender Vollstreckungsauftrag, der den Anforderungen des § 802a Abs. 2 ZPO genügen muss. Isolierte Aufenthaltsermittlungsaufträge sind unzulässig (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 14. August 2014, VII ZB 4/14).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 30. Januar 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin erteilte dem Gerichtsvollzieher am 22. Juli 2013 unter Überreichung eines vollstreckbaren Titels einen "Auftrag zur Vollstreckung und Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldners gemäß § 755 ZPO", da dieser nach einer Auskunft des Einwohnermeldeamts unbekannt verzogen war. Der Gerichtsvollzieher ersuchte die Gläubigerin, auch einen Auftrag zur Einholung der Vermögensauskunft zu erteilen, weil eine [X.] nur zusammen mit einer konkreten Vollstreckungsmaßnahme zulässig sei. Die Gläubigerin lehnte dies ab. Ihre Erinnerung gegen die Untätigkeit des Gerichtsvollziehers hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter.

II.

2

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

3

1. Das Beschwerdegericht hält für die Durchführung einer [X.] nach § 755 ZPO einen konkreten [X.] für erforderlich. Unter [X.] im Sinne des § 755 ZPO sei nichts anderes als in § 754 Abs. 1 ZPO zu verstehen. Hiermit sei ein eindeutiger und bestimmter Antrag gemeint, der genaue Angaben zu den Personen, der [X.] und der beantragten Vollstreckungshandlung enthalten müsse. Im gleichen Sinne sei der Begriff in § 802a Abs. 2 Satz 1 ZPO zu verstehen. Der Auftrag zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Schuldners selbst stelle keine Vollstreckungshandlung dar, sondern solle eine solche lediglich vorbereiten. Aus der Systematik des Gesetzes und der Entstehungsgeschichte des zum 1. Januar 2013 neu gefassten § 755 ZPO ergebe sich nichts anderes. Der von der Gläubigerin erteilte Auftrag zur Vollstreckung und Ermittlung des Aufenthaltsorts sei nach diesen Maßstäben unzureichend, weil er zu unbestimmt sei.

4

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

5

Der Senat hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass er die vom Beschwerdegericht vertretene Rechtsauffassung, die unter anderem derjenigen des [X.] ([X.] 2014, 93) entspricht, teilt (Beschluss vom 14. August 2014 - [X.] Rn. 3). Daran hält der Senat fest.

6

Voraussetzung für die [X.] des Schuldners nach § 755 ZPO ist ein zugrundeliegender [X.], der den Anforderungen des § 802a Abs. 2 ZPO genügen muss. Isolierte [X.] sind unzulässig (vgl. [X.], [X.] 2014, 93, 94, juris Rn. 9 - 15; zustimmend [X.] ZPO/Ulrici, Stand: 1. März 2017, § 755 Rn. 2, 4; [X.], [X.] 2014, 188; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 5 Rn. 55; Musielak/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 755 Rn. 3; [X.], 7. Aufl., § 755 Rn. 2; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 755 Rn. 2).

7

a) Für dieses Verständnis spricht die dem Wortlaut in §§ 753, 754 ZPO entsprechende Formulierung in § 755 Abs. 1 ZPO, wonach der Gerichtsvollzieher "auf Grund des [X.]s" und unter "Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung" Ermittlungen des Aufenthaltsorts des Schuldners vornehmen darf. Es handelt sich danach nicht um ein separates und eigenständiges Verfahren, sondern steht im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung im Sinne der §§ 802a ff. ZPO. Die [X.] ist keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern nur eine den Gerichtsvollzieher bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende [X.] (vgl. [X.], [X.] 2014, 93, 94, juris Rn. 12 m.w.N.).

8

b) Die Systematik des Gesetzes, insbesondere die erst nachfolgende Beschreibung eines konkreten [X.]s in § 802a Abs. 2 ZPO, spricht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht gegen dieses Verständnis. Der Abschnitt 1 des Buchs 8 der Zivilprozessordnung regelt im Rahmen der allgemeinen Vorschriften der Zwangsvollstreckung auch allgemein bestimmte Befugnisse des Gerichtsvollziehers (vgl. § 754 ZPO), setzt aber jeweils den in den spezielleren Vorschriften näher bezeichneten [X.] voraus.

9

c) Bei der Auslegung des Gesetzes ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen des § 755 ZPO das Grundrecht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung berühren (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2015 - [X.], NJW 2015, 2509 Rn. 26 ff. zu § 802l ZPO). Deshalb ist für die Verfassungsgemäßheit der Vorschrift eine Rechtfertigung notwendig. Hierfür kommen insbesondere die Grundrechte des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) in Betracht, die den Staat verpflichten, effektive Mittel zur Durchsetzung titulierter Forderungen bereitzustellen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2015 - [X.], aaO Rn. 23 m.w.N.). Es spricht daher alles dafür, dass die Durchsetzung einer solchen Forderung und nicht schon die bloße Innehabung eines entsprechenden Titels die materielle Voraussetzung für die Maßnahmen des Gerichtsvollziehers nach § 755 ZPO ist. Dem entspricht die Gesetzesbegründung, nach der sie der Zeitersparnis dienen (BT-Drucks. 16/10069, [X.]), mithin die Zwangsvollstreckung beschleunigen sollen, indem vermieden wird, dass der Gerichtsvollzieher abwarten muss, bis der Gläubiger den Aufenthaltsort ermittelt und mitgeteilt hat.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Kartzke

      

Jurgeleit     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZB 5/14

21.06.2017

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Leipzig, 30. Januar 2014, Az: 7 T 822/13

§ 755 ZPO, § 802a Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.06.2017, Az. VII ZB 5/14 (REWIS RS 2017, 9304)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2625 WM2017,1424 REWIS RS 2017, 9304

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