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Vorsteueraufteilung aus der Errichtung eines Gebäudekomplexes
1. Unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 jeweils vom 10.12.2013, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.09.2014, wird die Umsatzsteuer 2009 i.H.v. ./. 179.819,56 € und die Umsatzsteuer 2010 i.H.v. ./. 328.556,66 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.
Streitig ist die Vorsteueraufteilung aus der Errichtung eines Gebäudekomplexes.
Die Klägerin ist eine mit notarieller Urkunde vom 21.12.2010 rückwirkend zum 01.05.2010 durch formwechselnde Umwandlung der am 26.05.2009 errichteten A GmbH entstandene Kommanditgesellschaft. Komplementärin ist die „B GmbH“, Kommanditisten sind die bisherigen GmbH-Gesellschafter „C-GmbH“ und „DGmbH“. Gegenstand des Unternehmens sind die Errichtung von Gebäuden auf dem im Grundbuch des Amtsgerichts 1 von Prüll Blatt … vorgetragenen Grundstück FIurnr. 000 sowie deren Vermietung und Verwaltung. Das bebaute Grundstück mit insgesamt 4.699 qm wurde im Jahr 2011 grundbuchrechtlich in das Grundstück FI.Nr. 000 2-Straße mit 2.184 qm - Geschäftsgebäude - und in das Grundstück FI.Nr. 000/11 3-Straße mit 2.515 qm -Wohngebäude mit Tiefgarage - aufgeteilt.
Im Oktober 2009 begann die Klägerin mit der Errichtung einer öffentlich geförderten (Senioren)-Wohnanlage mit 57 Wohnungen sowie eines daran anschließenden Supermarkts. Das „Nahversorgungszentrums “ wurde im November 2010 fertiggestellt und ab 01.11.2010 vermietet. Bereits am 27.02.2008 hatte die A GmbH einen Mietvertrag mit der Z Handelsgesellschaft mbH abgeschlossen, der eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung vorsah.
Ausgehend von einer bebauten Gesamtgrundfläche von 5.006,65 m², davon einer Gesamtwohnfläche von 3.133,32 m² und einer Geschäftsfläche von 1.873,33 m² errechnete die Klägerin nach dem Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen einen auf den steuerpflichtig vermieteten Supermarkt entfallenden Anteil von 37,42 v.H. und machte den anteiligen Vorsteuerabzug aus den Baukosten gem. § 15 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) in den Voranmeldungen ab Oktober 2009 geltend.
Die Klägerin reichte am 08.02.2011 ihre Umsatzsteuererklärung 2009 ein, in der sie keine Umsätze erklärte, Vorsteuerbeträge aus Baukosten im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen in Höhe von 184.402,53 € und eine Umsatzsteuer von ./. 184.402,53 € auswies. Die Erklärung stand nach Zustimmung des Finanzamts einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 Abgabenordnung -AO). Sie wurde formell bestandskräftig (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO).
In der Umsatzsteuererklärung 2010 vom 09.02.2012 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 43.834 €, steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 29.914 €, im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen berechnete Vorsteuerbeträge in Höhe von 345.333,15 € und eine Umsatzsteuer in Höhe von ./. 337.004,69 €. Das Finanzamt stimmte mit Abrechnungsmitteilung vom 03.8.2012 der Steuererklärung zu, sie stand somit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 AO). Die Steuerfestsetzung wurde formell bestandkräftig (§ 355 Abs. 1 Satz 2 AO).
Zur Überprüfung der Vorsteueraufteilung ordnete das Finanzamt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an, mit der am 14.02.2012 begonnen wurde. Die Prüferin errechnete einen gewerblichen Nutzungsanteil von 33,88 v.H. unter Berücksichtigung steuerpflichtig (gewerblich) vermieteter Flächen von 1.716,04 m² und umsatzsteuerfrei vermieteter Wohnflächen von ursprünglich 3.147,24 m² zuzüglich bisher nicht berücksichtigter Balkone, Terrassen etc. mit 202,35 m², somit insgesamt 3.349 m². Dem Antrag der Klägerin, eine direkte Zuordnung der Baukosten zum Z-Markt bzw. dem Seniorenheim vorzunehmen, wurde wegen der einheitlichen Baumaßnahme nicht entsprochen. Die Aufteilung der auf das gesamte Gebäude entfallenden Vorsteuerbeträge erfolgte nach dem Flächenschlüssel. Für das Jahr 2009 ergaben sich danach eine Vorsteuer in Höhe von 166.957,71 € und für 2010 in Höhe von 313.176,17 €. Auf die Ausführungen im Prüfungsbericht vom 26.11.2013 wird verwiesen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen 2009 und 2010 gem. § 164 Abs. 2 AO. Mit Bescheiden vom 10.12.2013 setzte es die Umsatzsteuer 2009 auf ./.166.957,71 € und die Umsatzsteuer 2010 auf ./. 304.847,71 € fest.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 10.01.2014 fristgerecht Einspruch ein und reichte berichtigte Umsatzsteuererklärungen für 2009 und 2010 ein. In der Umsatzsteuererklärung 2009 wies sie nunmehr Vorsteuer in Höhe von 237.096,47 € und in der Umsatzsteuererklärung 2010 Vorsteuer in Höhe von 480.779,03 € aus. Zur Begründung trug sie vor, dass es sich bei dem Objekt baurechtlich, grundbuchrechtlich und zivilrechtlich um zwei Gebäude handele, die auch durch eigene Flurnummern getrennt seien. Die Herstellungskosten seien daher - soweit möglich - jedem Gebäude wirtschaftlich unmittelbar zuzuordnen. In 2009 seien nicht direkt zuordenbare Herstellungskosten in Höhe von 2.585.200,20 € angefallen. In 2010 könnten der Seniorenwohnanlage Herstellungskosten in Höhe von 1.112.702,45 € und dem Supermarkt in Höhe von 1.363.724,13 € direkt zugeordnet werden. Weitere nicht zuordenbare Herstellungskosten seien in Höhe von 2.405.711,33 € angefallen. Die nicht zuordenbaren Herstellungskosten seien nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Da die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Gebäude erheblich voneinander abweiche, sei insoweit eine Aufteilung nach Nutzflächen nicht sachgerecht. Deshalb sei die Berechnung der abziehbaren Vorsteuer nach dem Verhältnis der umsatzsteuerfreien zu den umsatzsteuerpflichtigen Mieterlösen vorzunehmen. Die Mieterlöse in 2011 hätten für die umsatzsteuerfreie Vermietung der Wohnungen 373.059,67 € (einschließlich Nebenkosten) und für die umsatzsteuerpflichtige Vermietung des Supermarkts 348.143,64 € brutto betragen. Bei einem Gesamtumsatz von 721.203,31 € ergebe sich ein umsatzsteuerpflichtiger Anteil von 48,27%.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.09.2014 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben und zuletzt beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 vom 10.12.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.09.2014 dahin zu ändern, dass bei der Umsatzsteuerfestsetzung 2009 Vorsteuern in Höhe von 245.594 € und für 2010 für 19% in Höhe von 463.803 € und für 7% in Höhe von 518,21 € berücksichtigt werden.
Zur Begründung führt die Klägerin aus:
Bei der sogenannten Seniorenanlage handele es sich um einen geförderten Wohnungsbau, die Anlage umfasse 57 Wohnungen. Davon seien 39 Wohnungen für ältere Menschen, 5 Wohnungen für junge Familien, 5 Wohnungen für Alleinerziehende, 5 Wohnungen für schwangere Frauen und 3 Wohnungen für behinderte Menschen vorgesehen. Nur die Wohnungen für behinderte Menschen wiesen besondere Größenverhältnisse zum Zwecke der Rollstuhlnutzung auf. Im Übrigen hätten die Wohnungen keine besondere Ausstattung. Die Mieter verfügten alle über einen Wohnberechtigungsschein, mit dem sie ihre Bedürftigkeit im Sinne der Einkommensklasse I, d.h. die niedrigste Stufe (weitere II, III) nachweisen würden. Die Mieter zahlten die ortsübliche Miete nach dem Mietenspiegel, intern erfolge ein Ausgleich an die Mieter durch einen Mietzuschuss der Regierung der Oberpfalz. Die Miete pro Quadratmeter betrage 8,20 €; 4,80 € sei der Eigenanteil und 3,40 € der Zuschuss.
Die Wohnanlage sei durch das Bayerische Wohnungsbauprogramm gefördert worden. Sie habe Darlehen bei der LaBo aufnehmen müssen, ein objektbezogenes Darlehen mit Zinsen von 0,5% und ein belegungsabhängiges Darlehen mit Zinsen von 5,75%, Laufzeit jeweils 25 Jahre.
Sie halte nicht mehr an der Auffassung fest, dass es sich umsatzsteuerlich um zwei Objekte handele und somit kein einheitliches Gebäude vorliege. Für die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäude seien die Maßstäbe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.08.2016 (Az: XI R 31/09) anzuwenden. Danach sei bei der gemischten Vermietung eines Gebäudes hinsichtlich der Zuordnung der Vorsteuerbeträge grundsätzlich zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und Erhaltungsaufwendungen/laufenden Aufwendungen zu unterscheiden. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten seien grundsätzlich nach dem Flächenschlüssel des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG aufzuteilen, es sei denn, die Nutzflächen seien aufgrund unterschiedlicher Ausstattung nicht miteinander vergleichbar. In so einem Falle sei der objektbezogene Umsatzschlüssel anzuwenden, da nur dieser präzise und sachgerecht sei. Der Flächenschlüssel sei in diesen Fällen nicht sachgerecht. Dies führe in der Praxis dazu, dass der (objektbezogene) Umsatzschlüssel - entgegen der vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG - in vielen Fällen wieder „der“ richtige Aufteilungsmaßstab sei.
Es sei offensichtlich, dass die Wohnflächen und die Gewerbeflächen in Raumhöhe, Ausstattung und technischen Einrichtungen nicht miteinander vergleichbar seien. Während die Wohnungen wohnungstypisch mit Küche, Bad, Dusche, WC usw. ausgestattet seien, weise der Supermarkt besondere Ausstattungsmerkmale auf, beispielsweise betrage die Raumhöhe hier durchgehend 4,30 m, in den Wohnungen dagegen nur 2,53 m. Außerdem sei die komplette Fassade des Supermarkts verglast. Weiter verfüge der Supermarkt über eine Sprinkleranlage, eine zentrale Lüftungsanlage, Kühlräume, Starkstromanschlüsse, Lager, Backstationen, einen Fettabscheider, eine Rampe und Ausladebereich für die Anlieferung per LKW (40 Tonnen), elektrische Anlagen für den Strom/Sicherungen für die Kühlgeräte, massive Beleuchtungsanlagen, Türanlagen, Kassenbereich, Regalreihen, Schließanlagen, Thekenausstattung, spezielle Fußbodenbeläge für Einkaufswagen, Rolltor usw.
Der vorliegende Sachverhalt sei ein Paradebeispiel für die mangelnde Vergleichbarkeit der Flächen. Somit sei für die Vorsteueraufteilung die Anwendung des Flächenschlüssels ausgeschlossen. Da ihre einzige umsatzsteuerliche Tätigkeit die Vermietung und Verpachtung dieser Gebäude sei, entspreche der objektbezogene Umsatzschlüssel dem Gesamtumsatzschlüssel. Für 2009 hätten die umsatzsteuerpflichtigen Herstellungskosten (19%) 2.585.200,20 € und für 2010 4.882.137,91 € (19%) und 14.806,41 € (7%) betragen. Die Kaltmiete 2011 für die Wohnanlage habe 290.714 € und die Nettokaltmiete für den Supermarkt 315.064 € betragen. Daraus ergebe sich eine abzugsfähige Vorsteuer in Höhe von 52,01%. Die Beteiligten hätten sich auf abzugsfähige Vorsteuern von 50% geeinigt, wenn der Umsatzschlüssel zur Anwendung komme.
Zwar sei zutreffend, dass ein einmal gewählter Vorsteuerschlüssel, sofern er sachgerecht sei, ab formeller Bestandskraft des entsprechenden Bescheides nicht mehr geändert werden könne. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. den Umsatzsteuer-Jahreserklärungen für 2009 und 2010 sei aufgrund der damals überwiegenden Rechtsmeinung zunächst der Flächenschlüssel angewendet worden, der allerdings nicht die Tatsache berücksichtige, dass sich der Supermarkt und die Wohnanlage in Ausstattung, Raumhöhen, technischen Einrichtungen derart unterschieden, dass die Aufteilung der Vorsteuer nach Flächen nicht sachgerecht sei. Es müsse hier der objektbezogene Umsatzschlüssel zur Anwendung kommen, da nur dieser bei abweichender Ausstattung sachgerecht sei. Eine Bindung an den einmal gewählten, aber nicht sachgerechten Flächenschlüssel bestehe trotz formeller Bestandskraft der Bescheide nicht.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen mit der Maßgabe, dass beim Flächenschlüssel für den Supermarkt ein Flächenanteil von 36,49%, d.h. Vorsteuern für 2009 in Höhe von 179.819,56 € und für 2010 in Höhe von 336.885,12 € berücksichtigt werden.
Zur Begründung führt es aus:
Der BFH habe in den Urteilen vom 07.05.2014 V R 1/10 und vom 03.07.2014 V R 2/10 entschieden, dass bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes sich die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem „präziseren“ objektbezogenen Flächenschlüssel richte. In seinem Urteil vom 09.06.2016, C 332/14 Wolfgang und Dr. W. R. Grundstücksgemeinschaft habe der EuGH bestätigt, dass ein anderer Aufteilungsschlüssel als der Umsatzschlüssel verwendet werden dürfe, sofern diese Methode eine präzisere Bestimmung der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge ermögliche. In seiner Entscheidung vom 10.08.2016 XI R 31/09 habe der BFH an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten.
Seit der Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Wirkung vom 01.01.2004 sei die Ermittlung des abziehbaren/nichtabziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der voraussichtlichen steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen (sog. Umsatzschlüssel) nur noch dann zulässig, wenn keine andere Methode der wirtschaftlichen Zurechnung möglich sei. Als sachgerechte Aufteilungsmethode komme bei Gebäuden in der Regel nur noch eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Nutzflächen (Flächenschlüssel) in Betracht.
Die Klägerin habe sich in ihren Steuererklärungen für die Kalenderjahre des Leistungsbezugs für die Vorsteueraufteilung nach Nutzflächen entschieden. Diese Aufteilungsmethode sei sachgerecht i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG. Die einmal getroffene Wahl eines zulässigen und sachgerechten Aufteilungsschlüssels sei für den gesamten Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG bindend, wenn der Steuerbescheid des Jahres, für das das Wahlrecht ausgeübt worden sei, unanfechtbar geworden sei. Ein Wechsel des Aufteilungsschlüssels sei in diesem Fall nicht zulässig (BFH-Urteile vom 02.03.2006 V R 49/05 und vom 10.12.2009 V R 13/08 m.w.N.). Es verbleibe daher vorliegend bei dem bisherigen Aufteilungsmaßstab nach Flächen. Auch eine direkte Zuordnung der Herstellungskosten zu einzelnen Gebäudeteilen sei nicht zulässig (BFH-Urteile vom 22.08.2013 V R 19/09; vom 10.8.2016 XI R 31/09). Anschaffungs- oder Herstellungskosten beträfen immer das gesamte Gebäude und seien nach § 15 Abs. 4 UStG entsprechend der Nutzung des Gesamtgebäudes nach dem Verhältnis der Nutzfläche aufzuteilen.
Bei Anwendung des Flächenschlüssels bestehe Einverständnis, hinsichtlich des Supermarkts unter Berücksichtigung von Nutzflächen einen Vorsteuerabzug in Höhe von 36,49% statt bisher 33,88% zu gewähren.
Die Klage hat nur insoweit Erfolg, als sich bei Anwendung des Flächenschlüssels ein höherer Vorsteuerabzug von 36,49% ergibt. Soweit das Finanzamt ein einheitliches Gebäude angenommen und den Wechsel vom dem einmal gewählten Flächenschlüssel zum Umsatzschlüssel versagt hat, ist die Klägerin durch die angefochtenen Steuerbescheide nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO).
1. Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist gem. § 15 Abs. 2 Nr.1 UStG die Steuer u.a. für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gem. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsatz wirtschaftlich zuzurechnen ist.
a) Der Begriff der „wirtschaftlichen Zurechnung“ i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG ist entsprechend der Vorgaben des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems auszulegen. Dementsprechend ist bei richtlinienkonformer Auslegung als „sachgerecht“ i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechendes Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das - objektiv nachprüfbar - nach einheitlicher Methode die beiden „Nutzungsteile“ eines gemischt verwendeten Gegenstandes oder einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet (BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 36/10, BStBl II 2012, 77 Rz 21). Gem. § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG hat der Unternehmer eine sachgerechte Schätzung der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Es ist Sache des Unternehmers, welche Schätzungsmethode er wählt. Das Finanzamt kann aber nachprüfen, ob die Schätzung sachgerecht ist (BFH-Urteil vom 05.09.2013 XI R 4/10, BStBl II 2014, 95 Rz 29). Ob ggfs. auch andere sachgerechte Ermittlungsmethoden in Betracht kommen, ist nach der Rechtsprechung nicht entscheidend (BFH-Urteil vom 05.02.1998 V R 101/96, BStBl II 1998,492). Gem. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG gilt für die ab 01.01.2004 bezogenen Eingangsleistungen, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Der Ausschluss des Umsatzschlüssels durch den Flächenschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG verstößt nicht gegen Unionsrecht, da ein objektbezogener Flächenschlüssel nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes ermöglicht, als der auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogene Umsatzschlüssel nach Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG (BFH-Urteil vom 22.08. 2013 V R 19/09, BFH/NV 2014, 278).
b) Bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes richtet sich die Vorsteueraufteilung grundsätzlich nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel. Die Anwendung eines Flächenschlüssels zur Vorsteueraufteilung bei Grundstücken kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung - feststehender und nicht ohne weiteres änderbarer - baulicher Gesichtspunkte erfolgt. Bei der steuerfreien und steuerpflichtigen Vermietung baulich jeweils eigenständiger Flächen eines Gebäudes, wie z.B. der steuerfreien Vermietung von Wohnungen und der steuerpflichtigen Vermietung von Ladeneinheiten eines Gebäudes, kann daher der zum Vorsteuerabzug berechtigende Leistungsanteil nach den unterschiedlich vermieteten Flächen ermittelt werden (BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 36/10, BStBl II 2012, 77).
c) Demgegenüber sind Vorsteuerbeträge nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen (BFH-Urteile vom 07.05.2014 V R 1/10, BFH/NV 2014, 1177 u.a.). Die Vorsteuerbeträge sind nicht nach dem Verhältnis der Flächen aufzuteilen (und der Flächenschlüssel ist nicht sachgerecht i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG), wenn die Nutzflächen nicht miteinander vergleichbar sind, etwa wenn die Ausstattung der den unterschiedlichen Zwecken dienenden Räume (z.B. Höhe der Räume, Dicke der Wände und Decken, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist.
d) Ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr der Anschaffung oder Herstellung eines gemischt genutzten Gegenstandes formell bestandskräftig und hat der Unternehmer oder - bei Fehlen oder Abweichung von der Umsatzsteuererklärung - das Finanzamt ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren angewandt, ist dieser Maßstab (auch für die nachfolgenden Kalenderjahre des Berichtigungszeitraumes) bindend (BFH-Urteil vom 02.03.2006 V R 49/05, BStBl II 2006, 729). Ein einmal gewählter sachgerechter Aufteilungsmaßstab für Vorsteuerbeträge aus der Herstellung eines gemischt genutzten Wirtschaftsgutes - soweit er auf zutreffenden Angaben beruht - ist bei Bestandskraft der Steuerfestsetzung für den gesamten Berichtigungszeitraum i.S. des § 15a UStG bindend. Unerheblich ist, dass Steuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung jederzeit aufgehoben oder geändert werden können (BFH-Urteile vom 22.11.2007 V R 35/06, BFH/NV 2008, 628 und vom 28.09.2006 V R 43/03; BStBl II 2007, 417). Eine Bindung an eine fehlerhafte Aufteilung besteht nicht (BFH-Beschluss vom 27.03.2019 V R 43/17, BFH/NV 2019, 719 Rz 12).
2. Der von der Klägerin gewählte Flächenschlüssel ist nach Überzeugung des Gerichts sachgerecht. Die Klägerin ist hieran gebunden.
a) Der Gebäudekomplex bestehend aus 57 Wohnungen und einem daran anschließenden Supermarkt stellt ein Gebäude im umsatzsteuerlichen Sinne dar. An der ursprünglichen Auffassung, dass es sich um zwei selbständige Gebäude handele, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten. Für ein Gebäude spricht die einheitliche Planung und Bauausführung sowie die verflochtene Bauweise. Aufgrund der verschachtelten Bauweise befinden sich über der Tiefgarage für den Wohnbereich das Parkdeck für den gewerblichen Bereich und darüber die Wohnungen. Unerheblich ist die grundbuchamtliche Zerlegung in zwei Grundstücke mit zwei Flurnummern, die erst nach der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 2011 erfolgte.
b) Die Klägerin hat den Flächenschlüssel gewählt und die Vorsteuern zunächst entsprechend aufgeteilt. Die Anwendung eines Flächenschlüssels aufgrund sachgerechter Schätzung der wirtschaftlichen Zurechnung i.S. von § 15 Abs. 4 UStG setzt voraus, dass die Flächen, die für die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze verwendet werden und die Flächen, die für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze verwendet werden, objektiv nachprüfbar ermittelt werden können. Die Anwendung eines Flächenschlüssels zur Vorsteueraufteilung kommt dabei insbesondere dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung feststehender und nicht ohne weiteres änderbarer baulicher Gesichtspunkte erfolgt. Danach findet der Flächenschlüssel insbesondere Anwendung, wenn die Flächenaufteilung - wie vorliegend - innerhalb des Gebäudes sich aufgrund von Bauanträgen und Baugenehmigungen nach feststehenden baulichen Gesichtspunkten vornehmen lässt (BFH-Urteil vom 07.07.2011 V R 36/10, BStBl II 2012, 77).
Zwar sind die Vorsteuerbeträge grundsätzlich nicht nach dem Verhältnis der Flächen aufteilbar, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten, die verschiedenen Zwecken dienen (z.B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 07.05.2014 V R 1 /10, BFH/NV 2014, 1408 Rz 32 m.w.N). Die Wohnungen und der Supermarkt weisen insoweit unstrittig unterschiedliche Ausstattungsmerkmale auf hinsichtlich der Höhe der Räume, der Fenster sowie der Innenausstattung. Einerseits handelt es um Wohnungen mit der dafür üblichen Raumhöhe (2,75 m) und wohnungstypischer Ausstattung, andererseits um einen großen Gewerberaum mit einer Geschosshöhe von 4,75 m, großen Schaufenstern und den für den Betrieb des Supermarkts erforderlichen Vorrichtungen und Ausstattungen. Die 57 Seniorenwohnungen sind mit Küche, Bad, Dusche, WC etc. wohnungstypisch - teils behindertengereicht - ausgestattet, während der Supermarkt laut unbestrittenen Vortrag der Klägerin die für einen Supermarkt typisierten Einbauten, wie Sprinkleranlage, Klimaanlage, Kühlräume, Starkstromanlage, Lager, Rampe, Ausladebereich usw. aufweist.
Trotz unterschiedlicher Ausstattung ist der Senat der Überzeugung, dass sich die Eingangsbezüge im Wesentlichen gleichmäßig auf die Flächen verteilen. Während der Supermarkt nur einen Gebäudekörper mit wenigen Nebenräumen hat und der Herstellungsaufwand damit geringer ausfällt, handelt es sich bei der Wohnanlage um 57 - teils behindertengerechte - Wohnungen mit vielen Einzelräumen, die Bebauung ist kleinteiliger mit entsprechend höherem Herstellungsaufwand. Die unterschiedliche Bauausführung und Ausstattung führt teils zu höheren und teils zu niedrigen Herstellungskosten. Der Ausstattungsaufwand des steuerpflichtig vermieteten Supermarkts weicht aber nicht derart vom Ausstattungsaufwand der steuerfrei vermieteten Wohnungen ab, dass die Nutzflächen nicht mehr vergleichbar sind und die Aufteilung nach Flächen nicht mehr sachgerecht ist.
Der objektbezogene Umsatzschlüssel, bei dem laut Einigung der Beteiligten 50% der Herstellungskosten auf den Supermarkt entfielen und somit 50% der Vorsteuern abzugsfähig wären, ist nicht präziser als der Flächenschlüssel. Der Umsatzschlüssel führt im Streitfall nicht zu genaueren Ergebnissen, weil die Rentabilität des Projekts auf einer Gesamtbetrachtung beruht, bei der die höhere Miete für den Supermarkt die niedrigeren Mieten für die Wohnungen ausgleicht. Bei der Errichtung der Wohnanlage, die mit Zuschüssen und teils verbilligten Darlehen gefördert wurde, spiegeln die steuerfreien Umsätze nicht die tatsächlichen Kosten der Herstellung wider. Denn die Mieten sind entsprechend dem Mietspiegel gedeckelt, während der Mietpreis für den Supermarkt frei verhandelt werden konnte. Dass die Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel zu keinem sachgerechten Ergebnis führt, zeigt sich auch anhand eines Vergleichs mit den durchschnittlichen Baupreisen für Wohnungen in den Streitjahren. Bei Herstellungskosten in 2009 und 2010 von rund 7.500.000 € würden laut Vortrag der Klägerin die Hälfte, also 3.750.000 €, auf die Herstellung des Supermarkts mit 1.716 m² und die andere Hälfte auf die Wohnanlage mit 3.349 m² entfallen. Das bedeutet, dass für den Supermarkt Herstellungskosten von 2.185 €/m² und für die Wohnanlage nur 1.119 €/m² angefallen wären. Die durchschnittlichen Baukosten für Wohnungen betrugen laut Statistischem Baupreisindex 2009/2010 aber in Deutschland im Zeitpunkt der Genehmigungen für Wohngebäude mit 3 oder mehr Wohnungen pro m² im Jahr 2009 bereits 1.298 € und im Jahr 2010 1.323 €. Der Umsatzschlüssel würde zu unterdurchschnittlichen Herstellungskosten für die Wohnungen und überdurchschnittlichen Herstellungskosten für den Supermarkt führen.
Auf die von der Klägerin vorgenommene direkte Zuordnung von Kosten für den Supermarkt und die Wohnungen in 2010 kann nicht abgestellt werden. Denn es kommt insoweit auf die prozentualen Verwendungsverhältnisse des gesamten Gebäudes an (vgl. BFH-Urteil vom 10.08.2016 XI R 31/09, BFH/NV 2016, 1654).
Da der Umsatzschlüssel keine genaueren Ergebnisse erbringt, verbleibt es beim Flächenschlüssel. Hierbei handelt es sich um einen sachgerechten Schlüssel. Die Klägerin bleibt hieran gebunden, da sie ihr Wahlrecht in zulässiger Weise ausgeübt hat und Steuerfestsetzungen für die Streitjahre unter dem Vorbehalt der Nachprüfung formell bestandskräftig geworden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 14.03.2008 V B 137/06, BFH/NV 2008, 1213).
Bei Anwendung des Flächenschlüssels ergibt sich die in der Tenorierung festgestellte Umsatzsteuer. Das Finanzamt hat entsprechend dem Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.02.2015 zugestanden, dass unter Berücksichtigung der Gewerbe- und Nutzflächen 36,49% auf den Supermarkt entfällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
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30.07.2019
Urteil
Zitiervorschlag: FG Nürnberg, Urteil vom 30.07.2019, Az. 2 K 103/17 (REWIS RS 2019, 4922)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 4922
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
FG Nürnberg, 2 K 103/17, 30.07.2019.
Bundesfinanzhof, XI R 7/20, 11.11.2020.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden; sachgerechter Schlüssel bei erheblichen Ausstattungsunterschieden
Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden
Zulässigkeit des Flächenschlüssels bei gemischt genutzten Gebäuden
EuGH-Vorlage zu Fragen der Bestimmung der abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen für ein gemischt genutztes Gebäude, …
Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden
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