Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.10.2013, Az. 25 W (pat) 94/12

25. Senat | REWIS RS 2013, 2032

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "pedifit" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 037 887.8

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 14. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Metternich

beschlossen:

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 11. April 2012 und vom 16. August 2012 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Waren

(Klasse 3) Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege,

(Klasse 5) Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Desinfektionsmittel

zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 13. Juli 2011 zur Eintragung in das beim [X.] geführte Markenregister für diverse Waren der Klassen 3 und 5 angemeldet worden.

4

Die Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s hat diese unter der Nummer 30 2011 037 887.8 geführte Anmeldung nach Beanstandung durch Beschluss eines Prüfers vergleichbar dem gehobenen Dienst vom 11. April 2012 in Bezug auf die im Tenor genannten Waren sowie die Waren "Wasch- und Bleichmittel" zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Anmelderin hat die Markenstelle durch eine Prüferin des höheren Dienstes durch Beschluss vom 16. August 2012 den [X.] teilweise, und zwar in Bezug auf die Waren "Wasch- und Bleichmittel" aufgehoben, und die Erinnerung im Übrigen zurückgewiesen.

5

Die Markenstelle ist der Auffassung, dass der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die im Tenor genannten, zurückgewiesenen Waren der Klassen 3 und 5 jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Die angemeldete Bezeichnung sei aus der Angabe "[X.]" für "Fuß, die Füße betreffend" und "fit" für "etwas bzw. jemand in guter Verfassung sein, leistungsfähig" zusammengesetzt und für die angesprochenen Verkehrskreise, denen Begriffe wie "[X.]küre" geläufig seien, ohne weiteres verständlich. Die angemeldete Bezeichnung werde daher vom Verkehr als Sachangabe hinsichtlich der Art und Wirkungsweise der vorgenannten Waren dahingehend aufgefasst, dass diese Waren die Füße wieder leistungsfähig machen oder diese wieder in eine bessere Verfassung bringen könnten. Diese Waren könnten für diese Zwecke an den Füßen angewendet werden (z.B. ätherische Öle, bestimmte Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, pharmazeutische Erzeugnisse zur Beseitigung von Hornhaut und Druckstellen). Eine gewisse begriffliche Unschärfe, wie die Füße konkret wieder leistungsfähig gemacht würden, führe nicht zur Schutzfähigkeit. Die angemeldete Bezeichnung treffe in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren eine sinnvolle Aussage, sei insoweit eindeutig und bedürfe keiner Interpretation. Unerheblich sei, ob die angemeldete Bezeichnung bereits benutzt werde oder lexikalisch nachweisbar sei, da auch sprachliche Neuschöpfungen schutzunfähig seien, wenn sie als Sachangabe unmittelbar verständlich seien. Der Verkehr gehe stets von der für ihn nahe liegenden Bedeutung von Begriffen aus, wobei zunächst die Bedeutung der einzelnen Bestandteile zu klären sei. Vorliegend ergebe der Gesamtbegriff "[X.]" keine über die beschreibende Bedeutung seiner Einzelbestandteile hinausgehende, eintragungsfähige Aussage. Zudem werde der Verkehr nicht davon ausgehen, dass es nur einen Anbieter von Waren gebe, die der Erhaltung oder Wiederherstellung Leistungsfähigkeit der Füße dienten.

6

Ob auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfüllt sei, könne dahingestellt bleiben. Soweit sich der Anmelder auf Voreintragungen berufe, könnten diese keine Bindungswirkung haben, zumal Sprachempfinden und Rechtsprechung Veränderungen unterlägen. Im Übrigen gebe es auch Gegenbeispiele; so seien die Anmeldungen "Cardiofit", [X.]", [X.] fit", "[X.] relax", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]" und "[X.]" nicht zur Eintragung gelangt.

7

Der Anmelder vertritt mit seiner gegen die vorgenannten Beschlüsse gerichteten Beschwerde die Auffassung, dass die angemeldete Bezeichnung auch in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren schutzfähig sei. Die Bezeichnung "[X.]" stelle keinen gängigen Ausdruck im einschlägigen Warenbereich dar. Bei dem Bestandteil "[X.]" handele es um eine Abwandlung des aus der [X.] stammenden Wortes "Pes" (Fuß). Vereinzelte Fundstellen, die die Markenstelle ermittelt habe, würden eine beschreibende Verwendung nicht belegen, sondern eher eine firmen- oder markenmäßige Benutzung von Bezeichnungen wie "[X.]-FIT", "[X.] WELL" und "[X.]". Die angemeldete Bezeichnung weise nicht auf Art und Verwendungszweck der zurückgewiesenen Waren hin, zumal es mehrerer Gedankenschritte bedürfe, um von der Wortkombination "[X.]" zu einem entsprechenden Bedeutungsgehalt zu kommen. Es erschließe sich dem Verkehr nicht unmittelbar und ohne analysierende Betrachtungsweise, in welcher Art und Weise die beanspruchten Waren Füße in eine gute Verfassung bringen oder deren gute Verfassung erhalten könnten. Die angemeldete Bezeichnung verfüge allenfalls über einen beschreibenden Anklang und könne lediglich Assoziationen oder Vermutungen hinsichtlich der Wirkung der beanspruchten Waren wecken. Insbesondere bleibe völlig unklar, inwieweit die Waren "Seifen und Parfümeriewaren" eingesetzt würden, um Füße leistungsfähig zu machen oder in eine gute Verfassung zu bringen.

8

Zudem sei die Argumentation der Markenstelle in sich widersprüchlich. Soweit die Markenstelle davon ausgehe, dass die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf "Bleichmittel" schutzfähig sei, weil diese im Zusammenhang mit Füßen nur zu kosmetischen Zwecken (Bleichung von Altersflecken) benutzt würden, müsse gleiches auch für die zurückgewiesenen "Seifen und Parfümeriewaren" gelten, die in Bezug auf Füße ebenfalls nur zu kosmetischen Zwecken benutzt würden. Die von der Markenstelle genannten Zurückweisungen von Markenanmeldungen mit dem Element "fit" seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da es hier um eine Kombination eines abgewandelten Wortelements ("[X.]") mit dem Element "Fit" gehe. Ferner gebe es eine Reihe von eingetragenen Marken mit dem Element "[X.]" ([X.], [X.]safe, [X.]-strip, [X.]Soft, [X.]-form, [X.]fix, [X.]tech), denen allen, würde man der Argumentation der Markenstelle folgen, die Unterscheidungskraft fehlen würde.

9

Der Anmelder beantragt (sinngemäß),

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 11. April 2012 und vom 16. August 2012 aufzuheben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Waren

(Klasse 3) Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege,

(Klasse 5) Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Desinfektionsmittel

zurückgewiesen worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemeldeten Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren der Klassen 3 und 5 weder das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] noch dasjenige des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, so dass die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle insoweit aufzuheben waren, als die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

1.

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u.a. [X.] GRUR 2004, 428, [X.]. 30, 31 - "[X.]"; [X.], 850, [X.]. 17 - "[X.]"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. [X.], 850, [X.]. 19 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 674, [X.] 86 - Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u.a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird ([X.] – [X.], a.a.O.).

Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es zum einen auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an ([X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 8, Rdn. 29, 30). Ferner gehören die inländischen, am Handel beteiligten Fachkreise zu den maßgeblichen Verkehrskreisen, wobei bereits das Verständnis dieser Fachkreise für sich gesehen bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 8, Rdn. 29 m.w.N.). [X.] sind im Wesentlichen Hygienemittel, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege sowie pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, die an breite Kreise inländischer Verbraucher gerichtet sind.

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der angemeldeten Marke "[X.]" nicht jegliche Eignung abzusprechen, in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren als betrieblicher Herkunftshinweis dienen zu können. Zwar ist der Verkehr daran gewöhnt, ständig mit neuen Wortschöpfungen konfrontiert zu werden. Jedoch haben weder die von der Markenstelle in das patentamtliche Verfahren eingeführten Belege noch eine ergänzende Recherche des Senats Ergebnisse aufgezeigt, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss zulassen, dass die vorgenannten Verkehrskreise die (Anfangs-) Silbenfolge "[X.]" ohne weiteres im Sinne von ""Fuß, die Füße betreffend" auffassen und in der Verbindung mit der weiteren Silbe "fit" die angemeldete Marke ohne weiteres und insbesondere ohne eine Mehrzahl gedanklicher Schritte eine hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren ausschließlich beschreibende Wortkombination bzw. eine bloße Aneinanderreihung beschreibender Wortelemente erkennen werden. Zwar ist davon auszugehen, dass den angesprochenen Verkehrskreisen der Begriff "[X.]küre" als Synonym für "Fußpflege" geläufig ist. Jedoch konnte nicht festgestellt werden, dass die Silbenfolge "[X.]" im inländischen Sprachgebrauch eine gebräuchliche Abkürzung oder Umschreibung für "Fuß" oder "die Füße betreffend" darstellt. Eine entsprechende Bedeutung der Silbenfolge "[X.]" ist in gängigen Abkürzungslexika und auch in Lexika für medizinische Abkürzungen nicht nachweisbar. Auch die von der Markenstelle ermittelten und dem [X.] vom 11. April 2012 beigefügten Belege lassen nicht mit einer hinreichenden Sicherheit auf ein Verkehrsverständnis im vorgenannten Sinne schließen, zumal diese Belege (z.B. in Bezug auf Produkte wie "[X.] GEL") auch den Schluss auf eine markenmäßige Benutzung zulassen können. Das gleiche gilt auch in Bezug auf eine ergänzende Recherche des Senats, die zwar Hinweise auf Produktebezeichnungen wie "[X.] Pro", "Express [X.]" oder "Micro [X.]" ergeben hat, bei denen aber ebenfalls eine markenmäßige – und als solche auch von den beteiligten Verkehrskreisen erkannte – Verwendung nicht auszuschließen ist.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass mit Blick auf die [X.] im vorliegend relevanten Warenbereich der Verkehr an [X.] gewöhnt ist, die auf den [X.] bzw. den Anwendungsbereich oder auch die Wirkungsweise der so gekennzeichneten Präparate hindeuten, ohne dass deswegen einem entsprechend gebildeten, aus mehreren Elemente bestehenden Zeichen jegliche Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlen muss. Vorliegend kommt hinzu, dass das angemeldete Zeichen zumindest prima facie wie ein Gesamtbegriff erscheint, bei dem eine Aufspaltung in die Bestandteile "[X.]" und "fit" sich nicht ohne weiteres, jedenfalls nicht ohne jedweden analysierenden Gedankenschritt aufdrängt.

Aufgrund dieser Feststellungen kann der Bezeichnung "[X.]", auch wenn sie beschreibende Anklänge enthalten und deswegen eine deutlich sprechende Marke darstellen mag, nicht in jeder Hinsicht die Eignung abgesprochen werden, als betrieblicher Herkunftshinweis dienen zu können. Diese Bezeichnung stellt als Ganzes bereits einen hinreichend phantasievollen Gesamtbegriff dar, wobei die Silbenfolge "[X.]" bereits eine hinreichende Abwandlung des [X.] Wortes "pes" ("Fuß") darstellt und diese sich mit der weiteren Silbe "fit" zu einem nur als sog. "sprechende Marke" anzusehenden, aber als solchen bereits ein Minimum an Unterscheidungskraft aufweisenden Gesamtbegriff verbindet.

2.

Aus den vorgenannten Gründen besteht die angemeldete Marke auch nicht ausschließlich aus Elementen, die dazu dienen könnten, die beschwerdegegenständlichen Waren oder Merkmale dieser Waren zu beschreiben. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist daher ebenfalls nicht erfüllt.

Die angefochtenen Beschlüsse waren nach alledem insoweit aufzuheben, als die Markenstelle die angemeldete Marke zuletzt zurückgewiesen hat.

Meta

25 W (pat) 94/12

14.10.2013

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.10.2013, Az. 25 W (pat) 94/12 (REWIS RS 2013, 2032)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2032

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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