Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2016, Az. StB 14/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8964

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:300616BSTB14.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 14-16/16

vom
30. Juni
2016
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

1.
2.
3.

wegen
Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] sowie der Beschuldigten und ihrer Verteidiger
am 30. Juni
2016
gemäß §
304
Abs.

5
[X.] beschlossen:

Die Beschwerden der Beschuldigten gegen die Haftbefehle des Ermittlungsrichters des [X.] vom 19. November 2014 (1 [X.]), vom 20. November 2014 (1 [X.] 236/14) und vom 25. Januar 2016 (1 [X.] 4/16) werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:
[X.] Die Beschuldigten K.

und W.

sind seit dem 11.
April 1995 un-bekannten Aufenthalts. Der Beschuldigte [X.]

, der zunächst ebenfalls unbekannten Aufenthalts war, wurde am 11.
April 2014 aufgrund eines gegen ihn bestehenden Haftbefehls in [X.] festgenommen; ein Auslieferungs-ersuchen der [X.] hat die [X.] zwischenzeitlich abgelehnt.
Gegen die Beschuldigten bestanden zunächst Haftbefehle des Ermitt-lungsrichters des [X.] vom 3.
Mai 1995 und vom 21.
Oktober 2004, die neben der nach wie vor verfahrensgegenständlichen Tat weitere Vorwürfe, namentlich den der Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] ("Das K.O.M.[X.]T.E.E.") nach § 129a Abs.
1 Nr.
3 StGB aF sowie den der Brand-stiftung wegen eines Anschlags auf ein Kreiswehrersatzamt vom 27.
Oktober
1994, zum Gegenstand hatten. Die Haftbefehle vom 21.
Oktober 2004 sind 1
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-
durch diejenigen vom 19. und 20.
November 2014 bzw. denjenigen vom 25.
Januar 2016 abgeändert und neu gefasst worden. Gegenstand dieser [X.] ist allein noch der Vorwurf, die Beschuldigten hätten sich am 11.
April 1995 verabredet, vorsätzlich durch Sprengstoff eine Explosion herbeizuführen und dadurch vorsätzlich fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden, strafbar gemäß § 30 Abs.
2 Variante 3 in Verbindung mit §
311 Abs.
1 StGB in der Fassung der Neubekanntmachung vom 10.
März 1987 ([X.] I, S. 945; im Folgenden: StGB aF).
Die Beschuldigten, denen die Haftbefehle nicht bekannt sind, haben ge-gen die Haftbefehle vom 21.
Oktober 2004, hilfsweise gegen den jeweils zurzeit gegen
sie bestehenden Haftbefehl Beschwerden
eingelegt. Diese richten sich damit gegen die Haftbefehle vom 19. bzw. 20.
November 2014 und vom 25.
Januar 2016.
I[X.] Die Beschwerden sind unbegründet.
1. Nach dem Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tat-verdachts davon auszugehen, dass die Beschuldigten übereinkamen, am 11.
April 1995 die in diesem [X.]punkt wegen Umbauarbeiten leerstehende und als Abschiebehaftanstalt vorgesehene Justizvollzugsanstalt in [X.]/[X.] mittels einer Sprengstoffexplosion zu zerstören. Dazu hatten sie über 120 Kilo-gramm eines explosiven Gemischs aus mehreren Chemikalien beschafft und in vier [X.] gefüllt, von denen sie zwei mit einer [X.] versehen hatten, und die sie auf einem in der Nähe der Justizvollzugsanstalt liegenden Parkplatz in einen entwendeten Transporter einluden. Sie beabsich-tigten, den Transporter an der Justizvollzugsanstalt abzustellen und den Sprengstoff in den frühen Morgenstunden des 11.
April 1995 zur Explosion zu
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-
bringen. Dazu kam es nicht, weil sie sich von einer zufällig an dem Parkplatz vorbeifahrenden Polizeistreife entdeckt wähnten und die Flucht ergriffen.
2. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus der Auffindesituation des mit den Sprengvorrichtungen beladenen Transporters und des in unmittelbarer Nähe dazu abgestellten weiteren Kraftfahrzeugs, in dem sich die Ausweispa-piere der Beschuldigten und weitere auf sie als Täter hinweisende Gegenstän-de befanden.
3. a) In rechtlicher Hinsicht ist damit der Vorwurf der Verabredung zu dem Verbrechen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion belegt, strafbar gemäß §
311 Abs.
1, § 30 Abs. 2 StGB aF.
Entgegen der Auffassung der [X.] wird die Strafbarkeit nach diesen Vorschriften nicht durch den [X.] der Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion nach § 311b Abs.
1 Nr.
2 StGB aF verdrängt, vielmehr verbietet sich dies bereits aufgrund der höheren Strafdrohung für die Verabredung, die sich hier aus §
311 Abs.
1, § 30 Abs.
2, §
49 Abs.
1 StGB aF ergibt und diejenige
aus §
311b Abs.
1 Nr.
2 StGB aF
(Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) deutlich übersteigt (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 8.
Dezember 2015 -
3 StR 438/15, NJW 2016, 1030, 1032 mwN). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen gibt der vorliegende Fall keinen Anlass.
Die Ahndung dieser Tat ist nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. [X.] gilt:
Die Vorschrift des §
311 Abs.
1 StGB aF
sah, wie nunmehr der gleichlau-tende §
308 Abs.
1 StGB nF, in Verbindung mit § 38 Abs.
2 StGB aF eine Höchststrafe von 15 Jahren Freiheitsstrafe vor. Eine nach dieser Vorschrift strafbare Tat verjährte deshalb gemäß § 78
Abs.
3 Nr. 2 StGB aF in 20
Jahren. Dies gilt auch für Fälle, in denen wie hier nach § 30 Abs.
2, Abs.
1 Satz
2 StGB 6
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-
aF eine Milderung gemäß §
49 Abs.
1 StGB aF vorzunehmen
ist (vgl. § 78 Abs.
4 StGB aF). Die mithin maßgebliche Verjährungsfrist von 20 Jahren be-gann nach § 78a Satz
1 StGB aF am 11.
April 1995 zu laufen und wurde ge-mäß §
78c Abs.
1 Nr.
5 StGB aF
durch den Erlass sämtlicher in dieser Sache ergangenen Haftbefehle fristgerecht unterbrochen (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
November 2008 -
StB 25/08, [X.]R StGB § 78c Abs.
1 Nr.
5 Haftbefehl 2), so dass sie jeweils neu zu laufen begann (§ 78c Abs.
3 Satz
1 StGB aF), zu-letzt durch Erlass der angefochtenen Haftbefehle. Da auch das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist seit dem 11.
April 1995 noch nicht abgelaufen ist (vgl. § 78c Abs.
3 Satz
2 StGB aF) -
dies wäre erst im April des Jahres 2035 der Fall -
besteht ein Verfahrenshindernis nicht.
Der [X.] hat weder mit Blick auf den [X.], das Rechts-staatsprinzip, den Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Bestimmtheitsgebot Zweifel daran, dass § 30 Abs. 2 StGB aF verfassungsgemäß ist. Für ein Nor-menkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz
1 GG ist damit kein Raum.
b) Es besteht darüber hinaus der dringende Verdacht, dass die [X.] auch den Tatbestand der Vorbereitung einer Tat nach § 311 Abs.
1 StGB aF erfüllt haben, strafbar gemäß § 311b Abs.
1 Nr.
2 StGB aF; insoweit ist die Strafverfolgung jedoch verjährt, nachdem die Verjährungsfrist gemäß §
78 Abs.
3 Nr.
4 StGB aF, gegebenenfalls auch in Verbindung mit §
78c Abs.
3 Satz
2 StGB
aF
spätestens mit Ablauf des 11.
April 2005 verstrichen war. Ebenfalls -
spätestens seit Anfang September 2015 (vgl. §
78 Abs.
3 Nr.
3 StGB aF, auch in Verbindung mit §
78c Abs.
3 Satz
2 StGB aF) -
verjährt ist die den Beschuldigten vorgeworfene Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung gemäß § 129a Abs.
1 Nr.
3 StGB aF
bzw. -
als milderes Gesetz im Sinne von § 2 Abs.
3 StGB -
gemäß § 129a Abs.
2 Nr.
2 StGB nF.
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4. Es besteht hinsichtlich aller drei Beschuldigter der Haftgrund der Flucht, §
112 Abs.
2 Nr.
1 [X.]. Dies gilt auch mit Blick auf den Beschuldigten [X.]

, dessen Aufenthaltsort in [X.] mittlerweile bekannt ist, weil dieser nicht aus dem Ausland zurückkehren will, um sich dem Verfahren zu stellen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
112 Rn.
13 mwN).
5. Der Ermittlungsrichter des [X.] war für den Erlass der angefochtenen Haftbefehle gemäß § 169 Abs.
1 Satz
2 [X.] in Verbindung mit §
142a Abs.
1 Satz
1, §
120 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 GVG zuständig. Dies folgt [X.], dass sich die Sprengstoffexplosion, zu deren Herbeiführung sich die [X.] verabredeten, nach dem Ergebnis der Ermittlungen naheliegend als Teil der Strategie und Zielsetzung der terroristischen [X.] "Das K.O.M.[X.]T.E.E." darstellte, deren Mitglieder die Beschuldigten waren. Diese [X.] war darauf gerichtet, die politischen Verhältnisse in [X.] im Sinne der linksgerichteten Ideologie dieser Gruppierung umzuwälzen; die von der [X.] begangenen Anschläge waren ebenso wie die [X.] geeignet, die Sicherheit der [X.] zu gefährden, indem die Funktionsfähigkeit der [X.] des Staates durch gemeinge-fährliche Straftaten erheblich beeinträchtigt werden sollte.
Mit Blick auf die geplante dauerhafte Unbrauchbarmachung der Justiz-vollzugsanstalt handelt es sich um eine staatsgefährdende Straftat von beson-derem Gewicht, so dass auch die besondere Bedeutung des Falles im Sinne von §
120 Abs.
2 Nr. 3 GVG vorliegt. Diese Einschätzung wird auch dadurch gestützt, dass es sich bei dem zwar verjährten aber gleichwohl tateinheitlich ebenfalls verwirklichten Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen [X.] um ein Delikt handelt, das in die originäre Zuständigkeit der Oberlan-desgerichte nach §
120 Abs. 1 Nr.
6 GVG und damit gemäß § 142a Abs.
1 Satz
1 GVG in die Verfolgungszuständigkeit des [X.] fällt.
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6. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist wegen des Gewichts des [X.] auch angesichts der seit der Tat verstrichenen [X.] weiterhin ver-hältnismäßig. Insoweit ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass die [X.] verjährten Tatvorwürfe gleichwohl -
wenn auch mit minderem Gewicht -
strafschärfend berücksichtigt werden können (st. Rspr.;
vgl. etwa [X.], [X.] vom 22.
März 1994 -
4
StR 117/94, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Vorleben 24 mwN).
Becker

[X.] Gericke

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Meta

StB 14/16

30.06.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2016, Az. StB 14/16 (REWIS RS 2016, 8964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8964

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