Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2013, Az. 4 StR 347/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 73

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
347/13
vom
19. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Beteiligung an einer Schlägerei

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19.
Dezember 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],
[X.]

in der Verhandlung vom 5.
Dezember 2013,
Staatsanwaltschaft

bei der Verkündung am 19.
Dezem-ber 2013

als Vertreter des [X.],
Rechtsanwalt

in der Verhandlung
vom 5.
Dezember 2013

als Verteidiger,
Rechtsanwältin

in der Verhandlung
vom 5.
Dezember 2013

als Vertreterin
des [X.] Z.

,
Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revisionen des Angeklagten und des Nebenklä-gers

Z.

wird das Urteil des [X.] Dort-
mund vom 12.
Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als
Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

[X.]ünde:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beteiligung an einer Schlä-gerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verlet-zung sachlichen Rechts und beantragt Freispruch,
hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an eine andere [X.] des [X.] zurückzuverweisen. Der Nebenkläger

Z.

strebt eine Verurteilung we-
gen Totschlags (§
212 [X.]) an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
1
-
4
-
I.
1.
Das [X.] hat die folgenden Feststellungen getroffen:
In der Nacht vom 4. auf den 5.
April 2012
war der Angeklagte zusammen mit

[X.]

,

M.

und

S.

auf dem Weg zur
Wohnung seines Vaters, wo sie von

[X.]

und

[X.]

erwartet

wurden. Kurz vor dem Erreichen der Wohnung
trafen sie auf den später getöte-ten

[X.]

und die Zeugen

Fe.

,

[X.]

,

[X.]

,

Ga.

und

[X.].

. Die Stimmung in
der [X.]uppe um

[X.]

war alkoholbedingt ausgelassen bis gereizt.

[X.]

und

Fe.

beschimpften den Angeklagten und

[X.]

M.

und

S.

-
dersetzung suchende

[X.]

besonders hervor. Während der Ange-
klagte und seine weiblichen Begleiterinnen auf die Provokationen nicht eingin-gen, reagierte

[X.]

mit Beleidigungen in Richtung des

[X.]

und seiner Begleiter und gab diesen zu verstehen, sie
sollten weni-

Sodann begaben sich der Angeklagte und seine Begleiter in die nahe ge-legene Wohnung. Dort berichtete

[X.]

den wartenden

[X.]

und

[X.]

, dass s-

ä-gerei aus seien. Man solle hinuntergehen, um die Sache zu klären. Der Ange-klagte, der dieser Aufforderung nicht ausschließbar nur widerwillig nachkam, entnahm aus einer Schublade zwei Küchenmesser und übergab diese

[X.]

, der sie an

[X.]

und

[X.]

weiterreichte.
2
3
4
-
5
-

[X.]

hatte zudem eine [X.] bei sich. Dem Angeklagten
und seinen Begleitern war dabei bewusst, dass sie sich in eine alkoholbedingt aufgeladene Situation begeben würden, bei der auch mit Tätlichkeiten ernstlich zu rechnen war.
Als der Angeklagte und seine drei männlichen Begleiter unter der Füh-rung von

[X.]

vor das
Haus traten, wurden sie von der im Halbkreis auf-
gestellten [X.]uppe um

[X.]

erwartet. Während sich die als Wortfüh-
rer auftretenden

[X.]

und

[X.]

zunächst ein Wortgefecht
lieferten, trennten sich einzelne Personen aus den jeweiligen [X.]uppen heraus. Dabei kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen

[X.]

einerseits und

[X.].

und

S.

andererseits,
bei der

[X.]

eines der Küchenmesser als Drohmittel einsetz-
te. Der Angeklagte und

Fe.

führten ein wenig abseits stehend ein
Gespräch, bei dem sie übereinkamen, dass eine Schlägerei überflüssig sei und die Streitenden auseinandergebracht werden müssten. Nachdem es [X.] zwischen einigen Mitgliedern der
beiden [X.]uppen bereits zu Schubse-reien gekommen war, wobei sowohl

[X.]

, als auch

[X.]

zu
Boden gingen, trat der Angeklagte wieder hinzu, um

[X.]

von einer tät-
lichen Auseinandersetzung abzuhalten. Dies gelang ihm jedoch nicht. Statt-

[X.]

und

[X.]

, bei der der Angeklagte daneben stand und das Geschehen be-
obachtete.
Weil sie möglicherweise der Mut verlassen hatte, ergriffen

[X.]

,

[X.]

und

[X.]

die Flucht in Richtung eines nahe

gelegenen [X.] und ließen den Angeklagten alleine vor dem Wohnhaus zurück. Im Weglaufen drückte ihm

[X.]

noch mit dem Wort

5
6
-
6
-
der Küchenmesser in die Hand. Unterdessen flog eine zuvor von dem Ange-klagten auf dem Boden abgestellte [X.] in Richtung der [X.]uppe um

[X.]

. Ob
die Flasche von einem der Flüchtenden aus der [X.]uppe
des Angeklagten geworfen
wurde, hat
das [X.] nicht festzustellen

vermocht. Die [X.]uppe um

[X.]

lief nun

von ihm angeführt

auf
den allein auf einer Rasenfläche stehenden Angeklagten zu, um ihn anzugrei-fen.

[X.]

stürzte sich auf den Angeklagten und versetzte ihm ein bis
zwei Schläge und Tritte. In dieser Situation führte der Angeklagte das Messer einmal nach vorne

in die Richtung des ihn angreifenden

[X.]

, um erwartete weitere Schläge und Tritte abzuwehren und sich zu
verteidigen. Den Eintritt eines Verletzungserfolges nahm er dabei billigend in Kauf. Er traf

[X.]

mit dem Messer im Bereich des Halses und fügte
ihm eine 11
cm tiefe Stichverletzung zu. Einen gezielten Stich in den Halsbe-reich und die billigende Inkaufnahme von für möglich gehaltenen tödlichen [X.] hat das [X.] nicht festzustellen
vermocht. Auch hat es sich nicht davon überzeugen können, dass es dem Angeklagten in der konkreten Situation möglich gewesen wäre, sich befürchteten weiteren Tätlichkeiten des Getöteten durch mildere Mittel oder ein Weglaufen zu entziehen.
Nach dem Stich ließ

[X.]

von weiteren Tätlichkeiten ab. Der
Angeklagte hob das zunächst fallengelassene Messer wieder auf und lief zu

[X.]

,

[X.]

und

[X.]

, die sich auf dem
Spielplatz gesammelt hatten. Nachdem er an dem Messer Blutantragungen bemerkt hatte, äußerte er auf der sich anschließenden gemeinsamen Flucht

2.
Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als Beteiligung
an einer Schlägerei gemäß §
231 Abs.
1 [X.] gewertet. Zwischen

7
8
-
7
-
[X.]

und den Zeugen

[X.]

, [X.]

, [X.]

und Ga.

sei
es zu wechselseitigen Körperverletzungen, mithin zu einer
Schlägerei i.S.d. §
231 Abs.
1 [X.] gekommen. An dieser Schlägerei sei der Angeklagte betei-ligt gewesen, obgleich er selbst nicht geschlagen habe. Der Angeklagte habe sich in Kenntnis der Tatsache, dass auf der
Straße eine gewaltbereite, überzäh-lige [X.]uppe wartete, mit seiner [X.]uppe dorthin begeben, um die Sache zu klä-ren. Damit habe er sich wissentlich in eine Situation begeben, in der unmittelbar mit Tätlichkeiten zu rechnen gewesen sei. Dieses Gesamtgeschehen
reiche aus, um eine psychische Beteiligung des Angeklagten von Beginn der [X.] ([X.]
19).
Eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §
227 Abs.
1 [X.] scheide aus, weil die Tat
durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei (§
32 Abs.
2 [X.]). Der Messerstich sei zur Abwehr des noch andauernden Angriffs des

[X.]

geeignet und erforderlich gewesen, da
dem An-
geklagten keine wirksameren Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Ob sein Notwehrrecht wegen eines zu missbilligenden Vorverhaltens eingeschränkt ge-wesen sei, könne dahinstehen, da er sich der [X.] auch nicht durch ein Weglaufen habe entziehen können ([X.]
24).
Das Vorliegen eines
bedingten
Tötungsvorsatzes hat das [X.] unter anderem mit der Erwägung ver-neint, dass der Angeklagte durch einen Verteidigungs-
und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewe-sen sei ([X.]
21).
II.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
9
10
-
8
-
1.
Die Verurteilung wegen Beteiligung an einer Schlägerei gemäß §
231 Abs.
1 1.
Alt. [X.] wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen.
Eine Schlägerei im Sinne des §
231 Abs.
1 1.
Alt. [X.] ist eine mit
gegenseitigen Tätlichkeiten verbundene Auseinandersetzung,
an der mehr
als zwei Personen aktiv mitwirken ([X.], Urteile
vom 12.
März 1997

3
StR
627/96, NStZ
1997, 402, 403; vom 21.
Oktober 1982

4
StR
526/82, [X.]St 31, 124, 125; vom 21.
Februar 1961

1
StR
624/60, [X.]St 15, 369, 370). Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben nicht, dass es im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens zu Tätlichkeiten unter mindestens drei Personen gekommen ist.
a)
Als eine für das Tatbestandsmerkmal Schlägerei konstitutive Tätlich-keit können neben zu vollendeten
Körperverletzungen führenden Handlungen auch solche in Betracht kommen, die auf deren Herbeiführung
abzielen (vgl. [X.], Urteil vom 22.
September 1959

5
StR
289/59, [X.] 1960, 213; LK-[X.]/
Hanack, 11.
Aufl., §
231 Rn.
4; [X.]/[X.]/[X.], [X.],
27.
Aufl.,
§
231 Rn.
3 mwN). Eine Tätlichkeit in diesem Sinn verübt auch, wer sich in Ausübung seines Notwehrrechts teil vom 12.
März 1997

3
StR
627/96, [X.], 402, 403; Urteil vom 21.
Fe-bruar 1961

1
StR
624/60, [X.]St 15, 369, 370
f.; [X.], Strafrecht BT, 5.
Aufl.,
S.
246).
Daran gemessen begegnet die Annahme einer Schlägerei durchgreifen-den rechtlichen Bedenken. Soweit die [X.] darauf abgestellt hat, dass es zu wechselseitigen Körperverletzungen zwischen

[X.]

und den
Zeugen

[X.]

,

[X.]

,

[X.]

und

Ga.

gekommen sei, findet sich dafür in den Feststellungen und der zuge-
11
12
13
14
-
9
-
hörigen Beweiswürdigung nur in Bezug auf

[X.]

und

[X.]

[X.]

und

[X.]

festgestellt, an der auch noch

[X.].

beteiligt war. Zudem drohte

[X.]

beiden mit einem Messer. Dass in diesem Zusammen-
hang auch Tätlichkeiten verübt wurden, lässt sich den Urteilsgründen nicht ent-erkennen, ob es dabei zu Körperverletzungen oder darauf abzielenden Hand-lungen gekommen ist. Zudem bleibt offen, ob neben den dabei zu Boden ge-gangenen

[X.]

und

[X.]

noch weitere Personen beteiligt
waren. Die Feststellungen zum Wurf der [X.] reichen für eine Beurtei-lung als tatbestandskonstitutive Tätlichkeit einer dritten Person nicht aus, da er nicht ausschließbar von

[X.]

ausgeführt worden sein kann.
b)
Mit der Frage, ob es sich bei dem abschließenden Geschehen, bei dem es
zu (weiteren) Tätlichkeiten zwischen

[X.]

(ein bis zwei
Schläge und Tritte) und dem Angeklagten (Messerstich)
kam, um einen Teilakt einer bereits zuvor begonnenen und noch fortdauernden einheitlichen tätlichen Auseinandersetzung
handelte, hat sich das [X.] nicht auseinanderge-setzt. Dies versteht sich indes nicht von selbst.
Die für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Schlägerei
erforderlichen wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mehr als zwei Personen müssen nicht gleichzeitig begangen werden ([X.], Urteil vom 12.
März 1997

3
StR
627/96, [X.], 402, 403; RG, Urteil vom 15.
Oktober 1940

1
D
464/40, HRR 1941 Nr.
369).
Eine Schlägerei im Sinne des §
231 Abs.
1 1.
Alt. [X.] kann vielmehr auch anzunehmen sein, wenn nacheinander jeweils nur zwei Perso-nen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben, zwischen diesen Vorgän-15
16
-
10
-
gen aber ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass eine Aufspaltung n-heitlichen Gesamtgeschehens mit mehr als zwei aktiv Beteiligten gerechtfertigt ist ([X.], Urteil vom 12.
März 1997

3
StR
627/96, [X.], 402, 403; RG, Urteil vom 15.
Oktober 1940

1
D
464/40, HRR
1941 Nr.
369; vgl. RG, Urteil vom 24.
Februar 1925

I
61/25, [X.], 107, 108
f.
zum von mehreren verüb-ten Angriff; [X.], [X.], 61.
Aufl., §
231 Rn.
2; NK-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
231 Rn.
5; [X.], Beteiligung an einer Schlägerei, 2010, S.
47).
Allerdings verliert eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mehr als zwei Personen
den Charakter einer Schlägerei, wenn sich so viele Beteiligte entfernen, dass
nur noch zwei Personen verbleiben, die aufeinander einschlagen oder in [X.] Weise gegeneinander tätlich sind (RG, Urteil vom 27.
September 1938

4
D
646/38, JW 1938, 3157; [X.], [X.] 110 [1998], S.
69, 72; [X.], Jura 1985, 585, 586; Saal, Die Beteiligung an einer Schlägerei, 2005, S.
44).
Ob ein einheitliches Gesamtgeschehen bis zum Ende vorlag, hätte der Prüfung durch die [X.] bedurft. Daran fehlt es indes. Das Schwur-

wie geboten

darauf abgestellt, ob in diese auch der Messerstich des Angeklagten einzube-

19).
2.
Die Sache bedarf daher auf die Revision des Angeklagten neuer [X.] und Entscheidung. Der [X.] vermag nicht auszuschließen, dass da-bei Feststellungen getroffen werden können, die eine Bestrafung des Angeklag-ten wegen Beteiligung an einer Schlägerei rechtfertigen.
17
18
-
11
-
III.
Die Revision des
[X.]

Z.

hat ebenfalls Erfolg.
1.
Die Annahme des [X.],
der Angeklagte könne nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß §
227 [X.] bestraft werden, weil der tödliche Stich zur Angriffsabwehr erforderlich und deshalb durch Notwehr (§
32 [X.]) gerechtfertigt gewesen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-denken.
a)
Eine in einer objektiven [X.] verübte Tat ist nach §
32 Abs.
2 [X.] gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem [X.]n in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 21.
März 1996

5
StR
432/95, [X.]St 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der [X.]undlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der [X.] beurteilt werden ([X.], Beschluss vom 21.
August 2013

1
StR
449/13 Rn.
6; Beschluss vom 21.
November 2012

2
StR
311/12, [X.], 105, 106; Urteil
vom 27.
September 2012

4
StR
197/12, [X.], 139, 140 mwN).
Auf weniger
gefährliche Verteidigungsmittel muss der [X.] nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Um-ständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur
Verfügung steht ([X.], Beschluss vom 21.
November 2012

2
StR
311/12, NStZ-RR
2013, 105, 106; Urteil vom 27.
September 2012

4
StR
197/12, [X.], 139, 140; Urteil vom 2.
November 2011

2
StR
375/11,
[X.], 272, 274). Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefähr-dende Einsatz einer Waffe kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Da-19
20
21
-
12
-
bei geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass gegenüber einem unbe-waffneten Angreifer der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers in der Regel anzudrohen ist ([X.], Beschluss vom 21.
November 2012

2
StR
311/12, [X.], 105, 106; Urteil vom 27.
September 2012

4
StR
197/12, NStZ-RR
2013, 139, 140
mwN). [X.] der schweren Kalkulierbarkeit des [X.] dürfen an die [X.] in einer zugespitzten
Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine vorherige Androhung des Messereinsatzes dabei jedoch keine überhöhten
Anforderungen gestellt werden (vgl. [X.], Urteil vom 2.
November
2011

2
StR
375/11, [X.], 272, 274).
b)
Diesen [X.]undsätzen werden die Erwägungen des [X.] zur Erforderlichkeit des [X.] nicht gerecht.
Für die Annahme, dem Ange-klagten wäre eine erfolgversprechende Androhung des Messereinsatzes nicht möglich gewesen, fehlt es an einer tragfähigen [X.]undlage.
Das [X.] hat sich außerstande gesehen, konkrete Feststellungen zum Geschehen unmittelbar vor dem tödlichen Stich zu treffen und deshalb seiner Entscheidung die unwiderlegte Einlassung des Angeklagten zugrunde gelegt. Dieser

in
einer gebilligten Verteidigererklärung liegenden

Einlassung lässt sich zum äußeren Geschehen jedoch lediglich entnehmen, dass

[X.]

dem Angeklagten vor dem tödlichen Stich mindestens zwei Schläge
und einen Tritt versetzte, der Angeklagte das Messer zu diesem Zeitpunkt be-reits in der Hand hielt und der tödliche Stich von ihm nach vorne ge-führt
wurde ([X.]

, die für eine objektive Bewertung der Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten herange-zogen werden könnte, enthalten
diese
Angaben
nicht.
22
23
-
13
-
Zwar darf sich das Fehlen von sicheren Feststellungen zu Einzelheiten des Geschehens nicht zu Lasten des Angeklagten auswirken ([X.], Beschluss
vom 15.
November 1994

3
StR
393/94, NJW 1995, 973), doch hätte das [X.] an dieser Stelle in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte auch behauptet hat, den tödlichen Stich nur geführt zu haben, abzuhalten ([X.]
12). Diese Einlassung deutet darauf hin, dass er selbst in der Androhung des Messereinsatzes eine realistische Verteidigungsmöglichkeit gesehen hat. Warum diese Einschätzung bei objektiver Betrachtung unzutref-fend ist, obgleich die Auseinandersetzung bis dahin nur auf

offenkundig fol-genlose

Schläge und Tritte begrenzt war, hätte näherer Darlegung bedurft. Die Feststellung, dass die gesamte [X.]uppe um

[X.]

in Angriffsab-
sicht auf den Angeklagten zugelaufen sei, findet in der zugehörigen Beweis-würdigung keine
Stütze. Nach der zugrunde liegenden Einlassung des Ange-klagten wurde nur

[X.]

tätlich. Auch hat er nur damit gerechnet,
von diesem verprügelt zu werden ([X.]
12).
2.
Dieser Rechtsfehler führt dazu, dass das angegriffene Urteil auch auf die Revision des [X.] aufzuheben ist.
Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] auf das Folgende hin:
a)
Sollte der neue Tatrichter zu der Feststellung gelangen, dass sich der Angeklagte auf eine einvernehmliche Prügelei eingelassen hat, bei der sich [X.] und Abwehrhandlungen aneinanderreihen, wird er zu bedenken haben, dass sich in Ermangelung eines Verteidigungswillens nicht auf Notwehr berufen kann, wer dabei zum Messer greift und auf seinen Gegner einsticht, weil er den Kürzeren gezogen hat ([X.], Urteil vom 8.
Mai 1990

5
StR
106/90, NStZ 24
25
26
27
-
14
-
1990, 435; Urteil vom 25.
August 1977

4
StR
229/77, bei [X.], [X.] 1978, 109 mwN). Allerdings kann sich auch für den Beteiligten an einer einvernehm-lichen Prügelei eine [X.] ergeben, wenn
er
zu erkennen gegeben hat, dass er den Kampf nicht fortsetzen will und danach zum allein [X.]n wird ([X.], Urteil vom 8.
Mai 1990

5
StR
106/90, NStZ 1990, 435; Urteil vom 6.
Juli 1965

1
StR
204/65, bei [X.], [X.] 1966, 23).
b)
Ergeben die neuen Feststellungen, dass sich der Angeklagte bei der Ausführung des [X.] gegen einen rechtswidrigen Angriff verteidigt hat, wird zu prüfen sein, ob er
mit Blick auf die Rechtsprechung zur [X.] (vgl. [X.], Urteile
vom 2.
November 2005

2
StR
237/05, NStZ

2006, 332, 333; vom 21.
März 1996

5
StR
432/95, [X.]St 42, 97, 100
f.;
vom 7.
Februar 1991

4
StR
526/90, Rn.
22;
vom 15.
Mai 1975

4
StR
71/75, [X.]St 26, 143, 145)
nur eingeschränkt von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen durfte. Hierzu wird dann Anlass bestehen, wenn sich (wiederum)
ergibt, dass der Angeklagte seine Begleiter durch die Bereitstellung der Messer und seine Teilnahme an der Konfrontation mit der [X.]uppe um

[X.]

in ihrer Streitlust bestärkt hat und
sich der spätere Angriff auf ihn als eine
adäquate und voraussehbare Folge des von ihm mit ausgelösten Geschehens erweist.
c)
Der neue Tatrichter wird auch zu bedenken haben, dass ein bedingter Tötungsvorsatz nicht mit der Erwägung in Frage gestellt
werden
kann, der An-geklagte
sei durch einen Verteidigungs-
und nicht durch einen Tötungswillen motiviert gewesen. Mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv, sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach ([X.], Urteil vom 23.
Februar 2012

4
StR
608/11, [X.], 443, 445; Urteil vom 30.
November 2005

5
StR
344/05, [X.], 317, 318). Die Absicht, 28
29
-
15
-
sich verteidigen zu wollen, steht daher der Annahme eines bedingten Tötungs-vorsatzes nicht entgegen. Allerdings kann sich aus
der Art des jeweiligen Hand-lungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tat-anreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
August 1990

3
StR
311/90, [X.]R [X.] §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
22; Urteil vom 30.
November 2005

3
StR
344/05, [X.], 317, 318). Hat der Täter

wie vom Angeklag-ten behauptet

Angst, kann dies sogar eher für als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechen. Ferner
wird zu berücksichtigen sein, dass direkten,
nicht aber ohne [X.] einen bedingten Tötungsvorsatz ausschließt. Schließlich hat der in der Gesamtwürdigung enthaltene Hinweis auf die bei der Tötung eines anderen Menschen bestehende besondere Hemmschwelle

für sich genommen

kein argumentatives Gewicht ([X.], Urteil vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.]St 57, 183 Rn.
31
ff.).
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 347/13

19.12.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2013, Az. 4 StR 347/13 (REWIS RS 2013, 73)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 73

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 StR 235/16

Zitiert

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