Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.10.2024, Az. AK 75/24

3. Strafsenat | REWIS RS 2024, 8572

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Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.]findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.]übertragen.

Gründe

I.

1

Der am 31. Dezember 2000 geborene Angeschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.]vom 6. März 2024 (2 [X.]167/24) seit dem 19. März 2024 in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe in der [X.]vom 17. Juni 2023 bis zum 9. September 2023 durch zwei selbständige Handlungen eine [X.]im Ausland unterstützt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 VStGB) zu begehen, und dabei in einem Fall (Fall 1) durch dieselbe Handlung dem Bereitstellungsverbot eines im [X.]veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften oder der [X.]zuwidergehandelt, der der Durchführung einer vom Rat der [X.]im Bereich der [X.]beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme gedient habe, sowie in einem weiteren Fall (Fall 2) durch dieselbe Handlung mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen, nämlich einen Mord, zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013, §§ 52, 53 StGB.

3

Unter dem 6. August 2024 hat der [X.]wegen der genannten Tatvorwürfe - unter abweichender Würdigung in konkurrenzrechtlicher Hinsicht - Anklage bei dem [X.]erhoben. Der Vorsitzende des Staatsschutzsenats des [X.]hat mit Verfügung vom 12. August 2024 die Übersetzung der Anklageschrift in die Sprache [X.]sowie die Zustellung an den Angeschuldigten und seinen Verteidiger verfügt. Über die mit der Anklageerhebung beantragte Neufassung des Haftbefehls gegen den Angeschuldigten hat das [X.]noch nicht entschieden.

II.

4

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

5

1. [X.]ist der ihm im Haftbefehl angelasteten Taten dringend verdächtig.

6

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

7

aa) Die [X.]„Islamischer Staat“ (IS) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.]und die historische Region „ash-Sham“ - die heutigen [X.]Syrien, [X.]und [X.]sowie [X.]- umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ unter Geltung der Scharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.]sowie das Regime des [X.]Präsidenten [X.]zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die [X.]als legitimes Mittel des Kampfes an.

8

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des „Kalifats“ am 29. Juni 2014 von „[X.]im [X.]und in Großsyrien“ (ISIG) in „Islamischer Staat“ (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 [X.]inne. Seitdem ernannte die [X.]mehrere neue Anführer, die ebenfalls getötet wurden.

9

Dem Anführer des [X.]unterstanden ein Stellvertreter sowie „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Zur Führungsebene gehören außerdem beratende „Shura-Räte“. Veröffentlichungen werden von eigenen Medienstellen produziert und verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.]besteht aus dem „Prophetensiegel“ (einem weißen Oval mit der Inschrift „[X.]- [X.]- Muhammad“) auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem [X.]Glaubensbekenntnis. Die zeitweilig über mehrere Tausend Kämpfer sind dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die [X.]setzte ihre Ziele durch offenen militärischen Bodenkampf im [X.]und in [X.]sowie durch Sprengstoff- und Selbstmordanschläge, aber auch durch Entführungen, Erschießungen und spektakulär inszenierte, grausame Hinrichtungen durch. Die [X.]teilte von ihr besetzte Gebiete in [X.]ein und errichtete einen Geheimdienstapparat; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der [X.]und [X.]Armee, aber auch in Gegnerschaft zum [X.]stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des [X.]in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom [X.]zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der [X.]immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, [X.]und Berlin, die Verantwortung.

Im [X.]gelang es dem [X.]im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von [X.]unterstützten [X.]Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.][X.]war. In den Jahren 2013 und 2014 gelang es dem [X.]zudem, weite Teile im Norden und Osten [X.]unter seine Gewalt zu bringen.

Seit Januar 2015 wurde die [X.]schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der [X.]aus seiner letzten nord[X.]Hochburg in [X.]verdrängt. Die [X.]Sicherheitskräfte erklärten im Dezember 2017 den Krieg gegen den [X.]für beendet, nachdem sie in einem letzten Schritt die Kontrolle von Gebieten an der syrisch-[X.]Grenze vollständig zurückerlangt hatten.

Auch in [X.]büßte der [X.]im Laufe des Jahres 2018 große Gebiete ein. Ende 2018 verblieb dem [X.]nur noch ein kleines Territorium im Raum [X.]in der Provinz Deir Ezzor, in das sich die [X.]zurückziehen konnten. Am 9. Februar 2019 begann die finale Offensive der [X.](SDF) um den Ort Baghouz, wobei sie Luftunterstützung durch die Anti-IS-Koalition erhielten. Am 23. März 2019 kapitulierten dort die letzten IS-Kämpfer; Tausende von ihnen sowie Zehntausende Frauen und Kinder wurden in Gefängnissen und Lagern - etwa in [X.]oder [X.]im Nordosten [X.]- interniert. Damit brach das territoriale Kalifat des [X.]mit quasi staatlichen Strukturen zusammen. Weitere Rückschläge erlitt die [X.]durch die Tötung ihres Anführers [X.]und ihres offiziellen Sprechers in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober 2019 im Rahmen einer [X.]Militäraktion in der [X.]Provinz Idlib.

Trotz des Zusammenbruchs des Kalifats war der [X.]als militant-dschihadistische und international agierende Organisation nicht vollständig zerstört. Vielmehr verblieb die [X.]unter Aufrechterhaltung ihrer ideologischen Ausrichtung in der Folgezeit in ihrem Kerngebiet Syrien/Irak, insbesondere in der syrisch-[X.]Grenzregion sowie der [X.]Wüste. Auch passte sich der [X.]an die veränderten Rahmenbedingungen an: So benannte er kurz nach der Tötung der beiden Führungspersonen einen neuen Sprecher und einen neuen Emir, setzte seine [X.]fort und operierte zunehmend aus dem Untergrund heraus. Schätzungen zufolge verfügt er im Kerngebiet weiterhin über 4.000 bis 6.000 aktive Kämpfer. In den Jahren 2019 bis 2021 verübte er mehrere Tausend terroristische Anschläge in [X.]und im [X.]in Form von Sturm- und Raketenangriffen sowie [X.]und Sprengstoffanschlägen. Derartige militärische Operationen führte er auch in Somalia, Ägypten/Sinai, Jemen, Nigeria, [X.]und [X.]aus. Daneben nahm er gezielt Tötungen und Hinrichtungen von Einzelpersonen wie beispielsweise sunnitischen Stammesältesten, Kämpfern des [X.]und solchen des [X.]Regimes vor.

Der [X.]ist auch weiterhin in der [X.]aktiv. So gelang es der [X.]Ende Dezember 2017 nach tagelangen Kämpfen mit [X.](HTS), die in dieser Provinz militärisch, wirtschaftlich und politisch stark vertreten war, dort mehrere Dörfer einzunehmen. In den Jahren 2018 bis 2021 folgten zahlreiche Kämpfe zwischen beiden Gruppierungen, ohne dass der [X.]aus der von der [X.]kontrollierten Region vollständig verdrängt werden konnte.

Mit der Ausrufung weltweiter Provinzen außerhalb seines ursprünglichen Kerngebiets und fortwährender terroristischer Aktivitäten in zahlreichen [X.]in [X.]und Asien, vor allem in Ägypten/Sinai, West- und [X.]sowie in der Provinz [X.]bestehend aus den Ländern Afghanistan, [X.]und [X.]- dort agierend unter der Bezeichnung „[X.]Provinz Khorasan“ (ISPK) - unterstreicht der [X.]seinen Anspruch, ein global agierender Akteur zu sein.

bb) Der aus [X.]stammende und im Jahr 2016 in das [X.]eingereiste Angeschuldigte radikalisierte sich in [X.]- unter dem Einfluss des [X.]- in seinem muslimischen Glauben und entwickelte ein [X.]Weltbild. Jedenfalls seit dem Jahr 2023 identifiziert er sich mit der Ideologie sowie den Zwecken und Tätigkeiten des IS.

(1) Der [X.]stand spätestens seit dem 22. Mai 2023 über den [X.]in regelmäßigem Kontakt mit einem noch nicht näher identifizierten, wahrscheinlich im [X.]aufhältigen IS-Mitglied, dessen Telegram-Account mit der ID              er in seinem Mobiltelefon unter der Bezeichnung „A.    “ (deutsch:          ) abgelegt hatte. Er erklärte sich auf einen Vorschlag von „A.    “ am 17. Juni 2023 bereit, Spendengelder zu sammeln, die im Flüchtlingslager [X.]in [X.]internierten weiblichen Mitgliedern bzw. Anhängerinnen des [X.]zu Gute kommen sollten, um diese in ihren Betätigungen für den [X.]zu fördern. Zu diesem Zweck vereinnahmte der [X.]in der Folge einen Betrag in Höhe von etwa 2.070 € und leitete ihn an eine noch unbekannte Kontaktperson in [X.]weiter, die das Geld am 8. August 2023 auf das von „A.    “ angegebene Bankkonto transferierte. Einen Teilbetrag des überwiesenen Geldes in Höhe von 200 € hatte der Angeschuldigte dem [X.]übergeben. Dabei wusste und wollte er, dass das Geld der Unterstützung dem [X.]zugehöriger oder ihm nahestehender Frauen im Lager [X.]dienen sollte, um sie in ihren Betätigungen für den [X.]zu fördern. Die Möglichkeit, dass das Geld zu diesem Zweck zunächst an ein mit entsprechenden Aufgaben befasstes [X.]überwiesen werden würde, nahm er zumindest billigend in Kauf.

(2) Jedenfalls ab Mitte 2023 beabsichtigten der Angeschuldigte und der [X.]darüber hinaus, in ein Operationsgebiet des [X.]auszureisen und sich dort am gewaltsamen Dschihad zu beteiligen. Ursprüngliche Überlegungen, sich zu den Einheiten des [X.]in [X.]zu begeben, scheiterten, weil es ihnen nicht gelang, eine Verbindung zu dortigen Verantwortlichen der [X.]herzustellen.

Der gemeinsame Ausreisewunsch des Angeschuldigten und des [X.]bestand in der Folgezeit gleichwohl fort, wobei namentlich der [X.]das Ziel des Anschlusses an den [X.]mit Nachdruck weiterverfolgte. So legte er am 3. August 2023 gegenüber dem [X.]„A.    “ einen Treueeid auf den neuen Anführer der [X.]ab und knüpfte ab Mitte August 2023 unter Vermittlung von „A.    “ sowie weiteren Personen Kontakte zu Funktionsträgern des ISP[X.]Nachdem das [X.]„           R.     “ den [X.]einer Befragung zur Überprüfung seiner Zuverlässigkeit unterzogen und sich der von diesem als Referenzperson benannte „A.    “ für ihn verbürgt hatte, bestand seitens der Verantwortlichen des [X.]die Bereitschaft, den [X.]in die [X.]aufzunehmen und mit der Durchführung eines Anschlagsvorhabens in [X.]zu betrauen.

Zu diesem Zweck wies „           R.     “ den [X.]am 15. August 2023 auf die in [X.]und anderen skandinavischen Ländern seit [X.]2023 stattfindenden [X.]hin und betonte die Notwendigkeit, diesen Vorfällen durch die Tötung eines der „Niederträchtigen“ zu begegnen. Der [X.]verstand diese Äußerungen zutreffend als an ihn gerichtetes Ansinnen zur Begehung eines Anschlags als Reaktion auf die [X.]in [X.]und erklärte sich zur Durchführung einer solchen Tat bereit. Mit dieser Zusage gliederte er sich in die Organisationsstrukturen des [X.]ein und unterwarf sich der Befehlsgewalt ihm übergeordneter Mitglieder der Vereinigung, deren Anweisungen er bei der anschließenden Planung und Vorbereitung der Tat Folge leistete.

Noch am Abend des 15. August 2023 weihte der [X.]den Angeschuldigten in das [X.]ein, der einwilligte, daran mitzuwirken. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung fassten beide den festen Entschluss, gemeinsam unter Verwendung von zumindest zwei Schusswaffen im Bereich des [X.]das Feuer auf Polizisten, Beschäftigte des [X.]und sonstige Personen zu eröffnen, wobei sie annahmen, hierdurch zumindest zehn Menschen töten zu können, und mit der Möglichkeit rechneten, selbst als „Märtyrer“ zu sterben.

Während der anschließenden Vorbereitung der Tat stand der [X.]anfangs weiterhin im engen Austausch mit „           R.     “, der ihn in seinem [X.]bestärkte, sich über den Stand der Planungen unterrichten ließ, den [X.]in der Nutzung eines Programms zur Verschlüsselung der Kommunikation unterwies und sonstige Hinweise gab. Nachdem der [X.]am Abend des 17. August 2023 versichert hatte, dass sowohl der Angeschuldigte als auch er selbst eine „feste Absicht“ gefasst hätten und bereit seien, sich „aufzuopfern“, wobei man sich an die Vorgaben der Organisation halten und zunächst ausrüsten werde, wurde die weitere Anleitung des [X.]von dem [X.]„T.     “ übernommen, mit dem sich der [X.]ab dem 19. August 2023 umfangreich über den geplanten Anschlag austauschte.

[X.]beteiligte sich an der Planung und Vorbereitung des Anschlags durch folgende Handlungen:

(a) Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach dem 15. August 2023 führte der Angeschuldigte Internetrecherchen durch, indem er in Absprache mit dem [X.]Bilder mit Innenaufnahmen des [X.]aufrief, beim Online-Kartendienst [X.]die Suchbegriffe „Reichstag“, „Riksgatan“, „Stockholm“ sowie „Schweden“ eingab und Informationen zu unterschiedlichen Handfeuerwaffen einholte.

(b) Im Hinblick auf den Erwerb der für die Tat benötigten Waffen trat der Angeschuldigte in Absprache mit dem [X.]am 15. oder 16. August 2023 mit einem noch nicht identifizierten [X.]in Verbindung, der den Verkauf einer Pistole zum Preis von 500 € anbot. Das Geschäft kam jedoch - wahrscheinlich aufgrund von Zweifeln an der Funktionstüchtigkeit der Waffe - nicht zustande.

(c) Am 28. August 2023 übermittelte der Angeschuldigte eine den Märtyrertod verherrlichende Audiodatei mit dem Titel „Ich gehöre nicht zur Truppe der Feiglinge“ an den Mitangeschuldigten, der hierdurch in dem gemeinsam gefassten Entschluss zur Ausführung des Anschlags bestärkt wurde.

(d) Da die Bemühungen des Angeschuldigten sowie des [X.]um einen Waffenlieferanten in [X.]nicht erfolgreich verliefen, beschlossen sie nach Rücksprache des [X.]mit „T.     “, Waffen nebst Munition in [X.]zu beschaffen. Zu diesem Zweck zog der [X.]am 27. August 2023 Erkundigungen zum [X.]und der diesbezüglichen Rechtslage in [X.]ein, recherchierte am 1. September 2023 zu Möglichkeiten, auf einem „Schwarzmarkt“ im [X.]K.         illegale Waffen zu erwerben, und suchte am 2. September 2023 nach Hotelzimmern in K.         . [X.]führte ebenfalls Internetrecherchen zur Vorbereitung der geplanten Reise nach [X.]durch. Am frühen Nachmittag des 9. September 2023 begaben sich der Angeschuldigte und der Mitangeschuldigte, der in einer um 13:49 Uhr versandten [X.]auch „T.     “ über den Antritt der Fahrt informiert hatte, im Pkw des [X.]von G.     nach Tschechien. Sie führten Gepäck für einen mehrtägigen Aufenthalt sowie Bargeld in Höhe von insgesamt 1.720 € mit sich, das sie für den Erwerb von Schusswaffen nebst Munition einsetzen wollten. Nachdem ihnen der Ankauf von Schusswaffen entgegen ihrer Erwartung nicht gelungen war, kehrten sie nach [X.]zurück, wo sie im Bereich der Ortschaft Sc.          gegen 19 Uhr durch Beamte der [X.]kontrolliert wurden.

(3) Zur Begehung des beabsichtigten Anschlags kam es nicht, weil der Angeschuldigte und der [X.]hierzu bislang keine Möglichkeit sahen. Der Kauf geeigneter Waffen gelang ihnen nicht. Zudem wurden ihre Mobiltelefone am 9. September 2023 von der Polizei beschlagnahmt, weshalb sie befürchteten, dass ihr Vorhaben entdeckt worden sei und sie daher unter polizeilicher Kontrolle stünden. Ihr Vorhaben gaben sie gleichwohl nicht endgültig auf.

b) [X.]hat sich zu den Tatvorwürfen bislang nicht eingelassen. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

aa) Hinsichtlich der außereuropäischen [X.][X.]- einschließlich des [X.]- beruht er auf islamwissenschaftlichen Gutachten sowie auf verschiedenen polizeilichen Auswerteberichten.

bb) Der dringende Tatverdacht betreffend die Unterstützungshandlungen des Angeschuldigten ergibt sich aus den Feststellungen anlässlich der Kontrolle am 9. September 2023 sowie der Auswertung beschlagnahmter Mobiltelefone, insbesondere der umfangreichen Chatkommunikation des [X.]über dessen Telegram-Account. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.]vom 6. März 2024 sowie die Anklageschrift des Generalbundesanwalts (S. 22 bis 67) und die dort jeweils angeführten Nachweise aus der Sachakte Bezug genommen.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der unter [X.]1. a) geschilderte Sachverhalt dahin zu würdigen, dass der Angeschuldigte der Unterstützung einer terroristischen [X.]im Ausland in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsakts der Europäischen Gemeinschaften oder der [X.]sowie - zumindest in einem weiteren Fall - der Unterstützung einer terroristischen [X.]im Ausland in Tateinheit mit Verabredung zum Mord dringend verdächtig ist (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1, § 30 Abs. 2 Variante 3 i.V.m. § 211 StGB, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27. Mai 2002 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 vom 28. Juni 2013, §§ 52, 53 StGB).

Keiner abschließenden Entscheidung bedarf an dieser Stelle das Konkurrenzverhältnis der Unterstützungshandlungen und ob - wovon die Anklageschrift ausgeht - insgesamt fünf Unterstützungshandlungen gegeben sind. Denn die mögliche Straferwartung richtet sich nach dem Unrechts- und Schuldgehalt (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2024 - AK 56/24, juris Rn. 30), der hier unabhängig davon gleichbleibt, ob von zwei oder fünf Unterstützungshandlungen ausgegangen wird.

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung liegt vor. [X.]Strafrecht ist nach § 3 Abs. 1 und § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB anwendbar.

2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität.

a) [X.]hat im Falle seiner Verurteilung mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem sich daraus ergebenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. [X.]ist afghanischer Staatsangehöriger und kam 2016 nach Deutschland. Er ist ledig und kinderlos und hat bereits Ausreisebemühungen entfaltet; familiäre Kontakte in [X.]bestehen lediglich zu seinem in G.     lebenden Bruder. Vor diesem Hintergrund sind die bestehenden familiären und beruflichen Bindungen des Angeschuldigten nicht geeignet, die Fluchtgefahr auszuräumen. Nach Würdigung aller Umstände ist es deshalb wahrscheinlicher, dass er sich, auf freien Fuß gesetzt, dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

b) Die zu würdigenden Umstände begründen die Gefahr, dass die Ahndung der Taten ohne die weitere Inhaftierung des Angeschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - mit Blick auf den Tatvorwurf der Verabredung zum Mord - ebenso auf den dort geregelten Haftgrund gestützt werden kann.

3. Eine - bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO mögliche - Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Angesichts der Einbindung des Angeschuldigten in ein weitreichendes konspiratives Netzwerk einer terroristischen Vereinigung, die ihm ein Untertauchen wesentlich erleichtern könnte, kann der Zweck der Untersuchungshaft hier nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).

4. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Der besondere Umfang der Ermittlungen mit 27 Stehordnern Verfahrensakte mit der Auswertung verschiedener [X.]und einer Vielzahl von Chat-, Audio-, Video- und Bilddateien sowie zahlreicher verdeckter Ermittlungsmaßnahmen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Die Anklage ist am 12. August 2024 erhoben, dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger mit Verfügung vom selben Tag zugestellt und übersetzt worden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens ist in Aussicht genommen, am 15. November 2024 mit der Hauptverhandlung zu beginnen.

5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Berg                  Hohoff                  Anstötz

Meta

AK 75/24

02.10.2024

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 6. März 2024, Az: 2 BGs 167/24

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.10.2024, Az. AK 75/24 (REWIS RS 2024, 8572)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 8572

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Mitgliedschaftliche Beteiligung an der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat"; Fortdauer der Untersuchungshaft


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