Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 16.09.2010, Az. 2 BvR 2394/08

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2010, 3261

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) im Klageerzwingungsverfahren - Kenntnisnahme und Berücksichtigung von zentralem Parteivorbringen in angegriffenem Beschluss nicht erkennbar - hier: Nichtberücksichtigung von Hinweisen bzgl der Vorsätzlichkeit des Handelns des Beschuldigten bei Vorwurf der Rechtsbeugung <§ 339 StGB>


Tenor

Der Beschluss des [X.] vom 21. Oktober 2008 - 51 [X.]/06 - 25/07 - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Dieser Beschluss sowie der auf die [X.] hin ergangene Beschluss des [X.] vom 5. Dezember 2008 - 51 [X.]/06 - 25/07 - werden aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die inhaltlichen Anforderungen an eine gerichtliche Entscheidung im [X.].

2

1. Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung zweier Beschlüsse des [X.], die in einem [X.] gemäß § 172 StPO ergangen sind. Einen früheren, im selben [X.] ergangenen Beschluss des [X.], der den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig ablehnte, hat das [X.] aufgehoben und die Sache an das [X.] zurückverwiesen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. September 2008 - 2 BvR 967/07 -, juris). Der daraufhin ergangene Beschluss vom 21. Oktober 2008 ist Gegenstand der nunmehr vorliegenden Verfassungsbeschwerde.

3

a) Der Beschwerdeführer war Regierungsdirektor in einem [X.]. Gegen ihn wurde im Mai 2001 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er in einer vom [X.] als rechtsextremistisch eingestuften Zeitschrift Beiträge veröffentlicht hatte. Als [X.] wurde der spätere Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens ernannt, der zum damaligen Zeitpunkt Abteilungspräsident einer Bundesanstalt war. Der [X.] gab ein Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag, ob der Beschwerdeführer durch die Veröffentlichungen Dienstpflichten verletzt habe. Beauftragt wurde Professor [X.], der auch Prozessbevollmächtigter eines Antragstellers im NPD-Parteiverbotsverfahren war. Sobald der Beschwerdeführer hiervon Kenntnis erlangt hatte, lehnte er den Gutachter als befangen ab. Weil der [X.] über diesen Antrag nicht entschied, lehnte der Beschwerdeführer auch ihn als befangen ab. Im Falle der Ablehnung des [X.]s hätte nach § 56 Abs. 4 Satz 2 der Bundesdisziplinarordnung ([X.], [X.], 984) das Bundesdisziplinargericht entscheiden müssen. Der [X.] legte das gegen ihn gerichtete Ablehnungsgesuch dem Bundesdisziplinargericht jedoch nicht vor, obwohl dies vom Rechtsanwalt des Beschwerdeführers angemahnt worden war. Er ließ beide [X.] vielmehr unbearbeitet, erstellte den Untersuchungsbericht und lud zur [X.]. Erst als sich der Beschwerdeführer unmittelbar an das Bundesdisziplinargericht wandte, hob der [X.] den Termin auf und legte das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch vor. Das Bundesdisziplinargericht sah dieses Gesuch als begründet an, weil der [X.] nicht über die Ablehnung des Sachverständigen entschieden, das gegen ihn selbst gerichtete Ablehnungsgesuch nicht dem Bundesdisziplinargericht zur Entscheidung vorgelegt und stattdessen einen Termin zur abschließenden Anhörung angesetzt habe. Das [X.] stellte das Disziplinarverfahren im Februar 2005 schließlich ein, weil die Einleitungsverfügung zu unbestimmt gewesen sei.

4

b) Der Beschwerdeführer stellte im September 2005 Strafanzeige gegen den [X.] wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung (§ 339 StGB). Der Beschuldigte habe dadurch das Recht gebeugt, dass er ein Rechtsgutachten zu Fragen des innerstaatlichen Rechts eingeholt, nicht über die Anträge, das Rechtsgutachten für unzulässig zu erklären und über die Befangenheit des Gutachters zu befinden, entschieden und schließlich das gegen ihn selbst gerichtete [X.] nicht dem zuständigen Gericht zur Entscheidung vorgelegt habe. Die Staatsanwaltschaft [X.] stellte das Ermittlungsverfahren ein. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies die Generalstaatsanwaltschaft [X.] zurück (vgl. die nähere Darstellung im Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. September 2008 - 2 BvR 967/07 -, juris).

5

c) Gegen den im daraufhin vom Beschwerdeführer angestrengten [X.] gemäß § 172 StPO ergangenen Beschluss des [X.] vom 3. April 2007, der den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 3 StPO als unzulässig ablehnte, erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Das [X.] hob den angegriffenen Beschluss auf und verwies die Sache an das [X.] zurück. Der Beschluss verletzte die Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG, indem das [X.] die [X.] im Rahmen der Zulässigkeit des [X.]überspannt hatte (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. September 2008 - 2 BvR 967/07 -, juris).

6

d) Durch den mit der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 21. Oktober 2008 hat das [X.] [X.] erneut über den [X.] des Beschwerdeführers entschieden. Das Gericht hielt den Antrag nunmehr für zulässig, verwarf ihn jedoch als unbegründet.

7

Zur Begründung bezog es sich im Wesentlichen auf die vorangegangenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft sowie des Generalstaatsanwalts, die im [X.] darauf abgestellt hatten, dass der für die Erfüllung des Tatbestands der Rechtsbeugung erforderliche Vorsatz nicht bewiesen werden könne. Es könne nach Auffassung des Senats nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte als [X.] die einschlägigen Regelungen der Bundesdisziplinarordnung und der Strafprozessordnung schlichtweg übersehen habe. Auch die ihm vom damaligen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers erteilten rechtlichen Hinweise führten zu keinem anderen Ergebnis. Sie seien allenfalls zur Begründung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs geeignet, nicht jedoch zum Nachweis zumindest bedingten Vorsatzes. Es lasse sich nicht nachweisen, dass er auch die Einsicht gewonnen habe, dass die Hinweise auf die Rechtslage diese richtig dargestellt hätten. Da der Beschuldigte als [X.] in Fragen des Disziplinarverfahrens unerfahren gewesen sei, sei der Nachweis vorsätzlichen Handelns nicht zu erbringen.

8

e) Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Nachholung rechtlichen Gehörs gemäß § 33a StPO. Er sei insofern nicht gehört worden, als sein Vortrag zum Nachweis zumindest bedingten Vorsatzes nicht berücksichtigt worden sei. Das [X.] [X.] verwarf den Antrag durch den ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 5. Dezember 2008 als unzulässig. Die Voraussetzungen für dieses Nachverfahren lägen nicht vor, weil das Gericht kein Vorbringen des Beschwerdeführers übersehen, sondern auf der Grundlage dieses Vorbringens entschieden habe.

9

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Insbesondere verletzten die angegriffenen Entscheidungen ihn in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das [X.] habe seinen Vortrag, aus dem sich Hinweise auf die Rechtskenntnis des Beschuldigten und damit auf zumindest bedingten Vorsatz ergäben, offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen.

3. Das [X.] hatte Gelegenheit zur Äußerung.

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.]G genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b [X.]. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G).

Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]G für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende [X.] sind gegeben. Die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das [X.] bereits entschieden (vgl. [X.]E 47, 182 <187 f.>; 86, 133 <145 ff.>). Danach ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet.

1. Der Beschluss des [X.] vom 21. Oktober 2008 verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen ([X.]E 42, 364 <367 f.>; 47, 182 <187>). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist ([X.]E 25, 137 <140>; 34, 344 <347>; 47, 182 <187>). Denn grundsätzlich geht das [X.] davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben ([X.]E 40, 101 <104 f.>; 47, 182 <187>). Die Gerichte sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen ([X.]E 13, 132 <149>; 42, 364 <368>; 47, 182 <187>). Deshalb müssen, wenn das [X.] einen Verstoß gegen [ref=c5c8d850-3f54-4058-9c93-d4b64c58b56b]Art. 103 Abs. 1 [X.]] feststellen soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist ([X.]E 27, 248 <251 f.>; 42, 364 <368>; 47, 182 <187 f.>). Dergleichen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht wesentliche, das [X.]vorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unberücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf den wesentlichen [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist ([X.]E 86, 133 <146>; vgl. auch [X.]E 47, 182 <189>). Daraus ergibt sich eine Pflicht der Gerichte, die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und -verteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, juris; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 22. November 2005 - 2 BvR 1090/05 -, juris).

b) Nach diesem Maßstab verletzt der Beschluss des [X.] vom 21. Oktober 2008 den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, da er nicht erkennen lässt, dass das Gericht den [X.] seines [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

aa) Die wesentliche Begründung des Beschlusses, für vorsätzliches Handeln des Beschuldigten als [X.] lägen nicht einmal Anhaltspunkte vor, ist auf der Basis des [X.] des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar. Dies lässt darauf schließen, dass das [X.] diesen Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt hat.

Der Beschwerdeführer hat in seinem [X.] wiederholt dargelegt, dass er den Beschuldigten mehrfach auf die Rechtslage hingewiesen und sogar einschlägige Rechtsliteratur angeführt habe. Soweit das [X.] davon auszugehen scheint, dass der damalige Bevollmächtigte des Beschwerdeführers dem [X.] lediglich seine persönliche Rechtsauffassung mitgeteilt haben könnte, die von diesem als zutreffend, aber auch als unrichtig gewertet worden sein könnte, schöpft es den Vortrag des Beschwerdeführers nicht im gebotenen Maße aus. Sein damaliger Bevollmächtigter hat den [X.] vielmehr umfassend auf die tatsächliche Rechtslage hingewiesen. Die gleichwohl getroffene Feststellung des [X.], es seien schon keine Anhaltspunkte erkennbar, dass der [X.] die Rechtslage zutreffend erkannt haben könnte, ist so fernliegend, dass sie nur dadurch erklärt werden kann, dass das [X.] den Vortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen hat. Das [X.] hält es für möglich, dass der Beschuldigte als [X.] die Vorschrift des § 74 StPO sowie diejenige des § 56 Abs. 4 Satz 2 [X.] übersehen haben könnte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das [X.] bei dieser Feststellung nicht auf die das Gegenteil belegenden Schreiben des damaligen Bevollmächtigten des Beschwerdeführers eingegangen ist, obwohl die Ermittlungsakten zur üblichen Beurteilungsgrundlage im [X.] gehören (vgl. Graalmann-Scheerer, in: [X.], StPO-Kommentar, 5. Bd., 26. Auflage 2008, § 173 Rn. 1 und 3; vgl. auch [X.], Beschluss der 4. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2002 - 2 BvR 2104/01 -, NJW 2002, S. 2859 <2860>). Dies gilt namentlich für die Schreiben vom 7. Dezember 2001 und vom 2. Mai 2002. Diese Schreiben weisen nicht nur auf die fraglichen Vorschriften hin und erläutern deren wesentlichen Inhalt. Das Schreiben vom 2. Mai 2002 gibt auch die entscheidende, die Rechtslage umfassend darstellende Stelle des auch vom [X.] zu Rate gezogenen Kommentars zur Bundesdisziplinarordnung unter Kennzeichnung als wörtliches Zitat und Nennung der Fundstelle wieder. Mit diesem Tatsachenvortrag ist die - nicht näher begründete - Annahme des [X.], es fehlten schon Anhaltspunkte dafür, dass sich der [X.] tatsächlich informiert habe, unvereinbar.

bb) Schließlich ist die Begründung des [X.] angesichts des [X.] des Beschwerdeführers auch insoweit nicht nachvollziehbar, als sie die Gründe unbeachtet lässt, aus denen der [X.] die [X.] über Monate unbearbeitet gelassen haben könnte. Auf die möglichen Motive des Beschuldigten hat der Beschwerdeführer im [X.] wiederholt hingewiesen. Diese subjektiven Beweggründe sind nach der Rechtsprechung des [X.] für das Vorliegen eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes im Sinne des [X.] von Bedeutung (vgl. BGHSt 47, 105 <113 f.>). Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb die mögliche Motivation des Beschuldigten als [X.] unbeachtet geblieben ist. Entsprechende Anhaltspunkte bietet vorliegend bereits der Beschluss des [X.], welches dort auf seinen Eindruck hinweist, der [X.] habe eine Entscheidung über die [X.] "verhindern" bzw. einer solchen "aus dem Weg gehen" wollen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auf Ausführungen des [X.]s hingewiesen, in denen dieser, selbst nachdem das Bundesdisziplinargericht das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt hatte, deutlich machte, dass er trotz der in diesem Beschluss benannten Verstöße gegen die [X.] und die Bundesdisziplinarordnung und in Kenntnis dieses Beschlusses noch immer der Ansicht sei, "korrekt" gehandelt zu haben. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die zu dieser Einschätzung führenden Beweggründe unberücksichtigt geblieben sind, waren dem [X.] die einschlägigen Vorschriften zum Zeitpunkt dieser Äußerung doch bekannt.

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des [X.], für eine bewusste Missachtung der als zutreffend erkannten Rechtslage lägen nicht einmal Anhaltspunkte vor, unverständlich und kann nur dadurch erklärt werden, dass es den Tatsachenvortrag des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Diese fehlende Berücksichtigung des [X.]vortrags des Beschwerdeführers verletzt ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.

c) Da die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die angegriffenen Entscheidungen - insbesondere hinsichtlich der vom [X.] angeführten Begründung, dem [X.] sei selbst dann, wenn er die Rechtslage zutreffend erkannt hätte, nicht nachzuweisen, dass er trotz dieser Einsicht anders verfahren sei - zugleich willkürlich sind und ob sie den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen gerecht werden.

d) Der Beschluss beruht auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das [X.] bei Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers eine andere Entscheidung getroffen hätte. Insbesondere in Anbetracht der vorliegend unbeachtet gebliebenen Hinweise auf die Kenntnis des Beschuldigten als [X.] von der Rechtslage ist es nicht ausgeschlossen, dass das Gericht entweder die Einstellung der Ermittlungen beanstandet oder aber zumindest eigene Ermittlungen (§ 173 Abs. 3 StPO) angestellt hätte, um die Bedeutung des Verhaltens des Beschuldigten für die Annahme hinreichenden Tatverdachts näher zu untersuchen. Es geht aus der Entscheidung auch nicht hervor, dass der [X.] aus Sicht des [X.] aus anderen Gründen in der Sache keinen Erfolg haben könnte.

2. Auch der auf die [X.] hin ergangene Beschluss vom 5. Dezember 2008 ist gemäß § 95 Abs. 2 [X.]G aufzuheben. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob dieser Beschluss einen eigenständigen Grundrechtsverstoß enthält. Wird eine gerichtliche Entscheidung wegen eines Grundrechtsverstoßes aufgehoben, erstreckt sich die Aufhebung auch auf nachfolgende Entscheidungen, welche auf Rechtsbehelfe hin ergangen sind und die vorangegangene Entscheidung bestätigen (vgl. [X.]E 4, 412 <424>).

3. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist schließlich auch zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.]G genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

Eine Annahme ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G dann angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt ([X.]E 90, 22 <25>).

Im vorliegenden Fall hat die festgestellte Verletzung besonderes Gewicht, da der Beschluss vom 21. Oktober 2008 die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen leichtfertig verkennt. Er lässt jede vertiefte Auseinandersetzung mit dem [X.]vortrag des Beschwerdeführers vermissen; objektive Umstände, aus denen Hinweise für das Vorliegen der inneren Tatseite folgen könnten, bleiben vollkommen unbeachtet. Das [X.] stützt sich allein auf die Aussage des [X.]s, er habe die Rechtslage nicht gekannt, und hält diese Aussage für unwiderlegbar. Diese Auffassung hätte nach Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers zumindest näher untermauert werden müssen. Dass eine solche Begründungsleistung fehlt, lässt auf ein leichtfertiges Übergehen des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör schließen. Schließlich hat das [X.] im vorliegenden [X.] bereits im Beschluss vom 4. September 2008 der Grundrechtsverletzung, die durch die erste Entscheidung des [X.] verursacht wurde, implizit besonderes Gewicht beigemessen. Es besteht kein Grund, dies nunmehr abweichend zu bewerten.

4. Die Beschlüsse sind daher aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] [X.] zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 [X.]G).

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 [X.]G.

Meta

2 BvR 2394/08

16.09.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Köln, 5. Dezember 2008, Az: 51 Zs 606/06 - 25/07, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 339 StGB, § 172 Abs 2 S 1 StPO, § 172 Abs 3 StPO, § 173 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 16.09.2010, Az. 2 BvR 2394/08 (REWIS RS 2010, 3261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3261

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

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