Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.03.2012, Az. B 4 AS 239/11 B

4. Senat | REWIS RS 2012, 8169

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Überprüfungsantrag - Antrag auf Überprüfung sämtlicher Bescheide der letzten Jahre auf ihre Rechtmäßigkeit - Mitwirkungserfordernisse


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 29. September 2011 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 beantragten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom [X.] bei dem Beklagten "die Überprüfung sämtlicher bestandskräftiger [X.] über Grundsicherung nach dem [X.] seit dem 1.1.2006 auf ihre Rechtmäßigkeit". Insbesondere wurde um Überprüfung sämtlicher Sanktions-, Aufhebungs- und Erstattungsbescheide gebeten. Trotz Aufforderung des Beklagten benannten die Kläger das Datum der [X.] und den Sachgrund für das Überprüfungsbegehren nicht. Daraufhin lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2010 ab, weil nicht einmal die Minimalanforderungen an die Einleitung eines Überprüfungsverfahrens erfüllt seien.

2

Das [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 15.3.2011). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zu 1 zurückgewiesen (Urteil vom 29.9.2011): Im Berufungsverfahren seien nur noch Ansprüche des [X.] zu 1 im Streit. Nur in dessen Namen habe der Prozessbevollmächtigte gegen das Urteil des [X.] Berufung eingelegt. Die Berufung sei insoweit unzulässig, als der Kläger zu 1 nunmehr erstmalig im Berufungsverfahren direkt im Wege der sogenannten Anfechtungs-/Leistungsklage die Verurteilung des Beklagten zu einer rückwirkend höheren Sozialleistung ohne Rücknahme der bestandskräftigen [X.] begehre. Soweit der Kläger zu 1 mit seiner Berufung weiterhin die erstinstanzliche Entscheidung und letztlich den Überprüfungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides überprüfen lassen möchte, sei die Berufung unbegründet. Der Beklagte habe sich zu Recht ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung seiner bestandskräftigen [X.] berufen, weil der Kläger zu 1 nicht vorgebracht habe, was für die Unrichtigkeit der Vorentscheidung sprechen könne.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] wenden sich die Kläger mit ihren Beschwerden.

4

II. Die Beschwerden sind unzulässig. Dies gilt für die Beschwerde der Klägerin zu 2 schon deshalb, weil eine sie belastende Vorentscheidung des L[X.] nicht vorliegt, denn sie hat gegen das Urteil des [X.] keine Berufung eingelegt. Die Beschwerde des [X.] zu 1 erfüllt nicht die gesetzlichen Begründungserfordernisse, denn der Kläger zu 1 hat die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

5

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] und 65; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN - stRspr; BVerwG NJW 1999, 304; vgl auch: [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und gegebenenfalls des Schrifttums nicht ohne Weiteres zu beantworten ist und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtslage im Allgemeininteresse vornehmen soll (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

Der Kläger zu 1 hält insoweit die Frage für klärungsbedürftig und klärungsfähig, ob die Behörde die sachliche Entscheidung eines Antrags nach § 44 [X.]B X unter Berufung auf die Bindungswirkung des [X.]s ablehnen dürfe, wenn der Antragsteller nicht darlege, dass und ggf warum die angegriffene Entscheidung rechtsfehlerhaft sei. Es kann dahinstehen, ob eine in dieser Allgemeinheit aufgeworfene Frage angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des 9. Senats (B[X.]E 63, 33 = [X.] 1300 § 44 [X.]), des 4. Senats (B[X.]E 88, 75 = [X.] 3-2200 § 1265 [X.]) und des 2. Senats (Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R) tatsächlich noch klärungsbedürftig sein könnte. Jedenfalls ist die aufgeworfene Frage im konkreten Verfahren nicht klärungsfähig, denn mit seinem ursprünglich gestellten Überprüfungsantrag begehrt der Kläger zu 1 entgegen der konkreten Fragestellung nicht die Überprüfung "des [X.]s", sondern er macht die vollständige Nachprüfung des Verwaltungshandelns der gesamten [X.] seit Januar 2006 geltend. Damit hat er nicht mehr die Überprüfung der Verfügungssätze "des [X.]s" oder jedenfalls einer ohne Weiteres bestimmbaren Zahl von [X.] von Verwaltungsakten zur Überprüfung des Beklagten gestellt.

7

Es kann - unabhängig von den Begründungserfordernissen des § 160 Abs 2 S 3 [X.]G - im übrigen Vorliegen nicht zweifelhaft sein, dass ein derart weitreichendes Überprüfungsbegehren mit entsprechenden Mitwirkungserfordernissen beim Berechtigten korrespondiert.

8

2. Um eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des L[X.] einerseits und in einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] andererseits aufzuzeigen (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]) und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder Rechtsirrtum im Einzelfall für die Entscheidung bestimmen (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; B[X.] 27. Juni 2002 - [X.] AL 87/02 B -). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

9

In der Beschwerdebegründung wird die behauptete Divergenz zur Entscheidung des 2. Senats des B[X.] (Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 32/02 R) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet. Das L[X.] hat in den Urteilsgründen auf Seite 12 des [X.] ausdrücklich ausgeführt und begründet, warum die ablehnende Entscheidung auch rechtmäßig sei, wenn zu Gunsten des [X.] der Rechtsprechung des 2. Senats gefolgt würde. Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des L[X.] ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vollständig unterblieben.

3. Schließlich wird auch ein Verfahrensmangel des L[X.] nicht in der gebotenen Form gerügt. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass Verfahrensmängel vorliegen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung der Verfahrensmängel zunächst die diese (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 36).

In der Beschwerdebegründung wird eine Verletzung des § 106 [X.]G behauptet, weil kein Hinweis auf das Erfordernis der Aufhebung der bestandskräftigen Verwaltungsakte gegeben worden sei. Dieses Vorbringen ist schon insofern unschlüssig, als der Kläger zu 1 ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 29.9.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass der von ihm gestellte Antrag nicht sachdienlich bzw problematisch sei.

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.]G ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 239/11 B

14.03.2012

Bundessozialgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Cottbus, 15. März 2011, Az: S 14 AS 2531/10, Urteil

§ 44 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.03.2012, Az. B 4 AS 239/11 B (REWIS RS 2012, 8169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8169

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