Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2018, Az. StB 2/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11248

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Gegenstand

Beschwerde zum BGH in Rechtshilfesachen: Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zweck des Ergreifens und der Durchsetzung angeordneter körperlicher Untersuchungs- und Eingriffsmaßnahmen


Tenor

1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 9. Januar 2018 (5 - 2 StE 21/16) wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat am 9. Januar 2018 für ein na[X.]h [X.] ausgehendes Re[X.]htshilfeersu[X.]hen bes[X.]hlossen, dass na[X.]h § 81a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 162 Abs. 3 Satz 1 [X.] sieben körperli[X.]he Untersu[X.]hungs- und [X.] beim Angeklagten angeordnet werden dürften, falls er si[X.]h in der [X.] aufhielte, um seine Reise- und Verhandlungsfähigkeit zu prüfen. Zur Dur[X.]hsetzung dieser Anordnung wäre na[X.]h dem Bes[X.]hluss das zwangsweise Zuführen des Angeklagten zum nä[X.]hsten geeigneten Arzt oder Krankenhaus und sein Festhalten oder Fests[X.]hnallen sowie die Dur[X.]hsu[X.]hung seiner Wohnung zum Zwe[X.]ke seiner Ergreifung zulässig. Dieser Bes[X.]hluss soll im Wege der Re[X.]htshilfe von der [X.] Staatsanwalts[X.]haft in [X.] vollzogen werden. Die gegen den Bes[X.]hluss geri[X.]htete Bes[X.]hwerde des Angeklagten vom 12. Februar 2018 bleibt erfolglos.

I.

2

1. Das [X.] hat mit Bes[X.]hluss vom 18. Mai 2017 die Anklage des [X.] gegen den Angeklagten und weitere vier Angeklagte wegen des Verda[X.]hts der mitglieds[X.]haftli[X.]hen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung u.a. zugelassen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, er habe si[X.]h am 1. Mai 2013 einer Gruppierung um die vormals Mitangeklagten   V.    und            [X.]     sowie einer unbekannt gebliebenen Person anges[X.]hlossen; diese Gruppierung habe ab Juni 2012 au[X.]h vom Gebiet der [X.] aus die Internetseite "A.                 .info" betrieben, um [X.] der [X.] re[X.]htsextremistis[X.]hen Szene ein Forum zu eröffnen, in dem sie ungehindert re[X.]htsextremistis[X.]he und [X.] Äußerungen wie etwa die Bezei[X.]hnung von Muslimen, [X.] oder [X.] als mens[X.]henunwert veröffentli[X.]hen oder die [X.]verni[X.]htung unter der [X.] leugnen konnten, glei[X.]h, ob sie damit den Tatbestand der Volksverhetzung und anderer Strafgesetze verletzen oder ni[X.]ht. Unter dem Nutzernamen "    P.       " habe der Angeklagte bis zum 27. Januar 2016 die Internetseite mitbetrieben: Als "Moderator" habe er mehr als 3.500 Kommentare auf ausdrü[X.]kli[X.]he Gewaltaufrufe hin geprüft, um das Sperren der Server dur[X.]h [X.] oder [X.] Behörden zu verhindern. 2.900 Kommentare habe der Angeklagte freiges[X.]haltet, wobei ein Dritter zumindest mit dem Beitrag vom 16. Januar 2016 volksverhetzenden Inhalt geäußert habe (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Bu[X.]hst. [X.]). Zudem habe der Angeklagte an der Gestaltung der Internetseite dur[X.]h Vors[X.]hläge mitgewirkt sowie 2.693 eigene Kommentare und Beiträge verfasst. Dabei habe er mit den Beiträgen vom 11. Dezember 2013 (gegen "Zigeuner"; § 130 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB aF "Aufsta[X.]heln zum Hass"), vom 12. März 2014 (gegen Moslems und [X.]; § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF "Aufsta[X.]heln zum Hass" sowie § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB aF "Bes[X.]himpfen/böswillig verä[X.]htli[X.]h ma[X.]hen") und vom 27. März 2014 (gegen "Ausländer"; § 130 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 StGB aF "Aufsta[X.]heln zum Hass") gegen den Tatbestand der Volksverhetzung verstoßen. Insgesamt habe der Angeklagte dur[X.]h seine Mitarbeit an der Internetseite ermögli[X.]ht, dass Dritte im Zeitraum vom 26. Mai 2013 bis 6. September 2013 Kommentare mit volksverhetzendem Inhalt äußern konnten (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 Bu[X.]hst. b, Abs. 5 [X.]. Abs. 3 StGB aF; § 130 Abs. 2 Nr. 1 Bu[X.]hst. a - [X.], Abs. 5 Satz 1 [X.]. Abs. 3 StGB). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefo[X.]htenen Bes[X.]hluss und auf die Anklages[X.]hrift vom 20. Dezember 2016 verwiesen.

3

2. Im ersten Verhandlungstermin am 14. September 2017 ist der Angeklagte ni[X.]ht ers[X.]hienen; er hat über seinen Verteidiger eine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit vortragen lassen. Daraufhin hat das [X.] das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt und die Hauptverhandlung gegen ihn ausgesetzt. Zur Aufklärung der Reise- und Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten hat das [X.] mit Verfügung vom 10. August 2017 ein re[X.]htsmedizinis[X.]hes Sa[X.]hverständigenguta[X.]hten eingeholt. Den Empfehlungen des Sa[X.]hverständigen, des Fa[X.]harztes für Re[X.]htsmedizin Prof. Dr. med. H.     aus T.      , folgend hat das [X.] den angefo[X.]htenen Bes[X.]hluss erlassen, mit dem es die Re[X.]htmäßigkeit folgender Anordnungen für den Fall, dass si[X.]h die Wohnung des Angeklagten in [X.] befände, festgestellt hat:

- die Anordnung na[X.]h § 81a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 162 Abs. 3 Satz 1 [X.] zur klinis[X.]hen Untersu[X.]hung des Angeklagten dur[X.]h einen Rheumatologen, der Entnahme einer Blutprobe und Bestimmung der bei einer [X.] eins[X.]hlägigen Entzündungsparameter, des Erstellens von Röntgen- und Magnetresonanztomographie-Aufnahmen sowie einer Ultras[X.]halluntersu[X.]hung zum Feststellen und Si[X.]hern der Diagnose einer Polyarthritis sowie zur Beurteilung des Stadiums der Erkrankung und der gegenwärtigen Erkrankungsaktivität, der Untersu[X.]hung dur[X.]h einen Angiologen zur Feststellung, inwieweit Nekrosen vorliegen und ob es Hinweise auf eine Organmanifestation der [X.] am Gehirn gibt, eines MRT des Gehirns zur Prüfung des letztgenannten Verda[X.]hts, einer klinis[X.]hen Untersu[X.]hung dur[X.]h einen Lungenfa[X.]harzt und des Erstellens von [X.] der Lungen;

- die Anordnung, dass der Angeklagte zur Dur[X.]hführung der Untersu[X.]hungsmaßnahmen dem nä[X.]hsten geeigneten Arzt oder Krankenhaus zwangsweise zugeführt und festgehalten oder festges[X.]hnallt werden darf;

- die Anordnung der Dur[X.]hsu[X.]hung der Wohnung des Angeklagten in [X.] na[X.]h §§ 102, 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] zum Zwe[X.]k seiner Ergreifung, um ihn der ärztli[X.]hen Untersu[X.]hung zuzuführen.

II.

4

1. Die Bes[X.]hwerde ist na[X.]h § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] unzulässig, soweit sie si[X.]h gegen die Anordnung der körperli[X.]hen Untersu[X.]hungen und der körperli[X.]hen Eingriffe nebst der zugehörigen Vorführ- und Festhaltemaßnahmen ri[X.]htet. Na[X.]h § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] sind Bes[X.]hwerden gegen Ents[X.]heidungen des [X.]s grundsätzli[X.]h unstatthaft. Ein Ausnahmetatbestand na[X.]h § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] liegt ni[X.]ht vor.

5

a) Dies ist für die Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetis[X.]he Untersu[X.]hung (§ 81a [X.]) bereits ents[X.]hieden ([X.], Bes[X.]hluss vom 20. Dezember 2007 - StB 12/07, 13/07 und 47/07, juris Rn. 45). Ni[X.]hts anderes gilt hier, wennglei[X.]h die gegenständli[X.]hen [X.] intensiver sein mögen. Dies folgt daraus, dass der Katalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] als Ausnahmevors[X.]hrift eng auszulegen ist ([X.] aaO). Andernfalls würde das gesetzgeberis[X.]he Ziel, eine zu starke Belastung des [X.] zu vermeiden, verfehlt (dazu nur [X.], Bes[X.]hluss vom 5. November 1999 - StB 1/99, [X.], 1427, 1428 mwN).

6

b) Ni[X.]hts anderes gilt für die unmittelbaren Annexzwangsmaßnahmen zum Dur[X.]hsetzen der Untersu[X.]hungen und Eingriffe. Eine analoge Anwendung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] käme allenfalls in Betra[X.]ht, wenn diese Maßnahmen in glei[X.]her Weise wie die in dieser Ausnahmevors[X.]hrift in Nr. 1 genannten Freiheitsentziehungen der Verhaftung und Unterbringung eingreifen würden (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 4. August 1995 - StB 46/95, [X.]R [X.] § 304 Abs. 4 Untersu[X.]hung 1). Dies ist indes ni[X.]ht der Fall: Die Festhaltemaßnahmen werden si[X.]h ni[X.]ht länger als über wenige Stunden erstre[X.]ken; der Angeklagte muss ni[X.]ht stationär untergebra[X.]ht werden.

7

[X.]) Die Maßnahmen greifen insgesamt ni[X.]ht besonders na[X.]hteilig in die Re[X.]htssphäre des Angeklagten ein oder sind sonst von besonderem Gewi[X.]ht. Eine sol[X.]he Fallkonstellation, die wegen einer besonderen Eingriffsintensität eine analoge Anwendung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] erforderte (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse vom 3. Juli 1981 - StB 31/81, [X.]St 30, 168, 170 f.: Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung bei na[X.]hträgli[X.]her Gesamtstrafenbildung; vom 3. Mai 1989 - StB 15 und 16/89, [X.]St 36, 192, 195 f.: Anordnung der Erzwingungshaft gegen einen Zeugen), ist hier ni[X.]ht gegeben. Eine erweiternde Auslegung des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] kommt über besonders gelagerte wie etwa die genannten Ausnahmefälle hinaus ni[X.]ht in Betra[X.]ht (vgl. nur [X.], Bes[X.]hluss vom 13. Oktober 2015 - StB 10 und 11/15, [X.], 3671 f.).

8

2. Soweit der Bes[X.]hluss die Anordnung der Dur[X.]hsu[X.]hung der Wohnung zum Zwe[X.]k der Ergreifung des Angeklagten zum Gegenstand hat, ist die Bes[X.]hwerde zwar zulässig, aber unbegründet.

9

a) Die Bes[X.]hwerde ist insoweit zulässig.

aa) Der Zulässigkeit steht ni[X.]ht entgegen, dass der Bes[X.]hluss ni[X.]ht unmittelbar vollstre[X.]kt wird, sondern seiner Umsetzung im Wege der Re[X.]htshilfe mit [X.] bedarf.

(1) Zwis[X.]hen der innerstaatli[X.]hen Anordnung der Maßnahme und dem ausgehenden Ersu[X.]hen ist zu unters[X.]heiden (siehe nur Park, Dur[X.]hsu[X.]hung und Bes[X.]hlagnahme, 4. Aufl., Rn. 922; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Internationaler Re[X.]htshilfeverkehr in Strafsa[X.]hen, [X.]. zur 3. Aufl., Vor § 1 Rn. 243). Na[X.]h § 77 Abs. 1 [X.] gelten u.a. die Vors[X.]hriften der [X.] bei internationaler Re[X.]htshilfe entspre[X.]hend. Dies bedeutet, dass das ersu[X.]hende Geri[X.]ht die unter Ri[X.]htervorbehalt stehende Maßnahme (§ 105 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]) zunä[X.]hst innerstaatli[X.]h als Grundlage für das ausgehende Re[X.]htshilfeersu[X.]hen anordnen muss. Damit soll zum einen gegenüber der ersu[X.]hten Stelle die Zulässigkeit der begehrten Maßnahme na[X.]h dem Re[X.]ht des ersu[X.]henden Staates na[X.]hgewiesen werden; zum anderen soll der ersu[X.]hte Staat die Tatvorwürfe am Maßstab seines eigenen Re[X.]hts prüfen können (siehe nur [X.]/[X.], in: [X.], Wirts[X.]haftsstrafre[X.]ht, 6. Aufl., § 8 Rn. 93). S[X.]hließli[X.]h soll mit der Anordnung die Re[X.]htmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahme im Inland dokumentiert und hergestellt werden.

(2) Eine sol[X.]he Anordnung unterfällt als Bes[X.]hluss der Vors[X.]hrift des § 304 Abs. 4 Satz 2 [X.]. Grundsätzli[X.]h unterliegen alle ri[X.]hterli[X.]hen Anordnungen unabhängig von ihrer Bezei[X.]hnung im Strafverfahren der Bes[X.]hwerde (LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 304 Rn. 60). Na[X.]h § 77 Abs. 1 [X.] ist damit au[X.]h die innerstaatli[X.]he Anordnung einer Maßnahme, die dem Ri[X.]htervorbehalt unterfällt, als Grundlage des [X.] mit den allgemeinen Re[X.]htsbehelfen anfe[X.]htbar (Park aaO, Rn. 926 zur Dur[X.]hsu[X.]hung und Bes[X.]hlagnahme; Vogel/[X.] aaO, 42. Lfg. Vor § 1 Rn. 295). Denn die Ents[X.]heidung dient, wie ausgeführt, sowohl innerstaatli[X.]h als au[X.]h gegenüber der ausländis[X.]hen Behörde als Na[X.]hweis der Re[X.]htmäßigkeit. Na[X.]h Leistung der Re[X.]htshilfe ergeht kein weiterer Bes[X.]hluss des ersu[X.]henden Geri[X.]hts. Damit ist der Angeklagte bereits jetzt dur[X.]h den Bes[X.]hluss vom 9. Januar 2018 bes[X.]hwert. Für eine [X.] Ermittlungsanordnung, d.h. eine geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidung, die von einer Justizbehörde des [X.] zur Erlangung von Beweisen erlassen wird und in einem anderen Mitgliedstaat vollstre[X.]kt werden soll, sehen Art. 14 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 der Ri[X.]htlinie 2014/41/[X.] des [X.] und des Rates vom 3. April 2014 über die [X.] ([X.] L 130) vor, dass die Mitgliedstaaten Re[X.]htsbehelfe gegen sol[X.]he Anordnungen zur Verfügung stellen, und zwar im jeweiligen [X.]. Ni[X.]hts anderes kann für eine Maßnahme gelten, mit der eine körperli[X.]he Untersu[X.]hung und Eingriffe (§ 81a [X.]) dur[X.]hgesetzt und damit die Dur[X.]hführung des Hauptverfahrens gesi[X.]hert werden soll.

(3) Die Dur[X.]hsu[X.]hung unterfällt dem Ri[X.]htervorbehalt (Art. 13 Abs. 2 Halbsatz 1 GG, § 105 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]). Deswegen ist etwa na[X.]h Nr. 114 Abs. 2 der Verwaltungsvors[X.]hrift des Justizministeriums des Landes Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2016 ([X.].: 9350-0305, [X.], 33) zu den Ri[X.]htlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafre[X.]htli[X.]hen Angelegenheiten - RiVASt - einem Re[X.]htshilfeersu[X.]hen ein ri[X.]hterli[X.]her Dur[X.]hsu[X.]hungs- und Bes[X.]hlagnahmebes[X.]hluss als Muster (Kapitel [X.], zweiter Teil, Muster Nr. 30 RiVASt) beizufügen (vgl. [X.]/[X.] aaO; [X.]/Lagodny-[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., Vor § 68 Rn. 31 f.; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., Rn. 192a).

bb) Die Dur[X.]hsu[X.]hung zum Zwe[X.]ke der Ergreifung ist von § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 2 Fall 5 [X.] erfasst.

(1) Mit dem Begriff der "Dur[X.]hsu[X.]hung" in § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 Fall 5 [X.] ist auf die Dur[X.]hsu[X.]hung na[X.]h § 102 [X.] verwiesen; dabei unters[X.]heidet der Gesetzeswortlaut des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 Fall 5 [X.] ni[X.]ht zwis[X.]hen der "klassis[X.]hen Dur[X.]hsu[X.]hung" na[X.]h Beweismitteln und der zum Zwe[X.]ke der Ergreifung des Angeklagten (so aber LR/[X.] aaO, § 304 Rn. 77; [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 304 Rn. 13 unter Verweis auf [X.], Bes[X.]hluss vom 12. Mai 2016 - StB 9 und 10/16, juris Rn. 4). Eine sol[X.]he Eins[X.]hränkung des Begriffs der Dur[X.]hsu[X.]hung ist der Ents[X.]heidung des Senats vom 12. Mai 2016 indes ni[X.]ht zu entnehmen; denn sie will die "klassis[X.]he" Dur[X.]hsu[X.]hung na[X.]h § 102 [X.] von der sitzungspolizeili[X.]hen abgrenzen und nimmt dabei ni[X.]ht den ersten Fall des § 102 [X.] in den Bli[X.]k. Wie aufgezeigt, gibt der eindeutige Gesetzeswortlaut für eine sol[X.]he Eins[X.]hränkung ni[X.]hts her. Eine sol[X.]he wäre au[X.]h ni[X.]ht mit Bli[X.]k auf die Garantie effektiven Re[X.]htss[X.]hutzes (Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. dazu [X.], Bes[X.]hluss vom 17. April 2015 - 1 BvR 3276/08, [X.], 2175, 2176) und dem Grundre[X.]ht des Art. 13 Abs. 1 GG zu vereinbaren. Aus Si[X.]ht des Betroffenen ist seine Privatsphäre bei Dur[X.]hsu[X.]hung seiner Wohnung zum Zwe[X.]ke seiner Ergreifung in nahezu glei[X.]her Weise wie bei Dur[X.]hsu[X.]hung na[X.]h Beweismitteln beeinträ[X.]htigt.

(2) Zwar ist ni[X.]ht zu übersehen, dass die Dur[X.]hsu[X.]hung zum Zwe[X.]k der Ergreifung nur eine begleitende Maßnahme ist, um eine Anordnung na[X.]h § 81a [X.], die ni[X.]ht dem Ausnahmekatalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] unterfällt, dur[X.]hzusetzen. Sofern eine sol[X.]he Anordnung zur körperli[X.]hen Untersu[X.]hung oder zum Eingriff regelmäßig mit der Annexmaßnahme einer Wohnungsdur[X.]hsu[X.]hung einhergeht, würde man damit den aufgezeigten Ausnahme[X.]harakter dieser Norm umgehen. Indes kann dieser gesetzessystematis[X.]he Gesi[X.]htspunkt gegenüber dem Gebot des effektiven Re[X.]htss[X.]hutzes und der Unverletzli[X.]hkeit der Wohnung angesi[X.]hts des klaren Gesetzeswortlauts keinen Vorrang beanspru[X.]hen.

b) Die Bes[X.]hwerde ist aber unbegründet. Die Anordnung ist na[X.]h §§ 102, 162 Abs. 3 Satz 1 [X.] gere[X.]htfertigt.

aa) Gegen den Angeklagten besteht hinrei[X.]hender Tatverda[X.]ht, si[X.]h an einer kriminellen Vereinigung mitglieds[X.]haftli[X.]h beteiligt zu haben (§ 129 Abs. 1 Satz 1, § 9 Abs. 1 StGB). Glei[X.]hes gilt für die Tatbestände der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB in der bis zum 26. Januar 2015 gültigen Fassung, § 130 Abs. 2 Nr. 1 Bu[X.]hst. [X.] in der ab 27. Januar 2015 gültigen Fassung, jeweils [X.]. § 9 Abs. 1 StGB). Die bisherige aus dem Eröffnungsbes[X.]hluss ersi[X.]htli[X.]he Würdigung des Tatgeri[X.]hts, dass bereits der Ans[X.]hluss an die Vereinigung die erste Tat des § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB darstellt, zu der die unter fortlaufender Verwirkli[X.]hung des § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB mitglieds[X.]haftli[X.]h begangenen einzelnen Volksverhetzungen in Tatmehrheit stehen, entspri[X.]ht der Re[X.]htspre[X.]hung des Senats ([X.], Bes[X.]hluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308, 311 f., 318 ff.).

bb) Der hinrei[X.]hende Tatverda[X.]ht ergibt si[X.]h aus der Auswertung des in der Wohnung des Angeklagten si[X.]hergestellten Laptops und einer hands[X.]hriftli[X.]hen Liste. Dana[X.]h rief der Angeklagte unter dem Nutzernamen "   P.     " mit der E-Mailadresse d.             ru die von der Gruppe betriebene Internetseite auf; in der Liste war die E-Mailadresse mit zugehörigem Passwort verzei[X.]hnet. Der Angeklagte gab unter seinem Pseudonym "   P.      " in seinen Beiträgen persönli[X.]he Informationen preis und bezei[X.]hnete die genannte E-Mailadresse als die seinige.

[X.][X.]) Die Dur[X.]hsu[X.]hung ist verhältnismäßig. Sie ist geeignet und erforderli[X.]h, um die Untersu[X.]hung des Angeklagten dur[X.]hzusetzen und damit das Hauptverfahren zu fördern. Die Maßnahme steht ni[X.]ht außer Verhältnis zur S[X.]hwere des Tatvorwurfs.

3. Der Senat merkt an: Der angefo[X.]htene Bes[X.]hluss hat ni[X.]ht die Zurü[X.]kweisung des Antrags zum Gegenstand, den Sa[X.]hverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 73 [X.]). Freili[X.]h wäre au[X.]h insoweit die Unzulässigkeit einer hiergegen geri[X.]hteten Bes[X.]hwerde offensi[X.]htli[X.]h (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 [X.]; dazu [X.], Bes[X.]hluss vom 4. August 1995 - StB 46/95, [X.]R [X.] § 304 Abs. 4 Untersu[X.]hung 1).

Geri[X.]ke              [X.]

Meta

StB 2/18

05.04.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Stuttgart, 9. Januar 2018, Az: 5 - 2 StE 21/16

§ 81a Abs 1 StPO, § 81a Abs 2 S 1 StPO, § 102 StPO, § 105 Abs 1 S 1 Halbs 1 StPO, § 162 Abs 3 S 1 StPO, § 304 Abs 4 S 2 Halbs 1 Nr 1 StPO, Art 13 Abs 2 Halbs 1 GG, § 77 IRG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2018, Az. StB 2/18 (REWIS RS 2018, 11248)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11248

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1 BvR 3276/08

3 StR 537/14

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