Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.04.2021, Az. VIII R 46/18

8. Senat | REWIS RS 2021, 7091

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Gegenstand

Zur Verfahrensaussetzung bei zweifelhafter Annahme einer typisch stillen Gesellschaft


Leitsatz

1. Erscheint es möglich, dass Einnahmen aus einer Beteiligung an einem Handelsgewerbe als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt werden, muss das FG das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides, in dem Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfasst sind, gemäß § 74 FGO aussetzen, bis durch einen --positiven oder negativen-- Bescheid entschieden ist, ob eine gesonderte und einheitliche Feststellung geboten ist. Unterbleibt dies, liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor.

2. Bleibt das Mitunternehmerrisiko eines stillen Gesellschafters hinter der Rechtsstellung zurück, die das HGB dem Kommanditisten zuweist, ist gleichwohl von einem atypisch stillen Gesellschaftsverhältnis auszugehen, wenn die Möglichkeit des stillen Gesellschafters zur Entfaltung von Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt ist. Diese Möglichkeit kann sich bei einer GmbH & Still auch aus der Stellung des stillen Gesellschafters als Geschäftsführer oder Prokurist der GmbH ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2017 - IV R 41/14, BFHE 258, 459, BStBl II 2017, 1133).

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.10.2018 - 6 K 49/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beteiligte sich als stiller Gesellschafter an der [X.] (GmbH), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Vater des [X.] ist. Zuletzt belief sich seine Beteiligung auf 30.000 €, was 20 % des im Jahr 2004 auf 150.000 € erhöhten Stammkapitals der GmbH entsprach.

2

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom ...2001 war der Kläger zu 20 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. [X.] Obergrenzen sah der Vertrag nicht vor (§ 8 Abs. 5 des Vertrages). An der Vermögenssubstanz und dem Firmenwert des Unternehmens war der Kläger nicht beteiligt (§ 1 Abs. 3 des Vertrages). Bei Beendigung der Gesellschaft stand ihm eine Abfindung zu, bei deren Ermittlung stille Reserven unberücksichtigt blieben (§ 12 Abs. 2 des Vertrages). Die Abfindung bestand aus der Rückzahlung der Einlage nach Saldierung mit einem bestehenden Verlustkonto und einem Anteil an den am [X.] der Gesellschaft schwebenden Geschäften (§ 12 Abs. 3 des Vertrages). Die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft oblag allein dem Vater des [X.] (§ 4 des Vertrages). Dem Kläger standen die Rechte nach § 716 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu. Außerdem war er berechtigt, den Jahresabschluss des [X.] und die Buchführung durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen (§ 5 des Vertrages).

3

Neben dem Kläger war --zu denselben Bedingungen-- auch [X.] als stiller Gesellschafter an der GmbH beteiligt. Letzterer war wie der Kläger, dem im [X.] erteilt wurde, leitender Angestellter der GmbH.

4

In den Streitjahren flossen dem Kläger aus der stillen Beteiligung Einnahmen in Höhe von 109.037 € (2012), von 120.985 € (2013) und von 184.709 € (2014) zu, die er bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen erklärte. Zudem beantragte er jeweils die Durchführung der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Überprüfung des [X.] nach § 32d Abs. 4 EStG und legte [X.] der GmbH vor. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erfasste in den Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre die Zahlungen als dem tariflichen Steuersatz unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 166 mitgeteilten Gründen statt. Das [X.] habe zu Unrecht angenommen, dass die Einnahmen des [X.] aus dessen stiller Beteiligung an der GmbH dem tariflichen Einkommensteuersatz unterworfen seien. Die Anwendung des Steuersatzes von 25 % sei nicht ausgeschlossen, denn es bestehe kein Näheverhältnis zwischen dem Kläger und dessen Vater i.S. von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG.

6

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], die es mit der Verletzung materiellen Bundesrechts begründet.

7

Das [X.] beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des [X.] vom 22.10.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Es liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, da das [X.] das Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nicht gemäß § 74 [X.]O ausgesetzt hat, um den --ggf. negativen-- Abschluss eines Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte abzuwarten. Dieser Verfahrensfehler führt somit auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, damit das [X.] die gebotene Aussetzung des Verfahrens vornehmen kann (vgl. z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 22.02.2017 - I R 35/14, [X.], 1, [X.], 33, m.w.N.).

1. Ein Feststellungsverfahren ist im Streitfall durchzuführen, weil es zumindest möglich erscheint, dass der Kläger --anders als von den Beteiligten angenommen-- die streitigen Gewinnbeteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen hat und diese daher in einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung zu erfassen sind.

a) Einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind gemäß § 179 Abs. 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ([X.]) gesondert und einheitlich festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Bei einem Gewerbebetrieb ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn mehrere Personen den Betrieb als Unternehmer (Mitunternehmer) führen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Mitunternehmer in diesem Sinne ist auch, wer sich am Betrieb eines anderen als atypisch stiller Gesellschafter bzw. diesem ähnlicher Innengesellschafter beteiligt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 12.05.2016 - IV R 27/13, [X.], 1559; vom 13.07.2017 - IV R 41/14, [X.], 459, [X.], 1133; vom 01.03.2018 - IV R 38/15, [X.], 543, [X.], 587; vom 19.07.2018 - IV R 10/17, [X.], 1268; vom 07.11.2006 - VIII R 5/04, [X.], 906; vom 09.12.2002 - VIII R 20/01, [X.] 2003, 601, m.w.N.).

b) Ein Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung muss bereits dann durchgeführt werden, wenn zweifelhaft ist oder es nur möglich erscheint, dass Einkünfte vorliegen, an denen mehrere im Inland ansässige Personen beteiligt sind (z.B. [X.]-Urteile vom 17.12.2003 - I R 47/02, [X.] 2004, 771; in [X.], 1, [X.], 33; vom 19.02.2020 - I R 38/17, [X.] 2021, 1). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Zweifel rechtlicher oder tatsächlicher Natur sind. In beiden Fällen entspricht es dem materiell-rechtlichen Zweck des Feststellungsverfahrens und der dem § 179 [X.] zugrunde liegenden Kompetenzverteilung, eine inhaltlich identische Sachbehandlung gegenüber allen potentiell betroffenen Steuerpflichtigen sicherzustellen (z.B. [X.]-Urteile in [X.], 1, [X.], 33; in [X.] 2021, 1). Ein Feststellungsverfahren ist auch dann durchzuführen, wenn das für dieses Verfahren zuständige Finanzamt gleichzeitig für die Festsetzung der Einkommensteuer aller möglicherweise an den Einkünften beteiligter Steuerpflichtiger zuständig ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1, [X.], 33, m.w.N.). Es kann nur unterbleiben, wenn offensichtlich ein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] vorliegt (vgl. [X.]-Urteil vom 09.06.2015 - X R 38/12, [X.] 2015, 1588).

2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Entscheidung des [X.] als verfahrensfehlerhaft. Im Streitfall kommt in Betracht, dass der Kläger die streitigen Einnahmen als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt hat und diese daher im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung zu erfassen sind (hierzu unter a und b). Es liegt auch nicht offensichtlich ein Fall von geringer Bedeutung vor (hierzu unter c).

a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist. Mitunternehmer ist derjenige Gesellschafter, der kumulativ [X.] entfalten kann und [X.] trägt (z.B. [X.]-Urteile in [X.], 459, [X.], 1133; vom 21.10.2015 - IV R 43/12, [X.]E 252, 193, [X.], 517, m.w.N.).

aa) [X.] bedeutet dabei vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte obliegen. Ausreichend ist schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen ([X.]-Urteile in [X.], 459, [X.], 1133, und in [X.]E 252, 193, [X.], 517).

bb) [X.] trägt, wer gesellschaftsrechtlich oder diesem Status wirtschaftlich vergleichbar am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens teilnimmt. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 25.06.1984 - GrS 4/82, [X.]E 141, 405, [X.] 1984, 751; [X.]-Urteile in [X.], 459, [X.], 1133, und in [X.]E 252, 193, [X.], 517).

cc) Die angesprochenen Merkmale können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein und ein geringeres mitunternehmerisches Risiko kann durch eine besonders starke Ausprägung des [X.] ausgeglichen werden und umgekehrt. Beide Merkmale müssen jedoch vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (z.B. [X.]-Urteile in [X.], 459, [X.], 1133, und in [X.]E 252, 193, [X.], 517). Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles (vgl. [X.]-Urteil vom 18.02.1993 - IV R 132/91, juris) kann die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die [X.] selbst als stille Gesellschaft lediglich als Indiz berücksichtigt werden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 1268, m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch für die stille Beteiligung am Unternehmen einer GmbH ([X.]-Urteile in [X.] 2003, 601; in [X.], 459, [X.], 1133).

dd) Das volle [X.] eines atypisch [X.]ers ist im Regelfall dadurch gekennzeichnet, dass das Unternehmen im Innenverhältnis (d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des [X.] sowie des [X.]ers geführt wird. Der Stille muss daher nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg beteiligt sein. Darüber hinaus müssen die Regelungen des Gesellschaftsvertrages die Gewähr dafür bieten, dass er (grundsätzlich) im Falle der Beendigung des [X.] entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem --nach den üblichen Methoden des Geschäftsverkehrs ermittelten-- Firmenwert hat (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 459, [X.], 1133, m.w.N.).

ee) Bleibt das [X.] des [X.]ers --etwa mangels einer in die steuerrechtliche Beurteilung einzubeziehenden Beteiligung am Firmenwert-- hinter der Rechtsstellung zurück, die das HGB dem Kommanditisten zuweist, so kann nur dann von einem atypisch [X.]sverhältnis ausgegangen werden, wenn bei Würdigung der Gesamtumstände des [X.] seine Möglichkeit zur Entfaltung von [X.] besonders stark ausgeprägt ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.], 459, [X.], 1133; in [X.], 906, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des [X.] kann eine besonders ausgeprägte [X.] sogar den Ausschluss des [X.]ers von der Beteiligung am Verlust, den stillen Reserven und dem Geschäftswert kompensieren (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 28.01.1982 - IV R 197/79, [X.]E 135, 297, [X.] 1982, 389; vom 11.12.1990 - VIII R 122/86, [X.]E 163, 346).

(1) Für die Annahme einer besonders stark ausgeprägten [X.] genügt es nicht, dass die Kontrollbefugnisse des § 233 HGB beispielsweise im Sinne der Rechte nach § 716 BGB ausgedehnt werden. Erforderlich ist vielmehr, dass dem Stillen --sei es als Geschäftsführer, sei es als Prokurist oder leitender Angestellter-- Aufgaben der Geschäftsführung, mit denen ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum und damit auch Einfluss auf grundsätzliche Fragen der Geschäftsleitung verbunden ist, zur selbständigen Ausübung übertragen werden; der stille Gesellschafter muss wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Unternehmens Einfluss nehmen können. Dies kann zwar auch bei Einräumung umfassender Weisungsrechte zu bejahen sein. Nicht ausreichend sind hingegen bloße Zustimmungsvorbehalte oder nur faktische --d.h. rechtlich nicht abgesicherte-- Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Unternehmensführung (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 459, [X.], 1133, m.w.N.).

(2) Die rechtlichen Grundlagen für die personenbezogen auf den einzelnen Mitunternehmer zu betrachtende [X.] müssen grundsätzlich in dem Unternehmen selbst angelegt sein. Für die Gewichtung der [X.] eines [X.]ers sind daher grundsätzlich die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen der [X.] selbst heranzuziehen; ihnen kommt regelmäßig besonderes Gewicht zu (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 459, [X.], 1133, m.w.N.). Allerdings ist bei einer GmbH & Still die Möglichkeit des [X.]ers zur Entfaltung einer besonders stark ausgeprägten [X.] nicht nur anhand des [X.] zu beurteilen. Diese kann sich vielmehr auch aus der Stellung als Organ der GmbH ergeben, denn der GmbH-Geschäftsführer, der zugleich stiller Gesellschafter ist, wird über die GmbH --formal gesehen nur mittelbar-- als stiller Gesellschafter "im Dienst der Personengesellschaft" tätig, weil bei einer GmbH & Still deren Unternehmensgegenstand regelmäßig mit dem des Inhabers des Handelsgewerbes (d.h. der GmbH) identisch ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 459, [X.], 1133, m.w.N.).

Bei der Prüfung der gesteigerten [X.] des Inhabers einer stillen Beteiligung an einer GmbH kommt es mithin darauf an, ob [X.] oder anderweitige Direktionsrechte, die der stille Gesellschafter z.B. als leitender Angestellter der GmbH hat, rechtlich abgesichert sind (vgl. Levedag in Blaurock, Handbuch [X.], 9. Aufl., Rz 20.76; [X.]-Beschluss vom [X.] - IV B 128/08, [X.] 2010, 1425).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte das [X.] nicht ohne weiteres annehmen, der Kläger sei nicht als Mitunternehmer anzusehen und erziele als typisch stiller Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Es ist vielmehr unklar --und somit im Rahmen eines noch durchzuführenden Feststellungsverfahrens zu entscheiden--, ob der Kläger als typisch oder atypisch stiller Gesellschafter anzusehen ist.

Die Annahme einer Mitunternehmerstellung des [X.] kommt in Betracht, weil die geringere Ausprägung des [X.]s des [X.] (möglicherweise) in Anbetracht seiner (spätestens ab 2002 bestehenden) Tätigkeit als leitender Angestellter und Prokurist der GmbH durch eine stärkere Ausprägung seiner [X.] ausgeglichen worden sein könnte.

Nach den Feststellungen des [X.] bzw. den Regelungen des Gesellschaftsvertrages vom ...2001 war der Kläger zu 20 % am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt, ohne dass betragsmäßige Obergrenzen vereinbart waren. Jedoch war er weder an den stillen Reserven noch am Geschäftswert beteiligt. Sein mitunternehmerisches Risiko blieb mithin hinter der Rechtsstellung zurück, die das HGB dem Kommanditisten zuweist.

Allerdings könnte dieses Defizit durch eine besonders ausgeprägte [X.] ausgeglichen sein. Zwar oblag nach dem [X.] die Geschäftsführung der [X.] allein dem Vater des [X.], während dem Kläger die Rechte nach § 716 BGB zustanden und er den Jahresabschluss und die Buchführung durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen lassen konnte. Jedoch war der Kläger seit 2002 auch leitender Angestellter und Prokurist der GmbH, so dass es keinesfalls ausgeschlossen erscheint, dass ihm als solchem Aufgaben der Geschäftsführung, mit denen ein nicht unerheblicher Entscheidungsspielraum und damit auch ein Einfluss auf grundsätzliche Fragen der Geschäftsleitung verbunden war, zur selbständigen Ausübung übertragen waren (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.], 906, m.w.N.).

c) Von einer Aussetzung des Klageverfahrens gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre gemäß § 74 [X.]O kann nicht abgesehen werden, weil ein Fall von geringer Bedeutung gegeben ist.

Ein Absehen von der Aussetzung des Klageverfahrens wäre nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] offensichtlich vorliegen (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.] 2015, 1588, m.w.N.). [X.] ein Fall hingegen rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten auf, so ist er nicht von geringer Bedeutung (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2015, 1588). Dies ist im Streitfall anzunehmen, denn dieser wirft erhebliche Zweifelsfragen in Bezug auf die Einordnung des [X.] als denkbare Grundlage für eine Mitunternehmerschaft auf.

3. Im Rahmen des (noch durchzuführenden) Feststellungsverfahrens ist die Frage des Bestehens einer Mitunternehmerschaft und der Mitunternehmerstellung des [X.] zu klären. Dabei ist ggf. auch zu prüfen, ob der weitere stille Beteiligte --trotz fehlender [X.] als weiterer Mitunternehmer anzusehen ist. Über diese Frage wäre nicht in einem gesonderten, sondern in demselben Feststellungsverfahren zu entscheiden ([X.]-Urteil vom 15.10.1998 - IV R 18/98, [X.]E 187, 250, [X.] 1999, 286).

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 46/18

12.04.2021

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 22. Oktober 2018, Az: 6 K 49/17, Urteil

§ 74 FGO, § 179 Abs 1 AO, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 20 Abs 1 Nr 4 EStG 2009, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 180 Abs 3 S 1 Nr 2 AO, § 230 HGB, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.04.2021, Az. VIII R 46/18 (REWIS RS 2021, 7091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7091

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