Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2004, Az. II ZB 22/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3145

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[X.]/03
vom 17. Mai 2004 in der [X.]

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 233 Fe a) Wird ein Wiedereinsetzungsantrag auf die unerwartet lange Dauer einer Te-lefaxübermittlung gestützt, hat das Gericht die zum Vergleich vorgelegten Sendeberichte zu würdigen (vgl. [X.], [X.]. v. 1. Februar 2001 - [X.], NJW-RR 2001, 916). b) Ein auf einen vorübergehenden "Computer-Defekt" oder "[X.]" gestützter Wiedereinsetzungsantrag bedarf näherer Darlegungen zur Art des Defekts und seiner Behebung. [X.], [X.]uß vom 17. Mai 2004 - [X.] - OLG München LG München I

- 2 - [X.] [X.] hat am 17. Mai 2004 durch [X.] Dr. Goette, [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der [X.]uß des
23. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juli 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:

[X.] Die von dem Kläger einzuhaltende Berufungsbegründungsfrist lief am 3. März 2003 ab. Die letzte, u.a. die Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten des [X.] enthaltende Seite der per Fax an das [X.] übermit-telten Berufungsbegründung wurde nach den automatischen Aufzeichnungen des [X.], das über eine funkgesteuerte Zeitmessung verfügt, am 4. März 2003 00.01 Uhr empfangen und elektronisch abgespeichert. Die Über-tragungszeit für 34 Seiten betrug nach dem Sendebericht des [X.] 17,51 [X.]., nach den Aufzeichnungen des Empfangsgeräts 17,55 [X.]., bei [X.] Übertragungsgeschwindigkeit von 9.600 Baud. Kurz darauf wurden 2 von bisher fehlenden 5 Seiten der insgesamt 39 seitigen Berufungsbegründung - 3 - nachübermittelt und von dem Empfangsgerät um 00.05 Uhr abgespeichert. Der Kläger meint, der Text der nur knapp halbseitig beschriebenen [X.] mit der Unterschrift müsse von dem Empfangsgerät vor 00.00 Uhr empfangen worden sein. Hilfsweise hat der Kläger, der Rechtsanwalt ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu vorgetragen, er habe die Berufungsbegrün-dung am 3. März vor 24.00 Uhr in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten selbst "(fertig-)geschrieben". Dieser habe sie nach Prüfung unterzeichnet. Sie habe wegen eines "nicht nachvollziehbaren [X.]es (Abstürzen der Anlage)" erst um 23.40 Uhr mit ca. 1,5 Std. Verspätung ausgedruckt werden können. Der Defekt der seit mindestens 1,5 Jahren störungsfrei arbeitenden Computeranlage sei nicht vorhersehbar gewesen. Im übrigen hätten der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund ihrer bisherigen, durch vorgelegte Sendeberichte belegten Erfahrungen darauf vertraut, daß nicht nur ca. 2, son-dern knapp 4 Seiten/[X.]. "durchgefaxt" werden könnten. Mit der ungewöhnlich langen Übertragungsdauer hätten sie nicht rechnen müssen. Die Richtigkeit dieses Vortrags haben beide anwaltlich versichert.
Das Berufungsgericht hat die Berufungsbegründung für verspätet erach-tet und die Berufung des [X.] unter Zurückweisung seines Wiedereinset-zungsantrages als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde des [X.].
I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-scheidung des [X.] erfordert. - 4 - 1. Soweit das Berufungsgericht den Eingang der Berufungsbegründung für verspätet erachtet hat, wird dies von dem Beschwerdeführer nicht gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2, 3 ZPO gerügt. Eine Prüfung von Amts wegen findet insoweit in vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren nicht statt, weil dessen Gegen-stand allein die gegen den [X.] des Berufungsgerichts erho-benen [X.] sind (vgl. [X.], [X.]. v. 18. September 2003 - [X.], [X.]. [X.], 7). Im übrigen ist die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt auch nicht zu beanstanden, weil der Kläger den von ihm zu führenden [X.] Eingangs seiner Berufungsbegründung mit der die Un-terschrift seines Prozeßbevollmächtigten enthaltenden letzten Seite nicht ge-führt hat und eine Störung des [X.] oder eine im technischen Ver-antwortungsbereich der Empfangsstelle liegende Ungenauigkeit der [X.] nicht ersichtlich ist (vgl. [X.], [X.]. v. 4. Mai 1994 - [X.], [X.], 1349). Daß gemäß der vorliegenden Praxis des [X.] der Zeitpunkt des nächtlichen Eingangs von [X.] wegen der Verwendung eines mit Faxkarte ausgestatteten [X.] nicht nach demjenigen ihres Ausdrucks, sondern ihrer elektronischen Speicherung bestimmt wird und der Ausdruck regelmäßig erst am nächsten Morgen erfolgt, gereicht dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil.
2. Das Berufungsgericht meint, die für die Faxübermittlung benötigte Zeit von 17,55 [X.]. sei für den Kläger oder dessen Prozeßbevollmächtigten vorher-sehbar gewesen und ergebe daher keinen Wiedereinsetzungsgrund [X.] von § 233 ZPO. Die Sendezeit hänge von der Zahl der übermittelten Signale, d.h. der Schriftzeichen, ab. Die vorgetragene Differenz von 2 gegenüber 3 [X.]/[X.]. (= [X.]imaldifferenz) halte sich im erwartbaren Variationsbereich und sei als Sicherheitskarenz zu berücksichtigen gewesen. - 5 - Diese Begründung steht mit den im [X.]uß des [X.] vom 1. Februar 2001 ([X.], NJW-RR 2001, 916) aufgestellten Grundsät-zen nicht in Einklang und verkürzt den Anspruch des [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG), was die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eröffnet (vgl. [X.] 151, 221; [X.], [X.]. v. 30. April 2003 - [X.], NJW 2003, 2388). Abgesehen davon, daß der Kläger eine Differenz von mehr als 1 Seite/[X.]. geltend gemacht hat, hätte das Berufungsgericht nach dem [X.]uß vom 1. Februar 2001 aaO prüfen [X.], ob die mit dem Wiedereinsetzungsantrag und später zur [X.] (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO) vorgelegten Sendeberichte nach Art und Empfänger der Sendungen mit der hier maßgeblichen Sendung vergleich-bar sind. Den Ausführungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, worauf sich seine Annahme stützt, die vorgetragene Differenz von 2 zu ca. 3,5 Seiten/[X.]. (75 %) halte sich im vorhersehbaren Variationsbereich (vgl. auch [X.], [X.]. v. 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99, NJW 2001, 1566 f.). Dies hängt, wie bei dem erkennenden Senat gerichtsbekannt ist, nicht nur von der Anzahl der übermittelten (mit den Schriftzeichen nicht identischen) Signale, sondern auch von der zu erwartenden Übertragungsgeschwindigkeit ab. Andererseits schließt das nicht aus, daß bei der Faxübermittlung eine ge-wisse Zeitreserve einzukalkulieren ist (vgl. [X.], [X.]. v. 19. November 1999 - 2 BvR 565/98, [X.], 574).
Eine eigene Sachentscheidung hierüber ist dem Senat verwehrt, weil es dazu noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf (§ 577 Abs. 4 ZPO).
3. Zugunsten des [X.] zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO) ist die [X.] nicht schon im Hinblick auf den von ihm zusätzlich geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund des "plötzlichen Abstürzens der Computeranlage". - 6 - Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des [X.] hierzu im Ergebnis zu Recht für nicht hinreichend erachtet, um eine Wiedereinsetzung gemäß § 233 ZPO zu rechtfertigen. Darin liegt - entgegen der Ansicht der [X.] - keine Divergenz gegenüber dem [X.]uß des [X.] vom 4. Mai 1994 ([X.], NJW 1994, 2097 f. zu 4). Denn dort konnte [X.], ob ein entsprechender Sachvortrag ausreicht, weil er zum einen ver-spätet vorgebracht (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) und zum anderen nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 ZPO) war. Das Berufungsgericht vermißt zu Recht den Vortrag der näheren Umstände des angeblichen [X.]s. Insbesondere fehlt jeglicher Vortrag dazu, wann, wie oder bei welcher [X.] sich der "nicht nachvollziehbare" [X.] bemerkbar machte und wie es dennoch gelang, ihn nach 1,5 Std. bis 23.40 Uhr wieder zu beheben. Unklar ist weiter, ob mit dem "Abstürzen" ein (teilweiser) Verlust des bisher ge-schriebenen Textes verbunden war oder z.B. schlicht die [X.] nicht in Gang gesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang wäre gerade auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, ob der Kläger und/oder sein Prozeßbevoll-mächtigter in die Bedienung des Computers und des Druckers so eingeübt [X.], daß sie diese bei ihrer nächtlichen Arbeit ohne Schreibkraft sicher bedie-nen konnten. - 7 - 4. Nach allem hängt die Entscheidung der Sache davon ob, ob der Klä-ger unter den gegebenen Umständen noch mit einer fristgerechten Faxübermitt-lung rechnen durfte (vgl. oben 2). Zu weiterer Aufklärung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Goette [X.] [X.] Strohn [X.]

Meta

II ZB 22/03

17.05.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2004, Az. II ZB 22/03 (REWIS RS 2004, 3145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3145

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