Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2016, Az. 1 StR 232/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5727

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Gegenstand

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Tatbeteiligung bei bloßer Veranlassung des Einfuhrvorgangs


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 6. April 2016, durch den die Revision als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt - wobei drei Monate als vollstreckt gelten - und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit Beschluss vom 6. April 2016 hat das [X.] die Revision des Angeklagten vom 25. Februar 2016 als unzulässig verworfen, weil eine Revisionsbegründung nicht rechtzeitig eingegangen sei.

2

Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 [X.] und seine mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision haben in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]).

I.

3

Zu dem Antrag auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 [X.] hat der [X.] ausgeführt:

4

„Der Antrag auf Entscheidung des [X.] ist zulässig und begründet, so dass der Beschluss des [X.]s Mosbach vom 6. April 2016 aufzuheben ist (vgl. [X.]/Gericke, 7. Auflage, Rn. 22 zu § 346 [X.]). Die [X.] lief bis zum 16. April 2016. Die Begründung der Revision durch den am 6. April 2016 bei dem [X.] eingegangenen Schriftsatz erfolgte mithin rechtzeitig.

5

Bei mehrfacher Zustellung des Urteils richtet sich die Berechnung der [X.] nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 [X.]). Dies gilt auch dann, wenn die mehreren Zustellungen nicht auf derselben Anordnung beruhen, soweit eine Zustellung nicht erst nach Fristablauf bewirkt wird ([X.], Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 [X.], [X.]St 22, 221 ff.). Im vorliegenden Fall war zunächst die Zustellung des Urteils an den Angeklagten und dessen damalige Verteidigerin angeordnet worden (Verfügung vom 26. Februar 2016, [X.]. 335 d.A.); die Zustellungen erfolgten am 1. März 2016 (vgl. [X.]. 347 f. d.A.). Am 9. März 2016 bestellten sich die Rechtsanwälte     S.      und Sc.      aus    M.         als Verteidiger ([X.]. 351 d.A.). Hierbei legten sie zwar, was einen Verstoß gegen § 137 Abs. 1 S. 2 [X.] nahelegen könnte, eine auf alle Mitglieder ihrer Sozietät (insgesamt fünf Rechtsanwälte) lautende schriftliche Vollmacht vor ([X.]. 352 d.A.). Allerdings war in dem zugehörigen Anschreiben klargestellt, dass lediglich die Rechtsanwälte   S.     und Sc.      bevollmächtigt sein sollten, auf die sich die schriftliche Vollmacht (auch) bezog. Jedenfalls mit [X.]ick auf § 146a Abs. 2 [X.] (vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.], 59. Auflage, Rn. 3 zu § 145a [X.]) war die alsdann unter dem 9. März 2016 verfügte (vgl. [X.]. 351 d.A.) und am 16. März 2016 bewirkte (vgl. [X.]. 363 d.A.) erneute Zustellung des Urteils wirksam, so dass - die durch die Zustellung vom 1. März 2016 zunächst in Gang gesetzte [X.] war noch nicht abgelaufen - sich die [X.] bis zum 16. April 2016 verlängerte.“

6

Dem schließt sich der [X.] an.

II.

7

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]).

8

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

9

Der Angeklagte bestellte im [X.] aufgrund jeweils neu gefassten Tatentschlusses synthetische Cannabinoide mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 85%, die aufgrund seiner Bestellung aus [X.] versandt, in das [X.] eingeführt und an die Wohnanschrift des Angeklagten geliefert wurden.

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:

a) Bestellung vom 23. Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von 346,05 [X.]. Die nicht geringe Menge von [X.] liegt bei höchstens zwei Gramm.

b) Bestellung Ende Februar 2014 über 100 Gramm des synthetischen Cannabinoids [X.] zum Preis von mindestens 300 [X.]. Die nicht geringe Menge von [X.] liegt bei höchstens sechs Gramm.

2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Die Annahme täterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen jedoch die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich ([X.], Beschlüsse vom 31. März 2015 - 3 [X.], [X.], 632 und vom 2. Juni 2015 - 4 StR 144/15, [X.]R BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: [X.], Beschluss vom 2. Juni 2016 - 1 StR 161/16). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein ([X.], Beschlüsse vom 31. März 2015 - 3 [X.], [X.], 632 und vom 16. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 158).

Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung wegen täterschaftlicher Einfuhr keinen Bestand haben. Die Feststellungen des [X.]s beschränken sich darauf, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel über das [X.] in [X.] bestellte, ohne irgendeinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang zu haben.

Ob eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in Betracht kommt, kann der [X.] anhand der vorliegenden Feststellungen nicht beurteilen. Hierzu hätte es insbesondere näherer Feststellungen zu den Bestellvorgängen bedurft.

Im Übrigen könnte der [X.] nicht ausschließen, dass der Angeklagte sich gegen den Vorwurf der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln anders hätte verteidigen können, so dass eine Umstellung des Schuldspruchs auch aus diesem Grund ausscheidet.

Damit entfallen auch die tateinheitlichen Verurteilungen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juli 2015 - 1 StR 16/15, [X.], 339, 340). Eine Prüfung des vom Angeklagten geltend gemachten Irrtums (§§ 16, 17 StGB) ist deshalb entbehrlich.

3. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt der [X.] auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.

        

        

        

        

Ri[X.] Prof. Dr. Jäger ist im
Urlaub und deshalb an der
Unterschriftsleistung gehindert.

Raum     

        

Graf     

        

Raum

        

Cirener     

        

Fischer     

        

Meta

1 StR 232/16

08.09.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mosbach, 6. April 2016, Az: 1 KLs 13 Js 7188/14

§ 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2016, Az. 1 StR 232/16 (REWIS RS 2016, 5727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5727

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