Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.12.2015, Az. 27 W (pat) 11/15

27. Senat | REWIS RS 2015, 820

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ARTGESCHOSS" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 047 819.3

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 11. Dezember 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin kraft Auftrags [X.] und der Richterin Akintche

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 18. Dezember 2014 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 23. August 2013 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet worden.

4

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 hat die Markenstelle für Klasse 41 des [X.] die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

5

Klasse 16: [X.], insbesondere Poster, Kataloge; Bilder, gerahmt oder ungerahmt; Bücher; graphische Darstellungen; Fotografien; lithographische Kunstgegenstände; Lithographien; Plakate aus Papier oder Pappe; graphische Reproduktionen; [X.];

6

Klasse 35: Durchführung von Auktionen und Versteigerungen; Einzelhandelsdienstleistungen mit [X.]n, [X.], Bekleidungsstücke;

7

Klasse 41: Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke, insbesondere Kunstausstellungen und [X.]; Herausgabe von Texten, ausgenommen Werbetexte; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Theater-Aufführungen, Filmvorführungen; Betrieb von Museen; Betrieb einer Kunsthochschule; Organisation und Veranstaltung von Konzerten und Seminaren; Ausbildung, insbesondere Kunsterziehung; Erziehung auf Akademien.

8

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Begriff „[X.]“ werde vom Verkehr dahingehend verstanden, dass es sich bei den Waren und Dienstleistungen um solche handele, die mit Kunst zu tun haben und auf einer Etage angeboten werden. Die Wortkombination sei [X.] gebildet und setze sich aus dem [X.] Wort „Art“ für „Kunst“ und dem [X.] Substantiv „Geschoss“ für eine „Etage, Stockwerk“ zusammen. Auch im [X.] Sprachraum werde das Wort „Art“, das aus dem [X.] Grundwortschatz stamme, für „Kunst“ verwendet. Alle zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen könnten auf einer [X.] angeboten bzw. erbracht werden. Genau zu definieren, was in einem Artgeschoss alles präsentiert werden könne, sei nicht erforderlich. Eine gewisse Unschärfe des Begriffs führe noch nicht zu seiner Schutzfähigkeit. Die Gesamtheit des angemeldeten Markenwortes enthalte keine über die Bedeutung der Einzelbestandteile hinausgehende unterscheidungskräftige Aussage. Auch eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit sei nicht ersichtlich. Die Bedeutung des Wortes „Art“ im Sinne einer Verhaltensweise oder als Bezeichnung für eine Einheit im System der Tiere und Pflanzen sowie die Bedeutung von „Geschoss“ im Sinne eines Flugkörpers seien nicht naheliegend. Somit weise die beanspruchte Wortkombination in beschreibender Form auf Art, Thema und Angebots- bzw. Erbringungsort der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen hin. Lediglich in Bezug auf „Einzelhandelsdienstleistungen mit Kopfbedeckungen und Schuhwaren“ könnten keine Schutzhindernisse festgestellt werden, da diese in der Regel nicht unmittelbar mit einer [X.] im Zusammenhang stünden.

9

 Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.

Eine Begründung der Beschwerde hat die Anmelderin nicht vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.   

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „[X.]“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.

1. Dem angemeldeten Zeichen fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2015, 1198, 1201 Rdnr. 59 f. – [X.]/[X.]]; [X.], 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 Rdnr. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 173, 174 Rdnr. 15 - for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 173, 174 Rdnr. 16 – for you).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.], 1143, 1144, Rdnr. 15 - Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2014, 376 Rdnr. 11 - grill meister).

Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt ([X.] 2001,1151 - marktfrisch).

b) Nach diesen Grundsätzen kann dem Wortzeichen „[X.]“ das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht abgesprochen werden.

aa) Zu den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen gehören sowohl der normal kunstinteressierte Durchschnittsverbraucher als auch die Fachkreise, wie Künstler, Galeristen, Kuratoren usw..

bb) Das Zeichen setzt sich aus den Worten „Art“ und „Geschoss“ zusammen.

http://www.duden.de/suchen/dudenonline/Art). Im [X.] bedeutet „Art“ „Kunst“ und zählt zum Grundwortschatz.

http://www.duden.de/rechtschreibung/Geschoß).

cc) Legt man das [X.] Wort „Art“ zugrunde, hat der Gesamtbegriff „[X.]“ keinen Sinngehalt. Geht man von der [X.] Bedeutung „Kunst“ aus, die in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen näher liegt, kommt „[X.]“ die Gesamtbedeutung „Kunstgeschoss“ zu.

dd) [X.]“ stellt allerdings keine für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen gebräuchliche Wortkombination dar.

Es konnten keine Nachweise dafür gefunden werden, dass mit diesem Begriff auf Merkmale der Waren, deren Angebotsstätte oder den Erbringungsort der Dienstleistungen hingewiesen wird. Auch eine werbemäßige Verwendung dieser Wortkombination auf dem fraglichen Waren- und Dienstleistungssektor konnte nicht festgestellt werden.

Die von der Markenstelle des [X.] vorgelegten Beispiele der vergleichbar gebildeten Begriffe „Kunstgeschoss“, „[X.]“, „[X.]“ und „Art-etage“ werden markenmäßig bzw. als Name von Galerien und Ausstellungen benutzt. Im Vergleich zu diesen Bezeichnungen ist die Wortkombination „[X.]“ sogar noch weiter weg von einer beschreibenden Angabe.

Durch die Zusammenfügung der beiden Wörter ohne Bindestrich müssen die angesprochenen Verkehrskreise zunächst die beiden Wortbestandteile erkennen, dann das [X.] Wort übersetzen und schließlich darüber nachdenken, welche Bedeutung dem Substantiv „Geschoss“ zukommen könnte, wobei keine der erörterten Sinngehalte sich unmittelbar aufdrängt.

Es bedarf also mehrerer analysierender Gedankenschritte, um dem Anmeldezeichen die beschreibende Gesamtbedeutung zu entnehmen, dass Kunst auf einem Geschoss, also auf einer Etage, präsentiert wird. Im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist eine derartige analysierende Betrachtungsweise aber unzulässig, weil sich aus ihr keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne Weiteres ersichtliche Beschreibung der Waren und Dienstleistungen ergibt (vgl. [X.] 2014, 565 Rdnr. 24 - smartbook; [X.], 270 Rn. 12 - Link economy).

Mangels waren- oder dienstleistungsbeschreibender [X.] kann dem Anmeldezeichen daher nicht die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis abgesprochen werden.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann bei dem angemeldeten Zeichen auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Meta

27 W (pat) 11/15

11.12.2015

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.12.2015, Az. 27 W (pat) 11/15 (REWIS RS 2015, 820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 820

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

26 W (pat) 4/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Kunstscheune Hohberg" – fehlende Unterscheidungskraft


28 W (pat) 10/21 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – " ART OF RUNNING (Wortzeichen)" - fehlende Unterscheidungskraft


26 W (pat) 503/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "FACEYOURMUSIC" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


26 W (pat) 33/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Supra-Comfort" – keine Unterscheidungskraft – keine Verkehrsdurchsetzung


27 W (pat) 547/16 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "FAIRFASHION" – keine Unterscheidungskraft


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.