Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.06.2015, Az. B 9 SB 10/15 B

9. Senat | REWIS RS 2015, 10398

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Schwerbehindertenrecht - GdB-Festsetzung - Begrenzung der Feststellungswirkung des Bescheids auf den Gesamt-GdB - Divergenz - bewusst entgegengesetzter Rechtssatz des LSG - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt (Bescheid vom 11.12.2008).

2

Ihren Antrag auf Höherbewertung des GdB lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 18.11.2010, Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Mit Urteil vom 18.12.2014 hat das [X.] einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB von mindestens 50 verneint. Die Höhe des [X.] habe sich seit der letzten maßgeblichen Feststellung durch den Bescheid vom 11.12.2008 nicht wesentlich geändert. Die Bewertungen der [X.] für einzelne Funktionssysteme durch das [X.] und die Beklagte seien eher zu hoch ausgefallen.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum B[X.] eingelegt, weil das [X.] von der Rechtsprechung des B[X.] zur Abschmelzung überhöhter GdB abgewichen sei.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den allein behaupteten Zulassungsgrund der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargelegt hat (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

5

Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des [X.] nicht den Kriterien entspricht, die das B[X.] aufgestellt hat, sondern erst, wenn das [X.] diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (zum Ganzen vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN).

6

Die Klägerin hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des B[X.] widersprochen habe. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe das Urteil des B[X.] vom [X.] (B 9 SB 6/12 R - [X.] 4-1300 § 48 [X.]6) verkannt. Danach habe dem bei einem durch die Verwaltungsbehörde überhöht festgestellten GdB diese selbst per Verwaltungsakt über die Abschmelzung zu entscheiden. Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht dargetan. Wer eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend macht, muss darlegen, dass das [X.] im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkennt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegensetzt (vgl B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN). An dieser Darlegung fehlt es hier. Den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz des [X.] konnte sie nicht aus den Urteilsgründen zitieren, weil er dort nicht steht. Eine bewusste Abweichung des [X.] von einem Rechtssatz des B[X.] hat sie damit nicht dargelegt.

7

Ohnehin verkennt die Beschwerde den Inhalt des angegriffenen Urteils. Das [X.] ist nicht von einer überhöhten, sondern von einer im Ergebnis nach wie vor zutreffenden Festsetzung des [X.] der Klägerin von 30 durch die Beklagte ausgegangen. Das [X.] hat lediglich wie der Beklagte eine Höherbewertung abgelehnt, weil sich der [X.] durch neu hinzugetretene Funktionsbeeinträchtigungen nicht geändert habe. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form ein überhöhter GdB nach § 48 Abs 3 [X.]B X abgeschmolzen werden kann (vgl B[X.] [X.] 4-1300 § 48 [X.]6) stellte sich für das [X.] von seinem rechtlichen Ausgangspunkt her nicht.

8

Soweit die Beschwerde auf eine teilweise abweichende Einschätzung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen hinweist, die der Beklagte und das [X.] zugrunde gelegt haben, so übersieht sie Folgendes: Maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbescheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben, § 69 Abs 1 S 1 und [X.] und Abs 3 [X.]B IX. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl B[X.]E 82, 176 = [X.] 3-3870 § 4 [X.]4). So genannte Einzel-GdB, die den Grad der Behinderung separat für eine einzelne Erkrankung bzw Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 [X.]B X) des [X.]; nur letzterer steht im [X.] des Bescheids und hat Feststellungswirkung ([X.] in [X.], Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 [X.]B IX Rd[X.] 10). Nach alldem hat das [X.] daher die bisherige Feststellung eines ([X.] von 30 durch den Beklagten gerade nicht als rechtswidrig überhöht angesehen und abgeschmolzen, sondern im Ergebnis, wenn auch nicht in jedem Begründungselement, bestätigt.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 9 SB 10/15 B

01.06.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Karlsruhe, 25. Juli 2013, Az: S 1 SB 300/12, Urteil

§ 69 Abs 1 S 1 SGB 9, § 69 Abs 1 S 4 SGB 9, § 69 Abs 3 SGB 9, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.06.2015, Az. B 9 SB 10/15 B (REWIS RS 2015, 10398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10398

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