Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2017, Az. B 3 P 1/17 B

3. Senat | REWIS RS 2017, 14873

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Gegenstand

(Pflegeversicherung - häusliche Pflege durch Einzelpflegekraft - Ausschluss des Arbeitgebermodelles aus dem Anwendungsbereich des § 35a SGB 11 - Notwendigkeit eines Vertragsverhältnisses zwischen Pflegekraft und Pflegekasse)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 27. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die 1925 geborene Klägerin ist seit Dezember 2012 wegen erheblicher körperlicher Funktionseinschränkungen der [X.] zugeordnet. Sie wird zu Hause von zwei bei ihr angestellten Kräften, einer osteuropäischen Haushaltshilfe und einer examinierten Krankenschwester, betreut, gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt. Die beklagte Pflegekasse zahlte das Pflegegeld der [X.] in Höhe von monatlich 728 Euro (bis 31.12.2014 700 Euro), wodurch die Kosten für die Haushaltshilfe (monatlich 1900 Euro zuzüglich Fahrtkosten und Agenturgebühren) und die Krankenschwester (monatlich 1360 Euro bei ca 20 Wochenstunden) nur zu einem geringen Teil abgedeckt wurden.

2

Da ihre Pflege und Versorgung stets einwandfrei sei und deshalb kein qualitativer Unterschied zur professionellen Heimpflege bestehe, begehrte die Klägerin im Rahmen eines Persönlichen Budgets nach § 35a [X.] iVm § 17 Abs 2 bis 4 [X.] nach dem Grundsatz des Vorrangs der häuslichen Pflege und des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben die Zahlung jenes Betrages der [X.], den die Pflegekasse bei vollstationärer Heimunterbringung (§ 43 [X.]) oder bei umfassender Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst (§ 36 [X.]) aufzubringen hätte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 30.4.2014). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.7.2015). Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 27.10.2016): Nach § 35a [X.] [X.] seien die im [X.] erbrachten Leistungen der Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht budgetfähig. Pflegesachleistungen nach den §§ 36, 38 und 41 [X.] dürften im Rahmen eines Persönlichen Budgets nur in Form von Gutscheinen zur Verfügung gestellt werden, die zur Inanspruchnahme von zugelassenen Pflegeeinrichtungen berechtigen (§ 35a [X.] letzter Halbs [X.]). Ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 [X.]) liege nicht vor. Die stationäre und ambulante Pflege durch vertragliche Leistungserbringer unterliege im Gegensatz zur selbst organisierten häuslichen Pflege, die mit Pflegegeld gefördert wird (§ 37 [X.]) und an keine weiteren Voraussetzungen gebunden sei, einer strikten inhaltlichen Qualitätskontrolle. Es stehe dem Gesetzgeber frei, diese unterschiedlichen Pflegeformen mit unterschiedlichen Beträgen zu fördern. Die von der Klägerin gewünschte Einzelfallprüfung, ob eine selbst organisierte Pflege der Pflege durch vertragliche Leistungserbringer qualitativ gleichstehe, sei im System der [X.] Pflegeversicherung nicht vorgesehen.

3

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.].

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch § 160 Abs 2, § 160a Abs 2 [X.]G normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 [X.], § 169 [X.]G). Die Klägerin weist zwar auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) hin, jedoch ist dieser Zulassungsgrund nicht so dargelegt worden, wie § 160a Abs 2 [X.] [X.]G dies verlangt.

5

Zur Darlegung des Revisionszulassungsgrundes, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), ist es erforderlich, die Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (B[X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]6), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (B[X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 51; B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]3 und 65; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt ([X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. [X.], Rd[X.] 65 f mwN). Die Voraussetzungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes sind hier nicht erfüllt.

6

Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, anhand derer das Beschwerdegericht in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob dem Fall eine bisher ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt. Lediglich aus dem Gesamtzusammenhang ihres [X.] lässt sich schließen, dass die Klägerin eine Einbeziehung des [X.]s in den Anwendungsbereich der Vorschrift über das Persönliche Budget (§ 35a [X.]) im Wege verfassungskonformer Auslegung gemäß Art 3 Abs 1 [X.] für geboten hält, wenn eine qualitativ hochwertige Pflege sichergestellt ist.

7

Selbst bei Unterstellung einer solchen Rechtsfrage fehlt es an der Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit. Die Klägerin setzt sich nicht mit dem Regelungsgeflecht des [X.] zu den Leistungspflichten der [X.] auseinander und zeigt somit nicht auf, dass die Ausklammerung des [X.]s aus dem Anwendungsbereich des § 35a [X.] systemwidrig und sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Nach § 72 Abs 1 [X.] [X.] dürfen die [X.] ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen (§ 71 [X.]) gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). Zur häuslichen Pflege durch Einzelpersonen hat der Gesetzgeber in § 77 [X.] detaillierte Sonderregelungen geschaffen, die ebenfalls ein Vertragsverhältnis zwischen Pflegekraft und der Pflegekasse voraussetzen und das [X.] ausschließen (so die ausdrückliche Anordnung in § 77 Abs 1 S 4 [X.]). Soweit dennoch ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Pflegekraft abgeschlossen worden ist, muss der Arbeitsvertrag gekündigt werden, es sei denn, der Vertrag ist bereits - anders als hier - vor dem [X.] geschlossen worden und die Pflegekasse hat die Pflegeleistungen vor diesem Zeitpunkt vergütet (Bestandsschutz nach § 77 Abs 1 S 5 und 6 [X.]). Es wird nicht dargelegt, welche Vorschrift dann - unter Heranziehung bestimmter unter dem Blickwinkel des Art 3 Abs 1 [X.] zu würdigender rechtlicher Gesichtspunkte - noch Raum lässt für die von der Klägerin gewünschte Einzelfallprüfung.

8

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang wiederholt mit § 38 [X.] argumentiert, ist festzuhalten, dass diese Vorschrift im vorliegenden Fall keine Rolle spielt, weil [X.], also das Nebeneinander von professionellen Pflegeleistungen und Pflegegeld, seit der Kündigung des [X.] (§ 120 [X.]) mit dem ambulanten Pflegedienst nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die [X.] über selbst beschaffte, in einem Beschäftigungsverhältnis mit dem Pflegebedürftigen stehende Kräfte wird ausschließlich von § 37 [X.] erfasst und rechtfertigt allein die Zahlung von Pflegegeld. Dieser Verpflichtung kommt die Beklagte nach.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 3 P 1/17 B

28.02.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Düsseldorf, 15. Juli 2015, Az: S 39 P 123/14, Urteil

§ 35a S 1 SGB 11, § 72 Abs 1 S 1 SGB 11, § 77 Abs 1 S 4 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.02.2017, Az. B 3 P 1/17 B (REWIS RS 2017, 14873)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14873

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