Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2005, Az. II ZR 113/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2906

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 27. Juni 2005 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

GmbHG § 43 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 2 Ba; StGB § 266

Für die deliktische Haftung (hier: § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB) einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist es erforderlich, daß der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschik-ke der [X.] - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Ge-schäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeb-lich in die Hand genommen hat (i. [X.]. an Senat, [X.] 150, 61).
[X.], Urteil vom 27. Juni 2005 - [X.]/03 - OLG Frankfurt a. Main

LG Frankfurt a. Main

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2005 durch [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] zu 1 wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.]s Frankfurt am Main vom
6. März 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als dieser verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger führt im Auftrag der [X.] in [X.] den sog. Bank- settlement Plan ([X.]) durch; im Rahmen dieses vereinheitlichten [X.] zur Vereinfachung von Verkauf, Abrechnung und Verwaltung von [X.] zwischen den der [X.] angehörenden Luftverkehrsgesellschaften und den Ver- kaufsagenturen oblag dem Kläger u.a. der turnusmäßig einmal im Monat statt-findende Einzug der von den Agenturen aus den [X.] vereinnahm-ten Gelder. Nach den [X.] waren sämtliche derartigen Einnahmen - 3 - "Eigentum und Besitz der Fluggesellschaft" und "dem Agenten für oder im [X.] der Fluggesellschaft solange zur Verwahrung anvertraut, bis über sie eine zufriedenstellende Rechenschaft abgelegt worden ist und eine Abrechnung stattgefunden hat". Die [X.] hatte einen solchen Agenturvertrag über den Verkauf von Flugtickets auch mit der [X.] (nachfolgend: [X.]) abgeschlossen. Deren Geschäftsführer und zugleich Minderheitsgesellschafter mit einer Beteili-gung von 24,5 % war der [X.] zu 2; ihre Mehrheitsgesellschafterin mit einem Geschäftsanteil von 51 % war die [X.] (nachfolgend: [X.]), deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der [X.] zu 1 war. Im [X.] 1993 geriet die [X.] in finanzielle Schwierigkeiten, die dazu führten, daß sie abredewidrig die für die [X.] und deren Mitglieder ver- einnahmten Gelder aus [X.] zur Deckung ihrer laufenden - die Ein-nahmen übersteigenden - Ausgaben verwendete; dies verdeckte sie dadurch, daß sie jeweils im Abrechnungszeitpunkt am 15. des Monats anstelle der ver-brauchten Einnahmen der [X.] Periode auf ihrem Konto bereits vereinnahmte Gelder des folgenden Abrechnungszeitraums für die turnus-mäßige Abbuchung des [X.] bereitstellte. Nach einem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 zwischen den beiden [X.] und weiteren Hinweisen des Steuerberaters über die immer prekärer werdende finanzielle Lage der [X.] erklärte der [X.] zu 2 zwar zunächst dem [X.] zu 1 gegenüber die Niederlegung seines Amtes, wurde jedoch in der Folgezeit weiterhin als Ge-schäftsführer für die [X.] tätig. Trotz einer vom [X.] zu 1 Ende Dezember 1993 zum Zwecke der Abwendung der Überschuldung abgegebenen Rangrücktrittserklärung für Forderungen gegen die [X.] sah sich der [X.] zu 2 am 21. Januar 1994 gezwungen, für die [X.] Konkursan- - 4 - trag zu stellen. Daraufhin stellte die [X.] unter dem 24. Januar 1994 bei der [X.] ihre Tickets sicher und entzog ihr die [X.]-Verkaufslizenz. Auf Betreiben des [X.] zu 1 wurde auf einer [X.]erversammlung der [X.] am 26. Januar 1994 die - später von der [X.] mit Erfolg angefochtene - Abberufung des [X.] zu 2 als Geschäfts- führer und die Bestellung des [X.] zu 1 zum neuen Geschäftsführer be-schlossen. Nachdem der [X.] zu 1 Ende Januar 1994 die Schließung des Büros der [X.] veranlaßt hatte, nahm er am 1. Februar 1994 den Kon- [X.] zurück. Am 14. Februar 1994 buchte der Kläger die Forderung aus den [X.] für den letzten Abrechnungszeitraum (Januar 1994) in [X.] von 330.295,92 DM vom Konto der [X.] ab, jedoch erfolgte bereits eine Woche später die Rückbuchung mangels Deckung des Kontos. Am 21. Februar 1994 wurde schließlich der [X.] zu 2 wirksam als [X.] der [X.] abberufen und der [X.] zu 1 zu ihrem neuen Ge- schäftsführer bestellt. Der Kläger nimmt wegen der - bislang unbeglichen gebliebenen - Forde-rung für Januar 1994 beide [X.] als Gesamtschuldner aus dem Gesichts-punkt einer - angeblich nebentäterschaftlich begangenen - Untreue gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB auf Schadensersatz in Anspruch; dabei macht er in bezug auf den [X.] zu 1 geltend, dieser sei als fakti-scher Geschäftsführer der [X.] - neben dem [X.] zu 2 als ihrem satzungsmäßigen Vertreter - für die Veruntreuung der vereinnahmten Treu-handgelder verantwortlich. Das [X.] hat der Klage gegen den [X.] zu 2 stattgegeben, sie jedoch hinsichtlich des [X.] zu 1 abgewiesen, weil die Voraussetzungen einer faktischen Geschäftsführung nicht vorgelegen [X.]. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zu 2 zurückgewie-sen, hingegen auf die Berufung des [X.] auch den [X.] zu 1 antrags-- 5 - gemäß verurteilt und im übrigen die Revision insgesamt nicht zugelassen. Ein dagegen gerichtetes Prozeßkostenhilfegesuch des [X.] zu 2 hat der [X.] - bestandskräftig - zurückgewiesen, während er auf die Nichtzulassungsbe-schwerde des [X.] zu 1 dessen Revision zugelassen hat.

Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] zu 1 ist begründet und führt - soweit dieser verurteilt worden ist - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht. [X.] Das Berufungsgericht hat in bezug auf die Verurteilung des [X.] zu 1 ausgeführt: Der [X.] zu 1 hafte dem Kläger gesamtschuldnerisch mit dem [X.] zu 2 auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung, weil er spätestens seit Oktober 1993 bis zu seiner Bestellung am 21. Februar 1994 als faktischer Geschäftsführer der [X.] anzusehen sei und daher als [X.] [X.] des § 266 StGB für die Veruntreuung der der [X.] treuhänderisch an-vertrauten Einnahmen aus dem Verkauf der [X.]-Tickets verantwortlich sei. Seine Stellung als faktischer Geschäftsführer ergebe sich daraus, daß er als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der [X.], die als Mehrheitsgesellschafterin die [X.] beherrscht habe, selbst dominieren- den Einfluß auf die Geschäftsführung der [X.] ausgeübt habe; denn er habe "letztlich das Sagen" im Gesamtkonzern gehabt. Faktisch habe er als Ge-schäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin den [X.] zu 2 als den [X.] bestellten Vertreter der [X.] entmachtet, weil dieser ihn nach dem Krisengespräch vom 14. Oktober 1993 bei allen wesentlichen Ge-schäftsmaßnahmen, insbesondere Geldbewegungen über 5.000,00 DM, habe - 6 - informieren müssen; darüber hinaus habe der [X.] zu 1 später sogar eine andere Person als kommissarischen Geschäftsführer in der [X.] ein- gesetzt. Im übrigen habe sich die B.er [X.] bei den zentralen [X.] schaftlichen Entscheidungen wie Preiskalkulation, Werbung und Abrechnung nach den Vorgaben der vom [X.] zu 1 beherrschten [X.] richten müssen, die auch Abbuchungsvollmachten für die Konten der [X.] gehabt habe und daher ihre Forderungen intern leicht habe durchsetzen können. I[X.] Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die vom Berufungsgericht aufgeführten Einzelheiten bezüglich des [X.] und der Stellung des [X.] zu 1 nicht die Voraussetzungen erfüllen, unter denen von einem "faktischen Organ" gesprochen werden kann. 1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kommt es für die Beurtei-lung der Frage, ob jemand faktisch wie ein [X.] gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes [X.] zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines [X.] an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Betreffende die Geschicke der [X.] - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat ([X.] 150, 61, 69 f.; [X.] 104, 44, 48). Das hat das Berufungsgericht verkannt. Denn seinen Feststellungen [X.] sich lediglich (interne) Einwirkungen und Weisungen des [X.] zu 1 als Konzernherr "auf" die Geschäftsführung der - von der [X.] be- - 7 - herrschten - [X.], nicht hingegen ein - darüber hinaus erforderliches - maßgebliches eigenes Handeln des [X.] zu 1 mit Außenwirkung für die [X.] entnehmen. So stellen die vom Berufungsgericht besonders hervorgehobenen [X.], wie die dem [X.] zu 2 auferlegte Pflicht zur Berichterstattung bei wesentlichen Geschäftsmaßnahmen und Geldbewegungen, die angebliche spätere Entmachtung des [X.] zu 2 als Geschäftsführer der [X.], ferner die zentrale Steuerung der Werbung, der Preiskalkulation und -fest-setzung sowie des Abrechnungssystems der [X.] und der weiteren abhängigen [X.]en durch die [X.], lediglich gesellschafts- oder konzerninterne Einwirkungen des als Geschäftsführer der Konzernspitze handelnden [X.] zu 1 dar, die nicht zugleich auch dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer bei der Tochtergesellschaft begründen; das gilt selbst dann, wenn durch die Intensität der Einwirkungen der [X.] zu 2 als deren satzungsmäßiger Geschäftsleiter zu einem "reinen" Befehlsempfänger "degradiert" worden sein sollte (vgl. Senat, [X.] 150, 61, 69). Nichts anderes gilt für die Feststellung des Berufungsgerichts, die [X.] habe für die Konten der [X.] Abbuchungsvollmachten gehabt und habe daher ihre Forderungen intern leicht durchsetzen können. Auch eine solche Abrechnungsmöglichkeit verdeutlicht schon nach der eigenen Wertung des Berufungsgerichts allenfalls, "daß es sich bei der [X.] um eine von der [X.] und damit - mittelbar - vom [X.] zu 1 ab- hängige Tochterfiliale gehandelt hat". Zwar mag es sein, daß - wie die Revisi-onserwiderung geltend macht - das Gebrauchmachen von solchen Abbu-chungsvollmachten auch bestimmte Außenwirkungen im Verhältnis zur [X.] zeitigt; indessen hat das Berufungsgericht nach dem Ergebnis - 8 - der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme keine sicheren Feststellungen dazu treffen können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die [X.] (ungerechtfertigt) zu Lasten der [X.] Abbuchungen von deren Konten vorgenommen hat. Daß etwa gerade der [X.] zu 1 persönlich der-artige Abbuchungen "per Hand" - noch dazu in einem die Tätigkeit des [X.] der [X.] nachhaltig prägenden Maße - getätigt hat, steht ebensowenig fest. 2. Da mithin ein täterschaftliches Verhalten des [X.] zu 1 [X.] des § 266 StGB bereits deshalb ausscheidet, weil er auf der Grundlage der getrof-fenen Feststellungen kein faktischer Geschäftsführer der [X.] war, kommt es für den Erfolg der Revision nicht mehr darauf an, ob zudem - wie der Kläger rügt - eine selbständige Tathandlung oder Unterlassung des [X.] zu 1 im Sinne des [X.] sowie der für § 266 StGB mindestens erforderliche bedingte Vorsatz nicht hinreichend festgestellt worden sind. II[X.] Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht im Endergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 561 ZPO). Zwar ist nach dem Zusammenhang der bisherigen Feststellungen anstel-le einer selbständigen nebentäterschaftlichen Untreuehandlung des [X.] zu 1 dessen Teilnahme als Anstifter oder Gehilfe an der vom [X.] zu 2 als satzungsmäßigem Geschäftsführer der [X.] täterschaftlich begange- nen Untreue und damit seine gesamtschuldnerische Verantwortlichkeit für den daraus resultierenden Schaden gemäß § 830 BGB ernsthaft zu erwägen. [X.] fehlen derzeit ausreichende Feststellungen, um die Verurteilung des [X.] zu 1 aus diesem - offensichtlich weder von den Parteien noch vom [X.] in Betracht gezogenen - anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechter-halten zu können. - 9 - IV. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter dem Aspekt einer etwaigen Teilnahme des [X.] zu 1 an der vom [X.] zu 2 täterschaftlich begangenen unerlaubten Handlung (§ 830 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB) - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen, evtl. auch die den Einwänden der Revision nachgehenden, weiteren Feststellungen treffen kann. [X.] [X.]
Gehrlein Reichart

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II ZR 113/03

27.06.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2005, Az. II ZR 113/03 (REWIS RS 2005, 2906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2906

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