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PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2016:230816BXZR81.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR
81/14
vom
23. August 2016
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Photokatalytische Titandioxidschicht
[X.]§ 83
Verteidigt der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht das Streitpatent in einer geänderten Fassung, die Merkmalen eines zuvor ge-stellten [X.]weitere, einem geltenden Unteranspruch entnommene Merkmale hinzufügt, darf ein in der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorge-brachtes neues Angriffsmittel gegen die Patentfähigkeit dieser technischen [X.]jedenfalls dann nicht als verspätet zurückgewiesen werden, wenn der qualifi-zierte Hinweis des Patentgerichts dem [X.]Veranlassung gab, die in der mündlichen Verhandlung verteidigte Fassung des Patents bereits innerhalb der vom Patentgericht gesetzten Frist zu formulieren.
BGH, Beschluss vom 23. August 2016 -
X ZR 81/14 -
Bundespatentgericht
-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.]hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
August 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr.
Grabinski, [X.]und die Richterin Dr.
Kober-Dehm
beschlossen:
Das Urteil des Bundespatentgerichts vom 25.
März 2014 ist wir-kungslos.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streit-hilfe hat die Beklagte zu tragen.
Gründe:
[X.]Die Beklagte ist Inhaberin des am 21. März 1996 unter [X.]vom 20.
März, 6. April, 14.
Juni, 8.
Juli, 9. No-vember und 22. Dezember 1995
angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesre-publik Deutschland erteilten
deutschen
Patents
196
81
289
(Streitpatents). An-spruch 1 des Streitpatents, auf den die Patentansprüche 2 bis 11
unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, hat im
Einspruchsverfahren folgende
Fassung erhalten:
"Verwendung eines Verbundwerkstoffs, umfassend einen Träger und eine darauf aufgebrachte photokatalytische Schicht, wobei die photokatalytische Schicht ein photokatalytisches Material, gewählt aus der Gruppe, bestehend aus TiO2
in der [X.]und SnO2, und außerdem SiO2
oder Silikon enthält und die photokata-lytische Schicht eine Oberfläche hat, die durch Belichtung mit Sonnenlicht hydrophil gemacht wurde, wobei die hydrophile Ober-fläche eine Wasserbenetzbarkeit von weniger als 20°, ausgedrückt durch den [X.]mit Wasser, aufweist, als Material, von 1
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3
-
dem Ablagerungen und/oder Verunreinigungen, die auf der Ober-fläche haften, durch gelegentlichen Kontakt mit Regen abgewa-schen werden."
Die Klägerin
und die auf ihrer Seite
dem Rechtsstreit
beigetretene Streit-helferin haben
geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig.
Die Beklagte hat das Streitpatent beschränkt mit einem Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent insoweit für nichtig erklärt,
als es über die Fassung des siebten [X.]der [X.]hinausgeht.
Dagegen hat die Beklagte
Berufung eingelegt, mit der sie das Streitpa-tent zunächst weiterhin mit ihrem
bereits vor dem Patentgericht geltend ge-machten Haupt-
und den ersten sechs
Hilfsanträgen verteidigt
hat. Dem sind die Klägerin und ihre Streithelferin entgegengetreten und haben mit
der An-schlussberufung
den Antrag weiterverfolgt, das Streitpatent insgesamt
für nich-tig zu erklären. Nachdem das Streitpatent durch Zeitablauf erloschen ist, haben die Parteien den Rechtsstreit mit widerstreitenden Kostenanträgen überein-stimmend für erledigt erklärt.
I[X.]Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in
der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 121 Abs. 2 PatG in Verbin-dung mit §
91a ZPO nur noch nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Parteivorbringens über die Kosten des Rechtsstreits zu [X.](BGH, Beschluss vom
28. Mai 2009
Xa ZR 10/05, juris Rn. 9). Die Kosten sind einer Seite aufzuerlegen, soweit sie absehbar unterlegen wäre. Danach entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits der [X.]aufzuerlegen, weil ihre Berufung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre, [X.]die Anschlussberufung der Klägerin und ihrer Streithelferin voraussichtlich 2
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4
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Erfolg gehabt und zur Nichtigerklärung des Streitpatents insgesamt geführt hät-te.
1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Verbundwerkstoffs, dessen Oberfläche zur Ermöglichung oder Erleichterung der Selbstreinigung in einen hoch-hydrophilen Zustand gebracht wird.
In der Beschreibung des Streit-patents wird ausgeführt, dass außenliegende Oberflächen von Gebäuden durch anorganische
Substanzen
wie Ruß-
oder Staubpartikel
zunehmend ver-schmutzten (Abs. 2 bis 4). Bisher sei angenommen worden, dass [X.]Schutz-
oder Farbanstriche, wie etwa Polytetrafluorethylen (PTFE),
zweckmäßig seien, um derartigen Verschmutzungen vorzubeugen.
Nach neue-ren Erkenntnissen könne
den Schmutzteilchen, die große Mengen an oleophi-len Komponenten enthielten, jedoch dadurch wirkungsvoller begegnet werden, dass die Oberflächen so hydrophil wie möglich gemacht würden
(Abs. 5). Es sei etwa vorgeschlagen worden, die Gebäude mit einem hydrophilen [X.]zu beschichten, wobei der Überzugsfilm eine Hydrophilie von 30 bis 40° aufgewiesen habe. Anorganische Stäube hätten einen [X.]mit Wasser von 20 bis 50°, so dass eine Affinität für das [X.]bestehe. Daher
werde angenommen, dass anorganische
Stäube an der Oberfläche des Pfropf-Copolymer-Überzugs haften
und eine Verkrustung (Fouling)
nicht ver-hindert werde. Gleiches gelte in noch größerem Maße für hydrophile Anstrich-farben, deren [X.]mit Wasser 50 bis 70° betrage (Abs. 6 ff.).
Das
der Erfindung zugrunde
liegende Problem besteht vor diesem Hin-tergrund
darin, einen
Verbundwerkstoff bereitzustellen, der die Selbstreinigung der äußeren Oberflächen
von Gebäuden, Fensterscheiben oder dergleichen ermöglicht
oder erleichtert und damit deren Verschmutzung entgegenwirkt.
Dies soll nach der Lehre aus Patentanspruch 1 in der von der Beklagten
zuletzt
im Hauptantrag
verteidigten Fassung wie folgt erreicht werden:
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5
-
1
Verwendung eines Verbundwerkstoffs als Material, von dem Ablagerungen oder Verunreinigungen, die auf der Oberfläche haften, durch gelegentlichen Kontakt mit Regen abgewaschen werden;
2
das Material umfasst einen Träger
und
3
eine auf dem Träger
aufgebrachte photokatalytische Schicht, die
enthält
3.1
ein photokatalytisches Material, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Titandioxid (TiO2)
in der Ana-tas-Form und Siliziumdioxid (SiO2), und
3.2
außerdem Siliziumdioxid
oder Silikon;
4
die photokatalytische Schicht hat eine Oberfläche, die
4.1
durch Belichtung mit Sonnenlicht hydrophil gemacht wurde
und
4.2
eine Wasserbenetzbarkeit von weniger als 10°, aus-gedrückt durch den [X.]mit Wasser, auf-weist.
Nach Hilfsantrag I ist vorgesehen gewesen, Merkmal 3.2
wie folgt
anzu-fügen: "wobei bei Verwendung von Silikon die an die Siliziumatome der Sili-konmoleküle gebundenen organischen Gruppen unter der photokatalytischen Wirkung des photokatalytischen Materials zumindest teilweise durch Hydroxy-gruppen ersetzt werden"; in der Fassung der Hilfsanträge
II
bis VII
sollte
in Merkmal 3.2 jeweils die Alternative Silikon ganz entfallen.
Die Hilfsanträge
III bis [X.]haben
ferner ein Merkmal 3.3III
vorgesehen, wonach das Verhältnis von SiO2
zur Summe von TiO2
und SiO2
10 bis 50
Molprozent beträgt.
Nach [X.]sollten
die Merkmale 3.1 und 3.2 dahin formuliert werden, dass die pho-tokatalytische Schicht TiO2
in der [X.]und SiO2 enthält; nach den 7
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6
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Hilfsanträgen V bis [X.]sollten sie hieraus bestehen.
Hilfsantrag [X.]hat den Ver-bundwerkstoff (Merkmal 1) näher als einen Spiegel, ein Fensterglas, eine Fliese oder ein äußeres Paneel eines Gebäudes
bestimmt.
In der Fassung, die das Patentgericht entsprechend dem erstinstanzli-chen Hilfsantrag [X.]dem Patent gegeben hat, ist
der Träger (Merkmal 2) wie folgt fortgebildet
worden:
2.1VII
der Träger ist aus Glas hergestellt, das alkalische Netz-werk-Modifizierungsmittel-Ionen enthält
und
2.2VII
zwischen dem Träger und der Schicht ist ein dünner Film angeordnet, der verhindert, dass die Ionen von dem Träger in die photokatalytische Schicht diffundieren.
Als maßgeblichen
Fachmann hat das Patentgericht
rechtsfehlerfrei und von den Parteien nicht beanstandet
einen
Chemiker mit Hochschulabschluss angesehen, der aufgrund seines Studiums über gute Kenntnisse auf dem Ge-biet der organischen und anorganischen Chemie sowie der Polychemie verfügt und langjährig auf dem Gebiet der Beschichtung von äußeren Oberflächen, ins-besondere zum verbesserten Freihalten von [X.]durch Adsorption von Schmutzteilchen,
tätig ist.
Der Merkmalsgruppe
4 entnimmt
ein solcher Fachmann,
dass sich die Oberfläche der photokatalytischen Schicht nicht dauerhaft in einem hochhydro-philen Zustand befinden muss, wie er in Merkmal 4.2
durch den [X.]der Oberfläche mit Wasser
von weniger als 10° definiert ist, sondern dass es erfindungsgemäß ausreichend ist, wenn die Oberfläche der photokatalytischen Schicht durch Belichtung mit Sonnenlicht in diesen Zustand versetzt werden kann. Entsprechend wird
dem Fachmann in der Beschreibung erläutert, dass die Oberfläche der photokatalytischen Schicht durch die Bestrahlung mit Licht in 8
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-
einer ausreichenden Intensität und mit
einer
Wellenlänge,
deren Energie höher ist als die Bandlückenenergie des photokatalytischen Haltleiters, [X.]("super-hydrophil") gemacht werde, mithin die Wasserbenetzbarkeit der Ober-fläche weniger als etwa 10° betrage
(Abs. 18). Sei
die Oberfläche in einen sol-chen Zustand der "Super-Hydrophilie"
gebracht worden, halte
dieser für eine bestimmte Zeitspanne auch dann an, wenn das Substrat im Dunkeln aufbe-wahrt werde. Mit der Zeit gehe
die "Super-Hydrophilie"
der Oberfläche aufgrund von Verunreinigungen, die an den [X.]adsorbiert werden, allmählich verloren. Sie könne jedoch wieder hergestellt werden, wenn die Oberfläche erneut einer Photoerregung durch Lichtbestrahlung unterworfen werde (Abs. 24).
2. Die Angriffe
der Berufung der [X.]gegen Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 in den Fassungen des [X.]und
der [X.]bis [X.]wären voraussichtlich ohne
Erfolg geblieben, weil die Wertung zu treffen gewesen wäre, dass dieser in der Fassung des [X.]und der
Hilfsanträge I
bis IV
nicht neu
ist und in der Fassung der [X.]und [X.]dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
a) Der [X.](WO 95/11751)
konnte der Fachmann einleitend als "Back-ground of the Invention"
entnehmen, dass die heterogene Photokatalyse ein vielversprechendes chemisches Verfahren zur Oxidation und damit zur
Entfer-nung unerwünschter organischer Verbindungen von Fluiden, einschließlich Wasser und Luft sei. UV-bestrahlte
Katalysatoren
wie Titandioxid, ein Halbleiter mit einer Bandlücke von 3,0 eV (Rutil) und 3,2 eV (Anatas), absorbierten
UV-Licht, welches Elektronen und Löcher generiere, die an die Oberfläche des Ka-talysators migrierten. Während die Elektronen an der Oberfläche Sauerstoff adsorbierten, oxidierten die Löcher Verbindungen oder adsorbierte Wasser-Moleküle (D2, S.
1, [X.]24 ff.). Die [X.]macht es sich
zur Aufgabe, eine photoka-talytische Zusammensetzung bereitzustellen, die einen Photokatalysator und 11
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8
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ein Bindemittel zum Anhaften der Photokatalysatorpartikel an einer Vielzahl von Oberflächen ermöglicht (D2, S. 4, [X.]30 ff.). Die [X.]war damit,
wie das Patent-gericht zutreffend ausgeführt hat, für
einen Fachmann, der
entsprechend der Aufgabe des Streitpatents
einen Verbundwerkstoff zur Vermeidung von Ver-schmutzungen von äußeren Oberflächen durch Selbstreinigung entwickeln woll-te, von großem Interesse.
b) Als Beispiel 14 wird die Herstellung von vier Titandioxid enthaltenden photoaktiven Oberflächen beschrieben. Zur Herstellung der zweiten photoakti-ven Oberfläche heißt es im Einzelnen, dass [X.]mit einer Lösung beschichtet worden sei, die 99 Gewichtsprozent
Wasser, 0,5 Gewichtsprozent
kolloidales Siliziumdioxid (Alfa Johnson Matthey) und 0,5 Gewichtsprozent Ti-tandioxid ([X.]P-25) enthalten habe, wobei das Wasser unter [X.]verdampft sei
(D2, S. 39, [X.]24 ff.; S. 40, [X.]13 ff.).
Bei dem Titandioxid "[X.]P-25"
handelt es sich nach den von der Berufung nicht angegriffenen
Feststellungen des Patentgerichts um ein kommerzielles Titan-dioxidprodukt, das nach den Angaben der [X.]neben Titandioxid in amorpher Form überwiegend aus Titandioxid in kristalliner Form mit einem 80-%-Anteil [X.]und einem 20-%-Anteil Rutil besteht. Damit wurde dem Fachmann ein Verbundwerkstoff als Material offenbart, der einen Träger und eine darauf auf-gebrachte photokatalytische Schicht im Sinne der Merkmale 2 bis 3.2 umfasst.
c) Offenbart ist auch die Verwendung eines
derart hergestellten Ver-bundwerkstoffs als Material, von dem auf der Oberfläche haftende
Ablagerun-gen oder Verunreinigungen durch gelegentlichen Kontakt mit Regen
und damit mit Wasser
abgewaschen werden
(Merkmal 1). Zwar sollen nach der [X.]der D2
mit Proben der vier beschichteten Gläser des Beispiels
14 Kratzhärtetests
mit leicht unterschiedlichen Ergebnissen durchgeführt worden sein
(D2, S. 41, [X.]7 ff.) und ist der das Beispiel betreffende
Abschnitt entspre-chend mit dem Titel "[X.]Measuring Abrasion Resistance by the 13
14
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9
-
Scratch Hardness Test"
überschrieben (D2, S.
39, [X.]24 ff.). Das gab dem Fachmann jedoch noch
keinen
Grund, die vier Ausführungsformen des [X.]14 als ausschließlich
unter dem Gesichtspunkt der Abriebfestigkeit bzw. Kratzfestigkeit vorteilhaft anzusehen. Vielmehr steht
das Beispiel 14 im Ge-samtzusammenhang der D2, der es
wie ausgeführt
darum geht, eine photo-katalytische Zusammensetzung
für selbstreinigende Oberflächen bereitzustel-len. Die Rüge der Berufung, das Patentgericht habe die Ausführungsform des Beispiels 9, für das die besondere Selbstreinigungsfähigkeit einer der Witte-rung, insbesondere Sonnenlicht und Regen, ausgesetzten
Zusammensetzung ausdrücklich erwähnt ist (D2, S. 36, [X.]17 ff.), mit der zweiten Ausführungsform des Beispiels 14
in unzulässiger Weise miteinander kombiniert, wäre daher vor-aussichtlich nicht erfolgreich gewesen. Da es sich bei dem Verbundwerkstoff der zweiten Ausführungsform des Beispiels 14 um Glas handelt, ist auch die Variante des Merkmals
1[X.]offenbart (vgl. etwa auch D2, S.
3, Z.
19; S.
5, Z.
11
f.).
d) Anhaltspunkte, die Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellung des Pa-tentgerichts, dass sich die "Super-Hydrophilie"
nach der Merkmalsgruppe 4
bei der Verwendung des Verbundwerkstoffs im Außenbereich bei Sonnenbestrah-lung zwangsläufig einstellt, hätten begründen können, sind von der Berufung nicht aufgezeigt worden und wären für den Senat voraussichtlich auch nicht erkennbar gewesen (§ 117 PatG i.V.m.
§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
(1) Dabei hätte
dahinstehen
können, ob
Verbundwerkstoffe, bei denen die photokatalytische Schicht
wie in den Beispielen
1 und
9 der [X.]in Gestalt von
Polymethylsilsesquioxan
Silikon als Bindemittel enthält, anders als der erfindungsgemäße Verbundwerkstoff
mit Siliziumdioxid
als Bindemittel nicht über die Eigenschaft verfügen, durch Belichtung mit Sonnenlicht (im Sinne der Merkmalsgruppe 4) hydrophil gemacht werden zu können, wie die Beklagte un-ter Verweis auf Experimente vorträgt, bei denen die Beispiele 1 und 9 der [X.]15
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nachgearbeitet worden sein sollen (E8).
Denn werden als Bestandteile einer Stoffzusammensetzung mehrere Stoffe alternativ beansprucht
wie in Merk-mal
3.2 des Streitpatents
als Bindemittel der photokatalytischen Schicht [X.]oder Silikon
fehlt es dem Gegenstand des Patents bereits dann an der erforderlichen Neuheit in der gesamten Bandbreite, wenn einer dieser Stof-fe als Bestandteil einer solchen Zusammensetzung bekannt war (BGH, Urteil vom 5. Mai 2015
X ZR 60/13, GRUR 2015, 1091 Rn. 31
Verdickerpolymer I). Entsprechend reicht es für die Offenbarung der Merkmalsgruppe 4, dass in der zweiten Ausführungsform des Beispiels 14 der [X.]Siliziumdioxid (SiO2) als in der photokatalytischen Schicht enthaltenes Bindemittel offenbart ist (D2, S. 40, [X.]16; vgl. auch allgemein
S. 10, [X.]17) und das Patentgericht festgestellt hat, dass die erfindungsgemäße Hydrophilie zwangsläufig erreicht wird, wenn die Oberfläche einer solchen
photokatalytischen Schicht hinreichend lange der Be-strahlung mit Sonnenlicht ausgesetzt ist.
Nach der Fassung der Hilfsanträge
II bis [X.]sollte
in Merkmal 3.2 die Alternative Silikon ohnehin entfallen.
(2) Dass in der [X.]nicht gelehrt wird,
die photokatalytische Schicht werde
bei hinreichend langer Belichtung mit Sonnenlicht hydrophil gemacht, ändert an der [X.]nichts. Insoweit ist es auch unerheblich, dass in der [X.]eine verstärkte Photoaktivität der photokatalytischen Schicht mit den hydrophoben Eigenschaften eines
Bindemittels
in Zusammenhang gebracht wird, wobei dieses dazu dienen soll, den
[X.]mit Wasser bis zu
180° zu erhöhen (D2, S.
17,
[X.]18 ff.;
S. 18, [X.]3 ff.). Den Erfindern des
Streitpatents
mag das Verdienst zukommen, entdeckt zu haben, dass die Selbstreinigungs-wirkung einer TiO2
und SiO2
enthaltenden und auf einer [X.]an-gebrachten photokatalytischen Schicht auf deren Eigenschaft zurückzuführen ist, durch Belichtung mit Sonnenlicht [X.]gemacht zu werden, selbst wenn das Bindemittel an sich hydrophob ist, so wie dies in dem [X.]des Streitpatents veranschaulicht ist, wenn der [X.]einer photokatalytischen Schicht ohne Belichtung bei 70° und nach 5 Tagen Belich-17
-
11
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tung bei weniger als 3° liegt
(Abs. 135 ff., 140 ff.). Die Entdeckung dieses
Wirk-zusammenhangs begründet jedoch keine auf einer erfinderischen Tätigkeit be-ruhende Lehre zum technischen Handeln, da
die erfindungsgemäße Verwen-dung des Verbundwerkstoffs
aufgrund der [X.]zumindest nahegelegen hat
und die TiO2
und SiO2
enthaltende photokatalytische Schicht nach den Feststellun-gen des Patentgerichts bei hinreichend langer
Sonnenbestrahlung
zwangsläufig den in Merkmal 4.2
definierten hoch-hydrophilen Zustand erreicht
(vgl. dazu
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011
X ZR 68/08, GRUR 2011, 999 Rn. 44
Meman-tin; Urteil vom 24. Juli 2012
X ZR 126/09, GRUR 2012, 1130 Rn. 29
Le-flunomid).
(3) Soweit die Berufung geltend gemacht
hat, erfindungsgemäß würden Siliziumdioxid und Silikon so gewählt, dass durch die Verwendung mit dem Photokatalysator die in Merkmal 4.2 bezeichnete Wasserbenetzbarkeit erreicht werde, während die [X.]ausdrücklich eine Erhöhung des Kontaktwinkels anstre-be, hätte
sie auch damit keinen Erfolg haben
können. Weder die [X.]noch das Vorbringen der Beklagte bieten eine konkrete Grundlage für die Annahme, die Erfindung und die [X.]unterschieden sich in den Anforderungen an ein geeignetes Siliziumdioxid.
e) Wie vom Patentgericht ausgeführt, ist bei der [X.]des Beispiels 14 der [X.]das Verhältnis der Gewichtsanteile von SiO2
und TiO2
gleich (jeweils 0,5 Gewichtsprozent), was einem Mengenanteil des SiO2
an der Summe von SiO2
und TiO2
von etwa 57 Molprozent
entspricht. In der [X.]ist jedoch allgemein zur Herstellung der Photokatalysator-Bindemittel-Zusammen-setzung ausgeführt, dass diese zwischen etwa 10 und 90 Gewichtsprozent Photokatalysatorpartikel und zwischen 10 und 90 Gewichtsprozent Bindemittel enthalten kann. Damit ist auch ein sich mit Merkmal 3.3III
überschneidendes Verhältnis von SiO2
zur Summe von TiO2
und SiO2
von 12,8
bis 92 Molprozent
offenbart.
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f) Rechtsfehlerfrei hat das Patentgericht schließlich angenommen, dass der Fachmann zu den mit den [X.]bis [X.]beanspruchten Varianten des Merkmals 3.1 durch die [X.]angeregt wurde.
Bei der [X.]des Beispiels 12 wird, wie ausgeführt,
ein kommerzielles Titandioxid-Produkt ([X.]P-25) für die Herstellung der photokatalytischen Schicht ver-wendet, das neben Titandioxid in amorpher Form überwiegend aus Titandioxid in kristalliner Form mit 80 % [X.]und 20 % Rutil besteht. Der Fachmann wird dieses Anteilsverhältnis jedoch schon deshalb nicht als zwingende Vorgabe für die Herstellung der photokatalytischen Schicht ansehen, weil
ihn die [X.]allge-mein dahin belehrt, dass Titandioxid sowohl in seinem Anatas-
und in seinem Rutil-Zustand photoaktiv und damit gleichermaßen als erfindungsgemäßer Pho-tokatalysator geeignet ist (D2, S. 16, [X.]22 f.; vgl. auch D2, S. 2, [X.]3 ff.).
Damit kommen ohne weiteres beide kristalline Formen des Titandioxids für die
Her-stellung der photokatalytischen Schicht in Betracht, wobei
deren
Anteilsverhält-nis in das
Belieben des Anwenders gestellt ist. Dass die photokatalytische Schicht TiO2
in der [X.]enthält oder der Photokatalysator hieraus be-steht,
ist damit
ebenfalls
zumindest nahegelegt.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin und ihrer
Streithelferin hätte
hin-gegen voraussichtlich
Erfolg gehabt, da die Wertung zu treffen gewesen wäre, dass der Gegenstand des [X.][X.]dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt worden war.
Die Rüge der Anschlussberufung,
das Patentgericht habe die Entgegen-haltung D8/[X.]verfahrensfehlerhaft nicht sachlich geprüft, hätte voraussichtlich durchgegriffen. Die Voraussetzungen des § 83 Abs. 4 PatG für eine Zurückwei-sung als verspätetes
Angriffsmittel hätten
nicht vorgelegen; das neue Vorbrin-gen wäre
mithin nach § 177 [X.]in Verbindung mit
§ 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO zu
berücksichtigen
gewesen.
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a) Hilfsantrag [X.]mit derjenigen Fassung der Patentansprüche des Streitpatents, die das Patentgericht für rechtsbeständig erachtet hat, ist
wie Hilfsantrag [X.]
von der [X.]erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht gestellt worden. Zwar kann die unterbliebene Zurückweisung dieses Hilfsantrags, die die Anschlussberufung als rechtsfehlerhaft rügt, im Be-rufungsverfahren nicht nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 9.
Juni 2015
X
ZR
51/13, GRUR 2015, 976 Rn. 62
Einspritzventil).
Die Verteidigung des Streitpatents mit dem Hilfsantrag [X.]war aber ihrerseits verspätet, so dass der Klägerin, die auf den Hilfsantrag [X.]unmittelbar unter Berufung auf die [X.]hat,
das verspätete Vorbringen eines Angriffsmittels gegen den [X.]dieses [X.]nicht zur Last gelegt werden durfte.
b) Der Hilfsantrag [X.]ist nicht deshalb rechtzeitig gestellt, weil die zu den Merkmalen des [X.]V hinzu
tretenden Merkmale 2.1VII
und 2.2VII
dem geltenden Patentanspruch 8 entnommen sind.
(1) Auch die Verteidigung des Streitpatents
nur mit einem geltenden Un-teranspruch unter Wegfall eines diesem übergeordneten Anspruchs
ist eine Verteidigung des Patents in einer geänderten Fassung. Hat der Beklagte zuvor nicht jedenfalls hilfsweise geltend gemacht, dass die im Unteranspruch hinzu-tretenden Merkmale von Bedeutung für die Beurteilung der erfinderischen Tä-tigkeit hinsichtlich der technischen Lehre dieses Unteranspruchs seien (d.h. der Gegenstand des Unteranspruchs mit der üblichen, etwas verkürzenden Formu-lierung "eigenständigen erfinderischen Gehalt"
aufweise), handelt es sich bei der selbständigen Verteidigung des Gegenstands des Unteranspruchs um ein neues Verteidigungsmittel (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015
X ZR 111/13, GRUR 2016, 365
Telekommunikationsverbindung).
(2) Unerheblich ist, dass die Klägerin sich in der Nichtigkeitsklage aus-drücklich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 8 be-fasst und sich insoweit ausschließlich auf die Entgegenhaltung D1 berufen
hat, 23
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26
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14
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von der das Patentgericht in seinem qualifizierten Hinweis ausgeführt hat, dass sie aufgrund der vorläufigen Einschätzung der Prioritäten nicht als Stand der Technik zu berücksichtigen sei, und dass das Patentgericht dort ferner bemerkt hat, dass auch die Gegenstände der [X.]gegenüber der [X.]"bis auf den dünnen Film", womit erkennbar Patentanspruch 8 gemeint war, als nicht neu erschienen. Denn die Beklagte hat diese ausdrückliche Differenzierung bei der [X.]des Patentgerichts nicht aufgegriffen und bis zur mündlichen Verhandlung nichts dafür geltend gemacht, dass der [X.]auch dann nicht nahegelegt sei, wenn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in den verschiedenen verteidigten Fassun-gen eine erfinderische Tätigkeit nicht erfordere.
c) Voraussichtlich wäre der Senat zu der
Wertung gekommen, dass
der Gegenstand des [X.][X.]dem Fachmann durch die Entgegenhaltungen [X.]und D8
(WO 95/15815 = [X.][[X.]Patentanmeldung 684 075])
na-hegelegt war.
Der Fachmann, der sich
ausgehend von der D2
um
eine Verbesserung der
photokatalytischen
Wirkung der aus Titandioxid und Siliziumdioxid beste-henden Schicht bemühte, um deren Selbstreinigungskraft
zu erhöhen, konnte der D8/D8a
entnehmen, dass diesem
Ziel eine Zwischen-
oder
Bindeschicht zwischen dem Träger und der photokatalytischen
Schicht förderlich sein konnte. Wie die [X.]betrifft auch die D8/[X.]eine photokatalytische Schicht aus Titan-dioxid auf Oberflächen von Wänden, Fliesen, Glas u.a.,
um diese schmutzab-weisend (stain-resistant)
zu machen (D8a, S. 3, [X.]3 ff.,
9 ff.). Aus den
Beispie-len
35 und 37 der D8/[X.]geht hervor, dass eine Natronglasplatte mit einer Schicht aus Titandioxid
eine verbesserte photokatalytische Wirkung hat, wenn sie vor der Beschichtung mit Titandioxid mit einer Zwischen-
oder Bindeschicht aus reinem Siliziumdioxid
versehen wurde. Entsprechend bot
es sich für den Fachmann an, auch bei dem durch die [X.]nahegelegten Verbundstoff, wenn 27
28
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15
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der
Träger aus Glas ist, eine solche dünne Zwischenschicht vorzusehen. Zwar wird
die Verbesserung der katalytischen Wirkung in der D8/D8a
darauf zurück-geführt, dass die Zwischenschicht die Titandioxidpartikel daran hindert, in dem durch Sintertemperaturen von 400 bis
500° erweichten [X.]eingebettet zu werden (D8a, S.
50, Z.
1
ff.). Darauf kommt es aber
nicht an, weil
die in Merkmal 2.2VII
genannten Wirkungen notwendigerweise
eintreten, wenn eine Zwischenschicht, wie in D8/[X.]offenbart, zwischen
dem Glas und der
photoka-talytischen Schicht angeordnet wird. Es genügt daher
die sich aus der D8/[X.]
-
16
-
ergebende Anregung für den Fachmann, bei Glas als Träger eine Zwischen-schicht (etwa aus reinem Siliziumdioxid) zwischen diesem und der photokataly-tischen Schicht aus Titandioxid und Siliziumdioxid anzuordnen,
um ein "Aus-wandern"
von Titandioxidpartikeln
zu verhindern und so die photokatalytische Wirkung zu verbessern.
Meier-Beck
Gröning
Grabinski
Hoffmann
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.03.2014 -
3 Ni 31/12 -
Meta
23.08.2016
Bundesgerichtshof X. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2016, Az. X ZR 81/14 (REWIS RS 2016, 6424)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 6424
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
X ZR 81/14 (Bundesgerichtshof)
Patentnichtigkeitssache: Neues Angriffsmittel gegen die Patentfähigkeit nach verspäteter Verteidigung des Streitpatents in einer geänderten Fassung …
3 Ni 31/12 (Bundespatentgericht)
Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung
15 W (pat) 344/05 (Bundespatentgericht)
Patenteinspruchsverfahren – "Geschwärztes Flächengebilde" – zur Auslegung von Patentansprüchen bei erkennbaren Fehlern - problematische Anweisungen …
X ZR 58/14 (Bundesgerichtshof)
X ZR 65/10 (Bundesgerichtshof)
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