Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.11.1996, Az. 19 U 54/96

19. Zivilsenat | REWIS RS 1996, 558

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Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 31. Januar 1996 - 20 O 250/95 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Globalabtretung und einer Sicherungsübereignung eines Warenlagers mit wechselndem Bestand. Das Landgericht hat den Sicherungsübereignungsvertrag vom 21.1./13.41994 (Bl. 59 ff. AH) wegen Verstoßes gegen § 9 AGB-Gestz für unwirksam erachtet, weil er durch die Einbeziehung des nicht ausgenutzten Kreditrahmens und die Nichberücksichtigung von Forderungen gegen ausländische Abnehmer zu einer Übersicherung der Beklagten führe; die in der Rechtsprechung anerkannte Deckungsgrenze von 120 % werde hierdurch überschritten.

Entgegen dem angefochtenen Urteil stehen dem Kläger Bereicherungsansprüche gegen die Beklagte nach § 816 Abs. 2 BGB nicht zu, da der zwischen den Parteien geschlossene Sicherungsübereignungsvertrag vom 21.1.1994 nicht unwirksam ist. Die Beklagte ist daher nicht verpflichtet, den aufgrund der Globalabtretung eingezogenen Betrag von 38.077,10 DM sowie den Erlös aus dem Verkauf der ihr sicherungsübereigneten Waren von 13.000,-- DM an den Kläger herauszugeben.

Zutreffend ist die vom Landgericht vertretene Ansicht, die Grenze, ab welcher beim verlängerten Eigentumsvorbehalt des Warenkreditgebers eine im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG unangemessene Übersicherung vorliegt, im Regelfall, sofern hierbei auf den realisierbaren Wert der Sicherheiten abgestellt wird, mit 120 % anzusetzen. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 120, 300 = MDR 1993,1060 = DRsp-ROM 1995/5287), der hierzu ausgeführt hat:

"Da jede Form der Übersicherung den Sicherungsgeber in der freien Verwendung seines Vermögens beeinträchtigt und seine Teilnahme am Geschäftsverkehr behindert, ist eine Übersicherung grundsätzlich als unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG zu bewerten, falls nicht zumindest gleichwertige Interessen des Sicherungsnehmers diese Benachteiligung zu rechtfertigen vermögen (M. Wolf in Festschrift Baur 1981 S. 147, 166); die Zulässigkeit einer Übersicherung ist daher auf die Wertgrenze zu beschränken, die zur Absicherung des Sicherungsnehmers einschließlich etwaiger Risiken der Verwertung unerläßlich ist.... . Bei einem zugunsten des Lieferanten ausbedungenen verlängerten Eigentumsvorbehalt muß daher grundsätzlich, um eine unangemessene Benachteiligung des Vorbehaltskäufers auszuschließen, zugleich eine Freigabepflicht des Vorbehaltsverkäufers bei einer Übersicherung von mehr als 20 % vereinbart sein.

Diesen Kriterien genügt der Vertrag vom 21.1.1994. Die Globalabtretung sieht sowohl eine Freigabepflicht der Klägerin als auch eine objektive, konkrete, an die Höhe der gesicherten Forderungen angepaßte Deckungsgrenze vor. Insbesondere entsteht keine potentielle Übersicherung dadurch, daß in Ziffer 2 des Vertrages bei der Ermittlung der Deckungsgrenze auch nicht ausgenutzte Kreditzusagen berücksichtigt werden, wie das Landgericht gemeint hat. Diese Einbeziehung hat der Bundesgerichtshof (XI. Senat) in seiner Entscheidung v. 12.12.1995 (= NJW 1996, 847) gebilligt. Er hat ausgeführt, daß es nicht zu beanstanden sei, daß als gesicherte Ansprüche auch nicht ausgenutzte Kreditzusagen berücksichtigt werden, da sich das berechtigte Sicherungsinteresse der Bank grundsätzlich nach dem eingeräumten Kreditrahmen und nicht lediglich nach dessen aktueller Inanspruchnahme bestimme (a.a.O. S. 848).

Auf der gleichen Linie liegt die Nichtberücksichtigung von Forderungen gegen ausländische Abnehmer; sie auszuklammern erscheint wegen der mit der Durchsetzung einhergehenden Risiken nicht unangemessen; im übrigen hat der Kläger keinerlei Darlegungen dazu gemacht hat, ob und in welcher Höhe solche Forderungen überhaupt bestanden haben.

Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Beklagte sich alle wesentlichen Vermögensstücke hat übereignen lassen und, geht man allein von den Zahlen aus, maßlos übersichert gewesen wäre, was in der Gesamtschau zu einer unangemessenen Abhängigkeit und damit ebenfalls zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führen könnte. Denn sie hat sich das gesamte Warenlager im angenommenen Wert von 780.000,-- DM, Einrichtungsgegenstände für 100.000,-- DM und Festgelder in Höhe von gut 80.000,-- DM übereignen sowie Bürgschaften über 400.000,-- DM stellen lassen, während sie andererseits die Kreditlinie zunächst auf 400.000,-- DM und schließlich auf 250.000,-- DM zurückgeführt hat. Demgegenüber war die Gemeinschuldnerin aber berechtigt, die sicherungsübereigneten Waren im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs im eigenen Namen zu verkaufen und das Eigentum an den verkauften Waren zu übertragen sowie die abgetretenen Forderungen im eigenen Namen einzuziehen (Ziffer 11); so ist auch verfahren worden. Das zeigt, daß die Beklagte ihre formelle Machtstellung nicht ausgenutzt, der Gemeinschuldnerin vielmehr ihre Handlungsfreiheit belassen hat. Das zeigt sich auch darin, daß es der Gemeinschuldnerin möglich war, den Kreditrahmen wesentlich auszuweiten, im Januar 1994 beispielsweise bis auf 607.038,29 DM (AH Bl. 30). Auch waren die überlassenen Sicherheiten offensichtlich nicht so werthaltig, wie die Zahlen glauben machen; im Konkursverfahren anerkannten Forderungen der Beklagten in Höhe von 371.856,42 DM standen realisierbar nur die hier streitigen rund 51.000,-- DM gegenüber.

Unbeschadet dessen führte auch die Unwirksamkeit einzelner Klauseln jedenfalls nach der Rechtsprechung des XI. Senats des Bundesgerichtshofs nicht zur Unwirksamkeit der Sicherungsübereignung und Globalabtretung insgesamt, so daß die Beklagte auch in diesem Fall nicht ungerechtfertigt bereichert wäre. Denn die Frage, ob der Gemeinschuldnerin ein Festhalten an der Globalabtretung zuzumuten ist (§ 6 Abs. 3 AGBG), ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (MDR 1995, a.a.O.) "nicht für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern den der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Abtretung zu beurteilen ist (Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. § 6 Rdn. 53; H. Schmidt in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 7. Aufl. § 6 Rdn. 47; Soergel/U. Stein, BGB 12. Aufl. § 6 AGBG Rdn. 24). Das ist hier ein Zeitpunkt nach Eröffnung des Konkursverfahrens. Nachteile der aufgelösten Gemeinschuldnerin aus dem Fortbestand der Globalabtretung sind indes nicht ersichtlich. Nutznießer der Unwirksamkeit der Globalzession wären vielmehr vor allem die (ungesicherten) Konkursgläubiger. Deren Schutz bezweckt das AGBG aber nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. Mai 1994 - XI ZR 65/93, WM 1994, 1283 , 1284)".

Entgegen der Ansicht des Klägers kommt dem Sicherungsvertrag vom 21. Januar 1994, mit dem der vom 3.8.1993 rückwirkend abgelöst wurde, auch nicht der Charakter einer unentgeltlichen Verfügung nach §§ 20, 30 Nr. 1 KO zu. Hierzu hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 12.7.1990 [BGH - IX ZR 245/89 - 12.07.90; DRsp-ROM Nr. 1992/1097] ausgeführt:

"In der Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit liegt keine zur Schenkungsanfechtung berechtigende unentgeltliche Verfügung"... Die bloße Sicherung einer bestehenden Forderung kann nicht in weitergehendem Umfang gemäß § 32 KO angefochten werden als die Erfüllung selbst. Die Schenkungsanfechtung bezweckt nämlich nicht die verselbständigte Rückabwicklung bloßer Hilfsgeschäfte wie Zahlung, Anerkennung (vgl. dazu RGZ 62,38) oder Sicherstellung, die nur der Verstärkung oder Abwicklung anderweitiger Rechtsverhältnisse dienen .. . Als unentgeltlich anfechtbar können solche Hilfsgeschäfte allenfalls zusammen mit Hauptgeschäften sein, die ihrerseits den Rechtsgrund für eine Übertragung von Vermögensgütern bilden. Deren Rechtsnatur bestimmt zugleich die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Hilfsgeschäfte mit: »...

Schließlich kann der Kläger den Sicherungsübereignungsvertrag auch nicht nach § 30 Nr. 2 KO anfechten, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Sicherungsübereignung des Warenlagers und die Globalabtretung der Forderungen der Gemeinschuldnerin an die Beklagte sind weder nach Zahlungseinstellung oder dem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens noch in den letzten 10 Tagen vor der Zahlungseinstellung oder dem Konkurseröffnungsantrag erfolgt. Sicherungsübereignung und Globalabtretung erfolgten bereits am 3. August 1993, die von der Gemeinschuldnerin am 21.1.1994 unterzeichnete Vereinbarung perpetuierte diesen Zustand lediglich und ließ, wie die darin enthaltene Rückwirkung auf den 3.8.1993 zeigt, beides unberührt. Darüber hinaus wurde die neue Vereinbarung bereits im Januar 1994 und damit ebenfalls weit vor dem Antrag auf Konkurseröffnung vom 19.4.1994 wirksam und nicht erst am 13.4.1994, wie der Kläger meint, auch wenn sich über der Unterschrift der Beklagten dieses Datum findet. Denn unstreitig hat die Gemeinschuldnerin den Sicherungsübereignungsvertrag am 21.1.1994 unterzeichnet und unmittelbar danach der Beklagten übersandt. Da es bei diesem Vertrag um die Absicherung von Krediten ging, die die Beklagte der Gemeinschuldnerin bereits gewährt hatte, der Vertragsinhalt als Ergebnis von Vorverhandlungen ebenfalls feststand und zudem auf einem von der Beklagten gestellten Vertragstext beruhte, bedurfte es keiner ausdrücklichen Annahme seitens der Beklagten, um den Vertrag wirksam werden zu lassen (vgl. Palandt - Heinrichs, BGB, 54. Aufl., § 148 Rn 3); die Beklagte hätte sich vielmehr nur dann unverzüglich äußern müssen, wenn sie vom Vertragstext abweichen wollte, während sie im übrigen durch ihr Schweigen gebunden war; der Schriftform nach § 16 bedurfte nur jede nachfolgende Änderung, Ergänzung oder Aufhebung dieses Vertrages.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf [ref=95f332d4-65fa-4a37-8520-5e9d9e04882d]§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO[/ref].

Beschwer für den Kläger: 51.077,10 DM

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch Divergenz vorliegt ([ref=a9aaf509-0738-42e6-b7e3-34177840e8fe]§ 546 Abs. 1 ZPO[/ref]); die tragenden Gründe des Urteils stehen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie die zitierten Entscheidungen belegen.

Meta

19 U 54/96

29.11.1996

Oberlandesgericht Köln 19. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.11.1996, Az. 19 U 54/96 (REWIS RS 1996, 558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 1996, 558

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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