Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.07.2016, Az. 4 StR 253/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 8691

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Gegenstand

Strafverfahren: Anforderungen an die Zustellung eines Strafurteils an die Staatsanwaltschaft


Tenor

1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.]     gegen das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2015 werden verworfen.

2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision des [X.]     entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Der Nebenkläger N.     trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und dieser Nebenkläger je zur Hälfte.

Gründe

1

[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und ihn im Übrigen freigesprochen. Gegen das Urteil richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.]     . Beide Rechtsmittel sind unzulässig.

2

1. [X.]ie Revisionsführer haben gegen das am 19. Oktober 2015 in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil am 21. bzw. 23. Oktober 2015 "Rechtsmittel" eingelegt. [X.]er Nebenklägervertreterin wurde das Urteil aufgrund einer entsprechenden Anordnung des Vorsitzenden am 18. [X.]ezember 2015 zugestellt. Bei der Staatsanwaltschaft erfolgte eine Zustellung am 22. [X.]ezember 2015; das Urteil selbst weist einen von der [X.] unterschriebenen Vermerk "Zugestellt [X.] [X.] am 28.12.2015" auf. [X.]ie [X.] sind am Montag, dem 25. Januar 2016 (Staatsanwaltschaft), bzw. am 12. Februar 2016 (Nebenkläger) beim [X.] eingegangen. [X.] wurden nicht gestellt.

3

2. Beide Rechtsmittel sind – wie vom [X.] in den [X.] vom 7. Juni 2016 dargelegt – unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 [X.] begründet wurden.

4

a) [X.]ies ist – nach den oben mitgeteilten [X.]aten – hinsichtlich des Rechtsmittels des Nebenklägers N.     offensichtlich.

5

b) Aber auch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist verspätet begründet.

6

aa) Zustellungen an die Staatsanwaltschaft bedürfen – wie jede Zustellung – einer Anordnung des Vorsitzenden (§ 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Sie werden von der Geschäftsstelle veranlasst (§ 36 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und – sofern kein Fall von § 36 Abs. 2 [X.] vorliegt – entweder nach § 37 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit den entsprechenden Regelungen der Zivilprozessordnung oder nach § 41 [X.] bewirkt.

7

bb) Hiervon ausgehend wurde die Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 [X.] am 22. [X.]ezember 2015 ordnungsgemäß bewirkt.

8

(1.) [X.]er Vorsitzende der [X.] hat die Urteilszustellung vor deren [X.]urchführung angeordnet (§ 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

9

[X.]ies und einen entsprechenden Zustellungswillen des Vorsitzenden belegt dessen Zustellungsanordnung ([X.]. 50 d.A.: "[X.] mit Akten ... der Staatsanwaltschaft [X.] gem. § 41 [X.] ..."). [X.]ass diese Anordnung – unabhängig von der Richtigkeit des dort angegebenen [X.]atums (7. [X.]ezember 2015) – vor deren [X.]urchführung erfolgte, ergibt sich aus dem angebrachten Ausführungsvermerk vom 16. [X.]ezember 2015 – dem Tag der Fertigstellung des [X.] – sowie  der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 22. März 2016 ([X.]. 15 d.A.) und wird zudem belegt durch die in derselben Verfügung angeordneten, am 18. und 21. [X.]ezember 2015 erfolgten Zustellungen an die Nebenklägervertreter.

(2.) [X.]ie Zustellung an die Staatsanwaltschaft wurde am 22. [X.]ezember 2015 bewirkt ([X.]. 207 R d.A.; Vermerke der [X.] vom 23. Februar 2016, [X.]. 6 d.A., und vom 26. April 2016, [X.]. 20 d.A.).

(a) [X.]en Anforderungen an eine Zustellung gemäß § 41 [X.] ist bereits dadurch genügt, dass die Staatsanwaltschaft aus der Übersendungsverfügung in Verbindung mit der aus den Akten zu ersehenden [X.] erkennen kann, mit der Übersendung an sie werde die Zustellung nach § 41 [X.] bezweckt ([X.], Beschluss vom 8. Mai 2013 – 4 StR 336/12, [X.]St 58, 243, 252; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 41 Rn. 1).

(b) [X.]ies steht aufgrund der – oben mitgeteilten – Zustellungsanordnung des Vorsitzenden außer Frage. [X.]abei ergaben sich berechtigte Zweifel der Staatsanwaltschaft daran, dass an sie eine Zustellung nach § 41 [X.] bewirkt wird, auch nicht daraus, dass der Vorsitzende am 22. [X.]ezember 2015 eine (weitere) Verfügung zur Zustellung der Akten an die Staatsanwaltschaft "gem. § 347 [X.]" traf ([X.]. 207 R d.A.). [X.]enn die aus den Akten zu ersehende [X.] war eindeutig. [X.]iese enthielten nicht nur obige, auf die Zustellung des Urteils gerichtete Anordnung des Vorsitzenden sowie das Urteil, gegen das sich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft richtete. Vielmehr war für die Staatsanwaltschaft auch ohne weiteres ersichtlich, dass die Übersendung "gem. § 347 [X.]" infolge des Fehlens nicht nur ihrer Revisionsanträge und -begründung, sondern auch der der Nebenkläger, auf einem Irrtum des Vorsitzenden beruhen musste, und sie auch nicht nur der Erledigung der von der Staatsanwaltschaft am 17. [X.]ezember 2015 erbetenen Rücksendung von [X.] diente ([X.]. 207 und 219 d.A.; zur entsprechenden Verfügung des Vorsitzenden: [X.]. 219 R d.A.)

(c) Nicht anders als bei einem Eingang bei Gericht (vgl. hierzu etwa [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2011 – 2 [X.], [X.], 118 mwN) kommt es auch bei einer Zustellung an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 [X.] allein auf den Eingang bei der Behörde, nicht aber auf den bei der zuständigen Abteilung oder gar dem das Verfahren bearbeitenden Staatsanwalt an.

[X.]abei bedarf keiner Entscheidung, wann und wie bei einer anderen [X.] (nach § 37 Abs. 1 [X.] in Verbindung den entsprechenden Regelungen der Zivilprozessordnung) die Anforderungen an eine wirksame Urteilszustellung erfüllt werden (vgl. etwa zur Zustellung gegen [X.]: [X.], Beschluss vom 28. Februar 1996 – 3 [X.]-153/96, [X.], 234; [X.] NStZ-RR 2014, 112; ferner KG, Beschluss vom 2. März 1994 – 4 Ws 264/93, [X.] Nr. 3 zu § 41 [X.]). [X.]enn schon der Wortlaut von § 41 [X.] ("Zustellungen an die Staatsanwaltschaft ...") belegt, dass maßgeblich für eine solche Zustellung der Eingang bei der Behörde ist. Auch hat dort die "Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft" den [X.] zu bescheinigen (Nr. 159 Satz 1 RiStBV), nicht aber die Geschäftsstelle des zuständigen [X.]ezernats oder gar der das Verfahren bearbeitende Staatsanwalt. [X.]enn die "Staatsanwaltschaft" im Sinne des § 41 [X.] ist nicht die Person, die das Amt der Staatsanwaltschaft ausübt (vgl. § 142 GVG), sondern die Behörde, die auch die Beschwerdeführerin (§ 343 Abs. 2 [X.]) ist (ebenso bereits [X.], Beschluss vom 12. September 1938 – 3 [X.] 596/38, [X.]St 72, 317; ferner: [X.], Beschluss vom 2. März 1988 – [X.], [X.], 514; [X.], Beschluss vom 8. September 1993 – 1 Ws 169/93, [X.] Nr. 2 zu § 41 [X.]; [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 41 Rn. 3; [X.]/[X.] aaO § 41 Rn. 2; MüKo[X.]/[X.] [X.] § 41 Rn. 4; KK-[X.]/[X.] [X.] § 41 Rn. 5; [X.] [X.]/[X.] [X.] § 41 Rn. 4).

3. [X.]ie Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 6. [X.]ezember 2007 – 3 [X.], [X.], 146 mwN, ferner [X.]/[X.] aaO § 473 Rn. 11 a.E.).

Sost-Scheible                       Cierniak                        Mutzbauer

                         [X.]

Meta

4 StR 253/16

06.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Verden, 19. Oktober 2015, Az: 1 Ks 103/15

§ 142 GVG, § 36 Abs 1 S 1 StPO, § 36 Abs 1 S 2 StPO, § 36 Abs 2 StPO, § 37 Abs 1 StPO, § 41 StPO, § 343 Abs 2 StPO, § 345 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.07.2016, Az. 4 StR 253/16 (REWIS RS 2016, 8691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8691

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