Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2018, Az. II ZR 452/17

2. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6768

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Gegenstand

GmbH: Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Änderungen des Dienstvertrags eines Geschäftsführers


Leitsatz

Zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers einer GmbH ist bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung zuständig. Eine Änderung des Dienstvertrags eines abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 8. Dezember 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger sowie die Rechtsanwälte [X.]und [X.]      gründeten 2011 die [X.]                Rechtsanwälte GbR mit Anteilen zu je 1/3 (nachfolgend [X.]). Anfang 2014 gründete die [X.] die beklagte GmbH, deren Alleingesellschafterin sie ist. Geschäftsführer der Beklagten war bis zu seiner Abberufung am 31. Oktober 2014 der Kläger. Die Beklagte übernahm planmäßig das Geschäft der [X.], das Betreiben einer gemeinsamen Rechtsanwaltssozietät, und schloss mit deren Gesellschaftern [X.] ab. Im Dienstvertrag des [X.] vom 1. August 2014 heißt es in § 1 Abs. 1: "Die Zuständigkeit des Dienstnehmers umfasst den anwaltlichen und den kaufmännischen Bereich der Geschäftsführung." Nach § 3 des Dienstvertrags hatte die Beklagte dem Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 5.000 € brutto nebst Zuschüssen zur Krankenversicherung und zum anwaltlichen Versorgungswerk zu zahlen.

2

Die Beklagte zahlte dem Kläger ab Mai 2015 keine Vergütung mehr. Der Kläger mahnte am 25. Juni 2015 sein Entgelt aus dem Dienstvertrag für die Monate Mai und Juni 2015 an. Daraufhin kündigte die Beklagte am selben Tag den Dienstvertrag des [X.] zum 31. Juli 2015, verbunden mit einer sofortigen Freistellung und einem Hausverbot. Der Kläger erklärte nach erneuter erfolgloser Mahnung seiner ausstehenden Vergütung mit Schreiben vom 10. Juli 2015 seinerseits die fristlose Kündigung seines Dienstvertrags.

3

Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung der aus dem Dienstvertrag geschuldeten Vergütung für die [X.] vom 1. Mai bis zum 9. Juli 2015 als Gehalt und für die [X.] vom 10. Juli 2015 bis zum 31. August 2015 als Schadensersatz sowie die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis mit der fristlosen Kündigung vom 10. Juli 2015 beendet worden ist.

4

Das [X.] hat unter Abweisung der weitergehenden Klage dem Kläger die begehrten Zahlungen bis zum 9. Juli 2015 zu- und die beantragte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des [X.], der seinen Feststellungsantrag nicht aufrechterhalten hat, das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die von der [X.] behauptete Abrede, wonach die beiden anderen Gesellschafter der [X.]-GbR am 23. März 2015 und/oder am 4. Mai 2015 mit dem Kläger die Einstellung seiner Vergütungszahlung vereinbart hätten, sei nicht schlüssig vorgetragen. Die [X.] habe als GmbH bei der Abänderung des Dienstvertrags des [X.] wirksam nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden können, nicht aber durch die einzelnen Gesellschafter ihrer Alleingesellschafterin, der [X.]-GbR. Der Geschäftsführer der [X.], Dr. L.  , habe jedoch nach seiner Erklärung in der Berufungsverhandlung an den Besprechungen der drei GbR-Gesellschafter nicht teilgenommen, sondern sei lediglich anschließend von dem Ergebnis informiert worden. Dem Kläger stehe auch für die [X.] nach Zugang der von ihm erklärten fristlosen Kündigung vom 10. Juli 2015 unabhängig von deren Wirksamkeit ein Zahlungsanspruch zu. Im Falle der Unwirksamkeit seiner Kündigung habe das Dienstverhältnis bis zum 31. August 2015 fortbestanden. Im Falle ihrer Wirksamkeit sei die fristlose Kündigung durch ein vorheriges vertragswidriges Verhalten der [X.] veranlasst worden, so dass diese zum Schadensersatz in Höhe der entgangenen Vergütung verpflichtet sei.

8

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

9

Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Vortrag der [X.] zu der Änderung des Dienstvertrags des [X.] über seine Vergütung nicht schlüssig sei, weil die [X.] dabei nur durch ihren Geschäftsführer vertreten werden könne. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass für den Abschluss der behaupteten Vereinbarung mit dem Kläger die Gesellschafterversammlung der [X.] zuständig gewesen wäre.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist das zum Abschluss, zur Änderung und Beendigung des Dienstvertrags eines Geschäftsführers allein befugte Organ einer GmbH bei Fehlen abweichender Satzungsbestimmungen die Gesellschafterversammlung (sog. Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG; [X.], Urteil vom 25. März 1991 - [X.], [X.], 580, 582; Urteil vom 27. März 1995 - [X.], [X.], 643 f.; Urteil vom 8. Dezember 1997 - [X.], [X.], 332, 333; Beschluss vom 26. November 2007 - [X.], [X.], 117 Rn. 3). Der Grund für diese Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Änderungen des [X.] liegt darin, dass derartige Änderungen geeignet sind, in erheblicher Weise die Entscheidungen der Gesellschafter über seine Organstellung zu beeinflussen ([X.], Urteil vom 25. März 1991 - [X.], [X.], 580, 582) und durch diese Kompetenzzuweisung auch der Gefahr kollegialer Rücksichtnahme durch den (aktuellen) Geschäftsführer begegnet werden soll ([X.], Urteil vom 8. Dezember 1997 - [X.], [X.], 332, 333). Die von der [X.] behauptete Vereinbarung ist auf eine Änderung der im Geschäftsführerdienstvertrag des [X.] vom 1. August 2014 enthaltenen Vergütungsregelung gerichtet.

Entgegen der Revisionserwiderung hat es auf die Kompetenz der Gesellschafterversammlung keinen Einfluss, dass der Kläger bereits zum 31. Oktober 2014 als Geschäftsführer der [X.] abberufen worden ist. Für die Kompetenz der Gesellschafterversammlung sowohl für die Begründung oder Beendigung des Organverhältnisses als auch des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers kommt es nicht auf einen engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen Bestellung und Anstellung bzw. Abberufung und Kündigung oder Änderung an ([X.], Urteil vom 27. März 1995 - [X.], [X.], 643, 644). Eine Änderung des Dienstvertrags des abberufenen Geschäftsführers fällt erst dann unter die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des (neuen) Geschäftsführers, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsführerdienstverhältnis nach der Abberufung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis umgewandelt hat ([X.], Urteil vom 13. Februar 1984 - [X.], [X.], 532, 533 f.; Urteil vom 27. März 1995 - [X.], [X.], 643, 644 f.). Dann nämlich besteht nicht die Gefahr, dass der die Kündigung aussprechende Geschäftsführer die Entscheidungskompetenz der Gesellschafterversammlung einengen oder unterlaufen könnte.

Allein die bis zu der behaupteten Vereinbarung am 23. März 2015 und/oder 4. Mai 2015 verstrichene [X.] seit der Abberufung des [X.] führt nicht zu einer Umwandlung in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis. Eine Umwandlung des Geschäftsführerdienstvertrags nach der Abberufung des [X.] als Geschäftsführer zum 31. Oktober 2014 in ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch ist vorgetragen worden, wodurch der Dienstvertrag umgewandelt worden sein soll. Entgegen der Revisionserwiderung ist der [X.] auch nicht von vorneherein als gewöhnlicher Anstellungsvertrag abgeschlossen worden, sondern umfasste nach § 1 Abs. 1 ausdrücklich die Geschäftsführertätigkeit.

III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit in der wiedereröffneten Berufungsinstanz die noch erforderlichen Feststellungen zu der von der [X.] behaupteten Vereinbarung der drei Gesellschafter-Gesellschafter am 23. März 2015 und/oder 4. Mai 2015 getroffen werden können.

Es kommt zum einen in Betracht, dass die behauptete Vereinbarung der drei Gesellschafter der [X.]-GbR über die Änderung des Dienstvertrags des [X.] gleichzeitig als Beschluss der [X.]-GbR als Alleingesellschafterin der [X.] und damit des für die Abänderung des Dienstvertrags des [X.] zuständigen Organs der [X.] zu bewerten ist.

Falls die Vereinbarung nicht als Beschluss der [X.]-GbR als Alleingesellschafterin der [X.] zu bewerten ist, kommt in Betracht, dass sich die [X.] gemäß § 328 Abs. 1 BGB auf sie berufen kann. Wie der [X.] bereits entschieden hat, kann die Gesellschaft gemäß § 328 Abs. 1 BGB als Dritte aus einer Vereinbarung ihrer Gesellschafter eigene Rechte herleiten und auf ihrer Grundlage Ansprüche eines an der Vereinbarung beteiligten Gesellschafters abwehren (vgl. [X.], Beschluss vom 15. März 2010 - [X.], [X.], 1541 Rn. 8). Das gilt auch, wenn die Vereinbarung nicht die Gesellschafter der Gesellschaft, sondern die Gesellschafter ihrer Alleingesellschafterin getroffen haben.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Born   

      

Bernau     

      

V. Sander     

      

Schreibfehlerberichtigung vom 8. August 2018

In dem Rechtstreit

wird der [X.] im Urteil vom 3. Juli 2018 aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass das Verkündungsdatum

anstatt „17. Juli 2018“ richtig „3. Juli 2018“

lauten muss.

Bundesgerichtshof

Geschäftsstelle des [X.]

Meta

II ZR 452/17

03.07.2018

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 8. Dezember 2016, Az: 8 U 631/16

§ 46 Nr 5 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.07.2018, Az. II ZR 452/17 (REWIS RS 2018, 6768)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1196 WM2018,1603 REWIS RS 2018, 6768

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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II ZR 70/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 299/17

II ZR 452/17

Zitiert

II ZR 4/09

Zitieren mit Quelle:
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