Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.06.2018, Az. III R 26/16

3. Senat | REWIS RS 2018, 7779

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Gegenstand

Kraftfahrzeugsteuer bei sog. Registrierzulassungen


Leitsatz

1. Die Kraftfahrzeugsteuer entsteht auch dann, wenn ein Fahrzeug für einen Tag zugelassen und zugleich antragsgemäß wieder abgemeldet wird.

2. Eine Abstempelung von Kennzeichen war --bei Zulassung im Juli 2008-- für die Zulassung und damit auch die Kraftfahrzeugsteuer entbehrlich.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 23. September 2016  13 K 1913/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Kraftfahrzeughandel tätig und benötigte für aus dem Ausland importierte Fahrzeuge regelmäßig Zulassungsbescheinigungen Teil I (Fahrzeugschein) und [X.] (Fahrzeugbrief). Dazu beantragte sie jeweils bei der Zulassungsstelle die Zuteilung eines Saisonkennzeichens.

2

Aufgrund der hohen Anzahl so zugelassener Fahrzeuge wurde das Zulassungsverfahren zur Verwaltungsvereinfachung --auch im Interesse der [X.] derart durchgeführt, dass Kennzeichen für die Klägerin "reserviert" und immer wieder für auf sie zugelassene und regelmäßig auch sofort wieder abgemeldete Kraftfahrzeuge ver[X.]det wurden. Die Zulassungsbescheinigung wurde erstellt und sodann in unmittelbarem [X.] auch die Abmeldung eingetragen. Zumindest teilweise wurde dabei auf geprägte Nummernschilder verzichtet.

3

Diese Praxis wurde durch das [X.] mit Schreiben vom 7. Juli 2008 wie folgt beanstandet:

"... Die Zulassungsbehörde des ...-Kreises wird daher angewiesen, Fahrzeugen, die vorher in einem anderen Staat zugelassen waren, keine 'Tages-/Kurzzeitzulassungen' mit anschließender Außerbetriebsetzung ohne Aushändigung der Zulassungsdokumente Teil I und II und Abstempelung der Kennzeichenschilder bzw. keine Zulassung mit Saisonkennzeichen ... ohne Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil I und [X.] und Abstempelung der Kennzeichenschilder zu erteilen. Sofern Außerbetriebsetzungen der Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen vor Beginn des [X.] vorgenommen wurden, wird die Zulassungsbehörde ... angewiesen, die Zulassung zurückzunehmen, die Zulassungsbescheinigungen einzuziehen und dem Kraftfahrtbundesamt zu melden. Das Landratsamt ... wird angewiesen, keine derartigen Scheinzulassungen mehr vorzunehmen und uns über den Vollzug bis zum 15. Juli 2008 zu berichten."

4

Für das streitgegenständliche Fahrzeug beantragte die Klägerin am 21. Juli 2008 die Zuteilung eines Saisonkennzeichens für einen Tag, welches antragsgemäß zugeteilt wurde. Gleichzeitig beantragte sie die Abmeldung des Fahrzeuges. Die An- und die Abmeldung wurden von der Behörde in die Zulassungsbescheinigung eingetragen und die Zulassungsbescheinigung Teil I und [X.] sodann der Klägerin ausgehändigt. Das Kennzeichen war nach der beanstandeten alten Verwaltungspraxis für die Klägerin erstmals und einmalig am 24. September 2007 ver[X.]det worden, danach wurde es erst wieder für das streitgegenständliche Fahrzeug am 21. Juli 2008 und ab diesem [X.]punkt für eine Vielzahl anderer auf Antrag der Klägerin zugelassener Fahrzeugen eingesetzt.

5

Aufgrund der Mitteilung über die Zulassung erließ das Finanzamt ([X.]) am 28. Juli 2008 zunächst einen Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer für die [X.] vom 21. Juli 2008 bis 31. Mai 2009 über 104 €, den es am 30. Juli 2008 auf 10 € für den 21. Juli 2008 änderte. Dabei ging es von einer Mindestdauer der Steuerpflicht nach § 5 des [X.] (KraftStG) von einem Monat aus. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

6

Die Klage gegen das [X.], an dessen Stelle während des Verfahrens beim Finanzgericht ([X.]) der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) getreten ist, hatte keinen Erfolg.

7

Das Klageverfahren ruhte mit Einverständnis der Beteiligten im Hinblick auf das beim [X.] ([X.]) anhängige Verfahren II R 32/10 bis zum 19. Mai 2013. Das [X.] entschied sodann, bei der Zulassungsbescheinigung handele es sich um einen Grundlagenbescheid, der für die Finanzbehörde nicht nur verbindlich feststelle, auf [X.] ein Fahrzeug zugelassen wurde, sondern auch, dass ein Fahrzeug überhaupt zugelassen worden sei. Bei der [X.] 1 Satz 3 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung ([X.]) handele es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt der Zulassungsbehörde über das Recht zur Nutzung eines Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2017, 96, m. Anm. Hör). Die Mindeststeuer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG sei im Streitzeitraum auch für Saisonkennzeichen anzu[X.]den; es könne dahinstehen, ob ein körperliches Kennzeichen vorhanden gewesen sei.

8

Gegen das Urteil des [X.] [X.]det sich die Klägerin mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer mit der Steuernummer ... sowie die Einspruchsentscheidung und das [X.]-Urteil ersatzlos aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zutreffend als rechtmäßig erachtet.

1. Die Kraftfahrzeugsteuer ist gemäß § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) eine Steuer (Wernsmann in [X.]/[X.]/ [X.], § 3 [X.] Rz 393) und nicht, wie die Klägerin meint, eine Gebühr oder ein Beitrag. Ihr unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Nr. 1 KraftStG das "Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen". Ein Fahrzeug wird gehalten, wenn es nach der [X.] "zum Verkehr zugelassen" worden ist (BFH-Urteil vom 18. April 2012 II R 32/10, [X.], 413, [X.], 516; [X.] vom 20. April 2006 VII B 332/05, [X.], 1519). Steuerschuldner ist die Person, auf die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG).

Das tatsächliche Befahren einer öffentlichen Straße ist dafür entbehrlich, denn der Halter hat mit der Zulassung das Recht erlangt, das Fahrzeug "auf öffentlichen Straßen ... in Betrieb" zu setzen (§ 3 Abs. 1 [X.]). Das Fahrzeug wird daher auch dann gehalten, wenn von dem durch die Zulassung eingeräumten Recht, es auf öffentlichen Straßen in Betrieb zu setzen, kein Gebrauch gemacht wird oder wenn es trotz der Zulassung im Straßenverkehr nicht genutzt werden darf (BFH-Urteil in [X.], 413, [X.], 516; [X.] Münster, Urteil vom 24. Januar 2012  13 K 1071/09 Kfz, E[X.] 2012, 1393). An dieses Recht knüpft das Gesetz die Steuer (BFH-Urteile in [X.], 413, [X.], 516; vom 7. März 1984 II R 40/80, [X.], 480, [X.] 1984, 459).

2. Der Senat kann offen lassen, ob und inwieweit die Zulassung als Grundlagenbescheid wirkt oder [X.] entfaltet, denn die gegen die Rechtmäßigkeit der Zulassung vorgetragenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG ist im Streitfall erfüllt, da die Zulassungsbehörde das Fahrzeug der Klägerin auf deren Antrag am 21. Juli 2008 ordnungsgemäß zum Straßenverkehr zugelassen hat und die Klägerin damit berechtigt war, das angemeldete Fahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Straßen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG zu nutzen. Dies allein ist maßgeblich für die Besteuerung. Die Steuerpflicht entfällt weder, weil eine sog. Registrierzulassung vorgenommen wurde, noch war die Zulassung nichtig.

a) Der Begriff "Registrierzulassung" wird im KraftStG und der [X.] nicht verwendet. Er bezeichnet typischerweise Tageszulassungen, die der Beschaffung [X.] Zulassungsdokumente für importierte Gebrauchtfahrzeuge dienen. Die [X.] enthält keine Sonderregelung für [X.] und das KraftStG sieht für sie auch keine Ausnahmen vor; [X.] sind Zulassungen i.S. der [X.] und des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. Eine "Teilung" der Zulassung mit dem Ziel, dem Fahrzeug zwar eine Zulassungsbescheinigung und einen Halter zu verschaffen, dabei jedoch die Kraftfahrzeugsteuerpflicht zu vermeiden, findet im Zulassungsrecht und im Kraftfahrzeugsteuerrecht keine Grundlage ([X.] in: [X.]/[X.], [X.] Steuerrecht, 108. Lieferung 06.2018, § 1 KraftStG Rz 7).

b) [X.] im vorgenannten Sinne sind nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist oder der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, der nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt, von einer Behörde ohne Ermächtigung außerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wurde, aus tatsächlichen Gründen von niemandem ausgeführt werden kann, die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder der gegen die guten Sitten verstößt (§ 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für [X.] in der Fassung vom 12. April 2005 --LVwVfG--; ebenso § 44 des Verwaltungsverfahrensgesetzes). Für all das ist vorliegend nichts ersichtlich. Tatsächlich kam es der Behörde und der Klägerin auf die durch die Zulassung bewirkte Rechtsfolge der Registrierung des ausländischen Fahrzeugs in der [X.] an.

Auch bei Außerbetriebsetzungen von Fahrzeugen mit Saisonkennzeichen vor Beginn des [X.] --was hier nicht zutrifft-- handelt es sich entgegen der vom [X.] vertretenen Auffassung nicht um Scheinzulassungen (BFH-Urteil in [X.], 413, [X.], 516).

Etwaige Rechtsfehler des Zulassungsverfahrens wären für den Tatbestand des [X.] 1 KraftStG und damit die Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer nicht von Bedeutung ([X.] in: [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 KraftStG Rz 7).

c) Unerheblich ist auch, ob für das Fahrzeug Kennzeichen mit einem amtlichen Dienststempel abgestempelt und der Klägerin ausgehändigt wurden, denn nach damaliger Rechtslage erfolgte "die Zulassung durch Zuteilung eines Kennzeichens und Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung" (§ 3 Abs. 1 Satz 3 [X.] in der vom 1. März 2007 bis 24. Juli 2009 geltenden Fassung). Sie bedurfte mithin keiner Abstempelung des Kennzeichens. Die etwaige Abstempelung der Kennzeichen verkörperte lediglich die Erklärung der Zulassungsstelle, dass sie das Fahrzeug unter diesem Kennzeichen für einen bestimmten Halter zugelassen habe; sie war somit nur eine Erklärung über die erfolgte Zulassung (Beschluss des [X.] vom 21. September 1999  4 StR 71/99, [X.], 197, Rz 14; [X.] Münster in E[X.] 2012, 1393).

Ob die Kraftfahrzeugsteuer auch nach gegenwärtiger Rechtslage ohne Abstempelung der Kennzeichenschilder entstehen würde, obwohl die Zulassung nach der aktuellen Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 3 [X.] durch "Zuteilung eines Kennzeichens, Abstempelung der Kennzeichenschilder und Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung" erfolgt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.

d) Die hier erfolgte Zuteilung eines Kennzeichens genügte somit für die Zulassung, obwohl ohne vorschriftsgerechte Anbringung eines abgestempelten und beleuchteten Kennzeichenschildes das Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen nicht in Betrieb genommen werden darf (§ 10 Abs. 12 [X.]). Denn die Steuerpflicht besteht --wie ausgeführt-- auch in dem Zeitraum, in dem der Fahrzeughalter tatsächlich oder rechtlich zeitweilig gehindert ist, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu nutzen; solange es für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, handelt es sich um ein "Halten" i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG (BFH-Urteil in [X.], 413, [X.], 516, Rz 14). Maßgebend und ausreichend dafür ist die Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung gemäß §§ 11, 12 [X.] ([X.] in: [X.]/[X.], a.a.[X.], § 1 KraftStG Rz 7).

3. Die Revision wäre im Übrigen ohne Weiteres unbegründet, wenn durch den nicht angefochtenen Zulassungsbescheid bindend festgestellt wäre, dass das streitgegenständliche Fahrzeug am 21. Juli 2008 auf die Klägerin zugelassen war und diese deshalb das Fahrzeug i.S. des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 7 Nr. 1 KraftStG gehalten hat, oder wenn die Zulassung als rechtsgestaltender ressortfremder Verwaltungsakt eine entsprechende [X.] entfaltet. Das braucht der Senat vorliegend jedoch nicht zu entscheiden.

4. Bedenken gegen die Berechnung der Steuer bestehen nicht; sie ist insbesondere gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für den Mindestzeitraum von einem Monat in unstreitiger Höhe festgesetzt worden (vgl. BFH-Urteil in [X.], 413, [X.], 516, Rz 16 ff.).

5. [X.] ergibt sich aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 26/16

14.06.2018

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 23. September 2016, Az: 13 K 1913/13, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 KraftStG, § 5 KraftStG, § 7 Nr 1 KraftStG, § 3 Abs 1 FZV, § 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.06.2018, Az. III R 26/16 (REWIS RS 2018, 7779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7779

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