Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2017, Az. IV ZR 11/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 252

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[X.]:[X.]:BGH:2017:201217UIVZR11.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR
11/16

Verkündet am:

20. Dezember 2017

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch
die Vorsitzende Richterin [X.],
[X.], [X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und [X.] im schriftlichen Verfahren,
bei dem Schriftsätze bis zum 8. Dezember
2017 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 16.
Zi-vilsenats des [X.] Oberlandesge-richts
in [X.]
vom 17. Dezember 2015
aufgeho-ben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Leistungen aus einer bei der [X.] gehal-tenen [X.].

§ 2 der zugrunde
liegenden Versicherungsbedingungen lautet aus-zugsweise:

"1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der [X.] infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräftever-falls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dau-1
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ernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätig-keit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfah-rung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebens-stellung entspricht."

Der Kläger wurde in der [X.] von 1987 bis 1991 zum
Landmaschi-nenmechaniker
ausgebildet.
Von Juli 1994 bis Ende Dezember 2000 ar-beitete er im Bereich Metallbau mit einem Schwerpunkt Hufbeschlag. Danach
absolvierte er einen viereinhalb Monate dauernden, ganztägigen Lehrgang zum [X.] und war von Juni 2003 bis März 2009 in diesem Beruf selbständig
tätig. Vom 1. April 2009 bis 30. April 2015 war er in einer Biogasanlage zunächst als Anlagenwart, dann als Maschinenführer
tätig. Seit dem 1. Mai 2015 ist er als Lagerist in
einem anderen Unternehmen beschäftigt.

Der Kläger behauptet, sein im Jahr 2004
beginnendes Leiden

un-ter anderem
chronische Lendenwirbel-
und Schultergelenksbeschwer-den

habe den Wechsel zur Tätigkeit in der Biogasanlage erforderlich gemacht. Er habe die Tätigkeit als [X.] zunächst noch nebenberuflich weitergeführt,
sei aber in diesem Beruf jedenfalls seit Juli 2012 zu mindestens 50% berufsunfähig.

Die Beklagte verweigert die Leistungen mit der Begründung, der Kläger könne
auf die
Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen
werden.

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zu-rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht
hat offengelassen, ob der für die Frage der Berufsunfähigkeit heranzuziehende Beruf des [X.] der des [X.]s gewesen ist und ob er
diesen
Beruf aus [X.] und nicht aus allein wirtschaftlichen Gründen
gewechselt hat. Selbst wenn man unterstelle, dass er im Beruf des [X.]s zu mindestens 50% berufsunfähig geworden sei, habe die Beklagte ihn jedenfalls in zulässiger Weise auf seine Tätigkeit als Maschinenführer verwiesen.
Nach den Versicherungsbedingungen müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die ihm nach seiner Ausbildung und Berufserfahrung möglich sei und seiner Lebensstellung entspreche. Die erstere Voraus-setzung sei aufgrund seiner Ausbildung als Landmaschinenmechaniker und einer früheren Tätigkeit als Maschinenführer
im Garten-
und Land-schaftsbau
unzweifelhaft erfüllt. Die
Tätigkeit
entspreche
auch seiner bisherigen Lebensstellung, zu der die
Verdienstmöglichkeiten, aber
auch das
Ansehen des Berufs
in der Öffentlichkeit
gehörten. Zwar habe der Kläger als selbständiger [X.] im ländlichen Bereich möglicherweise ein etwas höheres Sozialprestige gehabt als ein ange-stellter Maschinenführer. Dies werde aber durch das höhere und über-haupt erst jetzt einigermaßen auskömmliche Einkommen des [X.]
als Maschinenführer mehr als ausgeglichen. Von seinem früheren Einkom-men als [X.] sei
ihm dagegen praktisch nichts zum Le-ben verblieben.

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I[X.] Das hält
rechtlicher
Nachprüfung nicht
stand.
Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht
die Klage nicht abweisen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die zwischenzeitlich ausgeübte Tätigkeit des [X.] als Maschinenführer seiner bisherigen Lebensstel-lung entsprach, ohne die
Qualifikation des [X.], die er
für seinen nach der Unterstellung des Berufungsgerichts in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Beruf erworben hatte,
mit der für die Tätigkeit als Maschi-nenführer erforderlichen zu vergleichen.

1. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach § 2 Abs. 1
der Bedingungen der [X.] nur dann in [X.], wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung ent-spricht. Die bisherige Lebensstellung wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten
aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung [X.] als der bisherige Beruf
(Senatsurteile vom 21. April 2010

IV ZR 8/08, [X.], 1023
Rn. 11; vom 11. Dezember 2002

IV ZR 302/01, NJW-RR 2003, 383 unter II 1 [juris Rn. 13]; vom 11. Dezember 1996

IV ZR 238/95, [X.], 436 unter II 3 b [juris Rn. 29]). Die Lebensstel-lung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstä-tigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fä-higkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer [X.] [X.] nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (aaO).

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2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des [X.] nicht.

a) Der Umstand,
dass das Einkommen des [X.]
als [X.] nicht zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichte und sein Berufswechsel zu einer erheblichen Einkommenssteigerung geführt hat, ändert nichts daran, dass die für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit er-forderlichen Kenntnisse und die hi[X.] notwendige Erfahrung seine [X.], die durch die neue Tätigkeit nicht deutlich [X.] werden darf, bestimmen. Der Versicherte darf
in dem von ihm ausgeübten Verweisungsberuf unabhängig von einem unter Umständen
auch höheren Einkommen nicht "unterwertig", also seine frühere Qualifi-kation und seinen beruflichen oder [X.] Status unterschreitend, be-schäftigt sein (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG
5. Aufl.
§ 172 Rn.
46).

b) Selbst wenn der Kläger

worauf sich die Revisionserwiderung beruft

seiner Darlegungslast insoweit noch nicht genügt
hätte, führte dies
nicht zur Abweisung der Klage. Denn er hatte mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit [X.], keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang
nicht ausrei-chend zu den Vergleichsgrundlagen
hinsichtlich des mit beiden Berufen verbundenen Anforderungsprofils
vorgetragen. Einen der Sache nach gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungs-gericht nicht erteilt.

II[X.] Das angefochtene Urteil ist daher
aufzuheben
und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachent-11
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scheidung ist der Senat bereits deswegen gehindert, weil das Beru-fungsgericht
keine Feststellungen zu den Anforderungsprofilen für die Tätigkeit als [X.] einerseits und als Maschinenführer andererseits getroffen hat. Hierzu

und gegebenenfalls
zu den bisher vom Berufungsgericht offengelassenen
Fragen zum zuletzt ausgeübten
Beruf
des [X.], den Gründen für seinen
Berufswechsel und der be-haupteten Berufsunfähigkeit

wird das Berufungsgericht noch entspre-chende Feststellungen zu treffen haben.

[X.] Dr.
Karczewski [X.]

Dr. Brockmöller

[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.03.2015 -
4 O 303/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2015 -
16 U 50/15 -

Meta

IV ZR 11/16

20.12.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2017, Az. IV ZR 11/16 (REWIS RS 2017, 252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 252

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 U 187/15 (Oberlandesgericht Hamm)


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IV ZR 8/08

16 U 50/15

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