Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2004, Az. XI ZR 22/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3232

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 22/03 Verkündet am: 11. Mai 2004 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 11. Mai 2004 durch [X.] Bungeroth, [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlan-desgerichts vom 28. November 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Bank nimmt den [X.]n, einen Rechtsanwalt und Notar, aus einem Kontokorrentkredit in Anspruch. Den Kreditvertrag hatten der [X.] und sein damaliger Mitgesellschafter K. , die beabsichtigten, gemeinsam ein Immobiliengeschäft in [X.], im Namen der zu diesem Zweck gegründeten [X.] mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im folgenden: [X.]) abgeschlossen. Der Geschäftsbeziehung der Parteien lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde. 1998 kün- - 3 - digte sie das Darlehen wegen bestehender Zahlungsrückstände. Mit der Klage verlangt sie den [X.] in Höhe von 1.099.878,54 DM nebst Zinsen. Der [X.] hat - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - geltend gemacht, er sei aus der Haftung für den Kredit entlassen [X.]. Außerdem hat er hilfsweise eine an ihn abgetretene Forderung der [X.] in Höhe von 824.325,53 DM zur [X.] gestellt und diese darauf gestützt, daß die Klägerin die Zeden-tin durch einen unbegründeten Insolvenzantrag daran gehindert habe, in der genannten Höhe eine Wiederaufbauentschädigung für ein abge-branntes Gebäude in Anspruch zu nehmen.

Das [X.] hat der Klage mit Urteil vom 20. Oktober 2000 stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.]n ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]n hat der Senat die Revision zugelassen, mit der der [X.] seinen [X.] weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange- fochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

- 4 - [X.]

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Der [X.] sei neben dem Mitgesellschafter [X.]als [X.] zur Rückzahlung des gekündigten [X.] verpflichtet. Die von ihm behauptete Entlassung aus der Mithaftung für das Kontokorrentkonto stehe nicht fest. Es sei bereits fraglich, ob der [X.] insoweit überhaupt erheblichen Vortrag erbracht habe. [X.] sei das [X.] nach der Aussage des Zeugen [X.]zu Recht davon ausgegangen, daß eine Entlassung des [X.]n aus der Haftung nicht bewiesen sei. Soweit sich der [X.] zum Beweis seiner Behauptung ergänzend auf die Vernehmung der Zeugen Bü. und [X.].

berufen und die nochmalige Vernehmung des Zeugen [X.]bean-tragt habe, bestehe hierzu mit Rücksicht auf das insgesamt wenig sub-stantiierte Vorbringen des [X.]n und die übrigen - gegen eine [X.] sprechenden - Umstände des Falles kein Anlaß. Die Aussage des Zeugen [X.] vor dem [X.] lasse auch keine Anhaltspunkte für die vom [X.]n behauptete krankheitsbedingte Verwirrung des Zeugen erkennen. Die vom [X.]n erklärte [X.] scheitere daran, daß der unberechtigte Insolvenzantrag der Klägerin gegen die M.

GmbH für den Verlust der Wiederaufbauentschädigung nicht ursächlich geworden sei.

- 5 - I[X.]

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Anspruch des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es nach der mündlichen Verhandlung gestaffelte [X.] für die Parteien gesetzt und in seinem Urteil neue Tatsachen aus dem zuletzt eingereichten Schriftsatz der Klägerin verwertet habe, ohne dem [X.]n zuvor Gelegenheit zur Stellung-nahme gegeben zu haben. Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, greift die hiermit erhobene Verfahrensrüge schon deshalb nicht, weil es an dem nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b ZPO erforderlichen Vortrag der Revision dazu fehlt, daß das Berufungsurteil auf dem angeblichen [X.] beruht (§ 545 Abs. 1 ZPO). Insoweit gelten die glei-chen Anforderungen, wie sie die ständige höchstrichterliche Rechtspre-chung für ordnungsgemäße Verfahrensrügen nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe [X.] aufgestellt hat (vgl. dazu [X.], Urteile vom 8. Oktober 1987 - [X.], [X.], 197, 199 m.w.Nachw., vom 13. März 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 949, 950 und vom 6. Mai 1999 - [X.], [X.], 1204, 1206) und wie sie auch für die Geltendmachung einer Revisionszulassung wegen Verletzung rechtli-chen Gehörs gelten (Senatsbeschluß vom 11. Februar 2003 - [X.] ZR 153/02, [X.], 702, 703). Die Revision hätte daher darlegen müssen, was der [X.] im Falle ausreichender Gelegenheit zur Äußerung vor-gebracht hätte. Daran fehlt es.
- 6 - 2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungs-gericht der Hilfsaufrechnung des [X.]n nicht nachgegangen ist. [X.] bedarf es keiner Entscheidung, ob der Auffassung des Berufungsge-richts zu folgen ist, daß der [X.] aus materiell-rechtlichen Gründen mit seiner Aufrechnung nicht durchdringt. Es kann auch offenbleiben, ob die insoweit von der Revision erhobenen Verfahrensrügen durchgreifen. Das Berufungsgericht hat nämlich - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert - übersehen, daß die vom [X.]n erklärte [X.] bereits an dem beschränkten [X.] gemäß Nr. 4 der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in das Vertragsver-hältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin scheitert. Danach kann der Kunde gegen die Bank nur mit Forderungen aufrechnen, die unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Diese Bestimmung, die mit Nr. 4 [X.]-Banken und mit Nr. 11 Abs. 1 [X.]-Sparkassen übereinstimmt, trägt § 11 Nr. 3 [X.] (jetzt § 309 Nr. 3 BGB) Rechnung und ist rechtlich unbedenklich (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2002 - [X.] ZR 160/01, [X.], 1654 m.w.Nachw.).

Sie greift hier ein, weil der Schadensersatzanspruch, mit dem der [X.] [X.], weder unbestritten noch rechtskräftig festgesellt ist. Es liegt daher keine der in Nr. 4 der [X.] der Klägerin vorgesehenen Ausnahmen vom [X.] vor. Die Anwendung dieser Be-stimmung scheitert auch nicht daran, daß die Klägerin sich auf sie in den Vorinstanzen nicht berufen hat. Da ein vertraglich vereinbartes Aufrech-nungsverbot die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer Aufrechnung und nicht nur deren Geltendmachung im Rechtsstreit ausschließt, haben die Gerichte einen solchen Aufrechnungsausschluß vom Amts wegen zu be-achten (Senatsurteil vom 18. Juni 2002 aaO m.w.Nachw.). - 7 -

3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftungs-entlassung des [X.]n verneint hat, ist dagegen, wie die Revision mit Recht rügt, von [X.] beeinflußt. Nach Auffassung des [X.]s ist durch die vom [X.] durchgeführte Vernehmung des Zeugen [X.] die vom [X.]n behauptete Entlassung aus der Haftung nicht bewiesen worden. Dabei habe es weder der beantragten Wiederholung dieser Beweisaufnahme noch der ergänzenden Verneh-mung der zu demselben Beweisthema vom [X.]n benannten Zeugen Bü. und [X.]. bedurft, da der Vortrag des [X.]n zu der [X.] wenig plausibel und nachvollziehbar sei und die übrigen Umstände des Falles gegen die behauptete Entlassung aus der Haftung sprächen.

Diese Annahme beruht, wie die Revision zu Recht rügt, auf einem Verstoß gegen das aus § 286 Abs. 1, § 523 ZPO a.F. (der gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO für das Berufungsverfahren noch gilt) folgende Gebot, sich mit dem Streitstoff umfassend auseinanderzusetzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig auf-zuklären (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1992 - [X.], NJW 1992, 1768, 1769; Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - [X.] ZR 86/01, [X.], 557, vom 18. November 2003 - [X.] ZR 332/02, [X.], 27, 31 und vom 20. Januar 2004 - [X.] ZR 460/02, [X.], 521, 524). Das Berufungsgericht hätte seine Beweiswürdigung nicht oh-ne Vernehmung der Zeugen Bü. und [X.]. vornehmen dürfen.

Nach der durch Vernehmung der Zeugen [X.], Bü. und [X.]. unter Beweis gestellten Behauptung des [X.]n hat die [X.] ihn im Rahmen eines Gesprächs, das der Zeuge

[X.] am 12. November 1996 mit den Vertretern der Klägerin geführt hatte, aus der Mithaftung entlassen. Nach Erhalt der bei der Klägerin über dieses Gespräch geführten Aktennotiz vom 19. November 1996 habe der Zeuge

[X.]sich bei der Klägerin darüber beschwert, daß die am 12. November 1996 getroffene Freistellungsvereinbarung zugunsten des [X.]n nicht darin vermerkt sei. Die Zeugin [X.].

habe daraufhin er-klärt, die Nichtaufnahme der Vereinbarung beruhe auf einem Versehen. Dieser Vortrag ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schlüssig, weil er, wenn er der Wahrheit entspricht, geeignet ist, die Freistellungsvereinbarung zu belegen. Davon, daß eine Vernehmung der Zeugen Bü. und [X.]. , wie das Berufungsgericht meint, eine [X.] wäre, kann keine Rede sein, zumal von dem [X.]n näherer Vortrag zu den Einzelheiten der Verhandlungen schon deshalb nicht zu erwarten war, weil er selbst bei den Gesprächen zwischen dem Zeugen

[X.]und den Vertretern der Klägerin am 12. November 1996 nicht zugegen war. Mit Rücksicht auf das Verbot der vorweggenommenen Würdigung nicht erhobener Beweise (vgl. [X.]Z 53, 245, 260; Senatsur-teile vom 19. März 2002 - [X.] ZR 183/01, [X.], 1004, 1006 und vom 20. Januar 2004 - [X.] ZR 460/02, [X.], 521, 525) hätte das [X.] daher nicht eine Würdigung der Aussage des Zeugen [X.] vornehmen dürfen, ohne die zum selben Beweisthema benannten Zeugen Bü. und [X.]. zu vernehmen. Dasselbe gilt für die aus Sicht des Berufungsgerichts gegen die Freistellungsvereinbarung sprechenden Indizien. Auch sie machten die Durchführung einer Beweisaufnahme nicht entbehrlich. Wegen des Verbots der vorweggenommenen Würdi-gung nicht erhobener Beweise hätte das Berufungsgericht diese Indizien ebenfalls erst nach Erhebung der vom [X.]n für seine Behauptung - 9 - angetretenen Beweise im Rahmen der dann vorzunehmenden Beweis-würdigung berücksichtigen dürfen (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2002 aaO S. 1005 f.).

II[X.]

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.] Joeres

Wassermann

[X.]

Meta

XI ZR 22/03

11.05.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2004, Az. XI ZR 22/03 (REWIS RS 2004, 3232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3232

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