Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2004, Az. III ZR 302/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2974

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03
Verkündet am: 27. Mai 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 14, 19; [X.] § 13; BGB § 242 A

a) Wird ein Hof im Sinne der Höfeordnung vor Ablauf der [X.] des § 13 [X.] veräußert, so kann der beurkundende Notar verpflichtet sein, den Veräußerer auf (mögliche) Nachabfindungsan-sprüche weichender Erben hinzuweisen.
b) Der Veräußerer kann derartige [X.] nicht [X.] vereiteln, daß er im Einvernehmen mit dem Erwerber die Ei-gentumsumschreibung im Grundbuch wider [X.] und Glauben auf einen Zeitpunkt nach Fristablauf hinausschiebt. - 2 -

[X.], Urteil vom 27. Mai 2004 - [X.]/03 - OLG Celle

LG Lüneburg - 3 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2004 durch [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 26. September 2003 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger war Eigentümer eines Hofes im Sinne der Höfeordnung, den ihm sein Vater durch Vertrag vom 25. Juli 1978 übertragen hatte. Als Eigentü-mer war er am 27. Februar 1979 in das Grundbuch eingetragen worden.

Durch einen von dem beklagten Notar beurkundeten [X.] verkaufte der Kläger mehrere zum Hof gehörende Flurstücke in der Gesamtgröße von 7.276 m² samt der Hofstelle an die Eheleute [X.]zum - 4 -

Preise von 489.000 DM. Vorgesehen war, daß ein Teilbetrag in Höhe von 250.000 DM bis zum 30. März 1998 und der Restbetrag von 239.000 DM bis spätestens zum 15. Oktober 1998 auf das [X.] des [X.]n zu zahlen waren. Die Auflassung war zu erklären, nachdem der [X.] in voller Höhe auf das [X.] gezahlt war. Mit der Erklärung der [X.] bevollmächtigten die [X.] zwei Notariatsangestellte des [X.]n. Zugunsten der Käufer wurde die Eintragung einer Auflassungs-vormerkung bewilligt. Der [X.] wurde beauftragt, nach Eingang des ge-samten Kaufpreises die Auflassung und die Umschreibung des Grundbuchs herbeizuführen. Der Kaufgegenstand wurde den Käufern vereinbarungsgemäß übergeben, nachdem sie den Restkaufpreis auf das [X.] gezahlt hatten. Der [X.] führte sodann die weiteren zum Eigentumswechsel erforderlichen Schritte durch. Die Käufer wurden am 10. Februar 1999 in das Grundbuch ein-getragen.

Daraufhin machte ein Bruder des [X.] gegen diesen [X.] nach § 13 [X.] geltend. Der Kläger zahlte aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs 20.000 •, sieht sich jedoch weiteren Forderungen aus-gesetzt.

Er wirft dem beklagten Notar vor, dieser habe es versäumt, ihn vor [X.] auf die Möglichkeit derartiger Ansprüche und die [X.] bestehende [X.] hinzuweisen, die am 27. Februar 1999 abgelau-fen sei. Bei zutreffender Belehrung wäre die Eigentumsumschreibung im [X.] mit den Käufern auf einen Termin nach dem [X.] worden.
- 5 -

Der Kläger nimmt den beklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung (§ 19 [X.]) auf Ersatz des geleisteten Betrages von 20.000 • nebst Zinsen sowie auf Freistellung von etwaigen weiteren Forderungen seines Bruders in Anspruch. Beide Vorinstanzen haben den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Allerdings haben beide Vorinstanzen zu Recht angenommen, daß der [X.] verpflichtet war, den Kläger vor der Beurkundung des Vertrages vom 31. Januar 1998 auf etwaige [X.] hinzuweisen, und daß die Unterlassung dieser Belehrung eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 19 [X.] gewesen ist.

a) Da sich [X.] im Zusammenhang mit der [X.] einer Hofstelle ähnlich auswirken wie ein Haftungsrisiko (vgl. [X.] in: Zugehör/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 2004, Rn. 1056; siehe auch [X.], Urteil vom 6. Juli 2000 - [X.] = NJW-RR 2001, 204, 207 zur Frage der Belehrung über Art und Umfang der Ausgleichspflicht unter mehre-ren Miterben bei der Beurkundung der Übertragung von [X.] im Wege der vorweggenommenen Erbfolge), kommt vorliegend ein Verstoß gegen die Pflicht des Notars in Betracht, über die rechtliche Tragweite - 6 -

des Geschäfts zu belehren (§ 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG). Dies kann jedoch of-fenbleiben. Der [X.] war nämlich jedenfalls aufgrund der analog § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] bestehenden erweiterten ("betreuenden") Belehrungs-pflicht zu einem warnenden Hinweis verpflichtet. Der Notar als Träger der vor-sorgenden Rechtspflege darf es nicht untätig geschehen lassen, daß ein [X.] in die Gefahr eines folgenschweren Schadens gerät, der durch eine mit wenigen Worten zu gebende Belehrung zu vermeiden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] erwachsen demgemäß für den Notar Schutzpflichten, wenn er aufgrund besonderer Umstände des Falles - nament-lich wegen der rechtlichen Anlage oder der Art der Durchführung des konkreten Geschäfts - Anlaß zu der Besorgnis haben muß, einem Beteiligten entstehe ein Schaden, weil er sich aus mangelnder Kenntnis der Rechtslage oder von Sachumständen, welche das beurkundete Rechtsgeschäft als für seine Vermö-gensinteressen bedeutsam erscheinen lassen, einer Gefährdung dieser Inter-essen nicht bewußt ist ([X.], Urteil vom 9. Januar 2003 - [X.] = NJW 2003, 1940, 1941 [X.].[X.]).

b) Zwar ist der Notar regelmäßig nicht verpflichtet, die tatsächlichen Vor-aussetzungen für den Anlaß zu einer betreuenden Belehrung selbst erst zu ermitteln ([X.], Urteil vom 13. Juni 1995 - [X.] = NJW 1995, 2794). Im vorliegenden Fall lagen jedoch aufgrund des ihm im Zuge der Vorbereitung der Beurkundung zur Kenntnis gebrachten oder zumindest erkennbaren [X.] hinreichende Anhaltspunkte vor, die zu einer solchen Belehrung [X.] Anlaß geben müssen: Im Grundbuch war der gesamte Grundbesitz des [X.] als "Hof gemäß der Höfeordnung" ausgewiesen; unerheblich ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt -, daß er nach der Behauptung des [X.] schon seit langem nicht mehr bewirtschaftet worden sein soll. [X.] 7 -

gentümer war [X.] gewesen. Da der Kläger den-selben Familiennamen trägt, lag der Rückschluß dringend nahe, daß der Hof dem Kläger im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge durch Übergabe-vertrag übertragen worden war. Dies wiederum hatte die rechtliche Konse-quenz, daß zugunsten der anderen Abkömmlinge der Erbfall hinsichtlich des Hofes mit dem Zeitpunkt der Übertragung als eingetreten galt (§ 17 Abs. 2 [X.]). Die [X.] des § 13 [X.] begann somit mit dem im Grundbuch ausgewiesenen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Kläger (27. Februar 1979) und endete am 27. Februar 1999. Bei Wahrnehmung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte der [X.] die Möglichkeit in Rechnung stellen müssen, daß weitere erbberechtigte Abkömmlinge vorhanden waren. Er durfte sich insbesondere nicht darauf verlassen, daß deren etwaige Ansprüche be-reits im Hofübergabevertrag geregelt waren, sondern hätte zumindest beim Kläger Rückfrage halten müssen. Mit der Aufklärung über etwaige [X.] hätte er auch nicht etwa seine Neutralitätspflicht gegenüber den anderen möglichen Erben verletzt, da es insoweit lediglich um eine Klarstellung der objektiven Rechtslage gegangen wäre. Daß der [X.] diesem gesamten Fragenkomplex keine Aufmerksamkeit gewidmet hat, begründet bei Anlegung eines objektivierten Sorgfaltsmaßstabs einen [X.].
2. Das Berufungsgericht meint sodann weiter, etwaige Nachabfindungsan-sprüche hätten bereits dadurch zu Fall gebracht werden können, daß die Ein-tragung der Käufer als neue Eigentümer in das Grundbuch auf einen Zeitpunkt nach dem 27. Februar 1999, mithin nach Ablauf der [X.], [X.] worden wäre. Es stellt aufgrund der vor ihm durchgeführten Beweis-aufnahme in revisionsrechtlich nicht angreifbarer tatrichterlicher Würdigung fest, daß die Käufer damit ohne hierüber hinausgehende Änderungen des - 8 -

[X.] einverstanden gewesen wären. Damit verkennt es jedoch - wie die Revision mit Recht geltend macht -, daß eine solche Verfah-rensweise nicht geeignet gewesen wäre, den Kläger von den Nachabfindungs-ansprüchen zu befreien.

a) Sie wäre nämlich auf eine unzulässige Umgehung der gesetzlichen Regelung der §§ 13, 17 [X.] hinausgelaufen. Auch im Anwendungsbereich dieser Bestimmungen ist anerkannt, daß die Ergänzungspflicht durch besonde-re Gestaltung des [X.] dann nicht umgangen werden kann, wenn diese die nach § 12 [X.] Berechtigten in einer gegen [X.] und Glau-ben verstoßenden Weise benachteiligt (vgl. Lange/Wulff/[X.], [X.], 10. Aufl. 2001 § 13 Rn. 76 m.w.[X.]). Insbesondere gilt auch in diesem Bereich der Rechtsgedanke des § 162 BGB ([X.], Beschluß vom 7. Juli 1964 - [X.] = [X.], 20, 21).

b) Allerdings mag es dem Veräußerer noch nicht zum Nachteil gerei-chen, wenn er das Verpflichtungsgeschäft vor Ablauf der 20 Jahre abschließt, das Eigentum aber erst nach Ablauf dieser Zeitspanne übergehen soll ([X.], Beschluß vom 10. Dezember 1965 - [X.] = RdL 1966, 73; vgl. [X.]/Wulff/[X.] aaO Rn. 77). So liegt der Fall hier indessen nicht: Das gesamte Geschäft war darauf angelegt, im Jahre 1998 abgewickelt zu werden. Insbesondere wurden die beiderseitigen Leistungen ausgetauscht und die Käufer in den Besitz des Kaufgegenstandes gesetzt, ohne daß sie [X.] eine Nutzungsentschädigung zu entrichten hatten. Dies bedeutete, daß der Vertrag ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Eintragung der durch Vormer-kung gesicherten Käufer in das Grundbuch in vollem Umfang tatsächlich, wirt-schaftlich und rechtlich in Vollzug gesetzt worden war. Bei dieser Sachlage - 9 -

konnte ein Hinausschieben der Umschreibung nur den Zweck verfolgen, die Ansprüche der weichenden Erben zu vereiteln. Dies wäre mit dem Grundsatz von [X.] und Glauben nicht vereinbar gewesen ([X.] aaO).

3. Dementsprechend fehlt es beim derzeitigen Sachstand an hinreichend tragfähigen Feststellungen dazu, daß die Amtspflichtverletzung des [X.]n für den dem Kläger entstandenen Schaden ursächlich geworden ist. [X.] läßt sich nicht ausschließen, daß der Kläger bei Kenntnis möglicher [X.] das gesamte Veräußerungsgeschäft auf einen Zeit-punkt hinausgeschoben hätte, zu dem es hätte durchgeführt werden können, ohne daß die Gefahr treuwidriger Benachteiligung der weichenden Erben [X.] hätte. Der Kläger hat dies vorgetragen; der [X.] hat substantiiert erwidert, daß der Kläger in jedem Falle auf eine Veräußerung des Hofes im Jahre 1998 angewiesen gewesen sei und daß die Chancen auf eine Verschie-bung dieses Termins äußerst unsicher gewesen seien. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht nachzugehen haben.

[X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 302/03

27.05.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2004, Az. III ZR 302/03 (REWIS RS 2004, 2974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2974

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.