Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2014, Az. VII ZR 28/13

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2501

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZR
28/13

vom

1.
Oktober 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2, § 139 Abs. 2 Satz 1
Stützt ein Berufungsgericht in einem Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO seine Rechtsauffassung auf einen Gesichtspunkt, den der Berufungskläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, muss diesem Gelegenheit zur Äuße-rung gegeben werden, §
139 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die hierdurch veranlassten neu-en Angriffs-
und Verteidigungsmittel dürfen nicht zurückgewiesen werden.
[X.], Beschluss vom 1. Oktober 2014 -
VII ZR 28/13 -
KG Berlin

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
1.
Oktober
2014
durch [X.]
Dr.
[X.], die Richter
Halfmeier, [X.] und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.
Der Beschluss des 27.
Zivilsenats des Kammergerichts
vom 22.
November 2012 wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgeho-ben.
Die Sache
wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbe-schwerde, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts
zu-rückverwiesen.
Gegenstandswert:
37.932,01

Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von dem [X.]n [X.]. Die [X.] streiten insbesondere darüber, ob zwischen ihnen ein Architektenvertrag zustande gekommen ist.

1
-
3
-
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, in der sich drei Architekten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Der [X.] ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit dem Ziel des deutsch-russischen Kulturaustauschs, der u.a. in B.
zweisprachige Kinderta-gesstätten betreibt.
Der [X.] plante
die Eröffnung einer weiteren Kindertagesstätte und erwog die Einrichtung einer zweisprachigen Grundschule. Er
suchte
nach ge-eigneten Gewerberäumen. Im Rahmen dieser Suche wurde der [X.] auf die Gewerberäume in der [X.] 187 in B.
aufmerksam.
Die Klägerin übersandte Frau [X.], der Geschäftsführerin des
[X.]n, unter dem 8.
Juli 2010 einen Architektenvertrag betreffend die Umnutzung des genannten Gebäudes zu einer Grundschule, einem Kindergarten, einer Kunst-schule, einer Verwaltung, eines Internatsbereichs und einer Mensa. In diesem Vertrag sind
der [X.] als Bauherr und die Klägerin als Architekt genannt. Frau [X.]
unterzeichnete diesen Vertrag unter dem 14.
Juli 2010. Die Klägerin erbrachte daraufhin
Planungsleistungen, für die sie als Abschlagszahlung 37.932,01

Der [X.] meint, zur Zahlung unter anderem
deshalb nicht verpflichtet zu sein, weil die Geschäftsführerin keine Vertretungsmacht zum Abschluss des [X.] gehabt habe und die [X.] mangelhaft und für ihn
wertlos sei.
In dem Vereinsregister heißt es zur Vertretung des [X.]n:
"Der Verein wird gerichtlich und außergerichtlich vertreten durch den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter zusammen mit einem anderen Vorstandsmitglied."
In der Satzung des
[X.]n heißt es in §
7
unter anderem:
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3
4
5
6
-
4
-
"Der Vorstand besteht aus
1. dem/der Vorsitzenden.
2. drei stellvertretenden Vorsitzenden
3. dem/der Schriftführer/in
4. dem/der Schatzmeister/in

2. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich im Sinne des §
26 des [X.].
Der Vorsitzende oder sein Stellvertreter vertreten den Verein [X.] mit einem weiteren Vorstandsmitglied.

3. Über Grundstücks-
und Kreditgeschäfte sowie Verpflichtungen über DM 10.000 entscheidet der Vorstand gemeinsam."

Das [X.] hat die Klage
abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht
mit Beschluss nach §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewie-sen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Berufungs-gerichts wendet sich die von der Klägerin eingelegte Beschwerde, mit der der [X.] weiterverfolgt
wird.

II.
1. Das Berufungsgericht führt aus, das [X.] habe die Verneh-mung der benannten Zeuginnen zu der Behauptung, die Geschäftsführerin [X.] sei vom Vorstand in Person des Vorstandsvorsitzenden bevollmächtigt gewe-sen, die Klägerin mit den Architektenleistungen zu beauftragen und den [X.] mit der Klägerin zu unterschreiben, nicht verfahrensfehlerhaft [X.]. Diese Behauptung sei unerheblich, denn nach der [X.] des [X.]n aus der Satzung werde dieser durch den Vorsitzenden oder seinen Stellvertreter zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied vertre-7
8
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5
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ten. Eine Bevollmächtigung der Geschäftsführerin nur durch den [X.] reiche nicht aus. Die
neue Behauptung der Klägerin im nachgelasse-nen Schriftsatz vom 5.
November 2012, dass neben dem Vorstandsvorsitzen-den mindestens noch ein weiteres Vorstandsmitglied die Geschäftsführerin [X.] bevollmächtigt habe, sei nach §§
520, 530, 296 ZPO verspätet. Dies hätte in-nerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgetragen werden können und müs-sen.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör, Art.
103 Abs.
1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, §
544 Abs.
7 ZPO.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an einen an-deren Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen,
§
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO.
a) Bleiben Angriffsmittel einer [X.] deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift wie des §
530 ZPO zu Unrecht für ausgeschlossen erachtet hat, so ist
zugleich das rechtliche Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG)
der [X.] verletzt (vgl. [X.], [X.] vom 2.
September
2013

VII
ZR
242/12,
juris Rn.
7; Beschluss vom 21.
März
2013

VII
ZR
58/12, [X.], 1146 Rn. 9
= NZBau 2013, 433, [X.] zu §
531 ZPO).

Stützt ein Berufungsgericht in einem Hinweis nach §
522 Abs.
2 Satz
2 ZPO seine Rechtsauffassung auf einen Gesichtspunkt, den der [X.] erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, muss diesem Ge-legenheit zur Äußerung gegeben werden, §
139 Abs.
2 Satz
1 ZPO. Die hier-9
10
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-
6
-
durch veranlassten neuen Angriffs-
und Verteidigungsmittel dürfen nicht zu-rückgewiesen werden.
b) Danach ist die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG verletzt. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenom-men, dass die Klägerin mit ihrem

mit [X.] versehenen

Vor-bringen aus dem Schriftsatz vom 5.
November 2012,
Seite 4, neben dem [X.] habe mindestens noch ein weiteres Vorstandsmitglied zu-sammen mit diesem die Geschäftsführerin [X.] bevollmächtigt, die Klägerin mit den Architektenleistungen zu beauftragen und den Architektenvertrag zu unter-schreiben, gemäß §§
530, 520, 296 ZPO ausgeschlossen bleibt.
Der vom Berufungsgericht präkludierte Vortrag der Klägerin,
neben dem Vorstandsvorsitzenden habe mindestens noch ein weiteres Vorstandsmitglied zusammen mit diesem die Geschäftsführerin [X.] bevollmächtigt, die Klägerin mit den Architektenleistungen zu beauftragen und den Architektenvertrag zu unter-schreiben, war durch den Hinweis des Berufungsgerichts
im Beschluss vom 20.
September 2012 veranlasst und erfolgte fristgerecht innerhalb der der
Klä-gerin gewährten Stellungnahmefrist. Dieser Hinweis war nach §
139 Abs.
2 ZPO geboten. Den
Gesichtspunkt, dass eine Bevollmächtigung der Geschäfts-führerin [X.] zum Abschluss des [X.] durch den Vorstandsvorsit-zenden allein nach der Satzung nicht genügt, sondern eine Bevollmächtigung durch ein weiteres Vorstandsmitglied erforderlich ist, hatte die Klägerin erkenn-bar übersehen; das [X.] hat sich zu diesem Gesichtspunkt nicht geäu-ßert.
Die Klägerin hatte erkennbar weder den vom [X.]n mit der [X.] vorgelegten [X.] noch die von ihr mit der [X.] vorgelegte Satzung zum Anlass genommen, das Erfordernis der Vertretung durch mehrere Personen zu bedenken.

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13
-
7
-
Soweit das Berufungsgericht im Beschluss vom 20.
September
2012
ausführt, auf die einschlägige Vertretungsregel habe bereits der [X.] im Schriftsatz vom 22.
Juli 2011
hingewiesen, trifft dies so nicht zu. Der Vortrag des [X.]n in jenem Schriftsatz erschöpfte
sich in einer Wiedergabe des Inhalts des [X.]s.
c) Der angefochtene Beschluss beruht auf dem [X.]. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer
für die Klägerin günstigeren Entscheidung
gelangt
wäre, wenn es den genannten [X.] berücksichtigt und den angebotenen Zeugenbeweis
(Schriftsatz vom 5.
November 2012, Seite 4) erhoben hätte.
d) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren [X.] der Klägerin in der Nichtzulassungsbe-schwerde auseinanderzusetzen.
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16
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8
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e) Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass eine Beschränkung der Vertretungsmacht, die sich möglicherweise aus §
7 Nr.
3 der Satzung ergibt, in der Eintragung im Vereinsregister gemäß dem vorgelegten Ausdruck keine Ent-sprechung hat
und deshalb
§
70 i.V.m. §
68 Satz
1 [X.] zu berücksichtigen ist.

[X.]

Halfmeier

Kartzke

Jurgeleit

Graßnack

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.09.2011 -
22 O 148/11
-
KG Berlin, Entscheidung vom 22.11.2012 -
27 U 154/11
-
17

Meta

VII ZR 28/13

01.10.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.10.2014, Az. VII ZR 28/13 (REWIS RS 2014, 2501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2501

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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