Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.07.2019, Az. V R 27/17

5. Senat | REWIS RS 2019, 5364

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Steuerfreie Leistungen eines Verfahrensbeistands


Leitsatz

Ein nach § 158 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) gerichtlich bestellter Verfahrensbeistand kann sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des [X.] vom 17.05.2017 - 9 K 3140/14 und der Umsatzsteuerbescheid 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014 aufgehoben und die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus ihrer Tätigkeit als Verfahrensbeistand steuerfrei sind.

2

Die Klägerin, eine Diplom-Psychologin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Mediatorin und Systemische Beraterin, betreibt seit 2003 eine eigene Praxis. Im Streitjahr (2013) erbrachte sie u.a. Leistungen als Verfahrensbeistand nach § 158 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Fam[X.]). In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für das [X.] erklärte sie zunächst [X.] zum Regelsteuersatz von 15.966 €, legte gegen diese Voranmeldung aber Einspruch ein und beantragte unter Berufung auf die Steuerfreiheit nach Unionsrecht die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 €.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014). Im Laufe des Klageverfahrens erließ das [X.] einen [X.] 2013, in dem es hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen ausging. Die Klage vor dem [X.] ([X.]) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der [X.]e (E[X.]) 2017, 1556 veröffentlichten Urteil sind die Leistungen der Klägerin weder nach nationalem Umsatzsteuerrecht (§ 4 Nr. 25 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung --UStG--) noch nach Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, h und i der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--) steuerfrei.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

5

Die Tätigkeit als Verfahrensbeistand sei nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei. Der Verfahrensbeistand werde in für das Kind existenziellen Verfahren tätig, die den Kernbereich der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) sowie die völkerrechtliche Schutzverpflichtung aus Art. 12 des [X.] über die Rechte des Kindes beträfen. Damit erfülle der Verfahrensbeistand eine staatlich und völkerrechtlich begründete Schutzverpflichtung für Kinder, seine Tätigkeit sei mithin Ausfluss einer [X.] Fürsorgeverpflichtung.

6

Die Klägerin sei auch eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung, da der Verfahrensbeistand durch das Gericht ausgewählt und bestellt werde. Der Verfahrensbeistand werde nach den in § 158 Abs. 7 Fam[X.] festgelegten "Preisen" vergütet und unterliege daher ebenso strengen Kriterien der "öffentlichen Kontrolle" wie die Einrichtung des betreuten [X.] im Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) "[X.]" vom 21.01.2016 - [X.]/14 ([X.]:C:2016:36).

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] und den Umsatzsteuerbescheid 2013 zuletzt geändert durch Bescheid vom 24.02.2016 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.09.2014 aufzuheben und die Umsatzsteuer auf 0 € festzusetzen.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Die Klägerin erbringe mit ihrer Tätigkeit als Verfahrensbeistand keine eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundenen Leistungen, da sie lediglich in Gerichtsverfahren auftrete und dort die Interessen der betroffenen Kinder zur Geltung bringe (Abschn. 4.25.2 Abs. 9 des [X.]). Eine umfassende Personen- oder Vermögenssorge werde hingegen nicht wahrgenommen. Bei Kindern könne keine generelle Schutzbedürftigkeit i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL unterstellt werden, vielmehr sei für Leistungen gegenüber Kindern die --im Streitfall nicht einschlägige-- unionsrechtliche Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL zu prüfen.

§ 158 Fam[X.] stelle keine "spezifische" Vorschrift i.S. der [X.]-Rechtsprechung dar, da eine gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der fachlichen und persönlichen Anforderungen an einen geeigneten Verfahrensbeistand fehle und somit spezielle Anforderungen an die Person des [X.] nicht geregelt seien.

Auch der Gesetzgeber gehe von der Steuerpflicht der Leistungen eines [X.] aus. In § 158 Abs. 7 Satz 2 und 4 Fam[X.] sei für die Fälle der berufsmäßigen Tätigkeit als Verfahrensbeistand ausdrücklich eine Vergütung "incl. der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer" vorgesehen (BTDrucks 16/9733, S. 294 zur Neuregelung des § 158 Abs. 7 Fam[X.]).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu eng ausgelegt und die Leistungen der Klägerin als Verfahrensbeistand daher zu Unrecht nicht als steuerfrei behandelt.

1. Die Leistungen der Klägerin sind allerdings --wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist-- nicht nach § 4 Nr. 25 UStG steuerfrei. Sie erbringt weder Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 des [X.] ([X.]) oder nach § 2 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 50 [X.] (Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten) noch die in § 4 Nr. 25 Satz 3 unter a bis c im Einzelnen bezeichneten Leistungen.

2. Das [X.] hat aber zu Unrecht eine Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen. Entgegen dem Urteil des [X.] erbringt die Klägerin steuerbegünstigte Leistungen und ist auch als Einrichtung mit [X.]m Charakter anerkannt.

Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit [X.]m Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden". Die Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Es muss sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der [X.] Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen [X.]m Charakter anerkannt worden sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.08.2005 - V R 71/03, [X.], 543, [X.], 143, Rz 45 und 46, und vom 07.12.2016 - XI R 5/15, [X.], 550, [X.]NV 2017, 863; [X.]-Urteil [X.]. und [X.]. vom 26.05.2005 - [X.]/03, [X.]:C:2005:322, [X.] --UR-- 2005, 453, Rz 34).

a) Die Leistungen der Klägerin als Verfahrensbeistand sind "eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundene Dienstleistungen".

aa) Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts, der eine unionsrechtliche Definition erfordert (vgl. [X.]-Urteil [X.]. und [X.]., [X.]:C:2005:322, Rz 22, m.w.[X.]). Gleichwohl hat der [X.] diesen Begriff in seiner bisherigen Rechtsprechung weder definiert noch näher umschrieben, sondern sich darauf beschränkt, für die jeweils streitgegenständlichen Tätigkeiten zu entscheiden, ob diese unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen. Zu den nach bisheriger [X.]-Rechtsprechung befreiten Umsätzen gehören die Kinderbetreuung einschließlich der Vermittlung von Tageseltern ([X.]-Urteile Kinderopvang Enschede vom 09.02.2006 - [X.]/04, [X.]:[X.], [X.], Beilage 3, 256, Rz 27), der Betrieb von Heimen für betreutes Wohnen; [X.]. und [X.]., [X.]:C:2005:322) sowie die Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung für körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen ([X.]-Urteil [X.] vom 10.09.2002 - [X.]/00, [X.]:[X.], [X.]NV 2003, Beilage 1, 30, Rz 44).

Die Klägerin erbrachte zwar keine derartigen oder vergleichbaren Betreuungs- oder Pflegeleistungen. Bei der Prüfung der leistungsbezogenen Voraussetzung der unionsrechtlichen Steuerbefreiung ist allerdings zu berücksichtigen, ob der Personenkreis der Leistungsempfänger im Hinblick auf deren Bedürftigkeit dem Personenkreis der Sachverhalte entspricht, bei denen die Rechtsprechung das Merkmal der mit der Fürsorge oder der [X.] Sicherheit eng verbundenen Leistungen bereits bejaht hat (BFH-Urteil vom 01.12.2010 - XI R 46/08, [X.] 232, 232, Rz 30).

bb) Die Aufgabe des [X.] besteht darin, das Interesse des Kindes festzustellen und im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zur Geltung zu bringen. Dabei hat er das Kind über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren (§ 158 Abs. 4 Satz 1 und 2 Fam[X.]).

(1) Kinder gehören nach der o.g. [X.]-Rechtsprechung zu dem begünstigten Personenkreis. Ihre Schutzbedürftigkeit ergibt sich nicht nur aus der staatlichen Schutzpflicht (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG), sondern auch aus der [X.] (EuGRCh). Nach Art. 24 Abs. 1 EuGRCh haben Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind, gemäß Art. 24 Abs. 2 EuGRCh muss das Wohl des Kindes bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen eine vorrangige Erwägung sein. Hinzu kommt, dass die [X.] als Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention ([X.]) in der Pflicht steht, für Minderjährige einen "besonderen Schutz und Beistand" sicherzustellen (Art. 20 Abs. 1 [X.]).

(2) Der erkennende Senat kann offen lassen, ob Kinder "generell" als schutzbedürftig anzusehen sind und jegliche Leistungen ihnen gegenüber als "eng mit der Sozialfürsorge und der [X.] Sicherheit verbundenen Dienstleistungen" qualifiziert werden könnten. Denn ein Verfahrensbeistand ist nur zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes "erforderlich" ist. Hierzu zählt § 158 Abs. 2 Fam[X.] fünf Regelbeispiele auf, in denen dies grundsätzlich zu bejahen ist und in denen daher von einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Kindes auszugehen ist. Eine Bestellung ist erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, also wenn die Eltern das Verfahren zur Wahrung ihrer eigenen Interessen führen und die eigenen Interessen vor die des Kindes stellen (§ 158 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), bei teilweiser oder vollständiger Entziehung der Personensorge wegen Gefährdung des Kindeswohls (§ 158 Abs. 2 Nr. 2 Fam[X.]), bei einer Trennung des Kindes von der [X.] (§ 158 Abs. 2 Nr. 3 Fam[X.]) , bei einer Anordnung der Herausgabe oder Verbleibens des Kindes (§ 158 Abs. 2 Nr. 4 Fam[X.]) sowie beim Ausschluss oder einer wesentlichen Beschränkung des Umgangsrechts (§ 158 Abs. 2 Nr. 5 Fam[X.]).

cc) Hinzu kommt, dass sich --wie das [X.] zu Recht festgestellt [X.] die Tätigkeit der Klägerin als Verfahrensbeistand zwar von den Aufgaben der Jugendhilfe nach §§ 2 Abs. 3, 50 [X.] unterscheidet. Zu den Aufgaben der Jugendhilfe gehört die Mitwirkung in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. [X.], [X.], [X.], Gewaltschutzsachen), während der Verfahrensbeistand das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen hat. Die Tätigkeit des [X.] steht jedoch im Regelfall in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit des [X.] in [X.] und ist daher als "eng" mit der Sozialfürsorge verbundene Leistung zu qualifizieren.

Dem steht nicht entgegen, dass der Verfahrensbeistand als "Anwalt des Kindes" bezeichnet wird (vgl. [X.], "Der Anwalt des Kindes", [X.] 1996; [X.] in Bahrenfuss, Fam[X.], 3. Aufl. 2017, § 158 Rz 1) und die Bestellung eines [X.] unterbleiben oder aufgehoben werden soll, wenn die Interessen des Kindes von einem Rechtsanwalt angemessen vertreten werden (§ 158 Abs. 5 Fam[X.]). Denn der Verfahrensbeistand wird mit dem Akt der Bestellung zum "Beteiligten" (§ 158 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 7 Fam[X.]) und hat damit die Aufgabe, die Rechte des Betroffenen wahrzunehmen, ohne an dessen Weisungen gebunden zu sein. Es handelt sich daher weder um ein rechtsanwaltliches Mandatsverhältnis ([X.] in: [X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl. 2018, § 50 [X.] Rz 70) noch um eine anwaltsspezifische Tätigkeit ([X.] in [X.] Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 4, Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 158, Rz 34).

b) Entgegen der Ansicht des [X.] ist der Verfahrensbeistand auch als [X.] Einrichtung anerkannt.

aa) Einer Anerkennung als Einrichtung steht nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin um eine natürliche Person handelt. Denn der Begriff "Einrichtung" ist weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. [X.]-Urteil [X.] vom 07.09.1999 - [X.]/97, [X.]:[X.], UR 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu [X.]-Urteile [X.]. und [X.]., [X.]:C:2005:322, Rz 35 und 40; [X.] vom 28.11.2013 - C- 319/12, [X.]:C:2013:778, [X.] 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] legt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören
- das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der [X.] Sicherheit handeln kann,
- das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse,
- die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und
- die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der [X.] Sicherheit ([X.]-Urteile Kügler vom 10.09.2002 - [X.]/00, [X.]:[X.], Rz 54 und 58, und [X.] vom 15. November 2012 [X.], [X.]:[X.], Rz 26).

cc) Im Streitfall folgt die Anerkennung der Klägerin als [X.] Einrichtung aus dem Bestehen einer spezifischen Vorschrift für [X.], deren Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse sowie dem Neutralitätsprinzip.

(1) Die Anerkennung der Klägerin ergibt sich insbesondere aus § 158 Abs. 1 Fam[X.] als einer spezifischen Vorschrift [X.] der [X.]-Rechtsprechung. Danach hat das Gericht dem minderjährigen Kind einen "geeigneten" Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Eine besondere fachliche Qualifikation ist zwar nicht gesetzlich geregelt, nach der Gesetzesbegründung zu § 158 Fam[X.] soll aber eine Person bestellt werden, die "persönlich und fachlich geeignet ist, das Interesse des Kindes festzustellen und sachgerecht in das Verfahren einzubringen" (BTDrucks 16/6308, S. 238). Durch den Hinweis auf die "Geeignetheit" des [X.] wird klargestellt, dass bestimmte Mindestanforderungen im Hinblick auf Aus- und Vorbildung des [X.] und die von ihm bei der Arbeit zu beachtenden Standards einzuhalten sind (vgl. [X.], [X.], Beschluss vom 19.02.2014 - 17 UF 5/14, Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014, 285, Rz 24, m.w.[X.]). Diese Anforderungen umfassen Kenntnisse auf den Gebieten des Familien- und Kindschaftsrechts, des [X.], des Familienverfahrensrechts und der Entwicklungspsychologie. Die Person soll über Techniken und Kompetenzen verfügen, um Minderjährige zu verstehen und mit ihnen kommunizieren zu können; sie muss ferner über Vermittlungskompetenzen verfügen ([X.], Der Verfahrensbeistand nach § 158 Fam[X.], [X.], 2010). Dem entspricht, dass der Verfahrensbeistand gemäß § 158 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Fam[X.] entlassen werden kann, wenn er nachträglich als nicht mehr geeignet erscheint ([X.] Prütting/[X.], Kommentar zum Fam[X.], 4. Aufl. 2018, § 158 Rz 54; [X.], Beschluss vom 01.08.2013 - 5 UF 62/13, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2014, 1136, Rz 7; [X.] vom 14.04.2016 - 12 UF 140/15, [X.], 1694; [X.] vom 16.07.2007 - 4 UF 9/07, [X.], 2002).

Entgegen der Ansicht des [X.] steht einer Qualifikation als "spezifische" Vorschrift [X.] der [X.]-Rechtsprechung nicht entgegen, dass die Anforderungen an die Person des [X.] [X.] beruflicher Qualifikation nicht im Einzelnen gesetzlich geregelt sind (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2013 - V R 7/11, [X.] 241, 475, [X.], 976, unter [X.] (1), Rz 23 zur "Eignung" des [X.] nach § 1897 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Es genügt insoweit die gerichtliche Bestellung und Überwachung der Qualifikation eines "geeigneten" [X.].

(2) An der Tätigkeit eines [X.] in [X.] besteht ein besonderes Gemeinwohlinteresse. Die Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen obliegt zwar primär den Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Verfolgen diese jedoch gegensätzliche Interessen, die mit denen ihrer Kinder in Konflikt geraten, muss den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr eigenes Interesse in einer den Anforderungen des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) entsprechenden Eigenständigkeit im Verfahren geltend zu machen. Wird ein solcher Beistand nicht bestellt, verletzt dies die Grundrechte der betreffenden Kinder aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG (Beschluss des [X.] vom 29.10.1998 - 2 BvR 1206/98, [X.] 99, 145, Rz 78, zum Verfahrenspfleger nach § 50 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Vorgänger des [X.]). Denn aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Kindeswohls in Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt sich die Pflicht, das Kindeswohl verfahrensrechtlich dadurch zu sichern, dass den Kindern bereits im familiengerichtlichen Verfahren ein Pfleger zur Wahrung ihrer Interessen zur Seite gestellt wird.

(3) Darüber hinaus wäre ein Ausschluss der Klägerin von der Steuerfreiheit im Hinblick auf die für Betreuungsvereine bestehende Steuerfreiheit nicht mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu vereinbaren.

Neben freiberuflich tätigen Rechtsanwälten, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendpsychologen werden auch Mitarbeiter von [X.] vom Familiengericht zum Verfahrensbeistand in [X.] bestellt ([X.] Prütting/[X.], Fam[X.], 4. Aufl. 2018, § 158 Rz 27; [X.] in [X.] Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 158 Fam[X.] Rz 18). In diesem Fall steht der Vergütungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 277 Abs. 4 Fam[X.] dem Betreuungsverein zu (Beschluss des [X.] vom 27.11.2013 - XII ZB 682/12, [X.], 373). Soweit der Betreuungsverein --wie im [X.] einem anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege (z.B. [X.]) angeschlossen ist, sind die von ihm erbrachten Leistungen steuerfrei (vgl. hierzu [X.] Niedersachsen, Urteil vom 14.01.2010 - 5 K 162/09, [X.] Praxis 2010, 141; [X.], 1477, Leitsatz).

(4) Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass keine Übernahme der Kosten durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der [X.] Sicherheit erfolgt, da die Kosten des [X.] lediglich Auslagen des Gerichts darstellen, die dem Kostenschuldner nach Maßgabe von §§ 81, 83 Fam[X.] aufzuerlegen sind; soweit § 158 Abs. 7 Satz 5 Fam[X.] regelt, dass der Aufwendungsersatz und die Vergütung stets aus der Staatskasse zu zahlen sind, folgt daraus nur, dass die Beteiligten keine Vorschüsse zu leisten haben.

Die fehlende Kostenübernahme steht --entgegen der Auffassung des [X.]-- einer Steuerfreiheit aber nicht entgegen, da die Anerkennung als [X.] Einrichtung im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus § 158 Abs. 1 Fam[X.] als einer spezifischen Vorschrift für [X.], deren Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse sowie dem Neutralitätsprinzip folgt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Anerkennung mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind und die Anerkennung nicht voraussetzt, dass alle für die Anerkennung in Betracht kommenden Kriterien kumulativ vorliegen müssen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], Rz 31; BFH-Urteile in [X.] 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 28, sowie vom [X.], [X.] 234, 448, [X.]NV 2011, 1804).

dd) Unerheblich ist insoweit auch, dass der [X.] im Urteil Ordre des [X.] et germanophone u.a. vom 28.07.2016 - [X.] ([X.]:C:2016:605) die Berufsgruppe der Rechtsanwälte von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen hat, weil sie im Hinblick auf ihr Gesamtziel und die fehlende Dauerhaftigkeit eines etwaigen [X.] Engagements nicht als gemeinnützig angesehen werden kann ([X.]-Urteil Ordre des [X.] et germanophone u.a., [X.]:C:2016:605, Leitsatz 3 Satz 3 sowie Rz 62 bis 65). Dieses Urteil betrifft die fehlende Anerkennung von Anwälten für ihre Tätigkeit in Prozesskostenhilfeverfahren. Die Klägerin ist jedoch weder als Anwältin tätig noch übt sie eine anwaltsspezifische Tätigkeit aus (vgl. Ausführungen unter [X.] (3)). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Rechtsfigur des [X.] kein neues Berufsbild schaffen wollte ([X.] in [X.] Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 158 Fam[X.] Rz 18, m.w.[X.]). Gegen die Anerkennung eines Verfahrenspflegers als [X.] Einrichtung kann daher nicht geltend gemacht werden, dass diese Tätigkeit nur eines der Ziele einer weitergehenden freiberuflichen Tätigkeit darstellt.

ee) Die Steuerfreiheit der Leistungen als Verfahrensbeistand scheitert nicht an Art. 133 Buchst. c MwStSystRL.

Danach können die Mitgliedstaaten die Steuerbefreiung davon abhängig machen, dass die von den Einrichtungen verlangten Preise von den zuständigen Behörden genehmigt sein müssen oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine [X.] nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern. Unabhängig von der Frage, ob das UStG die durch Art. 133 MwStSystRL eingeräumte Ermächtigung wirksam ausgeübt hat (vgl. hierzu BFH-Urteil in [X.] 241, 475, [X.], 976, Rz 33) liegen im Streitfall behördlich genehmigte Preise vor. Die Festsetzung der Vergütung (sog. Fallpauschalen) richtet sich aufgrund der Verweisung in § 158 Abs. 7 Satz 6 nach § 168 Abs. 1, Abs. 4 Fam[X.] und erfolgt durch Anweisung der Zahlung durch den Kostenbeamten oder nach § 168 Abs. 1 Satz 1 durch förmliche Festsetzung durch den Rechtspfleger ([X.] Prütting/[X.], Fam[X.], § 158 Rz 63, m.w.[X.]). In beiden Varianten handelt das die Vergütung festsetzende Familiengericht damit funktional als zuständige Behörde.

c) Einer Steuerfreiheit nach Unionsrecht kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber in § 158 Abs. 7 Satz 4 Fam[X.] von der Umsatzsteuerpflicht der Vergütung des [X.] ausgeht. Die Gesetzesformulierung ("… die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer …") ist dahingehend auslegbar, dass die Umsatzsteuer nur dann als Bestandteil der Vergütung anzusehen ist, wenn sie nach geltendem Umsatzsteuerrecht geschuldet wird.

3. Das von anderen Grundsätzen ausgehende Urteil des [X.] verletzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und ist daher aufzuheben.

a) Die Klägerin übt als Verfahrensbeistand eine eng mit der [X.] Fürsorge verbundene Tätigkeit aus und ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Kriterien auch als [X.] Einrichtung anerkannt. Für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen kann sich die Klägerin mangels hinreichender Umsetzung in nationales Recht auf die für sie günstige Befreiungsnorm des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unmittelbar berufen (BFH-Urteile vom 18.08.2015 - V R 13/14, [X.] 251, 282, Rz 15, und in [X.] 241, 475, BStBl II 2013, 796, Rz 19 ff.).

b) Soweit sich aus Abschn. [X.] UStAE ergeben sollte, dass für gerichtlich bestellte [X.] auch die Berufung auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen wird, folgt der Senat dem nicht.

4. Die Sache ist [X.] einer Klagestattgabe spruchreif. Sind die Leistungen der Klägerin als Verfahrensbeistand steuerfrei, bleiben diese bei der Berechnung der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG außer Betracht. Der Gesamtumsatz des Vorjahres übersteigt dann nicht 17.500 € und der des [X.] nicht 50.000 €. Die Umsatzsteuer ist daher antragsgemäß auf 0 € herabzusetzen.

Meta

V R 27/17

17.07.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 17. Mai 2017, Az: 9 K 3140/14, Urteil

Art 6 Abs 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 24 EUGrdRCh, Art 20 UNKRÜbk, § 4 Nr 16 UStG 2005, § 4 Nr 25 UStG 2005, § 19 UStG 2005, Art 132 Abs 1 Buchst g EGRL 112/2006, Art 133 Buchst c EGRL 112/2006, § 7 FamFG, § 158 FamFG, § 168 FamFG, § 2 Abs 3 SGB 8, § 50 SGB 8, Abschn 4.25.2 UStAE, UStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.07.2019, Az. V R 27/17 (REWIS RS 2019, 5364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5364

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V R 34/19 (Bundesfinanzhof)

Steuerfreie Leistungen der Verfahrenspfleger


V R 39/16 (Bundesfinanzhof)

Umsatzsteuerfreiheit von Eingliederungsleistungen


V R 1/19 (Bundesfinanzhof)

Steuerfreiheit des Betriebs von Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften


XI R 30/20 (XI R 11/17), XI R 30/20, XI R 11/17 (Bundesfinanzhof)

(Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil Finanzamt D vom …


XI R 25/20 (Bundesfinanzhof)

Steuerfreie Beförderung von kranken und verletzten Personen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 682/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.