Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2013, Az. 4 StR 159/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4827

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
159/13

vom
20. Juni 2013
in der Strafsache
gegen

wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20.
Juni
2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],
Reiter

als beisitzende [X.],

[X.]in am [X.]

als Vertreterin
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 12.
Dezember 2012 wird verworfen.
Der
Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Brandstiftung sowie wegen versuchter schwerer Brandstiftung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seinen Pkw Audi
A
4 gemäß §
74 StGB eingezo-gen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Ange-klagten bleibt ohne Erfolg.
I.
1.
Nach den Feststellungen des [X.]s
wurde der Angeklagte von einer nicht identifizierten Person aus dem Umfeld der Familie B.

mit der
Ausführung von Brandanschlägen gegen die Familien D.

und Br.

beauftragt. Zu diesem Zweck deponierte er einen mit Benzin gefüllten, in [X.] gehüllten Kanister im Kofferraum seines Pkw und fertigte
Brandsätze an. Die Adressen der Objekte, deren Inbrandsetzen er beabsichtigte, gab er in ein mobiles Navigationsgerät ein und fuhr mit seinem Pkw zu den jeweiligen Tatorten.
1
2
-
4
-
Der Angeklagte, dem die Geschädigten unbekannt waren, handelte um
finanzieller
oder
sonstiger
persönlicher
Vorteile willen. Seiner Beauftragung

D.

und

Br.

zu Grunde, die sich in einem Konkurrenzkampf um
die Übernahme der insolventen

[X.] im Dezember
2010 gegenüber [X.]

, T.

und Bo.

B.

durchgesetzt hatten.
Im Einzelnen hat die [X.]
folgende Taten
festgestellt:
a)
In der Nacht vom 22. auf den 23.
August 2011 begab
sich
der Ange-klagte
zu dem Anwesen des

D.

in S.

/B.

und

t-telbar an dem auf dem Grundstück befindlichen Wohn-
und Stallgebäude. Das
beabsichtigte
Inbrandsetzen
des Gebäudes
gelang nicht. Es kam im Wesent-lichen nur
zu Rußanhaftungen und Abbranderscheinungen an einem Holztor. Ein dritter Brandsatz brannte mehrere Meter vom Gebäude entfernt auf dem Rasen ab (Fall
II.
2.1 der Urteilsgründe).
b)
Am 1.
November 2011 fuhr der Angeklagte gemeinsam mit einem
unbekannt gebliebenen Dritten zum Wohnhaus des

D.

in
F.

. Etwa gegen 21.00
Uhr setzte er einen von

D.

vor
dem Anwesen geparkten Firmenwagen der

[X.] GmbH in Brand,
indem er einen auf den vorderen rechten Reifen aufgebrachten Grillanzünder als Brandbeschleuniger benutzte. Der Motorraum brannte nahezu vollständig aus und es entstand ein Sachschaden in Höhe von 30.000

II.
2.2 der Urteilsgründe).

3
4
5
6
-
5
-
c)
Am 2.
Dezember 2011 warf der Angeklagte gegen 01.00
Uhr einen von ihm angefertigten Brandsatz (Mineralwasserflasche mit Brandbeschleu-niger) in Richtung des Wohnhauses der 87-jährigen Schwiegermutter von

Br.

in Su.

/[X.]

. Dabei traf er das mit Isolierglas
versehene Wohnzimmerfenster, dessen äußere Scheibe durch den Aufprall zerstört wurde. Der Brandsatz fiel zu Boden und brannte aus, ohne das [X.] in Mitleidenschaft zu ziehen. Ein zweiter vom Angeklagten geworfener
Brandsatz blieb auf dem Rasen
zurück (Fall
II.
2.3 der Urteilsgründe).
d)
In der Nacht zum 19.
Dezember 2011 suchte der Angeklagte erneut das Anwesen der Eheleute Br.

in Su.

/[X.]

auf und warf einen
Brandsatz (Limonadenflasche mit brennbarer Flüssigkeit)
gegen
die Hauswand des
hinteren Gebäudeteils, den die Eheleute als Zweitwohnung nutzten.
Das Feuer erlosch selbständig, ohne das Gebäude zu erfassen. Vier an die Haus-wand gelehnte Walkingstöcke, ein Kokosfaserabtreter und eine Holzbank nebst Dekoration wurden beschädigt (Fall
II.
2.4 der Urteilsgründe).
e)
In derselben Nacht warf der Angeklagte gegen 01.22
Uhr einen Brandsatz (Glasflasche mit Benzin) in die Toilette des Stall-
und [X.] auf dem Grundstück des

D.

in S.

/B.

. Da der
Toilettenraum gefliest
und die Tür zum angrenzenden Wohn-
und Stallbereich geschlossen war, konnte sich das Feuer nicht ausbreiten und ging von selbst aus (Fall
II.
2.5 der Urteilsgründe).
2.
Das [X.] hat seine
Überzeugung von der Täterschaft des [X.], der sich in der Hauptverhandlung zu den gegen ihn erhobenen [X.] nicht eingelassen hat, im Wesentlichen auf folgende Indizien gestützt:
7
8
9
10
-
6
-
a)
Die
Auswertung des in dem Pkw Audi
A
4 des Angeklagten befind-lichen Navigationsgerätes hat
ergeben, dass die Adressen sämtlicher Tatorte

obwohl
der
Angeklagte die Geschädigten nicht gekannt hat

zunächst ge-speichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder gelöscht worden sind.
b)
Am 21.
Dezember 2011 ist
im
Kofferraum des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Audi
A
4 ein Benzinkanister, teilgefüllt mit Ottokraftstoff und ein-gewickelt in ein Bettlaken, sichergestellt worden.
c)
[X.] vor der Tat vom 1.
November 2011 hat
sich
der Angeklagte
zusammen mit einem unbekannten Begleiter
in unmittelbarer
Tatortnähe aufge-halten und ist
von einem Zeugen in seinem Pkw Audi
A
4 angesprochen [X.]. Die Personenbeschreibung einer weiteren Zeugin, die
ebenfalls
in [X.] zwei männliche, sich auffällig verhaltende Personen beobachtet hat, passt auf den Angeklagten.
d)
Auf dem Mobiltelefon des Angeklagten ist
unter dem 23.
September 2011 ein Foto gespeichert, das ein

l-ben Tag hat
der Angeklagte den Audi
A
4 zu einem Kaufpreis von 11.690

r-worben und bar bezahlt, obwohl er aus eigenen Mitteln einen so hohen [X.] nicht hat
aufbringen können.
e)
Der Angeklagte
hat
Bo.

B.

, über dessen Kontaktdaten er verfügt
hat,
im [X.] 2011 persönlich aufgesucht. Zu den Familien D.

und
Br.

hat
er in keiner persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehung gestan-
den.
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14
15
-
7
-
f)
Sämtliche Brandanschläge sind
nach einem ähnlichen Begehungsmus-ter erfolgt und haben
sich ausschließlich gegen die Familien D.

und
Br.

gerichtet, die sich im Dezember 2010 in dem wirtschaftlichen Konkur-
renzkampf um die Übernahme der

[X.] gegenüber den
ehemals firmenangehörigen Mitgliedern der Familie B.

durchgesetzt hat-
ten.
g)
Nach der Inhaftierung des Angeklagten haben
keine weiteren Brand-anschläge mehr stattgefunden.
II.
Die Beweiswürdigung des [X.]s hält rechtlicher Überprüfung stand. Sie trägt in allen Fällen die Verurteilung des Angeklagten als Täter der Brandanschläge.
1.
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§
261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicher-tem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene
Anforderungen stellt. Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Über-zeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 16
17
18
19
-
8
-
26.
April 2012

4
StR
599/11, Rn.
9; vom 6.
Dezember 2012

4
StR
360/12, [X.], 180).
Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die
Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be-
oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestell-ten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztat-sache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen ([X.], Urteile vom 9.
Juni 2005

3
StR
269/04, NJW 2005, 2322, 2326; vom 4.
April 2013

3
StR
37/13, Rn.
5).
2.
Daran gemessen weist das Urteil
keinen durchgreifenden Rechtsfehler
auf.
a)
Nicht zu beanstanden ist, dass das [X.] aus der Gesamtheit der festgestellten Beweisanzeichen den Schluss auf die Täterschaft des Ange-klagten in sämtlichen Fällen gezogen hat. Die ausführlichen
Urteilsgründe [X.] nicht besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung der Indiztatsachen nur unzureichend vorgenommen hat. Das [X.] konnte aus der Bedeutung und dem Gewicht der festgestellten Indizien in zulässiger Weise den Schluss ziehen, dass der Angeklagte sämtliche Brandanschläge eigenhändig verübt und dabei alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht hat, so dass er unabhängig von der etwaigen Beteiligung Dritter in jedem Fall unmittelbarer Täter ist (§
25
Abs.
1 Alt.
1 StGB).
Das Gericht hat nicht nur einzelne Indiztatsachen aufgezählt, sondern in hinreichender Weise
das Beweisergebnis in seiner Gesamtheit gewürdigt und näher dargestellt,
warum es
von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt ist
und eine
bloße 20
21
22
-
9
-
Gehilfenstellung verneint
hat
(UA S.
15

23). Insbesondere die Einspeicherung sämtlicher Tatorte in das Navigationsgerät des Angeklagten, das Auffinden des teilgefüllten, mit einem Bettlaken umwickelten
Benzinkanisters im Kofferraum seines [X.] und seine Identifizierung in
Tatortnähe (Fall
II.
2.2 der Urteilsgründe) stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage seiner Täterschaft. Dass die [X.] gegen eine Täterschaft des Angeklagten sprechende Indizien übersehen oder nicht in die Gesamtabwägung einbezogen hat, ist nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung beruht nach alledem auf einer hinreichend fundierten und konkretisierten
Tatsachengrundlage.
b)
Soweit die Revision eine relevante Lücke der Beweiswürdigung vor
allem darin sieht, dass aus den festgestellten Indiztatsachen
gleichermaßen der Schluss hätte gezogen werden können, der Angeklagte habe lediglich den wah-ren Täter zum Tatort gefahren oder die Tatorte nur ausgespäht, beruht dies
zum einen
auf einer eigenen Gewichtung der Beweisbedeutung der einzelnen Indizien und zum anderen auf
urteilsfremden
Erwägungen. Dieser Versuch, die fehlerfreie Beweiswürdigung des Tatrichters
durch eine eigene zu ersetzen, ist revisionsrechtlich unerheblich.
Da das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Angeklagte die Taten eigenhändig begangen hat, bedurfte es keiner

n

r-für entwickelten allgemeinen Kriterien (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
April 1988

3
StR
109/88,
[X.]R StGB §
25 Abs.
2 Tatinteresse
4).
c)
Dass
dem Beschwerdeführer die Schlussfolgerungen der Kammer zur Frage der Motivation des Angeklagten und der Beauftragung durch unbekannte , ist im Revisionsverfahren eben-falls bedeutungslos. Das Urteil hat sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit der finanziellen Situation des Angeklagten sowie seinen Beziehungen zu den 23
24
-
10
-
Geschädigten und der Familie B.

auseinandergesetzt und dabei
in zulässi-
ger Weise
den
auf konkrete Tatsachen gestützten
Schluss gezogen, dass der Angeklagte
zur Erlangung finanzieller oder sonstiger persönlicher Vorteile ge-handelt hat. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Mutzbauer
Roggenbuck
[X.]

Quentin
Reiter

Meta

4 StR 159/13

20.06.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.06.2013, Az. 4 StR 159/13 (REWIS RS 2013, 4827)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4827

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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