Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2011, Az. 4 StR 175/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6337

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erpresserischer Menschenraub: Erforderlichkeit einer Bereicherungsabsicht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen erpresserischen [X.] in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s plante der geschäftlich mehrfach gescheiterte Angeklagte die finanzielle Schädigung der [X.] [X.]   , da er die Vertreter dieser [X.] für seinen beruflichen Misserfolg verantwortlich machte. Nachdem er herausgefunden hatte, dass die mit der [X.] verbundene gemeindliche [X.] ([X.]) über große liquide Geldmittel verfügte, wollte er der [X.] diese Mittel durch eine Überweisung entziehen und damit mittelbar die Zahlungsunfähigkeit der [X.] [X.]   herbeiführen. Um dieses Ziel zu erreichen, wollte er die Leiterin des Rechnungswesens der [X.], die Geschädigte [X.]  , in seine Gewalt bringen und dazu zwingen, eine Überweisung vom Konto der [X.] auf ein Spendenkonto zu Gunsten der Opfer der [X.] im Januar 2010 vorzunehmen, wobei er sich vorstellte, dass die betreffende Geldsumme durch die Überweisung für die [X.] und die [X.] [X.]     endgültig verloren sein würde. Als sich die Geschädigte am frühen Morgen des 9. April 2010 in ihrem Fahrzeug auf dem Weg zur Arbeit befand und an einer Baustelle verkehrsbedingt halten musste, stieg der Angeklagte, der sie an diesem Tag wie auch an anderen mit seinem Pkw verfolgt hatte, überraschend auf der Beifahrerseite ihres Pkw ein und zwang sie unter Vorhalt einer von ihr als echt eingeschätzten Pistole, auf einen nahe gelegenen Parkplatz zu fahren. Von dort aus transportierte der Angeklagte die Geschädigte, die er inzwischen an Händen und Füßen gefesselt hatte, in deren Pkw auf der Rücksitzbank liegend zu seinem Wohnhaus. In dieser Liegeposition musste die Geschädigte mehr als eine Stunde verharren, bis sie vom Angeklagten, der ihr in der Folgezeit auch noch die Augen mit Klebeband verklebte, zu einer von ihm früher betriebenen Gaststätte verbracht wurde. Dort befragte der Angeklagte die Geschädigte [X.]   zu den bei der [X.] vorhandenen Geldmitteln; die Geschädigte bestätigte, dass diese in Höhe von mehreren Millionen vorhanden seien. Als von dem Ehemann der Geschädigten alarmierte Polizeibeamte vor der Gaststätte erschienen, leugnete der Angeklagte zunächst den Aufenthalt der Geschädigten in den Räumlichkeiten, gab jedoch dann weiteren Widerstand auf, da sich die Beamten nur noch wenige Schritte von der gefesselt auf einem Stuhl sitzenden Geschädigten befanden, die daraufhin befreit werden konnte.

3

2. Mit diesen Feststellungen ist die Bereicherungsabsicht des Angeklagten [X.]. § 316a Abs. 1, §§ 239a, 255 StGB nicht hinreichend belegt.

4

a) Die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, deckt sich inhaltlich voll mit der beim Betrug vorausgesetzten Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen ([X.], Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 [X.], [X.]R StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 3). Es muss eine Bereicherung als Vermögensvorteil, d.h. eine günstigere Gestaltung der Vermögenslage im Sinne einer Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens erstrebt werden (SSW-StGB/[X.], § 253 Rn. 27 mwN). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens voraussieht, etwa dann, wenn er dem Opfer nur einen Denkzettel verpassen ([X.], Beschluss vom 27. September 2005 - 1 [X.], [X.], 450) oder „ein Zeichen setzen“ will (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 [X.], [X.], 412).

5

b) Gemessen daran ergeben die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen nicht, dass der - umfassend geständige - Angeklagte einen Vermögensvorteil für sich oder einen Dritten erstrebte. Sein Tatplan war nach den Urteilsfeststellungen vielmehr darauf gerichtet, der [X.] die Geldmittel durch eine - erzwungene - Überweisung zu entziehen, die [X.] [X.]     auf diesem Wege erheblich zu schädigen und ihren Verantwortlichen dadurch zu demonstrieren, "wie es ist, kein Geld mehr zu haben".

6

3. Der Rechtsfehler betrifft den Schuldspruch wegen erpresserischen [X.] ebenso wie die tateinheitliche Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer. Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]                                   Mutzbauer

                          Franke                                        [X.]

Meta

4 StR 175/11

24.05.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 15. Dezember 2010, Az: 2080 Js 22213/10 - 1 KLs, Urteil

§ 239a StGB, § 255 StGB, § 316a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2011, Az. 4 StR 175/11 (REWIS RS 2011, 6337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6337

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 175/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 385/11 (Bundesgerichtshof)

Erpresserischer Menschenraub: Voraussetzungen der Ausnutzungsvariante


3 StR 385/11 (Bundesgerichtshof)


2 StR 163/13 (Bundesgerichtshof)

Erpresserischer Menschenraub und räuberische Erpressung: Behandlung eines Irrtums über die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils


2 StR 388/13 (Bundesgerichtshof)

Gemeinschaftliche räuberische Erpressung: Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 504/19

Zitiert

4 StR 502/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.