Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.01.2013, Az. 7 AZR 661/11

7. Senat | REWIS RS 2013, 8963

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Gegenstand

Befristung eines Arbeitsverhältnisses - Abordnungsvertretung - Anforderungen an Rückkehrprognose


Leitsatz

Ein Vertretungsbedarf infolge der Abordnung einer Stammkraft kann einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses darstellen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23. Juni 2011 - 26 Sa 103/11 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der [X.]fristung ihres letzten Arbeitsvertrags.

2

Der Kläger war bei der [X.] aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge in der [X.] vom 1. September 2006 bis 31. August 2008 sowie in der [X.] vom 1. Dezember 2009 bis 30. September 2010 beschäftigt. Im Rahmen des letzten, am 31. Mai 2010 für die [X.] vom 1. Juni 2010 bis 30. September 2010 geschlossenen Arbeitsvertrags war er als Fachassistent (Tätigkeitsebene V) in der [X.], Geschäftsstelle [X.] des [X.] eingesetzt. Dem Arbeitsvertrag war ein Vermerk beigefügt, in dem es ua. heißt:

        

„Einstellung von Herrn E … als Fachassistent in der Eingangszone in der Arbeitsgemeinschaft (SGB II) mit befristetem Arbeitsvertrag nach dem [X.] für den [X.]raum vom 01.06.2010 bis 30.09.2010 bei der Agentur für Arbeit E, [X.].

        

[X.]fristungsgrund:

§ 14 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (Vertretung) für [X.] (Abordnung zur [X.][X.])“

3

[X.] war nach seiner [X.]rufsausbildung zum Fachangestellten für Arbeitsförderung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden. Mit Wirkung ab 1. Januar 2007 übertrug ihm die [X.]klagte die Tätigkeit eines Fachassistenten der Tätigkeitsebene V in der [X.], [X.], Geschäftsstelle [X.]. Von dort aus wurde er verschiedentlich auf folgende höherwertigen Stellen der [X.] abgeordnet: Für die [X.] vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 übertrug ihm die [X.]klagte im Rahmen einer Personalentwicklungsmaßnahme vorübergehend die Tätigkeit eines Arbeitsvermittlers. Mit Schreiben vom 4. November 2009 ordnete sie [X.] für die [X.] vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 zur Regionaldirektion [X.]rlin-[X.] ab und übertrug ihm vorübergehend eine Stelle als Sachbearbeiter für Vertragswesen im [X.]. Diese Abordnung wurde mit Schreiben der [X.] vom 16. Juni 2010 bis zum 31. Dezember 2010 verlängert; dies stand bereits Anfang Mai 2010 fest. Für die [X.] vom 24. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 wurde [X.] nochmals zur Regionaldirektion [X.]rlin-[X.] abgeordnet.

4

Mit der am 9. Juli 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen [X.]fristungskontrollklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, es liege kein Vertretungsfall vor. Nachdem [X.] für einen so langen [X.]raum höherwertige Tätigkeiten übertragen worden seien, habe die [X.]klagte nicht ernsthaft mit seiner Rückkehr auf den Arbeitsplatz als Fachassistent rechnen können. Im Übrigen habe die [X.]klagte [X.] infolge der langfristigen Zuweisung höherwertiger Tätigkeiten nicht mehr einseitig mit Tätigkeiten der Tätigkeitsebene V befassen dürfen.

5

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch [X.]fristung zum 30. September 2010 geendet hat,

        

2.    

die [X.]klagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fachassistenten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

6

Die [X.]klagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die [X.]fristung des letzten Arbeitsvertrags sei durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Der Kläger habe den abgeordneten [X.] vertreten. Ab dem 15. Juni 2010 habe [X.] außerdem die Fachkraft im [X.] Frau N und ab dem 20. September 2010 die Sachbearbeiterin im Vertragswesen Frau K vertreten, die der [X.] wegen Mutterschutz bzw. Elternzeit nicht zur Verfügung gestanden hätten.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]rufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die [X.]klagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass auch ein [X.] infolge der Abordnung einer Stammkraft einen Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] darstellen kann. Jedoch durfte es sich bei der Überprüfung der von der Beklagten zum [X.]punkt der [X.] [X.] nicht auf die Anwendung der Grundsätze beschränken, die der [X.] zu den Fällen der vollständigen Abwesenheit der Stammkraft etwa wegen [X.]rankheit, Urlaub, Elternzeit oder Freistellung entwickelt hat. Von diesen Fallgestaltungen unterscheidet sich die Abordnung der Stammkraft nicht unerheblich. Zum einen fällt bei der Abordnung die Arbeitskraft der Stammkraft nicht aus, sondern steht dem Arbeitgeber zur Ausübung seines Direktionsrechts zur Verfügung. Zum anderen liegt die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz regelmäßig jedenfalls auch im Einflussbereich des Arbeitgebers. Daher kann der Arbeitgeber in Fällen der Abordnung der Stammkraft nicht ohne Weiteres davon ausgehen, die Stammkraft werde, sofern sie nicht Gegenteiliges erklärt habe, zurückkehren. Vielmehr muss er bei der von ihm anzustellenden Prognose alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen, insbesondere auch solche, die aus seiner Organisationssphäre stammen.

9

A. [X.]ach den vom [X.] getroffenen Feststellungen kann der [X.] nicht abschließend beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der am 31. Mai 2010 vereinbarten Befristung zum 30. September 2010 beendet worden ist.

I. Gegenstand der am 9. Juli 2010 rechtzeitig innerhalb der [X.] des § 17 Satz 1 [X.] erhobenen Befristungskontrollklage ist, wie sich aus dem klägerischen Vorbringen ohne Weiteres ergibt, ausschließlich die am 31. Mai 2010 für die [X.] vom 1. Juni 2010 bis zum 30. September 2010 vereinbarte letzte Befristung. Die Frist des § 17 Satz 1 [X.] ist auch durch eine [X.]lage gewahrt, die bereits vor Ablauf eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses erhoben wird (vgl. etwa [X.] 21. September 2011 - 7 [X.] - Rn. 8 mw[X.], AP [X.] § 14 [X.]r. 86 = EzA [X.] § 14 [X.]r. 81).

II. Die [X.] vom 31. Mai 2010 bedurfte der Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund. Eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags vom 31. Mai 2010 war nach § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausgeschlossen, weil zwischen den Parteien innerhalb der letzten drei Jahre vor Abschluss des befristeten Vertrags ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Der [X.]läger stand bereits vom 1. September 2006 bis 31. August 2008 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten.

III. Die Begründung des [X.]s, die [X.] vom 31. Mai 2010 sei nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 [X.]r. 3 [X.] durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Zutreffend ist das [X.] allerdings im Ausgangspunkt von den vom [X.] zum Sachgrund der Vertretung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] entwickelten Grundsätzen ausgegangen. Der Grund für die Befristung liegt in [X.] darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet. Für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben durch einen Vertreter besteht von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Der Sachgrund der Vertretung setzt daher einen [X.]ausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des Vertreters muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Arbeitnehmers entsteht. [X.]immt der Arbeitgeber den Vertretungsfall zum Anlass für eine befristete Beschäftigung, ist aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers zurückzuführen ist ([X.] 6. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 19 bis 21 mw[X.], [X.]E 136, 17).

2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass auch durch die vorübergehende Abordnung der Stammkraft ein [X.] iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] entstehen kann (ebenso [X.] 21. Mai 2012 - 1 Sa 34/11 - Rn. 40, [X.] § 14 [X.] [X.]r. 71; [X.], 288; [X.] 26. Mai 2010 - 2 Sa 321/09 - Rn. 12; [X.] 16. März 2011 - 9 Sa 1308/10 - Rn. 29, nicht rkr.; [X.] 14. September 2011 - 3 Sa 69/11 - Rn. 31, [X.] § 14 [X.] [X.]r. 66, nicht rkr.; wohl auch [X.] in [X.]/Thüsing [X.] 3. Aufl. § 14 Rn. 33). Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags kann auch dann vorliegen, wenn eine Stammkraft vorübergehend höherwertige Aufgaben wahrzunehmen hat und der Arbeitgeber deren eigentliche Tätigkeit dem Vertreter zuweist. In den Fällen der unmittelbaren und der mittelbaren Vertretung erfordert es der Sachgrund der Vertretung nicht, dass der zu vertretende Arbeitnehmer an der Erbringung der Arbeitsleistung insgesamt verhindert ist. Dies ergibt die Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.].

a) Bereits der Wortsinn des § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] spricht dafür, dass der Sachgrund der Vertretung nicht notwendig die vollständige Abwesenheit des „anderen Arbeitnehmers“ vom Betrieb oder Unternehmen voraussetzt, sondern es genügt, wenn dieser - gleich aus welchem Grund - an der Erbringung der „eigentlich“ geschuldeten Arbeitsleistung verhindert ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Arbeitsleistung im Wege der unmittelbaren Vertretung dem Vertreter übertragen wird. Dieser wird dann „zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers“ beschäftigt. Insbesondere kommt es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht darauf an, ob der [X.] seinen Grund in der Sphäre des zu vertretenden Arbeitnehmers oder in der Sphäre des Arbeitgebers hat.

b) Die [X.] bestätigt diese Auslegung. In der amtlichen Begründung zu § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] heißt es, ein Vertretungsfall liege vor, wenn durch den zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers, zB aufgrund „[X.]rankheit, Beurlaubung, Einberufung zum Wehrdienst, Abordnung ins Ausland“, ein vorübergehender Bedarf zur Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers entsteht (BT-Drucks. 14/4374 S. 19). Das letzte Beispiel zeigt, dass der Sachgrund der Vertretung nicht nur in Fällen der vom Arbeitgeber nicht beeinflussbaren Abwesenheit der Stammkraft, sondern auch dann in Betracht kommt, wenn die Abwesenheit der Stammkraft von „ihrem“ [X.] auf einer Entscheidung des Arbeitgebers beruht. Da die genannten [X.] nicht abschließend sind, kann auch nicht angenommen werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Vertretungsfall nur bei einer Abordnung ins Ausland vorliegen könne. Vielmehr besteht der Bedarf, die Arbeitsleistung des abgeordneten Arbeitnehmers zu ersetzen, auch bei einer Abordnung im Inland.

c) Das Ergebnis wird durch die Systematik des § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] gestützt. Die Vertretungsbefristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 3 [X.] ist ein Unterfall des vorübergehenden „betrieblichen“ Bedarfs an Arbeitsleistung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 1 [X.]. Die Sachgründe unterscheiden sich nur darin, dass bei der Vertretung der Bedarf an Arbeitskräften unverändert besteht und nur der Ausfall eines oder mehrerer Mitarbeiter kompensiert werden soll, während im Fall des § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]r. 1 [X.] ein vorübergehender Arbeitskräftemehrbedarf besteht (vgl. [X.] Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 298; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 14 [X.] Rn. 34; [X.] 10. Aufl. § 14 [X.] Rn. 136). Der systematische Zusammenhang dieser Sachgründe lässt daher den Schluss zu, dass die den vorübergehenden [X.] begründenden „betrieblichen“ Umstände nicht notwendig aus der Sphäre der Stammkraft stammen müssen.

d) Sinn und Zweck des Gesetzes gebieten für die Fälle der unmittelbaren und mittelbaren Vertretung keine andere Auslegung. Allerdings wäre eine Auslegung, die es dem Arbeitgeber ermöglichen würde, sich ohne sachliche Rechtfertigung Befristungsmöglichkeiten selbst zu schaffen, mit dem Gebot einer wirksamen Befristungskontrolle unvereinbar (vgl. zur Haushaltsbefristung [X.] 9. März 2011 - 7 [X.] 728/09 - Rn. 31, [X.]E 137, 178). Durch die grundsätzliche Anerkennung der „Abordnungsvertretung“ in Gestalt der unmittelbaren sowie der mittelbaren Vertretung wird dem Arbeitgeber diese Möglichkeit aber nicht eröffnet. Anders als in den Fällen der sog. gedanklichen Zuordnung erledigt der Vertreter in den Fällen der unmittelbaren sowie der mittelbaren Vertretung genau die Aufgabe der von ihrem Arbeitsplatz vorübergehend abwesenden Stammkraft. Zwar führt der Arbeitgeber - anders als etwa in den Fällen von [X.]rankheit, Wehrdienst oder Elternzeit - die Vertretungssituation durch die Abordnung selbst herbei. Wenn er die der vorübergehend abgeordneten Stammkraft obliegenden Aufgaben befristet einer Vertretungskraft überträgt, deckt er jedoch lediglich den unmittelbar entstehenden [X.]. Ihm wird nicht die Möglichkeit eröffnet, die von ihm vorgenommene Abordnung der Stammkraft zu benutzen, um an anderer Stelle befristet einen Arbeitnehmer einzustellen (vgl. dazu die ebenfalls am 16. Januar 2013 ergangene [X.]sentscheidung - 7 [X.] 662/11 -).

3. Hiernach ist die Beurteilung des [X.]s, im Streitfall sei die - bereits Anfang Mai 2010 - für die [X.] vom 1. Juni 2010 bis 31. Dezember 2010 vorgesehene weitere Abordnung des [X.] zur [X.] geeignet, die befristete Einstellung des [X.]lägers für die [X.] vom 1. Juni 2010 bis zum 30. September 2010 zu rechtfertigen, rechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig wurden dem [X.]läger die Aufgaben des abgeordneten [X.] unmittelbar übertragen.

4. Das [X.] hat jedoch an die vom Arbeitgeber bei einer Abordnungsvertretung anzustellende Rückkehrprognose unzutreffende Maßstäbe angelegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass Teil des Sachgrundes der Vertretung eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des [X.] durch die Rückkehr des Vertretenen ist (vgl. [X.] 17. [X.]ovember 2010 - 7 [X.] 443/09 (A) - Rn. 17, [X.]E 136, 168). Zu Unrecht hat es aber angenommen, der Arbeitgeber könne auch in Fällen der Abordnung regelmäßig mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen, wenn diese einen Anspruch auf Wiederaufnahme ihrer bisherigen Tätigkeit habe. Dieser vom [X.] für die Fälle der vollständigen Abwesenheit der Stammkraft - etwa aufgrund von [X.]rankheit, Urlaub oder Freistellung - entwickelte Grundsatz lässt sich nicht uneingeschränkt auf die Fälle der Abordnung übertragen. Hier hat vielmehr der Arbeitgeber zum [X.]punkt der [X.] unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft vorzunehmen und diese im Streitfall im [X.] darzulegen. Erforderlich ist, dass er berechtigterweise mit der Rückkehr der Stammkraft rechnen durfte.

a) Entsteht der [X.] für den Arbeitgeber „fremdbestimmt“, weil der Ausfall der Stammkraft - zB durch [X.]rankheit, Urlaub und Freistellung - nicht in erster Linie auf seiner Entscheidung beruht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s regelmäßig damit zu rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird (vgl. 25. März 2009 - 7 [X.] 34/08 - Rn. 12 mw[X.], EzA [X.] § 14 [X.]r. 57). Die Stammkraft hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach Wegfall des [X.] die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Der Arbeitgeber muss daher davon ausgehen, dass der Vertretene diesen Anspruch nach Beendigung der [X.]rankheit, Beurlaubung oder Freistellung geltend macht. Hier sind besondere Ausführungen dazu, dass mit Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, regelmäßig nicht veranlasst. [X.]ur wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Dies setzt in der Regel voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Ansonsten darf und muss der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen (vgl. [X.] 25. März 2009 - 7 [X.] 34/08 - Rn. 12 mw[X.], aaO).

b) Diese Grundsätze lassen sich auf einen abordnungsbedingten [X.] nicht ohne Weiteres übertragen. Anders als bei dem für den Arbeitgeber „fremdbestimmten“ Ausfall der Stammkraft hängt in Fällen der Abordnung die voraussichtliche Rückkehr der Stammkraft regelmäßig nicht nur von Umständen in deren Sphäre, sondern ganz maßgeblich auch von Umständen und Entscheidungen ab, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen (so zutreffend [X.] 21. Mai 2012 - 1 Sa 34/11 - Rn. 41, [X.] § 14 [X.] [X.]r. 71). Die Rückkehr des abgeordneten Arbeitnehmers auf seinen [X.] ist häufig durch den Arbeitgeber plan- und steuerbar. Dieser strukturelle Unterschied zu den Fällen der für den Arbeitgeber „fremdbestimmten“ Abwesenheit der Stammkraft ist bei der vom Arbeitgeber [X.] zu berücksichtigen. Diese kann sich daher nicht darauf beschränken, die Stammkraft werde, sofern sie nicht Gegenteiliges erklärt hat, auf ihren Arbeitsplatz zurückkehren (ebenso [X.] 20. Dezember 2011 - 3 Sa 1506/11 - Rn. 57, [X.] § 14 [X.] [X.]r. 68, nicht rkr.). Vielmehr muss der Arbeitgeber bei der Prognose über die voraussichtliche Rückkehr der abgeordneten Stammkraft sämtliche Umstände des Einzelfalls würdigen. Dazu gehören nicht nur etwaige Erklärungen der abgeordneten Stammkraft über ihre Rückkehrabsichten, sondern insbesondere auch die Planungs- und [X.] des Arbeitgebers. Je nach Lage des Einzelfalls kann der Zweck der Abordnung es nahelegen, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz des anderweitig eingesetzten Arbeitnehmers frei hält. Er kann aber auch gegen eine solche Annahme sprechen. Von Bedeutung können zudem ihre Dauer sowie etwaige wiederholte Verlängerungen der Abordnung sein. Zu berücksichtigen ist ggf. auch, ob die Abordnung dem Wunsch des Beschäftigten entsprach oder gegen seinen Willen erfolgte. Ebenfalls ist zu würdigen, ob die Rückkehr der Stammkraft auf ihren Arbeitsplatz nach Ablauf der Abordnung automatisch erfolgt oder ob es hierzu einer weiteren Entscheidung bedarf. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob eine solche Entscheidung allein vom Willen der Stammkraft, vom Willen des Arbeitgebers oder von einem beiderseitigen Einvernehmen abhängt. Derartige, hier nicht abschließend bezeichnete und nicht in jedem Einzelfall in gleicher Weise zwingend zu beachtende Umstände muss der Arbeitgeber bei seiner Rückkehrprognose berücksichtigen und diese im Streitfall im Prozess darlegen. Sache des [X.] ist die Würdigung, ob der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags berechtigterweise mit der Rückkehr der abgeordneten Stammkraft rechnen durfte.

c) Diesen Anforderungen genügt die vom [X.] vorgenommene Würdigung der Rückkehrprognose nicht. Das [X.] hat seine Würdigung darauf beschränkt, der abgeordnete [X.] habe der Beklagten im [X.]punkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags mit dem [X.]läger weder erklärt, nicht auf seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren zu wollen, noch habe er einen rechtlich verfestigten Anspruch auf eine dauerhafte Übertragung der höherwertigen Aufgaben der [X.] erworben. Damit hat es nur einen geringen Teil der vorliegend in Betracht zu ziehenden Umstände gewürdigt. Insbesondere fehlt es an einer Prüfung, wie die [X.] und Planungen der Beklagten zum [X.]punkt der [X.] aussahen. [X.]ach der Zurückverweisung wird das [X.] der Beklagten Gelegenheit zu geben haben, hierzu sowie zu den weiteren hinsichtlich der voraussichtlichen Rückkehr des [X.] angestellten Erwägungen vorzutragen.

IV. Die Entscheidung des [X.]s stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses des [X.]lägers durch die mittelbare Vertretung der Mitarbeiterin [X.] ab dem 15. Juni 2010 sowie der Mitarbeiterin [X.] ab dem 20. September 2010 gerechtfertigt war. Zwischen den Parteien ist streitig, ob [X.] die wegen Mutterschutz und Elternzeit abwesenden Mitarbeiterinnen [X.] und [X.] vertreten hat. Sollte dies der Fall sein, hätte der [X.]läger diese beiden Mitarbeiterinnen mittelbar vertreten. Von deren voraussichtlicher Rückkehr durfte die Beklagte ausgehen. Das [X.] wird daher erforderlichenfalls zu klären haben, ob [X.] die Mitarbeiterinnen [X.] und [X.] im streitbefangenen [X.]raum vertreten hat.

V. Der [X.]lage kann auch nicht etwa aus einem anderen Grund entsprochen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] vom 31. Mai 2010 aus Gründen des institutionellen Rechtsmissbrauchs die Wirksamkeit zu versagen wäre, bestehen nicht (vgl. hierzu [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] 443/09 - [X.]ZA 2012, 1351 und - 7 [X.] 783/10 - [X.]ZA 2012, 1359). An einen solchen, bei Vorliegen eines Sachgrundes nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch sind hohe Anforderungen zu stellen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Im Streitfall gibt es bei der [X.] von weniger als drei Jahren aufgrund von vier befristeten Arbeitsverträgen und einer 15-monatigen Unterbrechung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs.

B. Der auf Weiterbeschäftigung gerichtete [X.]lageantrag zu 2. fällt nicht zur Entscheidung des [X.]s an. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass der [X.]läger seine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer dieses Rechtsstreits geltend macht. Er steht unter der innerprozessualen Bedingung des Obsiegens mit dem [X.]lageantrag zu 1. Diese Bedingung ist bislang nicht eingetreten. Durch die Aufhebung des Urteils des [X.]s und die Zurückverweisung wird der Rechtsstreit wieder in die Lage des Berufungsverfahrens versetzt.

        

    Linsenmaier     

        

    Zwanziger    

        

    [X.]iel    

        

        

        

    Schiller    

        

    Rose    

                 

Meta

7 AZR 661/11

16.01.2013

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Eberswalde, 9. Dezember 2010, Az: 4 Ca 617/10, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.01.2013, Az. 7 AZR 661/11 (REWIS RS 2013, 8963)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8963

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

7 Sa 770/22

11 Sa 794/22

8 Sa 517/16

11 Sa 155/16

4 Sa 1187/12

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