Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2019, Az. V ZR 7/19

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 2694

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Gegenstand

Grundstückskaufvertrag: Formbedürftigkeit einer Vereinbarung über eine Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks


Leitsatz

Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Grundstückskaufvertrags die Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks beschränken (hier: Verbot der Milchverarbeitung), führt nicht zu einer Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten und ist daher nach bindend erklärter Auflassung formlos möglich.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 13. Dezember 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit notariellem Vertrag vom 7. März 2013 kaufte die Klägerin von der Beklagten zwei Grundstücke, auf denen diese ein Werk zur Produktion von Milchpulver unterhielt, zu einem Preis von 100.000 €. In der notariellen Urkunde erklärten die Parteien zugleich die Auflassung. Nach Abschluss des Kaufvertrags wünschte die Beklagte, dass die Klägerin sich verpflichtet, auf den gekauften Grundstücken keine Milch zu verarbeiten. Sie übersandte der Klägerin am 16. April 2013 eine E-Mail mit folgendem Formulierungsvorschlag für eine Vereinbarung:

„Der Käufer verpflichtet sich, auf dem Kaufgrundstück zeitlich unbeschränkt keine Verarbeitung von Milch vorzunehmen. Dieses Verbot gilt für die Milch von Kühen, Schafen und Ziegen. Das Verbot trifft den Käufer als Eigentümer dieses Grundstücks und das Verbot gilt insbesondere auch für etwaige Mieter oder Pächter des Grundstückes sowie für jeden Rechtsnachfolger des Käufers.“

2

Die Klägerin bestätigte die Vereinbarung mit Schreiben vom 26. April 2013. Im August 2014 verkaufte sie das eine Grundstück an den [X.] zu 2 und das andere Grundstück an die [X.] zu 3, bewilligte die Eintragung entsprechender Auflassungsvormerkungen und trat den Käufern ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf Verschaffung des Eigentums ab. Ein [X.] vereinbarte sie jeweils nicht. Im November 2014 erklärte die Beklagte deshalb den Rücktritt von dem Kaufvertrag vom 7. März 2013.

3

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Übergabe der Grundstücke. Die Beklagte erstrebt mit der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Bewilligung der Löschung der zu deren zugunsten eingetragenen Auflassungsvormerkungen und zur Beibringung von [X.] hinsichtlich der zugunsten der [X.] zu 2 und 3 eingetragenen Vormerkungen Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises. Im Wege der Drittwiderklage verlangt die Beklagte von den [X.] die Löschung der zu deren Gunsten eingetragenen Vormerkungen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage sowie der Drittwiderklage stattgegeben. Dagegen haben die Klägerin und die [X.] zu 3 Berufung eingelegt. Das [X.] hat der Klage stattgegeben und die Widerklage sowie die gegen die [X.] zu 3 gerichtete Drittwiderklage abgewiesen.

4

Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne nach § 433 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Übergabe der Grundstücke verlangen. Der Anspruch sei nicht gemäß § 346 [X.] erloschen, denn die Beklagte sei nicht zum Rücktritt von dem Kaufvertrag berechtigt gewesen. Die Klägerin habe durch den Weiterverkauf der Grundstücke nicht gegen die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung von April 2013 verstoßen. Mit dieser Vereinbarung sei der Klägerin nicht der Weiterverkauf des Grundstücks ohne Weitergabe des [X.]s verboten worden. Verboten sei nur das Verarbeiten von Milch. Weil die Vertragsparteien einem Dritten nicht die Milchverarbeitung verbieten könnten, sei die Vereinbarung in der Weise auszulegen, dass der Klägerin eine Milchverarbeitung durch einen Mieter, Pächter oder Käufer zugerechnet werden solle. Bis heute habe aber keiner der Käufer auf dem Grundstück Milch verarbeitet. Die bloße Möglichkeit, dies zu tun, stelle keine Verbotsverletzung dar.

6

Zudem sei die Vereinbarung von April 2013 wegen Verstoßes gegen das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 [X.] nichtig. Sie habe dem Formzwang unterlegen, weil durch sie ein schon beurkundeter Grundstückskaufvertrag geändert worden sei. Etwas anderes folge nicht aus der Rechtsprechung des [X.], wonach Änderungen eines notariellen Kaufvertrags formlos möglich seien, wenn die Auflassung bereits erklärt sei. Dies gelte hier nicht, weil durch die Vereinbarung des [X.]s die Erwerbsverpflichtung der Klägerin und die Übertragungsverpflichtung der Beklagten wesentlich geändert worden seien.

II.

7

Die Revision hat keinen Erfolg.

8

1. Allerdings war die nach der Auflassung getroffene Vereinbarung von April 2013 entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nach § 311b Abs. 1 Satz 1 [X.] formbedürftig, sondern formlos möglich.

9

a) Änderungen eines [X.] sind, wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt, nach der Auflassung formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 [X.]; vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - [X.], NJW 2018, 3523 Rn. 12 mit umfangreichen Nachweisen).

b) Richtig ist auch, dass von dieser [X.] Änderungen eines [X.] ausgenommen sind, durch die Erwerbs- oder Veräußerungspflichten geändert oder neu begründen werden (Senat, Urteil vom 14. September 2018 - [X.], NJW 2018, 3523 Rn. 6 u. 15). Damit sind Änderungen des [X.] gemeint, durch die die Verpflichtung zur dinglichen Rechtsänderung verändert oder eine solche Verpflichtung neu begründet wird. Für diese kann der Schutzzweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 [X.] durch die Beurkundung des Kaufvertrags und die zu seiner Erfüllung erklärte Auflassung keine Erledigung gefunden haben. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Parteien eines Grundstückskaufvertrages nach der Auflassung vereinbaren, dass der Verkäufer zum Rückkauf verpflichtet ist (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1988 - [X.], [X.], 276, 277 zu § 313 Satz 1 [X.] aF).

c) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich hier um einen solchen Ausnahmefall handelt.

Mit dem [X.] von April 2013 wurde eine Nutzungsbeschränkung vereinbart. Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines [X.] die Möglichkeit zur Nutzung des Grundstücks beschränken, führt nicht zu einer Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten und ist daher nach bindend erklärter Auflassung formlos möglich (vgl. Senat, Urteil vom 14. September 2018 - [X.], NJW 2018, 3523 Rn. 11 ff.). Selbst wenn bei einem Verstoß gegen das Verbot, das Grundstück in einer bestimmten Weise nicht zu nutzen, nicht nur Schadensersatzpflichten des Käufers begründet werden, sondern ein Recht des Verkäufers zum Rücktritt von dem Kaufvertrag nach § 323 Abs. 1 [X.] gegeben sein könnte, bleibt die Verpflichtung zur dinglichen Rechtsänderung aus dem Kaufvertrag unberührt. Es tritt auch keine neue (Rück-)Übertragungsverpflichtung hinzu. Zwar haben bei der Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts die Parteien die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§§ 346 ff. [X.]). Dabei handelt es sich jedoch um eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge; eine solche stellt keine Änderung oder Neubegründung von Erwerbs- oder Veräußerungspflichten dar (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1994 - [X.], [X.], 168, 173 f. für eine Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht sowie [X.], Urteil vom 2. Mai 1996 - [X.], NJW 1996, 1960 mwN für die Verpflichtung aus § 667 [X.]; siehe auch [X.]/[X.], [X.], 79. Aufl., § 311b Rn. 17). An der [X.] ändert es auch nichts, wenn die Nutzungsbeschränkung mit einer Minderung des [X.] einhergeht. Denn auch eine nach der Auflassung getroffene Vereinbarung, durch die der Kaufpreis erhöht oder ermäßigt, also ebenfalls das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung verändert wird, ist nach bindend erklärter Auflassung formfrei möglich (vgl. Senat, Urteil vom 23. Mai 1973 - [X.], [X.], 57; Urteil vom 14. September 2018 - [X.], NJW 2018, 3523 Rn. 23).

2. Der Rechtsfehler hat sich aber nicht ausgewirkt. Das Berufungsgericht verneint rechtsfehlerfrei eine Berechtigung der Beklagten zum Rücktritt von dem Kaufvertrag (§ 323 Abs. 1 [X.]) aufgrund einer Auslegung der Vereinbarung von April 2013.

a) Die Auslegung einer vertraglichen Regelung durch den Tatrichter ist im Revisionsverfahren nur eingeschränkt, nämlich darauf überprüfbar, ob der Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln, die anerkannten Auslegungsgrundsätze, die Denkgesetze und die Erfahrungssätze beachtet und die der Auslegung zugrundeliegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt hat (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 22. April 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 210 Rn. 7; Urteil vom 8. November 2013 - [X.], NJW 2014, 1000 Rn. 9; Urteil vom 1. Oktober 1999 - [X.], NJW 1999, 3704; Urteil vom 14. Oktober 1994 - [X.], [X.], 45, 46). Die Auslegung der Vereinbarung durch das Berufungsgericht ist in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt weder einen Auslegungsfehler noch einen Verfahrensfehler auf. Dass eine andere Auslegung möglich ist, macht die vorgenommene Auslegung nicht fehlerhaft.

b) Die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin nicht der Weiterverkauf des Grundstücks ohne Weitergabe des [X.]s untersagt worden ist, sondern eine Milchverarbeitung durch den Mieter, Pächter oder Käufer der Klägerin zugerechnet werden soll, verletzt insbesondere nicht den Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 23. Januar 2009 - [X.], [X.], 1810 Rn. 20; [X.], Urteil vom 31. Oktober 1995 - [X.], [X.]Z 131, 136, 138). In der Vereinbarung von April 2013 hat sich die Klägerin verpflichtet, selbst keine Milch auf den Grundstücken zu verarbeiten. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung, wonach das Verbot auch für etwaige Mieter oder Pächter des Grundstücks sowie für jeden Rechtsnachfolger gilt, ergibt sich, dass die Klägerin zudem die Nebenpflicht übernommen hat, dafür Sorge zu tragen, dass das [X.] bei Vermietung, Verpachtung und bei einem Weiterverkauf eingehalten wird. Die Vereinbarung enthält aber keine ausdrückliche Regelung dazu, auf welche Weise die Klägerin dies sicherzustellen hat. Es versteht sich auch nicht von selbst, dass sie verpflichtet sein sollte, die Nutzungsbeschränkung an den Käufer der Grundstücke weiterzugeben. In diesem Fall hätte sie das [X.] gegenüber den Käufern zwar effektiv durchsetzen können. Den gleichen Erfolg könnte sie aber beispielsweise durch den Verkauf an ein in einer anderen Branche tätiges Unternehmen oder an ein solches, auf dessen Tätigkeit sie Einfluss nehmen kann, erreichen. Es ist zudem nicht erkennbar, ob der Beklagten in jedem Fall an der Durchsetzung des Verbots gelegen war; denkbar ist auch, dass ihre Interessen durch eine Schadensersatzverpflichtung der Klägerin hinreichend gewahrt sind, sofern sich diese Verpflichtung - wovon das Berufungsgericht ausgeht - auf Verstöße von deren Rechtsnachfolgern erstreckt. Auch könnte die drohende Schadensersatzverpflichtung als geeignetes Druckmittel angesehen worden sein, um die Klägerin zu veranlassen, die Einhaltung des [X.]s sicherzustellen. Tatsachenvortrag zu den Hintergründen der Vereinbarung, die ein anderes Verständnis nahelegen, zeigt die Revision nicht auf.

Ein revisionsrechtlich beachtlicher Auslegungsfehler ergibt sich auch nicht aus der Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Sachvortrag auseinandergesetzt, nach dem Kaufvertrag vom 7. März 2013 seien Zubehör und sonstige Gegenstände nicht mitveräußert worden und die Beklagte habe wegen der frühzeitigen Vermarktungsaktivitäten ein Interesse an dem Verbot der Milchverarbeitung auch für den Rechtsnachfolger zum Ausdruck gebracht. Auch aus diesen Umständen ergibt sich nicht zwingend, dass die Klägerin eine Pflicht getroffen hat, den Käufern der Grundstücke eine Pflicht zur Unterlassung einer Milchverarbeitung aufzuerlegen.

Damit ist es der Klägerin überlassen, auf welche Weise sie die Einhaltung des Verbots bei einem Weiterverkauf durchsetzt und die ihr obliegende Nebenpflicht erfüllt. Folglich liegt keine Pflichtverletzung vor; denn tatsächlich findet nach Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Grundstücken keine Milchverarbeitung durch die [X.] statt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Kazele

      

Haberkamp     

      

[X.]     

      

Meta

V ZR 7/19

11.10.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 13. Dezember 2018, Az: 11 U 135/17

§ 311b Abs 1 S 1 BGB, § 433 Abs 1 BGB, § 873 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2019, Az. V ZR 7/19 (REWIS RS 2019, 2694)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 600-601 WM2020,1276 REWIS RS 2019, 2694

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 189/15

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