Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 196/11 R

14. Senat | REWIS RS 2012, 875

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Anforderungen an die Bestimmtheit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Aufhebung von Bewilligungen wegen Einkommenserzielung - fehlende Nennung der Leistungsbescheide - keine monatsweise Unterscheidung nach Leistungsarten - Untersuchungsmaxime - Abgrenzung der Einkommens- von der Vermögensberücksichtigung und der Aufhebung gem § 48 SGB 10 von der Rücknahme gem § 45 SGB 10 - Rechtswidrigkeit von Erstattungsbescheiden mangels Aufhebung von Änderungsbescheiden)


Leitsatz

1. Die unterbliebene Nennung von Leistungsbescheiden in einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid berührt nicht die Bestimmtheit dieses Bescheids.

2. Das Bestimmtheitserfordernis ist auch dann gewahrt, wenn in einem Aufhebungsverwaltungsakt die aufgehobenen Leistungen nicht monatsweise nach Leistungsarten unterschieden werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. November 2011 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Bescheids vom 5. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Oktober 2005 sowie vom 1. Februar bis 30. April 2006 wendet.

Im Übrigen wird das Urteil des [X.] vom 1. November 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des [X.]s vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.] ([X.]) für den [X.]-raum von Juni 2005 bis November 2006 aufgehoben und die Erstattung von insgesamt 11 771,66 Euro gefordert hat.

2

Die im Juli 1950 geborene Klägerin war im streitigen [X.]raum alleinstehend und bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten [X.] (im Folgenden nur noch Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Der Beklagte gewährte der Klägerin Leistungen für den [X.]raum vom 1.5. bis 31.10.2005 (Bescheid vom [X.]) und änderte in der Folge diese Bewilligung für den [X.]raum vom 1.7. bis 31.10.2005 (Bescheid vom [X.]). Für den [X.] vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 bewilligte der Beklagte wiederum Leistungen in wechselnder Höhe (Bescheid vom 11.10.2005) und änderte diese für die [X.] vom 1.2. bis 30.4.2006 (Bescheid vom 13.12.2005). Für den [X.] vom 1.5.2006 bis 31.10.2006 bewilligte er Leistungen mit Bescheid vom 18.4.2006 und schließlich für die [X.] vom 1.11.2006 bis [X.] mit Bewilligungsbescheid vom 10.10.2006.

3

Der Beklagte erhielt in der Folge Kenntnis davon, dass der [X.] mehrere kleinere Geldbeträge sowie am 14.12.2005 ein Betrag von [X.] aus einer Erbschaft zugeflossen seien. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 hob der Beklagte "die Entscheidungen" vom "[X.], 11.10.2005, 18.4.2006 und 11.10.2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.] vom 1.6.2005 bis 31.7.2005 und vom 1.10.2005 bis 30.11.2005 teilweise sowie vom [X.] bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis [X.] vollständig auf. Es folgte die Bezifferung der [X.] getrennt nach Regelleistung, Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung sowie für Leistungen für Unterkunft und Heizung, insgesamt ergab sich eine Gesamterstattungsforderung in Höhe von 11 771,66 Euro.

4

Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom [X.] zurückgewiesen. Der Klägerin seien im Jahr 2005 insgesamt 10 793,48 Euro aus einer Erbschaft im [X.]raum von Juni 2005 bis Dezember 2005 zugeflossen. Es ergebe sich, ausgehend von der Aufschlüsselung im Einzelnen, ein monatlich anzurechnender Betrag von 869,46 Euro. Unter Berücksichtigung der im streitbefangenen [X.]raum ausgezahlten Leistungen und der abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung folge daraus ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 11 771,66 Euro. Nicht berücksichtigt werden könnten die Darlehensverpflichtungen der Klägerin. Der Widerspruchsbescheid enthielt darüber hinaus eine Übersicht, von welchen zugeflossenen Beträgen der Beklagte im streitigen [X.]raum jeweils monatlich ausgegangen ist sowie ferner eine nach Monaten differenzierte Übersicht, wie sich der Rückforderungsbetrag nach Auffassung des Beklagten errechnet (insoweit aber ohne Aufschlüsselung nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft).

5

Das Sozialgericht (SG) [X.] hat auf die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom [X.] den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Niedersachsen-Bremen vom 1.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Erbschaft vorliegend um Einkommen oder Vermögen gehandelt habe; ebenso könne offenbleiben, ob der Beklagte die Jahresfrist des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) eingehalten habe, denn der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.] sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er den Anforderungen des § 33 [X.] an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten nicht genüge. Es müsse die Kennzeichnung des [X.] nach dem bewilligten Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfolgen. Zudem müsse die Aufhebung erkennbar machen, ob sie alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betreffe oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränke, die dann zu benennen seien. Entsprechendes gelte hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Vorliegend ergebe sich die mangelnde Bestimmtheit schon deshalb, weil gleich drei aufzuhebende Bescheide nicht benannt worden seien.

6

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, die angegriffenen Verwaltungsentscheidungen seien hinreichend bestimmt. Durch die ausdrückliche Benennung des [X.] und unter Heranziehung der Begründung sowie ggf vorhandener Anlagen und früher ergangener Bescheide sei der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts jedenfalls einer widerspruchsfreien Auslegung zugänglich. Zudem seien die Aufhebungszeiträume dahingehend konkretisiert worden, ob eine teilweise oder eine vollständige Aufhebung der Bewilligung erfolgt sei. Die Regelung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass im Hinblick auf die benannten [X.]räume die Leistungen unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidungen in ihrer jeweils gültigen Fassung aufgehoben werden sollten. Die Benennung der fehlenden Änderungsbescheide sei schriftsätzlich im Klageverfahren nachgeholt worden. Im Übrigen genüge die angegriffene Entscheidung auch im Hinblick auf die Aufhebungssumme den Bestimmtheitsanforderungen, da jedenfalls im Widerspruchsbescheid eine ausführliche und detaillierte Darstellung der monatlichen Einzelbeträge erfolgt sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 1. November 2011 und das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend und führt ergänzend aus, bei fehlender Aufhebung von Bescheiden komme auch keine Erstattung in Betracht.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.]n (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz ) ist nur teilweise im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 sowie vom 1.2. bis 30.4.2006 war die Revision dagegen zurückzuweisen, denn insoweit fehlte es an der Aufhebung der auf diese Zeiträume entfallenden [X.] ([X.]), sodass das [X.] insoweit die Berufung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 5.2.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.6.2008. Gegen die in diesem Bescheid enthaltenen Verfügungen, die zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidungen vom [X.], 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 über Leistungen nach dem [X.] vom 1.6. bis 3[X.] und vom 1.10. bis 30.11.2005 teilweise sowie vom 1.9. bis 30.9.2005 und vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 ganz aufzuheben, und für den Gesamtzeitraum vom 1.6.2005 bis 30.11.2006 [X.] in Höhe von insgesamt 7286,56 Euro (Regelleistung 5557,51 Euro, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge 1729,05 Euro) und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 4485,10 Euro, also insgesamt 11 771,66 Euro zurückzufordern, wendet sich die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG).

2. Es kann vorliegend über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der vorangegangenen Verwaltungsakte nicht abschließend entschieden werden, weil das [X.] im Hinblick auf die von ihm angenommene fehlende Bestimmtheit dieser angefochtenen Verwaltungsakte die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligungsbescheide nicht weiter geprüft hat.

a) Der [X.] hat den angefochtenen Bescheid insoweit auf § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.] iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.] und § 48 Abs 1 Satz 1 [X.] gestützt. Ob er die Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen vom [X.], 11.10.2005, 18.4.2006 und 10.10.2006 durchgehend auf § 48 [X.] stützen konnte, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das [X.] nicht entschieden werden. Eine Anwendung des § 48 [X.] kommt in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. § 45 [X.], der weitergehenden Vertrauensschutz bietet (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 [X.]), findet dagegen Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deshalb geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl [X.], 285 = [X.] 4-4300 § 122 [X.], Rd[X.] 13; [X.] vom 16.12.2008 - [X.] [X.]/07 R).

Das [X.] hat es bereits offen gelassen, ob es sich bei "der Erbschaft", die nach der Aufstellung im Widerspruchsbescheid in mehreren Etappen zugeflossen ist, um zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gehandelt hat; der für die Abgrenzung maßgebliche Zeitpunkt des jeweiligen Einkommenszuflusses (bzw [X.]) ist nicht geprüft worden. Schließlich fehlen auch Feststellungen zur Höhe ggf zu berücksichtigenden Einkommens. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, ob sämtliche [X.] gemäß § 48 [X.] aufgehoben werden konnten, oder - wofür hier viel spricht - nicht jedenfalls die Bescheide betreffend die [X.] ab dem Jahr 2006 nach dem Zufluss des Betrags von [X.] im Dezember 2005 bereits anfänglich rechtswidrig waren und eine Aufhebung deshalb nur unter den Voraussetzungen von § 45 [X.] hätte erfolgen dürfen. Erst im [X.] an diese Prüfung können abschließende Aussagen zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung getroffen werden. Allein der Umstand, dass der [X.] seine Aufhebungsentscheidung vorliegend ausschließlich auf § 48 [X.] gestützt hat, führt allerdings nicht zum Erfolg der Klage, denn die §§ 45, 48 [X.] haben dasselbe Ziel, weshalb das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist (vgl [X.] vom 24.2.2011 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.] 17 mwN).

Je nachdem, welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, wird das [X.] die weiteren Voraussetzungen der jeweiligen Norm zu prüfen haben. Dabei werden auch Feststellungen zur formellen Rechtmäßigkeit des [X.] nachzuholen sein, insbesondere zur Durchführung der Anhörung, wobei ungeachtet der in den Verwaltungsakten befindlichen Unterlagen dazu das Erfordernis einer eigenständigen, nicht notwendigerweise förmlichen Anhörung jedenfalls durch das Widerspruchsverfahren gewahrt wäre (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-1300 § 41 [X.] Rd[X.] 17; Urteil vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R).

b) Die vom [X.] angenommene Rechtswidrigkeit der Aufhebungsverfügung ergibt sich aber nicht aus der mangelnden Bestimmtheit iS von § 33 Abs 1 [X.]. Das [X.] verlangt, dass der [X.] eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten ([X.] vom 17.12.2009 - [X.] AS 20/09 R - [X.], 194 = [X.] 4-4200 § 31 [X.]; Urteil vom 15.12.2010 - [X.] [X.]/09 R). Maßstab für die Bestimmtheitsprüfung ist also der [X.], für die Beteiligten muss sich aus dem [X.] vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde will. [X.] ist es dabei, wenn zur Auslegung des [X.]es auf die Begründung des Verwaltungsakts, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl auch [X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Diese Auslegungsmöglichkeiten finden allerdings ihre Grenze dort, wo es dem Adressaten überlassen bleibt, Gegenstand, Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung zu bestimmen, weil der in begünstigende Rechtspositionen eingreifende Leistungsträger verpflichtet ist, diese Entscheidung selbst zu treffen und dem Adressaten bekannt zu geben (so BSG vom 30.3.2004 - [X.] RA 36/02 R - [X.] 4-2600 § 149 [X.] 1 Rd[X.] 14 unter Hinweis auf BSG [X.] 3-2600 § 149 [X.] 6 S 14 sowie BSG vom [X.] - 4 RA 25/96 - und vom 16.12.1997 - 4 RA 56/96).

Der Aufhebungsverwaltungsakt des [X.]n genügt den dargelegten Anforderungen an das [X.]. Es geht aus dem Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides klar und unzweideutig hervor, dass der [X.] als handelnde Behörde bestimmte, näher bezeichnete [X.], die allein die Klägerin betreffen, ganz oder teilweise aufhebt. Die [X.] sind auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie nicht monatsweise zwischen der bewilligten Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung unterschieden hätten. Soweit teilweise vertreten wird, ein Aufhebungsverwaltungsakt sei nur dann hinreichend bestimmt, wenn er - spiegelbildlich zur Bewilligung - die aufgehobenen Leistungen monatsweise nach Leistungsarten unterscheide, insbesondere also deutlich machte, ob es sich um Leistungen für Unterkunft und Heizung oder um die Regelleistung handele (so [X.] Rheinland-Pfalz vom [X.] - L 3 AS 138/08 - Juris Rd[X.] 54 ff), folgt der Senat dem nicht (ablehnend für die Festsetzung der Erstattungsforderung nach § 50 Abs 1 [X.] bereits Urteil des [X.] [X.] [X.]/10 R - [X.], 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.] Rd[X.] 37). Für den Leistungsberechtigten muss nur erkennbar sein, ob und in welchem Umfang ihm monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts verbleiben, um sein Verhalten daran ausrichten zu können. Jedenfalls mit dem Widerspruchsbescheid hat der [X.] aber im Einzelnen erkennbar gemacht, welche Bezugsmonate in welchem Umfang von der Aufhebung betroffen sind.

Auch die Tatsache, dass der [X.] im Aufhebungsverwaltungsakt einen Bewilligungsbescheid statt mit "10.10.2006" mit "11.10.2006" bezeichnet hat, hat nicht zur Folge, dass der Verwaltungsakt insgesamt wegen mangelnder Bestimmtheit rechtswidrig ist. Es handelte sich bei der fehlerhaften Datumsangabe - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt - um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die jederzeit beseitigt werden kann (vgl § 38 [X.]). Die fehlende Aufzählung sämtlicher für die betreffenden [X.] relevanter Bewilligungsbescheide ist keine Frage der Bestimmtheit, denn dies wirkt sich lediglich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Erstattungsforderung aus (dazu unter 3). Die Bestimmtheit des Verwaltungsakts ist deshalb nicht in Frage gestellt.

3. Der [X.] ist teilweise rechtswidrig und war insoweit aufzuheben. Eine Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen kann auf § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] nur gestützt werden, soweit ein Verwaltungsakt (mithin die entsprechende Leistungsbewilligung) aufgehoben worden ist. Dies hat der [X.] vorliegend hinsichtlich der [X.] vom [X.] und vom 13.12.2005 versäumt. Zwar ist für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 einerseits und den Zeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 andererseits der zunächst maßgebliche Bewilligungsbescheid (vom [X.] bzw vom 11.10.2005) von der Aufhebung erfasst. Im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.5. bis 31.10.2005 hat der [X.] aber ab dem [X.] aufgrund einer Änderung der Verhältnisse eine vollständig neue Leistungsbewilligung erlassen, nämlich den Änderungsbescheid vom [X.]. Ebenso hat er für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2005 bis 30.4.2006 mit Änderungsbescheid vom 13.12.2005 vom [X.] bis 30.4.2006 eine neue Leistungsbewilligung vorgenommen. Diese beiden [X.] sind im Aufhebungsbescheid nicht genannt. Damit ist eine Aufhebung dieser Bescheide nicht verfügt; die Bewilligungsbescheide vom [X.] und vom 13.12.2005 sind bestandskräftig. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom [X.] und vom 11.10.2005 geht insoweit ins Leere. Eine Erstattung der Leistungen für die Zeiträume vom 1.7. bis 31.10.2005 und vom [X.] bis 30.4.2006 auf Grundlage von § 50 Abs 1 Satz 1 [X.] scheidet aus.

Wegen des [X.]s im Übrigen ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich, solange nicht feststeht, inwieweit die Aufhebung der übrigen Bewilligungen Bestand hat. Auch für den [X.] gilt, dass seine mangelnde Bestimmtheit nicht erkennbar ist. Die übrige Prüfung, ob die Erstattungsverfügung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, wird das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben. [X.] ist die gesamte Erstattungssumme im Hinblick auf die fehlende Aufhebung für einzelne [X.] neu zu bestimmen.

Das [X.] wird ggf über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Meta

B 14 AS 196/11 R

29.11.2012

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Braunschweig, 23. Juni 2010, Az: S 19 AS 1957/08, Urteil

§ 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2, § 33 Abs 1 SGB 10, § 38 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 SGB 10, § 45 Abs 1 SGB 10, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 12 Abs 1 SGB 2, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.11.2012, Az. B 14 AS 196/11 R (REWIS RS 2012, 875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 875

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