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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Verdacht der Vaterschaftsanerkennung zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwalt ..., ..., wird abgelehnt.
I.
Die Klägerin meldete sich im Mai 2005 bei der Stadt ... und gab an, sie sei vietnamesische Staatsangehörige und am ... 1991 geboren. Einen Asylantrag nahm die Klägerin zurück. Sie erhielt Duldungen und für sie wurde die Vormundschaft angeordnet.
Am 3. Juli 2006 gab die Klägerin zur Niederschrift ihren richtigen Namen an und berichtigte ihr Geburtsdatum auf ... 1983. Sie legte dabei einen vietnamesischen Pass und einen Mutterschaftspass vor. Daraufhin erhielt sie eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgehändigt. Am 4. Juli 2006 ließ sie durch ihre frühere Bevollmächtigte die Erteilung von Duldungen beantragen, wobei gleichzeitig eine notarielle Urkunde vom 18. Mai 2006 vorgelegt wurde, in welcher ein 1965 geborener deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft für das von der Klägerin erwartete Kind anerkannte. Das Kind wurde am ... 2006 geboren. Nach mehreren Aufforderungen sprach der 1965 geborene deutsche Staatsangehörige am 22. September 2006 bei der Ausländerbehörde der Stadt ... vor, wobei sich Zweifel an seiner Vaterschaft und dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen ergaben.
Am 23. Oktober 2006 erhielt die Klägerin aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, welche offensichtlich bis heute verlängert wurde bzw. wird.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 21. Oktober 2009 an die Ausländerbehörde in ... wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rückwirkend ab Geburt des Kindes beantragt. Daraufhin forderte die Ausländerbehörde der Stadt ... die Klägerin und den 1965 geborenen deutschen Staatsangehörigen (letzteren zum wiederholten Male) zur Vorsprache unter Vorlage von Unterlagen auf. Dieser Vorladung kam letzterer zum wiederholten Male nicht nach.
Am 29. Oktober 2009 zog die Klägerin nach ... um. Sie ließ durch ihre Anwälte am 6. November 2009 erneut die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG beantragen. Hierauf führte die Ausländerbehörde der Beklagten in einem Schreiben an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus, dass Zweifel an der Vaterschaft des 1965 geborenen deutschen Staatsangehörigen bestünden. Solange die biologische Vaterschaft nicht geklärt sei, sei das Verfahren auszusetzen. Ein vorgeschlagener DNA-Abgleich wurde durch die Bevollmächtigten der Klägerin abgelehnt. Daraufhin veranlasste die Beklagte die Regierung von Mittelfranken, einen Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft zu stellen.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2010, bei Gericht am 10. März 2010 eingegangen, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin rückwirkend ab 6. September 2006 gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte trotz Antragstellung vom 6. November 2009 bisher die Erteilung der beantragen Aufenthaltserlaubnis abgelehnt habe.
Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde letztlich deswegen abgelehnt, da die prozessuale Lage aufgrund des noch anhängigen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens damals von faktischer Aussichtslosigkeit gekennzeichnet war (Beschlüsse der vormals zuständigen Kammer vom 17. Januar 2011 Az.: 19 K 10.00430 und des BayVGH vom 21.2.2011 Az.: 19 C 11.333).
Mit Beschluss des Berichterstatters der vormals zuständigen Kammer vom 30.März 2011 wurde das Verfahren im Hinblick auf das anhängige Vaterschaftsanfechtungsverfahren ausgesetzt.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13. Februar 2014 ließ die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Das Bundesverfassungsgericht habe durch Beschluss vom 17. Dezember 2013 festgestellt, dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nichtig sei. Damit gebe es keine Rechtsgrundlage für die weitere Aussetzung des Verfahrens, da die Ehelichkeitsanfechtungsklage der Regierung von Mittelfranken in Folge Verfassungswidrigkeit der Anspruchsnorm gegenstandslos geworden sei.
Die Beklagte äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 12. März 2014 und führte im Wesentlichen aus, dass sich an ihrer Rechtsauffassung nichts geändert habe. Eine Scheinvaterschaft könne nach wie vor nicht ausgeschlossen werden. Es stehe der Klägerin weiterhin frei, die tatsächliche Vaterschaft des Kindsvaters durch ein DNA-Gutachten zu belegen und damit den Nachweis zu führen, dass dieser tatsächlich der Vater des Kindes sei. Seitens der Beklagten werde auch bei positivem Ergebnis des DNA-Gutachtens die Kostenübernahme zugesichert. Die Klägerin möge ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 17. März 2014 ließ die Klägerin erneut beantragen, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterfertigten zu bewilligen.
Hierzu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin einen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels habe. Das Kind der Klägerin besitze die deutsche Staatsangehörigkeit. Inhaberin der Personensorge für das Kind sei die Klägerin. Diese sei unzweifelhaft Kindesmutter und damit Elternteil eines minderjährigen Deutschen. § 27 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG sei nicht einschlägig, weil nicht „feststehe“ dass das Verwandtschaftsverhältnis zu dem Zweck geschlossen oder begründet worden sei, dem Nachziehenden die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Diese Vorschrift stelle auch keine Auffangnorm für eine rechtswidrige Ausforschungspraxis der Behörde bezüglich der Vaterschaft eines nicht ehelichen Kindes dar. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 17. Dezember 2013 werde hingewiesen; § 1600 Abs. 5 BGB könne nicht über die Hintertür des § 27 Abs. 1 Nr. 1 a zum Leben erweckt werden. Die Klägerin habe keinerlei Veranlassung und schon gar keine Beweislast dafür, den Nachweis der biologischen Vaterschaft ihres Kindes zu führen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten war abzulehnen, da nach Auffassung der Kammer für das Klageverfahren eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht besteht (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114, 121 ZPO).
Die gemäß § 75 VwGO als Untätigkeitsklage zulässige Klage wird voraussichtlich in der Sache erfolglos bleiben.
Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vor, da nach dieser Bestimmung die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen ist, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG ist vorliegend nach Auffassung der Kammer jedoch im Hinblick auf § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen.
Nach § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG wird ein Familiennachzug u. a. dann nicht zugelassen, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dabei ist dann davon auszugehen, dass die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich ist gemäß § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG, wenn sie ausschließlich erklärt wird, um dem Nachziehenden den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, sie also weder zur Anerkennung der biologischen Vaterschaft erfolgt, noch einer sozial-familiären Vater-Kind-Beziehung dient. Erfasst wird insoweit auch der Fall, dass ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt anerkennt (OVG Rheinland Pfalz, Az.: 7 A 11276/07 Urteil vom 6.3.2008 m. w. N.).
Vorliegend kann die vom Grundsatz her beweispflichtige Beklagte zwar nicht nachweisen, dass die vorgenommene Vaterschaftsanerkennung materiell falsch ist. Mehrere Aufforderungen, sich einem DNA-Test zu unterziehen, blieben erfolgslos. Drängen sich, wie vorliegend aufgrund des gesamten Sachverhaltes, insbesondere aufgrund des Verhaltens der Klägerin selbst und des die Vaterschaft anerkennenden deutschen Staatsangehörigen ernsthafte Anhaltspunkte auf, dass es sich um eine Scheinvaterschaft handeln könnte, so ist auch die Klägerin gehalten, gemäß ihrer in § 82 Abs. 1 AufenthG verankerten Mitwirkungspflicht an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Eine entsprechende Mitwirkung findet aber seit vielen Jahren auch im Ansatz nicht statt. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine verfassungsrechtliche Elternschaft (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) bei einer durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vaterschaft auch dann besteht, wenn der Anerkennende weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat, mit der Einschränkung, dass allerdings die Intensität des verfassungsrechtlichen Schutzes davon abhängt, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird (Beschluss vom 17.12.2013, 1 BVL 6/10).
Auch für eine solch sozial gelebte rechtliche Vaterschaft bestehen im vorliegenden Fall letztlich keinerlei Anhaltspunkte. Der rechtliche Vater lebt wohl weiter in ..., während die Klägerin bereits 2009 nach ... verzogen ist. Seither hat der rechtliche Vater mit Ausnahme eines durch einen Notfall gebotenen einmonatigen Aufenthalt des Kindes im Frühjahr 2010 in ... offensichtlich keinen Kontakt zum Kind. Ein Zusammentreffen ist weder aus den Akten zu entnehmen noch, aus dem Vortrag der Klägerin. Auch entsprechende Unterhaltszahlungen des Vaters sind den Akten nicht zu entnehmen. Dass die rechtliche Vaterschaft auch nur ansatzweise sozial gelebt wird, kann mit diesem behaupteten einmonatigen Aufenthalt des Kindes in ... vor fünf Jahren jedenfalls nicht aufgezeigt werden.
Die Kammer vertritt deswegen mit der Beklagten in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels entgegensteht, und gerade nachdem nichts für eine sozial-familiäre Gemeinschaft mit dem rechtlichen Vater spricht, drängt sich die Vaterschaftsanerkennung zum Zweck des aufenthaltsrechtlichen Vorteils geradezu auf. Insofern können keine übertriebenen Anforderungen an die Beweislast gestellt werden. Nachdem in keiner Weise dargelegt ist, dass der rechtliche Vater tatsächliche Verantwortung übernimmt, wie regelmäßigen Umgang, Betreuung, Erziehung des Kindes oder Leistung von Unterhalt, wäre es vielmehr im Rahmen ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht Sache der Klägerin, für sie in diesem Zusammenhang günstige Tatsachen vorzutragen bzw. zu veranlassen.
Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 4. November 2014 - 11 S 1886/14 - davon ausgeht, dass § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nicht erfasst, basiert diese Überlegung darauf, dass das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit allein durch Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen sei.
Diese Auffassung dürfte jedoch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 überholt sein, mit welcher die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB) für nichtig erklärt wurde (vgl. HTK-AuslR, 3.2 zu § 27 AufenthG).
Der Anwendung des § 27 Abs. 1 a Nr. 1 AufenthG steht nach Auffassung der Kammer auch die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen. Es geht im vorliegenden Verfahren nicht um die Frage der Staatsangehörigkeit des Kindes der Klägerin, sondern darum, ob ihr selbst ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28
AufenthG zusteht.
Insgesamt verstößt die von der Kammer vertretene Auffassung auch nicht gegen die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommenden Zielsetzungen, die sich letztlich in erster Linie am Wohl des Kindes orientieren. So geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass dann, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt, die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering ist (RdNr. 99 des Urteils). Weiter ist dort ausgeführt, dass der Eingriff in das Recht des Kindes unverhältnismäßig sei, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betreffe, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt seien; sei die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, so sei der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch (RdNr. 103 des Urteils).
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
05.03.2015
Entscheidung
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Ansbach, Entscheidung vom 05.03.2015, Az. AN 5 K 14.00428 (REWIS RS 2015, 14446)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 14446
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Erfolgloser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Vorliegens einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung
Anerkennung der Vaterschaft eines ausländischen Kindes durch einen Deutschen
Vaterschaft, Anerkennung
1 C 12/19 (Bundesverwaltungsgericht)
Zur Anwendung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 Alt. 2 AufenthG auf Zweckvaterschaftsanerkennungen
1 BvL 6/10 (Bundesverfassungsgericht)
Nichtigkeit des § 1600 Abs 1 Nr 5 BGB (sog. Behördenanfechtung) sowie des Art 229 …