Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.01.2020, Az. V ZB 93/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1010

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KOSTENENTSCHEIDUNG SOFORTIGES ANERKENNTNIS SCHLÜSSIGKEIT

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Gegenstand

Kostenentscheidung bei sofortigem Anerkenntnis: Anerkennung nach Verstreichenlassen der Klageerwiderungsfrist bei in unschlüssiger Weise erhobener Klage


Leitsatz

1. Erkennt die beklagte Partei den Klageanspruch an, ist für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses schlüssig und begründet war.

2. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugelassene Ausnahme, wonach die beklagte Partei trotz Verstreichenlassens der Klageerwiderungsfrist noch mit der Wirkung des § 93 ZPO anerkennen kann, wenn die Klage zunächst in unschlüssiger Weise erhoben wurde, setzt voraus, dass der Kläger diesen Mangel durch ergänzten Sachvortrag vor dem Anerkenntnis behoben hat. Sie gilt nicht, wenn die beklagte Partei den geltend gemachten Anspruch bei unverändert gebliebenem Klagevorbringen anerkennt (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2004 - IV ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999 und Beschluss vom 1. Februar 2007 - IX ZB 248/05, NZI 2007, 283).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 29. Mai 2018 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 2.963,80 €.

Gründe

I.

1

Der [X.] ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 15. August 1994 verstorbenen Erblassers. Zu dem Nachlass gehört ein Hof im Sinne der Höfeordnung; der Testamentsvollstreckervermerk ist in dem Grundbuch des Hofs eingetragen. Alleiniger Hoferbe und als Eigentümer des Hofs im Grundbuch eingetragen ist der Kläger.

2

Der Kläger hat von dem [X.]n die Freigabe einiger zum Hof gehörender Grundstücke verlangt. Nachdem dieser darauf nicht reagierte, hat der Kläger Klage auf Freigabe erhoben. Das [X.] hat am 12. Juli 2017 das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Frist zur Klageerwiderung auf drei Wochen bestimmt. Mit einem am 11. August 2017 eingegangenen Schriftsatz hat der [X.] seine [X.] angezeigt und sich ein Anerkenntnis vorbehalten. Eine Klageerwiderung erfolgte nicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er den Anspruch auf Freigabe unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.

3

In dem darauf ergangenen Anerkenntnisurteil hat das [X.] dem [X.]n die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde will der [X.] weiterhin erreichen, dass die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt werden.

II.

4

Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen des § 93 ZPO lägen nicht vor. Der [X.] habe Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil er auf das vorgerichtliche Freigabeverlangen des [X.] nicht reagiert habe. Dafür sei unerheblich, ob im Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung die Klage schlüssig gewesen sei oder der anerkannte Anspruch materiell-rechtlich bestanden habe. Der [X.] sei wegen der ihm in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker treffenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gehalten gewesen, dem Kläger vorgerichtlich mitzuteilen, warum er das Freigabeverlangen als nicht schlüssig ansehe oder die ihm für die Freigabe gesetzte Frist zu kurz sei. Er habe zudem das Anerkenntnis nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO erklärt. Zwar könne die beklagte [X.] trotz des Verstreichenlassens der [X.] auch dann noch mit der Folge des § 93 ZPO anerkennen, wenn die Klage zunächst in [X.] Weise erhoben worden sei und das Anerkenntnis sofort nach Behebung des Mangels erklärt werde. Erkenne sie den Anspruch aber, wie hier, ohne Veränderung des Klagevortrages an, gelte dies nicht.

III.

5

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. [X.] hat das Beschwerdegericht die Kosten des Rechtsstreits dem [X.]n auferlegt.

1. Nach einem Anerkenntnis sind dem Kläger gemäß § 93 ZPO die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der [X.] keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt hat.

6

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

7

a) [X.] nimmt das Beschwerdegericht an, dass der [X.] Veranlassung zur Klage gegeben hat.

8

aa) Eine [X.] gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht des [X.] bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen ([X.], Urteil vom 27. Juni 1979 - [X.], NJW 1979, 2040, 2041; Beschluss vom 8. März 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1005, 1006). Dieser Schluss ist etwa gerechtfertigt, wenn der [X.] eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt (Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 572 Rn. 19; [X.], Urteil vom 27. Juni 1979 - [X.], aaO). Auch die beklagte [X.], die auf die Geltendmachung eines Anspruchs schweigt, kann nach den Umständen des Einzelfalls Veranlassung zur Klage geben (vgl. [X.], [X.], 175; [X.], [X.], 229, 230; [X.], NJW-RR 2012, 763; [X.] ZPO/[X.] [1.3.2019], § 93 Rn. 34; MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 93 Rn. 8; [X.], [X.] 2008, 65, 68).

9

bb) So ist es hier. Der [X.] hat Veranlassung zur Klage gegeben, weil er auf das vorgerichtliche Freigabeverlangen des [X.] geschwiegen hat. Ihm sind als Testamentsvollstrecker in §§ 2216 ff. BGB im Interesse und zum Schutz der Erben besondere Pflichten auferlegt (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 1982 - [X.], NJW 1983, 40, 41). Dazu gehört es, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten (§ 2216 Abs. 1 BGB) und Nachlassgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, dem Erben auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (§ 2217 Abs. 1 BGB). Er ist deshalb gehalten, auf ein solches Verlangen eines Erben zu reagieren und zu erklären, warum er die Freigabe (zunächst) verweigert. Das hat der [X.] nicht getan. Sein Schweigen gab für den Kläger vernünftigerweise Anlass zu der Annahme, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen.

b) Der [X.] hat den geltend gemachten Anspruch auch nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkannt.

Hat das Gericht das schriftliche Vorverfahren angeordnet, kann die beklagte [X.], sofern die Verteidigungserklärung keinen Sachantrag ankündigt oder das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung anerkennen (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - [X.], [X.], 572 Rn. 21; [X.], Beschluss vom 30. Mai 2006 - [X.], [X.]Z 168, 57 Rn. 22; Beschluss vom 21. März 2019 - [X.], juris Rn. 5). Daran fehlt es. Der [X.] hat erst in dem Termin zur mündlichen Verhandlung das Anerkenntnis erklärt, ohne dass sich an dem Klagevortrag etwas Entscheidungserhebliches geändert hätte. Das ist nicht sofort im Sinne des § 93 ZPO.

c) Ein Ausnahmefall, nach der die Kosten des Rechtsstreits dennoch nach § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen wären, liegt nicht vor.

aa) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Kläger habe die Prozesskosten gemäß § 93 ZPO zu tragen, weil die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht schlüssig und nicht begründet gewesen sei.

Zwar wird teilweise vertreten, dass der [X.] keine Veranlassung zur Klageerhebung gibt, wenn die Begründung für den anerkannten [X.] nicht schlüssig ist (vgl. [X.], [X.], 501; [X.], 1967; [X.], [X.] 1993, 801; für den Fall, dass die beklagte [X.] vorgerichtlich widersprochen hat vgl. [X.], [X.], 1770) oder wenn der geltend gemachte Anspruch nicht besteht ([X.], [X.], 1576). Dies ist aber mit der ganz überwiegenden Ansicht abzulehnen (vgl. [X.], [X.] 1999, 1349 f.; [X.], [X.], 232; Beschluss vom 22. Mai 2014 - 2 UF 6/14, juris Rn. 71; [X.], [X.], 1346, 1347 mwN; [X.], NJW-RR 2018, 509; HK-ZPO/[X.], 8. Aufl., § 93 Rn. 13; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 16. Aufl., § 93 Rn. 27; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 10; [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 93 Rn. 6.42). Erkennt die beklagte [X.] den [X.] an, ist für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses schlüssig und begründet war.

(1) Eine [X.], die den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil anerkennt, ist dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen (§ 307 Satz 1 ZPO). Das Anerkenntnis enthält das Zugeständnis der Richtigkeit der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung, dass sich aus diesen Tatsachen die vom Kläger behaupteten Rechtsfolgen ableiten lassen. Der Anerkennende unterwirft sich dem [X.] als einem zu Recht bestehenden Anspruch. Insoweit ist das Gericht der Prüfung des [X.] enthoben, denn es besteht kein Streit mehr über die Begründetheit des [X.]s (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 1953 - [X.]/51, [X.]Z 10, 333, 335 mwN; Urteil vom 27. Mai 1981 - [X.], [X.]Z 80, 389, 391; Urteil vom 6. Mai 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 831 Rn. 6).

(2) Auch im Rahmen der Kostenentscheidung hat das Gericht - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkennt - die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht zu prüfen. Findet eine solche Prüfung bei Erlass des [X.] nicht statt, muss das erst recht für die anschließende Kostenentscheidung gelten. Die Vorschrift des § 93 ZPO durchbricht aus Billigkeitsgründen die Grundregel des § 91 ZPO, wonach die unterlegene [X.] die Kostenlast trifft (vgl. [X.], Urteil vom 5. April 1973 - [X.], [X.]Z 60, 337, 343); sie dient zugleich der Entlastung der Gerichte und der [X.], indem sie einen Anreiz setzt, unnötige Prozesse zu vermeiden und laufende Verfahren zügig zu beenden (vgl. MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 93 Rn. 1). Die Voraussetzungen, unter denen die beklagte [X.] der Kostentragungspflicht entgehen kann - fehlende Veranlassung zur Klage und ein sofortiges Anerkenntnis - sind vor diesem Hintergrund grundsätzlich unabhängig davon zu beurteilen, ob die Klage schlüssig bzw. begründet war. Andernfalls erforderte die Entscheidung nach § 93 ZPO stets die Prüfung der materiellen Rechtslage und damit einen prozessualen Aufwand, von dem § 307 ZPO das Gericht bei der Hauptsacheentscheidung gerade enthebt. Das liefe Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider und wäre angesichts des Anerkenntnisses der beklagten [X.] auch sachlich nicht gerechtfertigt.

bb) Etwas anderes folgt nicht aus der Rechtsprechung des [X.] zu dem Anerkenntnis bei zunächst unschlüssigem und erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenem [X.].

(1) Wird eine Klage erst im Verlauf des Rechtsstreits schlüssig gemacht, kommt eine Ausnahme von dem Grundsatz in Betracht, dass das Anerkenntnis innerhalb der [X.] erklärt werden muss (vgl. zu diesem Grundsatz Rn. 11). Fehlt es zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die beklagte [X.] nach Behebung dieses Mangels noch „sofort“ anerkennen, auch wenn sie zuvor [X.] angezeigt und einen Klageabweisungsantrag gestellt hat. Sie ist nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits substantiiert vorgetragenen [X.] schon zuvor - gleichsam auf Verdacht - als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungslast entziehen zu können (vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 999; Beschluss vom 1. Februar 2007 - [X.] 248/05, [X.], 283). Auf diese Rechtsprechung bezieht sich das [X.], wenn es ausführt, ein [X.] Klagevortrag indiziere die fehlende Klageveranlassung (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2014 - 1 BvR 1063/14, juris Rn. 15).

(2) Das bedeutet indes nur, dass bei einem nicht schlüssig begründeten Anspruch ein fehlendes Anerkenntnis zunächst nicht schadet. Die von der Rechtsprechung des [X.] zugelassene Ausnahme, wonach die beklagte [X.] trotz Verstreichenlassens der [X.] noch mit der Wirkung des § 93 ZPO anerkennen kann, wenn die Klage zunächst in [X.] Weise erhoben wurde, setzt voraus, dass der Kläger diesen Mangel durch ergänzten Sachvortrag vor dem Anerkenntnis behoben hat. Nur dann ist das Anerkenntnis dadurch veranlasst, dass sich etwas Entscheidungserhebliches verändert hat. Die Ausnahme gilt nicht, wenn die beklagte [X.] den geltend gemachten Anspruch bei unverändert gebliebenem Klagevorbringen anerkennt. In diesem Fall kann sie aus der fehlenden Schlüssigkeit und Begründetheit des [X.]s nichts mehr für die Kostenentscheidung nach § 93 ZPO herleiten.

(3) So ist es hier. Der [X.] hat das Anerkenntnis im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, obwohl das Klagevorbringen unverändert geblieben war. Für ihn bleibt es deshalb bei der Kostenlast aus § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert entspricht der Kostenbelastung, gegen die sich der [X.] wendet.

[X.]     

      

Schmidt-Räntsch     

      

Weinland

      

Göbel     

      

Haberkamp     

      

Meta

V ZB 93/18

16.01.2020

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 29. Mai 2018, Az: 1 W 11/18, Beschluss

§ 93 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.01.2020, Az. V ZB 93/18 (REWIS RS 2020, 1010)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 588-589 REWIS RS 2020, 1010

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