Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2012, Az. V ZR 102/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8999

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Gegenstand

Erlöschen des Erbbaurechts: Grunddienstbarkeit als Bestandteil des Erbbaugrundstücks


Leitsatz

Mit dem Erlöschen des Erbbaurechts werden für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellte Grunddienstbarkeiten mit dem Inhalt von Wege- und Leitungsrechten Bestandteile des Erbbaugrundstücks.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 23. März 2011 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eigentümer des Reihenhausgrundstücks [X.] 25. Den Beklagten gehört das benachbarte Reihenhausgrundstück [X.], das mit einem Erbbaurecht belastet war. Zugunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten lastete auf dem Grundstück der Kläger eine Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eines Wegerechts. [X.] erwarben die Beklagten sowohl das auf dem Grundstück [X.] 23 lastende Erbbaurecht als auch das Eigentum an diesem Grundstück. Sie hoben das Erbbaurecht auf, dessen Eintragung im Grundbuch gelöscht wurde.

2

[X.] beantragten die Kläger bei dem Grundbuchamt, das als Belastung ihres Grundstücks eingetragene Wegerecht zugunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten zu löschen. Die Beklagten erteilten keine Löschungsbewilligung. Auf Grund einer Entscheidung des [X.] im Grundbuchbeschwerdeverfahren nahm das Grundbuchamt im September 2010 die Löschung vor.

3

Die Kläger haben von den Beklagten verlangt, es zu unterlassen, ihr Grundstück zu betreten oder dies ihren Kindern zu gestatten. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der von diesem zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Unterlassung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht bejaht ein Wegerecht der Beklagten am Grundstück der Kläger. Es ist der Ansicht, das zu Gunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten eingetragene Wegerecht sei mit der Aufgabe des Erbbaurechts nicht erloschen, sondern gemäß § 12 Abs. 3 [X.] Bestandteil des von den Beklagten erworbenen Grundstücks geworden. Diese Vorschrift sei auf alle Bestandteile des ehemaligen Erbbaurechts, mithin auch auf die nach § 96 [X.] als Bestandteile geltenden subjektiv-dinglichen Rechte anzuwenden.

II.

5

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Dem von den Klägern geltend gemachten Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 [X.]) steht das für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellte Wegerecht entgegen.

6

1. Die Grunddienstbarkeit ist nicht schon dadurch erloschen, dass ihre Eintragung als Belastung im Grundbuch gelöscht worden ist. Ein dingliches Recht geht allein durch die Löschung im Grundbuch nicht unter, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für sein Erlöschen nicht vorliegen (BayObLG, [X.] 1995, 42, 43). Wird ein bestehendes Recht - wie hier - zu Unrecht im Grundbuch gelöscht, bleibt es gleichwohl außerhalb des Grundbuchs bestehen (KEHE-Dümig, [X.], 6. Aufl., § 22 GBO Rn. 35).

7

2. Materiell-rechtlich ist das als Grunddienstbarkeit nach § 1018 [X.] bestellte Wegerecht nicht erloschen.

8

a) Das Recht kann infolge der Aufhebung des Erbbaurechts allerdings nicht mehr als dessen Bestandteil fortbestehen. Grunddienstbarkeiten nach § 1018 [X.] sind subjektiv-dingliche Rechte, die nach §§ 96, 93 [X.] als wesentliche, nicht abtrennbare Bestandteile des herrschenden Grundstücks gelten (vgl. [X.], 71, 72; BayObLG NJW-RR 1990, 1043, 1044 und NJW-RR 2003, 451, 452; [X.], [X.] 1980, 270, 271; [X.], NJW-RR 1993, 982, 983). Sie sind sonderrechtsunfähig und teilen das Schicksal der Sache, mit der sie verbunden sind ([X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 96 Rn. 7; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 96 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 96 Rn. 1).

9

Für eine zugunsten des jeweiligen Inhabers eines Erbbaurechts bestellte Grunddienstbarkeit gilt nichts anderes. Sie ist nach § 96 [X.] ein wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts (vgl. [X.], [X.] 1980, 270, 271). Mit dessen Aufhebung gemäß § 875 [X.], § 26 [X.] kann eine Grunddienstbarkeit nicht mehr als dessen Bestandteil fortbestehen.

b) Das Berufungsgericht geht jedoch zutreffend davon aus, dass die für ein Wegerecht bestellte Grunddienstbarkeit nach § 12 Abs. 3 [X.] mit dem Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteil des Erbbaugrundstücks wurde. Diese Vorschrift bestimmt, dass mit dem Erlöschen des Erbbaurechts die Bestandteile des Erbbaurechts Bestandteile des Grundstücks werden. Ob die Norm jedoch über die mit dem Erbbaugrundstück verbundenen Sachen hinaus, die gemäß § 12 Abs. 1 und 2 [X.] in Verbindung mit § 94 [X.] Bestandteile des Erbbaurechts sind, auch die in § 96 [X.] bezeichneten Rechte erfasst, ist streitig.

aa) Das ältere Schrifttum ging ganz überwiegend davon aus, dass die Vorschrift nur auf das Bauwerk und andere körperliche Bestandteile anzuwenden sei. Nur diese würden mit der Beendigung des Erbbaurechts Bestandteile des Erbbaugrundstücks, während die in § 96 [X.] bezeichneten Rechte erlöschen und nicht auf den Eigentümer des Erbbaugrundstücks übergingen ([X.], Erbbaurecht, 2. Aufl., § 12 [X.] [X.] V; [X.], [X.], § 12 [X.] 4; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 12 [X.] [X.] 4 b; [X.], [X.], § 12 [X.] 11). In diesem Sinne hat das [X.] ([X.] 1964, 249, 250) entschieden. Der gleichen Auffassung ist auch ein großer Teil des neueren Schrifttums ([X.]/Grziwotz, [X.], 13. Aufl., § 12 [X.] Rn. 5; [X.]/[X.], Kommentar zum Erbbaurecht, 9. Aufl., § 12 Rn. 33; [X.]/[X.], Immobilienrecht, § 12 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 12 Rn. 5; RGRK/[X.], [X.], 12. Aufl., § 12 [X.] Rn. 23; Soergel/Stürner, [X.], 13. Aufl., § 12 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], [X.] [2009], § 12 [X.] Rn. 25).

bb) Die dem entgegenstehende Auffassung im Schrifttum, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, versteht § 12 Abs. 3 [X.] unter Berufung auf den Wortlaut dagegen so, dass alle Bestandteile des Erbbaurechts, mithin auch die subjektiv-dinglichen Rechte nach § 96 [X.], mit dem Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteile des Erbbaugrundstücks werden ([X.], [X.] 2002, 389, 391; [X.]. in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 12 [X.] Rn. 7; [X.], Rpfleger 2004, 21, 23; [X.]., Praktische Fragen des Erbbaurechts, 6. Aufl., Rn. 575; v. [X.]/[X.], Handbuch des Erbbaurechts, 4. Aufl., Rn. 5.256; MünchKomm-[X.]/v. [X.], 5. Aufl., § 12; [X.] Rn. 10).

c) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung für die Grunddienstbarkeiten für Wege- und Leitungsrechte. Diese Rechte, die regelmäßig der Erschließung des Bauwerks dienen, werden - wie das Bauwerk selbst - mit dem Erlöschen des Erbbaurechts nach § 12 Abs. 3 [X.] Bestandteile des Grundstücks.

aa) Für diese Ansicht spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, da auch die subjektiv-dinglichen Rechte nach § 96 [X.] als Bestandteile des Erbbaurechts anzusehen sind.

bb) Diese Auslegung trägt - jedenfalls soweit es um Grunddienstbarkeiten für Wege- und Leitungsrechte geht - zudem dazu bei, den wirtschaftlichen Zweck zu verwirklichen, der mit dem Übergang des Eigentums am Bauwerk auf den Grundstückseigentümer beim Erlöschen des Erbbaurechts herbeigeführt werden sollte.

(1) Der Begründung der Verordnung über das Erbbaurecht (1. Beilage zum [X.] und zum [X.] vom 31. Januar 1919) ist allerdings nicht zu entnehmen, dass nach den Regelungsvorstellungen des Verordnungsgebers mit dem Erlöschen des Erbbaurechts nicht nur das Bauwerk und die Grundstückserzeugnisse, sondern auch die für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellten subjektiv-dinglichen Rechte auf den Grundstückseigentümer übergehen sollten. Seine mit dieser Norm verfolgte Absicht war es vielmehr, Zweifelsfragen in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse am Bauwerk und an den Erzeugnissen des Grundstücks zu entscheiden, die sich bei den nach §§ 1012 bis 1017 [X.] a.F. bestellten Erbbaurechten bei ihrem Erlöschen ergeben hatten. Mit § 12 Abs. 3 [X.] (durch Art. 25 des [X.] vom 23. November 2007, [X.]l. I, [X.], in [X.] umbenannt) wurde deshalb festgelegt, dass die Eigenschaft des Bauwerks als Scheinbestandteil des Grundstücks mit dem Erlöschen des Erbbaurechts endet und dieses von Rechts wegen - ohne weiteres Zutun der Beteiligten - Eigentum des Grundstückseigentümers wird.

(2) Der Übergang des Eigentums am Bauwerk und die dem Eigentümer nach § 27 [X.] auferlegte Entschädigungspflicht für das Bauwerk zielten in wirtschaftlicher Hinsicht allerdings darauf ab, dass der Erbbauberechtigte das Bauwerk auch in den letzten Jahren der Laufzeit ordnungsgemäß unterhalten und der Grundstückseigentümer das Bauwerk in dem Zustand erhalten sollte, wie es bei dem Erbbauberechtigten bestand ([X.], [X.] 2002, 389, 391). Dieses Ziel würde jedoch verfehlt, wenn der Eigentümer des Erbbaugrundstücks mit dem Erlöschen des Erbbaurechts zwar Eigentümer eines ordnungsgemäß unterhaltenen Bauwerk würde, dieses aber wegen des Erlöschens der mit dem Erbbaurecht verbundenen Wege- und Leitungsrechte nicht wie zuvor der Erbbauberechtigte nutzen könnte. Dem entspricht es, § 12 Abs. 3 [X.] auch auf die für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellten Wege- und Leitungsrechte anzuwenden, die als Bestandteile des Erbbaurechts mit dessen Erlöschen Bestandteile des Grundstücks werden.

cc) Ob § 12 Abs. 3 [X.] auf alle mit dem Erbbaurecht verbundenen subjektiv-dinglichen Rechte nach § 96 [X.], also auch auf andere Dienstbarkeiten, Reallasten und dingliche Vorkaufsrechte anzuwenden ist, die nicht der weiteren Nutzung des Bauwerks dienen, erscheint zweifelhaft. Dem Zweck dieser Rechte könnte es eher entsprechen, wenn solche Rechte mit dem Erbbaurecht untergingen. Das kann jedoch dahinstehen, weil es hier um den Übergang eines für den jeweiligen Erbbauberechtigten bestellten Wegerechts geht.

dd) Einer Ergänzung wird der gesetzliche Übergang der Grunddienstbarkeiten auf das ehemalige Erbbaugrundstück auch in den Fällen bedürfen, in denen gleiche oder ähnliche Rechte als Belastungen am Erbbaurecht bestanden, die wegen der Aufhebung oder des Erlöschen des Erbbaurechts infolge Zeitablaufs an diesem jedoch nicht fortbestehen können.

Ansonsten ginge bei einer wechselseitigen Bestellung von Grunddienstbarkeiten durch die Eigentümer und Erbbauberechtigte benachbarter Grundstücke (für Wege- und/oder Leitungsrechte) die das ehemalige Erbbaurecht belastende Grunddienstbarkeit mit dem Erlöschen des Erbbaurechts unter, während das auf dem benachbarten Grundstück lastende Recht infolge des gesetzlichen Übergangs auf den Eigentümer des Erbbaugrundstücks nach § 12 Abs. 3 [X.] fortbestünde. Eine ähnliche Bevorzugung der Interessen des Eigentümers des Erbbaugrundstücks träte in den Fällen ein, in denen das Erbbaurecht mit einer Reallast nach § 1105 [X.] belastet worden war, weil das Recht zur Mitbenutzung nach dem der Grunddienstbarkeit zugrunde liegenden Vertrag nicht unentgeltlich gewährt werden sollte (zu einer solchen Absicherung der „Gegenleistung“: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1018 Rn. 46; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., vor § 1018 [X.] 3). Das Erlöschen der Reallast an dem Erbbaurecht hätte dann zur Folge, dass der Eigentümer des ehemaligen Erbbaugrundstücks das auf ihn übergangene Recht weiter ausüben könnte, ohne aus der mit dem Erbbaurecht untergegangenen Reallast zur Zahlung verpflichtet zu sein.

Wie eine ergänzende Regelung zu § 12 Abs. 3 [X.] in diesen Fällen auszusehen hätte (gesetzlicher Übergang auch der Belastungen auf das Erbbaugrundstück oder schuldrechtlicher Anspruch des Nachbarn auf Neubestellung gleichartiger Rechte am früheren Erbbaugrundstück), bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, da für solche Rechte der Kläger an dem erloschenen Erbbaurecht nichts festgestellt oder vorgetragen worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                                   [X.]                                            Schmidt-Räntsch

                          [X.]                                              [X.]

Meta

V ZR 102/11

17.02.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Gießen, 23. März 2011, Az: 1 S 28/10

§ 12 Abs 3 ErbbauV, § 96 BGB, § 1018 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2012, Az. V ZR 102/11 (REWIS RS 2012, 8999)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8999

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V ZB 120/13

V ZR 102/11

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