Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. I R 86/06

1. Senat | REWIS RS 2010, 8391

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Berichtigung von materiellen Fehlern und Feststellungsverfahren


Leitsatz

NV: Ein saldierungsfähiger materieller Fehler i.S. des § 177 Abs. 3 AO ist auch dann gegeben, wenn das FA einen Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig ausgewertet hat und daher durch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung an einer Auswertung gehindert ist. Eine Korrektur ist auch dann möglich, wenn der ursprüngliche Bescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, weil der Grundlagenbescheid noch nicht ergangen war.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Rechtsnachfolger nach [[[[[[X.].].].].].], verstorben, und [[[[[[X.].].].].].], verstorben 2002. [[[[[[X.].].].].].] und [[[[[[X.].].].].].] wurden in den Streitjahren 1980 und 1981 als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. [[[[[[X.].].].].].] war u.a. an der [[[[[X.].].].].] und atypische Stille ([[[[[X.].].].].]) --A-- beteiligt.

2

Nach Abgabe der Steuererklärungen setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[[[X.].].].]--) am 29. Juli 1982 und am 23. November 1983 die Einkommensteuer für die [[[[[X.].].].].] und 1981 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

3

Am 24. Februar 1987 ergingen geänderte Feststellungsbescheide 1980 und 1981 für A, in denen inländische gewerbliche Gewinnanteile von bisher 969.564 [[[X.].].] (1980) bzw. 890.380 [[[X.].].] (1981) auf null [[[X.].].] und zugleich ausländische Gewinnanteile i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AuslInvG) und § 32b des Einkommensteuergesetzes 1979/1981 von 994.120 [[[X.].].] (1980) bzw. 930.278 [[[X.].].] (1981) festgestellt wurden.

4

Nach einer Außenprüfung bei [[[[[[X.].].].].].] und [[[[[[X.].].].].].] erließ das [[[[X.].].].] am 12. August 1988 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und hob den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung ([[[[[[[X.].].].].].].]) auf. Für 1980 und 1981 ergaben sich Änderungen zu Gunsten des [[[[[[X.].].].].].] in Höhe von 1.269.931 [[[X.].].] (1980) und 4.939.973 [[[X.].].] (1981) sowie Änderungen zu dessen Lasten in Höhe von 2.168.907 [[[X.].].] (1980) und 8.378.327 [[[X.].].] (1981). Die Einkünfte, die den geänderten Feststellungen für A zu Grunde lagen, wurden gemäß § 177 Abs. 2 [[[[[[[X.].].].].].].] im Wege der Fehlerberichtigung berücksichtigt.

5

Die Kläger erhoben gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide Klage, die das [[[X.].].] ([[X.].]) Nürnberg mit Urteil vom 21. Juli 2006 [[[X.].].]/2002 hinsichtlich der hier streitigen Einkünfte des [[[[[[X.].].].].].] aus der Beteiligung an A abwies.

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen, das Urteil des [[X.].] aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1980 und 1981 dahingehend zu ändern, keine Nachversteuerung gemäß § 2 AuslInvG durchzuführen für gewerbliche Einkünfte, soweit diese durch A erzielt und [[[[[[X.].].].].].] unmittelbar steuerlich zugerechnet wurden.

7

Das [[[[X.].].].] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 [[[X.].].]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--).

9

1. Das [[[X.].].] hat zutreffend entschieden, dass die Grundlagenbescheide für [[[X.].].] vom 24. Februar 1987 wegen [[[X.].].]blaufs der Frist des § 171 [[[X.].].]bs. 10 [[[X.].].] in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([[[X.].].]) nicht mehr ausgewertet werden durften. Dem steht nicht entgegen, dass bei [[X.].] und [[X.].] eine [[[X.].].]ußenprüfung durchgeführt wurde. Denn die Einkünfte des [[X.].] aus Beteiligungen an Personengesellschaften waren nicht Gegenstand der [[[X.].].]ußenprüfung, weshalb die Festsetzungsfrist insoweit nicht gemäß § 171 [[[X.].].]bs. 4 [[[X.].].] gehemmt war. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, so dass der Senat insoweit von weiteren [[[X.].].]usführungen absieht.

2. Die nicht ausgewerteten Feststellungsbescheide konnten jedoch gemäß § 177 [[[X.].].] im Wege der Fehlersaldierung berücksichtigt werden.

a) Wie der [X.] ([X.]) bereits wiederholt entschieden hat, ist die nicht rechtzeitige [[[X.].].]uswertung eines Grundlagenbescheides ein "Rechtsfehler" i.S. des § 177 [[[X.].].], soweit die in einem [X.] angesetzten Besteuerungsgrundlagen von den [[[X.].].]nsätzen im Grundlagenbescheid abweichen. Wird der [X.] --wie hier-- aus anderen Gründen geändert, kann eine nicht mehr umsetzbare Besteuerungsgrundlage gemäß § 177 [[[X.].].] im Wege der Saldierung berücksichtigt werden (z.B. Senatsbeschluss vom 11. Juli 2007 [X.], [X.]/NV 2008, 6; [X.]-Beschluss vom 19. Mai 2006 [X.], [X.]/NV 2006, 1622; [X.]-Urteil vom 10. [[[X.].].]ugust 2006 II R 24/05, [X.]E 214, 105, [X.], 87; die (u.a.) gegen die letztgenannte Entscheidung des II. Senats eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 10. Juni 2009  1 BvR 571/07, [X.]Entscheidungsdienst 2009, 1021, nicht zur Entscheidung angenommen). § 177 [[[X.].].]bs. 3 [[[X.].].] stellt nicht auf die tatsächlich noch bestehende, sondern auf die ursprünglich [[[X.].].] entstandene Steuer ab; diese wird durch den Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht verändert. Daher ist eine Steuer, für die die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist, in die Berichtigung mit einzubeziehen (z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 214, 105, [X.], 87; Senatsbeschluss in [X.]/NV 2008, 6; [X.]-Urteil vom 18. Dezember 1991 [[X.].] R 38/90, [X.]E 167, 1, [X.] 1992, 504; [X.] in [[[X.].].], [[[X.].].], § 177 Rz 8).

b) Dies gilt entgegen der [[[X.].].]uffassung der Kläger auch dann, wenn der Grundlagenbescheid zum Zeitpunkt des erstmaligen Erlasses des Einkommensteuerbescheides noch nicht ergangen war.

Dem Wortlaut des § 177 [[[X.].].] lässt sich an keiner Stelle entnehmen, dass eine Fehlerkorrektur nur möglich ist, wenn der ursprüngliche Bescheid den materiellen Fehler bereits enthält. Nach der Definition des "materiellen Fehlers" in § 177 [[[X.].].]bs. 3 [[[X.].].] ist vielmehr nur erforderlich, dass der Fehler zur Festsetzung einer Steuer führen würde, die von der [[[X.].].] entstandenen Steuer abweicht. Dies ist jedoch auch dann der Fall, wenn der ursprüngliche Bescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war, weil der Grundlagenbescheid noch nicht ergangen war. Denn auch in diesem Fall führte die Nichtberücksichtigung der im Grundlagenbescheid festgestellten Einkünfte zu einer von der [[[X.].].] entstandenen abweichenden Steuer (Senatsbeschluss in [X.]/NV 2008, 6, m.w.N.).

Nach der Konzeption des § 177 [[[X.].].] sollen bei einer Änderung der Steuerfestsetzung zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen materielle Rechtsfehler der Steuerfestsetzung insoweit korrigiert werden, als die Änderung reicht. Das Gesetz räumt dem Prinzip der materiell richtigen Steuerfestsetzung insoweit Vorrang gegenüber der Rechtssicherheit ein ([X.] 612/93, [X.] zu § 177 [[[X.].].]). Dieses Ziel umfasst auch solche Rechtsfehler, die im ursprünglichen Bescheid noch nicht enthalten waren, sondern erst danach eingetreten sind.

c) Damit bestand im Streitfall die Möglichkeit, im Wege der Fehlerkorrektur des § 177 [[[X.].].]bs. 2 [[[X.].].] die im Grundlagenbescheid festgestellten Einkünfte mit den zu Gunsten der Kläger geänderten Besteuerungsgrundlagen zu verrechnen.

Meta

I R 86/06

17.03.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 21. Juli 2006, Az: VII 305/2002, Urteil

§ 171 Abs 4 AO, § 171 Abs 10 AO, § 177 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. I R 86/06 (REWIS RS 2010, 8391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8391

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X R 24/13 (Bundesfinanzhof)

(Saldierung nach § 177 AO bei Änderung eines Folgebescheids)


III R 25/22 (Bundesfinanzhof)

Änderung von Antrags- und Wahlrechten


VIII R 24/13 (Bundesfinanzhof)

Geringe Bedeutung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung bei drohender Festsetzungsverjährung der Folgebescheide


X R 53/14 (Bundesfinanzhof)

Ergehen eines Grundlagenbescheids nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist für den Folgebescheid


X R 15/10 (Bundesfinanzhof)

Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts durch die Finanzbehörde; Änderung des Folgebescheids bei Feststellung der Nichtigkeit …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.