Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018, Az. B 4 AS 43/17 R

4. Senat | REWIS RS 2018, 1135

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen - Beschränkung der Minderjährigenhaftung - Eintritt der Volljährigkeit während des Klageverfahrens - maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage


Leitsatz

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines noch nicht bestandskräftigen Erstattungsbescheids ist im Hinblick auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach dem BGB der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist, ob die inzwischen volljährig gewordene Klägerin für eine Erstattungsforderung des beklagten [X.] nur begrenzt haftet.

2

Die am [X.] geborene Klägerin bezog als Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] Die Eltern der Klägerin lebten getrennt. Der Beklagte bewilligte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.11.2011 Leistungen (zuletzt mit Bescheid vom 17.8.2011). Am 30.8.2011 verpflichtete sich der Vater der Klägerin gegenüber dem Jugendamt, seiner Tochter Unterhalt in Höhe von 100 Euro im Monat zu leisten. Die beiden ersten Zahlungen (für Juli und August 2011) leistete er am 31.8.2011. Mit einem an die Mutter der Klägerin als gesetzliche Vertreterin adressierten Bescheid vom 15.11.2011 hob der Beklagte den Bescheid vom 17.8.2011 für den Zeitraum vom 1.7. bis zum 30.11.2011 im Hinblick auf die der Klägerin bewilligten Leistungen teilweise in Höhe von 500 Euro auf und forderte diesen Betrag zugleich zurück. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ermäßigte der Beklagte mit Bescheid vom [X.] die Aufhebung und Erstattung aufgrund der fehlerhaften Einkommensberücksichtigung für Juli 2011 auf einen Betrag in Höhe von 400 Euro. Mit Widerspruchsbescheid vom [X.] wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin im Übrigen zurück.

3

Nach Klageerhebung hat die Klägerin bei Vollendung des 18. Lebensjahres am 26.7.2015 weiterhin Leistungen nach dem [X.] bezogen. Über eigenes Einkommen aus einem Ausbildungsverhältnis oder aus Erwerbstätigkeit hat sie zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig verfügt wie über ein eigenes Konto, Ersparnisse oder sonstige Wertgegenstände. Vor diesem Hintergrund hat sich die Klägerin bereits im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB berufen. Das [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.] sei der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom [X.]. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch nicht volljährig gewesen (Urteil vom 1.10.2015). Das L[X.] hat das Urteil des [X.] abgeändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit eine Erstattungsforderung gegen die Klägerin geltend gemacht werde. Im Übrigen hat das L[X.] die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Anders als die Entscheidung über die Aufhebung sei die Entscheidung über die Erstattung mit dem 18. Geburtstag der Klägerin rechtswidrig geworden. Dem Rückforderungsverlangen stehe die Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB entgegen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.] zu beachten sei, obwohl die Volljährigkeit erst während des Klageverfahrens eingetreten sei. Der [X.] sei in der vorliegenden Konstellation wie ein Dauerverwaltungsakt zu behandeln. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei deshalb auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen.

4

Mit seiner vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von §§ 48, 50 [X.]B X und § 1629a BGB. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und [X.] sei der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Dies gelte nach der Rechtsprechung des B[X.] auch bei Anwendung von § 1629a BGB (unter Berufung auf B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.]-4200 § 38 [X.], RdNr 47 f). Die Vollendung des 18. Lebensjahres durch die Klägerin im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens habe danach nicht berücksichtigt werden dürfen.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 28. September 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 1. Oktober 2015 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass das [X.] des Beklagten gegenüber der Klägerin nach den Grundsätzen der beschränkten Minderjährigenhaftung rechtswidrig ist und sie in ihren Rechten verletzt.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Urteilen der - den Bescheid vom 15.11.2011 ersetzende - Bescheid vom 30.5.2013 und der Widerspruchsbescheid vom [X.], soweit diese Bescheide eine Pflicht der Klägerin zur Erstattung von 400 Euro regeln. Soweit das [X.] und das [X.] die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 [X.]G) hinsichtlich der in den Bescheiden enthaltenen Aufhebung der ursprünglichen Leistungsbewilligung abgewiesen haben, sind die Bescheide bestandskräftig geworden (§ 77 [X.]G).

9

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Die von der Klägerin erhobene reine Anfechtungsklage ist statthaft. Die Berufung der Klägerin war trotz der nicht erreichten Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G zulässig, weil sie nach Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde vom [X.] zugelassen worden war.

3. Rechtsgrundlage des [X.]s ist § 40 [X.]B II (idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, [X.]; vgl zum anzuwendenden Recht B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f; B[X.] vom 7.12.2017 - [X.] [X.]/17 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]0) iVm § 50 [X.]B X. Die formell nicht zu beanstandenden Bescheide (4.) sind materiell rechtswidrig. Zwar liegen die allgemeinen Voraussetzungen für ein [X.] nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B X vor (5.). Die materielle Rechtswidrigkeit folgt aber aus der entsprechenden Anwendung des § 1629a [X.] (6.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des [X.] ist hier der Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin am 26.7.2015 (7.). Eine Haftung der Klägerin für die [X.] des Beklagten entfiel bei Eintritt der Volljährigkeit (8.).

4. Der angefochtene [X.] ist nicht schon wegen eines formellen Mangels aufzuheben. Soweit der Beklagte versäumt hat, die Klägerin vor Erlass des Verwaltungsakts anzuhören (vgl hierzu B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]9 f), ist dieser Mangel nach den Feststellungen des [X.] im Widerspruchsverfahren geheilt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 [X.]B X).

5. [X.] und der Widerspruchsbescheid vom [X.] sind materiell rechtswidrig. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen für eine Erstattung nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B X erfüllt. Nach diesen Vorschriften sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Das [X.] knüpft vorliegend an die (bestandskräftige) Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 1.8. bis 30.11.2011 in Höhe von 400 Euro an.

6. Die materielle Rechtmäßigkeit des [X.]s bemisst sich im vorliegenden Fall allerdings nicht nur an § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B X, sondern auch an § 1629a [X.]. Nach dieser Vorschrift beschränkt sich die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf den Bestand des bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes. Die Regelung dient insoweit der Erfüllung eines Verfassungsauftrags, weil das [X.] in seinem Beschluss vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - [X.]E 72, 155) entschieden hatte, das als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG anerkannte Recht auf Selbstbestimmung werde berührt, wenn Eltern ihre minderjährigen Kinder kraft der ihnen zustehenden gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1629 Abs 1 [X.]) finanziell verpflichten können. Hierdurch könnten in erheblichem Maße die Grundbedingungen freier Entfaltung und Entwicklung junger Menschen betroffen werden. Der zur Umsetzung dieser Rechtsprechung durch das [X.]sgesetz vom [X.] ([X.]) in das [X.] eingefügte § 1629a [X.] knüpft dabei allein an die Saldierung zwischen der fremdverantworteten Verbindlichkeit und dem Vermögensbestand bei Eintritt der Volljährigkeit an.

Diese vom [X.] beanstandete Lage kann in gleicher Weise auftreten im Angesicht der finanziellen Folgen, die Minderjährigen als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft über die insoweit geltende Vertretungsregelung (§ 38 [X.]B II) aufgebürdet werden. Die in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzliche Regelung des § 1629a [X.] gilt für die "Minderjährigenhaftung" im [X.]B II entsprechend (grundlegend B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]0 ff; vgl auch B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-1500 § 75 [X.]4 RdNr 35 ff; [X.] im Ergebnis durch B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] AS 12/14 R - [X.] 4-1300 § 50 [X.] Rd[X.]4; vgl hierzu auch [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 40 Rd[X.]42 ff sowie [X.], [X.] 2018, 684; teilweise kritisch im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung Uyanik, Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen nach dem [X.]B II im Konflikt zur [X.] nach § 1629a [X.], 2018, 137 ff). Die entsprechende Anwendung hat in vollem Umfang zu erfolgen, denn im Sozialrecht kann aus verfassungsrechtlichen Gründen kein geringerer Schutz der Minderjährigen gelten als im Zivilrecht. Die Regelung über die Beschränkung der Minderjährigenhaftung findet nicht erst im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Anwendung, sondern betrifft bereits den [X.] (B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]5 f).

7. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des streitgegenständlichen [X.] ist der Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit der Klägerin am 26.7.2015.

Die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Ob der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt und sie deshalb im Wege der Anfechtungsklage verlangen kann, dass das Gericht den Verwaltungsakt aufhebt, ist keine Frage des Prozessrechts (stRspr; vgl nur B[X.] vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-1300 § 44 [X.] Rd[X.]9; B[X.] vom 23.6.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 60 [X.] Rd[X.]2; vgl auch [X.] vom 31.3.2004 - 8 C 5.03 - [X.]E 120, 246, 250; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 54 RdNr 33). Für die Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts ist es deshalb im Ergebnis nicht entscheidend, dass es sich bei der Klage um eine reine Anfechtungsklage handelt. Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage entspricht lediglich einer Faustregel mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen. Nach dieser Faustregel ist bei [X.] grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (vgl hierzu nur B[X.] vom 23.6.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 60 [X.] Rd[X.]1). Bestimmt das materielle Recht einen anderen maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, ist für die Anwendung der Faustregel kein Raum.

Der vorliegende [X.] ist an § 1629a [X.] zu messen. Diese hier entsprechend anzuwendende Vorschrift bestimmt als maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines noch im Streit stehenden behördlichen [X.]s den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit, weil die Haftung auf das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen des Kindes beschränkt ist. Die Vorschrift schützt den Minderjährigen in diesem Zeitpunkt, um einen selbstbestimmten Eintritt in die Volljährigkeit sicherzustellen. Der Zeitraum bis zum Eintritt der Volljährigkeit ist dagegen nicht Gegenstand des § 1629a [X.] (B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]7). Die Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen zeitlichen Bezugspunkt konnte der 14. Senat in seiner Entscheidung vom 7.7.2011 offenlassen. Seinerzeit führte bereits die Anwendung der erwähnten Faustregel zur Berücksichtigung der Volljährigkeit, weil diese noch vor Erlass des Widerspruchsbescheids eintrat (B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]8).

Da sich hier die materielle Rechtmäßigkeit des [X.]s an § 1629a [X.] bemisst, ist es unerheblich, welcher Beurteilungszeitpunkt bei Aufhebungs- und [X.]en allgemein maßgeblich ist. Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob der Klägerin seit dem Eintritt der Volljährigkeit ein Anspruch auf Aufhebung des [X.] nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]B X zusteht, was voraussetzen würde, dass es sich wegen § 1629a [X.] bei dem [X.] insoweit um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl hierzu B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]7 sowie - entsprechende Anwendung - Schütze in von [X.]/Schütze, [X.]B X, 8. Aufl 2014, § 50 Rd[X.]1a; kritisch - kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - Aubel in jurisPK-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 40 Rd[X.]7; Baumeister in jurisPK-[X.]B X, 2. Aufl 2017, § 50 RdNr 69; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 40 Rd[X.]46; [X.], [X.] 2018, 684, 685). Diese Frage stellt sich nur, wenn der [X.] bestandskräftig geworden ist. Hier ist er aber Streitgegenstand der anhängigen Anfechtungsklage und - da die Volljährigkeit im laufenden Klageverfahren eintrat - bereits vom prozessualen Aufhebungsanspruch der Klägerin umfasst.

8. Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 1629a [X.] vor.

a) Die vorliegende Verbindlichkeit in Form des [X.]s über 400 Euro ist durch eine Handlung der vertretungsberechtigten Mutter mit Wirkung für die Klägerin begründet worden. Die zur Erstattung führende Überzahlung resultiert aus der Beantragung und der Entgegennahme der Leistungen nach dem [X.]B II (vgl § 38 Abs 1 Satz 1 [X.]B II). Die Pflichtwidrigkeit des [X.] ist im Rahmen des § 1629a [X.] nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl hierzu Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren [X.] AS 34/17 R - vorgesehen für [X.]; vgl zu einem Fall des pflichtwidrigen Unterlassens B[X.] vom 18.11.2014 - [X.] AS 12/14 R - [X.] 4-1300 § 50 [X.] Rd[X.]6). Die Vorschrift knüpft allein an das Vorhandensein fremdverantworteter Verbindlichkeiten an (vgl hierzu nur Coester in [X.], [X.], 2015, § 1629a Rd[X.]1 ff, 44). In diesem Sinne bestimmt § 1629a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 Var 2 [X.], dass selbst die familiengerichtliche Genehmigung eines Rechtsgeschäfts an der beschränkten Haftung des Minderjährigen nichts ändert.

b) Die Klägerin verfügte nach den Feststellungen des [X.] zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Volljährigkeit über kein pfändbares Vermögen, um die [X.] zu erfüllen (vgl hierzu ebenfalls Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren [X.] AS 34/17 R - vorgesehen für [X.]).

c) Der Anwendung der Vorschrift steht zuletzt auch nicht die Regelung in § 1629a Abs 2 Var 2 [X.] entgegen, wonach die Haftungsbeschränkung keine Anwendung findet auf Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen dienten. Diese den Anwendungsbereich der Schutzvorschrift einschränkende Regelung findet auf die Rückforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]B II keine Anwendung (B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]1; B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-1500 § 75 [X.]4 RdNr 39).

d) Zuletzt steht einer entsprechenden Anwendung des § 1629a [X.] auch nicht entgegen, dass es sich vorliegend bei der Höhe der [X.] um einen Betrag handelt, der aus Sicht des Betroffenen den Start in die Volljährigkeit zwar erschweren kann, sein Selbstbestimmungsrecht aber nicht in verfassungswidriger Weise einschränken würde (zu der Frage der Anwendbarkeit der Regelung auf "[X.]" Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren [X.] AS 34/17 R - vorgesehen für [X.]). Nach der gesetzlichen Konzeption des § 1629a [X.] wird die Höhe der [X.] allein im Rahmen der Saldierung von Schuld und Vermögen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt. Eine eher geringere Höhe der [X.] führt auch nicht dazu, dass die Ausnahme des § 1629a Abs 2 Var 2 [X.] (Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Minderjährigen) wieder Anwendung findet (B[X.] vom 7.7.2011 - [X.] [X.]/10 R - B[X.]E 108, 289 = [X.] 4-4200 § 38 [X.], Rd[X.]1).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 4 AS 43/17 R

28.11.2018

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Halle (Saale), 1. Oktober 2015, Az: S 33 AS 3995/13, Urteil

§ 40 Abs 1 S 1 SGB 2, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10, § 1629a Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB, § 1629a Abs 2 Alt 2 BGB, § 38 Abs 1 S 1 SGB 2, § 54 Abs 1 S 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018, Az. B 4 AS 43/17 R (REWIS RS 2018, 1135)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1135

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