Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. 5 StR 258/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14962

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 258/13

vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen
Betruges u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 25. Februar 2015
beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2012 gemäß § 349 Abs. 4 [X.] im Ausspruch über das Absehen von der [X.] nach § 111i Abs. 2 [X.] mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 [X.] als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen und versuchten Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jah-ren verurteilt. Darüber hinaus hat das [X.] festgestellt, dass dem Verfall von [X.] in Höhe von 2.193.056,40 Euro die Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte der Senat bereits durch Beschluss vom 17. September 2013 (NStZ 2014, 32) hin-sichtlich des angefochtenen Schuld-
und Strafausspruchs nach § 349 Abs. 2 [X.] als unbegründet verworfen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfas-sungsgericht auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten aufgehoben, weil sie ihn in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt habe ([X.], 1
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NJW 2014, 3504). Auch die neuerliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten, die auf [X.] der Verletzung formellen und ma-teriellen Rechts gestützt ist, führt lediglich zur Aufhebung der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 [X.] (vgl. insoweit Senat aaO).
Der Erörterung bedarf allein die vom Angeklagten erhobene Verfahrens-rüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Der Angeklagte macht geltend, die [X.]vorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung Erörterungen nach §§ 202a, 212 [X.] stattge-funden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewe-sen ist. Diese Rüge ist jedenfalls unbegründet:
1. Soweit die Revision vorträgt, der mit dem Verfahren befasste [X.] habe während des Ermittlungsverfahrens mit den beiden Verteidigern des Angeklagten und des (ehemals) Mitangeklagten mehrere Gespräche ge-führt, in denen er bei geständigen Einlassungen als Verfahrensergebnis (je-weils) eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren und eine Entlassung aus der Untersuchungshaft als angemessen bezeichnet und angekündigt habe, sich beim Gericht durch entsprechende Anträge dafür stark zu machen, handelt es sich um ein Geschehen vor der Anklageerhebung. Schon deshalb werden sol-che der
Regelung des § 160b [X.] unterfallende Erörterungen von der Vor-

Dass zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach Anklageerhe-bung noch
weitere auf eine Verständigung abzielende Gespräche stattgefun-den haben, von denen das Gericht auch nur beiläufig Kenntnis erlangt hat, teilt weder die Revision mit, noch ergibt sich dies aus den eingeholten dienstlichen 2
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Äußerungen. Es kommt mithin nicht auf die eher zu verneinende Frage an, ob bei Gesprächen über [X.], die vor Beginn der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft mit der Verteidigung

anders als es die §§ 202a, 212 [X.] vorsehen

ohne Beteiligung des Gerichts geführt werden, eine [X.] gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] allein durch eine Kenntniser-langung des Gerichts begründet werden könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Januar 2014

1 StR 523/13, [X.], 115; siehe auch Urteil vom 29. November 2011

1 [X.], [X.], 347, 348; ablehnend
[X.], [X.], 7. Aufl., § 243 Rn. 36).
2. Ebenfalls nicht als mitteilungspflichtige Erörterung einzuordnen ist ein Gespräch des Verteidigers des Mitangeklagten mit dem beisitzenden [X.] vor Beginn der Hauptverhandlung. Nach den Darlegungen der Revision hat der Verteidiger angefragt, ob seitens der [X.] Interesse an einer Verfah-rensabsprache bestehe, und über den Inhalt der Gespräche mit dem [X.] informiert. Hierzu habe der [X.] abweisend reagiert. Dies ist durch die vom Senat im Freibeweisverfahren eingeholte dienstliche Erklärung des beisitzenden [X.]s im Wesentlichen bestätigt und weiter konkretisiert [X.]. Danach ist die Anfrage des Verteidigers am Rande eines Telefonats zur organisatorischen Abwicklung einer Aktenrückgabe erfolgt und hat sich auf eine generelle Aufgeschlossenheit der [X.] gegenüber Verständigungen n-r seine Person lediglich erklärt, zu können. Er habe auf die Mitteilung des Verteidigers über eine vom [X.] in Aussicht gestellte Antragstellung im Rahmen seines [X.] vorsorglich darauf hingewiesen, dass die [X.] an Anträge der [X.]schaft zur Höhe etwaiger Strafen nicht gebunden sei.
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Damit hatte das Telefonat

auch ungeachtet der Frage, ob es sich um [X.], Beschluss vom 20. Okto-ber
2010

1 StR 400/10, [X.], 592, 593)

keinen verständigungsbezo-genen Gesprächsinhalt, der eine Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] hätte auslösen können [X.], NStZ 2014, 192, 198). Der beisit-zende [X.] hat keinen Standpunkt zu einem möglichen Ergebnis des Verfah-rens vertreten und kein Verhalten gezeigt, das als Vorbereitung von Verständi-gungsgesprächen oder gar als Eintritt in ein solches hätte (miss)verstanden werden können. Vielmehr hat er sich für seine Person vorbehaltlos Gesprächen mit dem Ziel einer Verständigung nach § 257c [X.] abgeneigt gezeigt und ist auf ein diesbezügliches Ansinnen des Verteidigers, wollte man es in der aus n, jedenfalls nicht eingegangen.
3. a) Zwar erfordert § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] eine so genannte Nega-tivmitteilung, wenn keine auf eine Verständigung abzielenden Gespräche [X.] haben ([X.], NJW 2014, 3504 f.; anders noch Senat, Beschluss vom 17. September 2013 im [X.] an [X.], Urteil vom 10. Juli 2013

2 StR 47/13, [X.]St 58, 315). Ein zur Aufhebung des Urteils nötigender Ver-fahrensfehler liegt aber nur vor, wenn das Urteil auf der fehlenden Mitteilung beruht. Dies kann auszuschließen sein, wenn zweifelsfrei feststeht, dass es [X.], 3506; siehe auch [X.], Beschlüsse vom 22. Mai 2013

4 [X.], NStZ
2013, 541, vom 3. September 2013

1 [X.], [X.] NStZ 2013, 724, vom 29. Januar 2014

1 StR 523/13, [X.], 115 und vom 25.
November 2014

2 [X.], NJW 2015, 266, 267).

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So verhält es sich hier. Der Senat hat [X.] dienstliche Erklärun-gen von der Vorsitzenden [X.]in und dem Berichterstatter sowie dem staatsanwaltschaftlichen [X.] eingeholt. Danach hat es über den dargestellten Kontakt zwischen dem beisitzenden [X.] und dem Verteidiger des Mitangeklagten keine Gespräche gegeben, die eine Verständigung zum Gegenstand gehabt hatten. Der Wahrheitsgehalt dieser dienstlichen Erklärun-gen steht für den Senat außer Zweifel, zumal auch die Revision keinerlei [X.] für weitere im Vorfeld der Hauptverhandlung geführte und die [X.] einer Verständigung berührende Erörterungen vorgetragen hat. Mithin schließt der Senat sicher aus, dass das angefochtene Urteil auf dem Verstoß gegen die Negativmitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] beruht.
b) Ein Beruhen lässt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht damit begründen, dass der Beschwerdeführer sich in dem Glauben be-funden habe, es hätten [X.] stattgefunden, und ihn eine Negativmitteilung möglicherweise von der Abgabe seines Geständnisses abge-halten hätte. Den Angeklagten vor dem behaupteten Irrtum zu bewahren, dass eine von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in den Raum gestellte Straferwartung mit dem Gericht abgestimmt worden sei, unterfällt

verfas-sungsrechtlich unbedenklich (vgl. [X.], NJW 2014, 3504, 3506)

nicht dem Schutzzweck des § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] sichert über das Transparenzgebot neben der Kontrolle eines Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit (vgl. [X.], [X.] vom 15. Januar 2015

2 BvR 2055/14) auch den Informationsgleich-stand sämtlicher Verfahrensbeteiligter über Erörterungen in den nicht öffentlich geführten Verfahrensstadien des Zwischen-
und des Hauptverfahrens vor Be-ginn der Hauptverhandlung. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der in der öffent-lichen Hauptverhandlung zu erfüllenden Mitteilungspflicht die Konsequenz aus der in §§ 202a, 212 [X.] zugelassenen Möglichkeit von Vorgesprächen über 8
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eine Verständigung gezogen (siehe [X.]. 16/12310 S. 12), jedoch keine weitergehende Informationspflicht jenseits der von diesen Regelungen erfass-ten Erörterungen begründet (vgl. auch [X.], Beschluss vom 30. Au-gust
2011

32 [X.]/11, [X.], 285, 286).
Der Schriftsatz vom 23. Februar 2015 hat dem Senat vorgelegen.

[X.]König

Berger Bellay

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Meta

5 StR 258/13

25.02.2015

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. 5 StR 258/13 (REWIS RS 2015, 14962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14962

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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