Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.05.2013, Az. X ZR 137/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5450

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Gegenstand

Sachverständigenentschädigung: Einverständnis der Parteien mit abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung; Zustimmung nur einer Partei - Sachverständigenentschädigung VI


Leitsatz

Sachverständigenentschädigung VI

1. Die Parteien können sich auch nach Heranziehung eines Sachverständigen mit einer abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung wirksam einverstanden erklären, wenn ein ausreichender Betrag für die sich daraus ergebende Vergütung an die Staatskasse gezahlt ist.

2. Insoweit genügt die Erklärung nur einer Partei, soweit sie sich auf den Stundensatz nach § 9 JVEG bezieht und das Gericht zustimmt, wobei über die Zustimmung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist und hierbei insbesondere auch die Interessen der kostentragungspflichtigen Partei zu berücksichtigen sind.

Tenor

Die Vergütung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.     S.    für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens vom 17. Dezember 2011 und die Vorbereitung des (kurzfristig aufgehobenen) [X.] vom 13. November 2012 wird unter Einschluss des mit Beschluss vom 7. Mai 2012 als Abschlag und Bruttomindestbetrag für das schriftliche Gutachten bestimmten Betrages von 15.000 € auf insgesamt 30.345 € einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Gründe

1

I. Der gerichtliche Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten zunächst pauschal mit 26.180 € einschließlich Mehrwertsteuer abgerechnet und später seinen [X.] dahin spezifiziert, dass er zur Erstellung des Gutachtens 165 Stunden aufgewendet habe, die er mit 130 € ansetze. Mit Einverständnis auch der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 7. Mai 2012 als Abschlag und Bruttomindestbetrag einen Betrag von 15.000 € festgesetzt, der an den gerichtlichen Sachverständigen ausgezahlt worden ist.

2

Für die Vorbereitung des wegen Klagerücknahme kurzfristig aufgehobenen Verhandlungstermins vom 13. November 2012 hat der gerichtliche Sachverständige 26 Stunden angesetzt und dafür 4.165 € einschließlich weiterer Aufwendungen und Mehrwertsteuer abgerechnet. Die Klägerin hat den Vergütungsvorschlägen des Sachverständigen zugestimmt, während die Beklagte diesen widersprochen hat.

3

Die Beklagte hat [X.] in Höhe von 20.000 € und von 7.500 € an die Staatskasse gezahlt. Die Klägerin hat nach Klagerücknahme und Erklärung ihrer Zustimmung zu den Vergütungsvorschlägen des Sachverständigen weitere 2.815 € überwiesen.

4

II. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch ist gerechtfertigt.

5

1. Vom Gutachten des im Patentnichtigkeitsverfahren beauftragten Sachverständigen wird eine eingehende Auseinandersetzung mit der geschützten Erfindung und dem Stand der Technik erwartet, was voraussetzt, dass der Sachverständige sich mit der Aufbereitung des Streitstoffs in den Gerichtsakten vertraut gemacht und sich in den entgegengehaltenen Stand der Technik und die regelmäßig typisch patentrechtliche Diktion entgegengehaltener Schriften eingearbeitet hat. Die Arbeitsweise bleibt dabei dem gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich selbst überlassen; dem anrechnungsfähigen Zeitaufwand ist lediglich dadurch eine Obergrenze gesetzt, dass ein gerichtlicher Sachverständiger fachliche Kompetenz gerade auf dem technischen Gebiet besitzt und besitzen muss, auf das sich die Begutachtung bezieht und für das er seine Kompetenz aufgrund der entsprechenden Anfrage des Senats vor der Beauftragung mit dem Gutachten bestätigt hat. Deshalb muss zwischen Fachkunde und zeitlichem Aufwand eine plausible Proportionalität gewahrt sein ([X.], Beschluss vom 25. September 2007 - [X.] Rn. 5 ff.; Beschluss vom 2. Dezember 2008 - [X.], [X.], 120 Rn. 4; Beschluss vom 15. Februar 2011 - [X.] Rn. 4).

6

2. Das Berufungsverfahren stellt sich hinsichtlich des [X.] als überdurchschnittlich dar. Das in [X.] erteilte [X.] betrifft ein Synchronisationsverfahren für [X.] in einem mehrere Feststationen und [X.] umfassenden zellularen, digitalen Mobilfunktelefonnetz, das nach dem GSM-Verfahren arbeitet. Es umfasst dreizehn Patentansprüche. Die Klägerin hat das [X.] insgesamt angegriffen. Das Patentgericht hat das [X.] für nichtig erklärt. Die Beklagte hat das [X.] in der Berufungsinstanz mit dem Hauptantrag in der erteilten Fassung und hilfsweise in der Fassung von neun Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin hat den Gegenstand des [X.]s in den Fassungen des Haupt- und der Hilfsanträge der Beklagten für nicht patentfähig angesehen. Die Prozessakten sind, ebenso wie die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und Gutachten von [X.], sehr detailliert und umfangreich.

7

Das rechtfertigt die von dem gerichtlichen Sachverständigen für die Erstellung des schriftlichen Gutachtens angesetzte Stundenzahl von 165. Der vorliegende Fall hebt sich insoweit von Verfahren mit durchschnittlichem Prüfungsumfang ab, in denen der Senat einen Aufwand von mehr als 150 Stunden nicht mehr als angemessen angesehen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2007 - [X.] Rn. 5; Beschluss vom 1. April 2008 - [X.] Rn. 8; Beschluss vom 12. Dezember 2011 - [X.] Rn. 6). Angemessen sind darüber hinaus die 26 Stunden, die der gerichtliche Sachverständige für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung seiner Rechnung zu Grunde legt.

8

Der Senat ordnet die Tätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen im vorliegenden Patentnichtigkeitsverfahren nach billigem Ermessen der [X.] zu (vgl. [X.], Beschluss vom 7. November 2006 - [X.], [X.], 175 - [X.]; Beschluss vom 15. Mai 2007 - [X.] Rn. 4; Beschluss vom 1. April 2008 - [X.] Rn. 9; Beschluss vom 28. Juli 2009 - [X.] Rn. 4). Hieraus folgt ein gesetzlicher Stundensatz von 95 €.

9

Dieser Satz kann, nachdem die vom Sachverständigen begehrte Überschreitung des Honorarsatzes weniger als 50 vom Hundert beträgt, eine [X.] ihr Einverständnis erklärt hat, die andere [X.] gehört wurde und der einbezahlte Vorschuss hierfür ausreicht (vgl. [X.], aaO - [X.]; [X.], Beschluss vom 28. Juli 2009 - [X.] Rn. 5), mit Zustimmung des Gerichts auf den vom Sachverständigen erbetenen Satz von 130 € nebst Mehrwertsteuer erhöht werden (§ 13 Abs. 1 und 2 [X.]).

Dem steht nicht entgegen, dass das Einverständnis der [X.] und die Zustimmung des Gerichts erst nach Heranziehung des Sachverständigen erfolgt sind ([X.], Beschluss vom 12. Dezember 2006 - [X.], unter 2, [X.] 2011, 490; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., 2009, § 13 [X.] Rn. 7; anderer Ansicht: [X.], Beschluss vom 14. April 2011 - [X.]/10; [X.], [X.], 4. Aufl., 2008, § 13 Rn. 5; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 25. Aufl., 2011, § 13 Rn. 13.8; [X.], [X.], 2007, § 13 Rn. 31; [X.], [X.], 2005, § 13 Rn. 11 ff.; vgl. zur Rechtsprechung betreffend die Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 2 ZSEG etwa: [X.], [X.] 1989, 259; [X.], [X.] 1972, 658). Zwar soll nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 [X.] die Heranziehung des gerichtlichen Sachverständigen unter Gewährung einer bestimmten oder abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bemessenden Vergütung, mit der sich die [X.]en einverstanden erklärt haben, erst erfolgen, wenn von diesen zuvor ein entsprechender Betrag an die Staatskasse gezahlt worden ist. Das mit dieser Regelung geschützte fiskalische Interesse, sich gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen nicht ohne Vorschuss der [X.]en in Höhe der besonderen Vergütung zu verpflichten, bleibt aber auch bei einem späteren Einverständnis der [X.]en gewahrt, wenn die besondere Vergütung durch zuvor erfolgte Zahlung an die Staatskasse gedeckt ist, so dass bei am Sinn und Zweck von § 13 Abs. 1 [X.] orientierter Auslegung auch eine solche Konstellation von der Vorschrift erfasst wird.

Diese Erwägungen gelten entsprechend für den in § 13 Abs. 2 [X.] geregelten Fall, dass nur eine [X.] ihr Einverständnis zu einer besonderen Vergütung des Sachverständigen erklärt und das Gericht zustimmt. Auch das hier hinzutretende Interesse der kostentragungspflichtigen [X.], keinem unberechenbaren Kostenrisiko ausgesetzt zu sein, erfordert es nicht, dass das Einverständnis der einen [X.] und die gerichtliche Zustimmung allein vor der Heranziehung des Sachverständigen gegeben bzw. erteilt werden können. Vielmehr wird diesem Interesse in § 13 Abs. 2 [X.] dadurch Rechnung getragen, dass die Zustimmung nur erteilt werden soll, wenn das Eineinhalbfache des nach § 9 oder § 11 [X.] zulässigen Honorars nicht überschritten wird, und das Gericht über die Zustimmung erst nach Anhörung der [X.]en und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei auch die Interessen der kostentragungspflichtigen [X.] zu berücksichtigen hat. Dazu gehört im vorliegenden Fall auch, dass nicht die Klägerin als nach der Rücknahme der Nichtigkeitsklage primär kostentragungspflichtige [X.] mit dem Stundensatz des Sachverständigen nicht einverstanden ist, sondern die Beklagte.

Dem Honorar sind von den [X.]en nicht in Zweifel gezogene Aufwendungen für Ablichtungen und andere Aufwendungen in der vom Sachverständigen geltend gemachten Höhe hinzuzurechnen.

Meier-Beck                       Grabinski                       [X.]er

                   Hoffmann                       Deichfuß

Meta

X ZR 137/09

28.05.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 23. Oktober 2012, Az: X ZR 137/09, Beschluss

§ 9 JVEG, § 13 Abs 1 JVEG, § 13 Abs 2 JVEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.05.2013, Az. X ZR 137/09 (REWIS RS 2013, 5450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5450


Verfahrensgang

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Az. X ZR 137/09

Bundesgerichtshof, X ZR 137/09, 28.05.2013.

Bundesgerichtshof, X ZR 137/09, 23.10.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

X ZR 95/11

X ZR 103/10

X ZR 137/09

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