Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2005, Az. 5 StR 490/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 4981

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


5 StR 490/04
[X.]UNDESGERICHTSHOF [X.]ESCHLUSS vom 16. Februar 2005 in der Strafsache gegen

1.

2.

wegen Mordes u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 16. Februar 2005 beschlossen:

1. Die Revision des Angeklagten [X.]gegen das [X.]eil des [X.] vom 23. März 2004 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der [X.]eschwerdeführer hat die Kosten seines Rechts-mittels und die der Nebenklägerin entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das vorbezeichnete [X.]eil nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, a) soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichts-kammer des [X.] zurückverwiesen. - 3 - [X.]n d e
Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen Mordes in zwei Fällen unter Einbeziehung einer vom [X.] wegen Totschlags in einem besonders schweren Fall verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und [X.], daß die Schuld des Angeklagten besonders schwer ist. Das [X.] hat ferner den Angeklagten [X.]wegen erpresserischen Menschen-raubes und (gemeinschaftlichen) Mordes unter Einbeziehung einer wegen [X.]eihilfe zum Totschlag des [X.]verhängten Freiheitsstrafe von sieben Jah-ren zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und festgestellt, daß die Schuld auch dieses Angeklagten besonders schwer ist.
Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklag-ten [X.] ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das [X.] hat fehlerfrei dargelegt, daß [X.]den [X.]eigenhändig getö-tet hat, um vorangegangene Straftaten zu dessen Nachteil zu verdecken, und daß er die Tötung des [X.]

organisierte, um als [X.]e-günstigter dessen Lebensversicherung in Anspruch nehmen zu können. Die Revision des Angeklagten [X.]hat dagegen mit der Sachrüge Erfolg, so-weit dieser Angeklagte wegen Mordes verurteilt worden ist. Dies zieht auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das [X.] ist überzeugt, daß der ein Alibi behauptende An-geklagte [X.]am 6. März 1996 zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr unter [X.] von [X.] den [X.]

in dessen Pkw auf dem [X.] in [X.] durch zwei Kopfschüsse getötet hat. Dies stützt das [X.] nach umfangreicher [X.]eweiswürdigung insbesondere auf die vom Angeklagten durchgeführte, zur Tatzeit passende Fahrt vom [X.] zum Tatort und zurück und ferner darauf, daß der sich in der Hauptverhandlung auf § 55 StPO berufende Zeuge [X.]
als Schütze aus-- 4 - scheide. Das Schwurgericht folgt hier einer früheren Zeugenaussage [X.] s, [X.]habe ihm in der Tatnacht den Geldbeutel des Opfers und die [X.] auf einem Parkplatz in der Nähe von [X.] zur Entsorgung [X.].
Diese Würdigung der Verstrickung des Zeugen [X.] enthält einen sachlichrechtlichen Fehler, weil das [X.] nicht alle Fragwürdigkeiten der [X.]ekundungen dieses Zeugen in seine Gesamtschau aufgenommen hat (vgl. [X.], 513, 514; [X.], 45, 47 m.w.N.). Zwar kann deren umfassende Würdigung zur Mittäterschaft des Angeklagten [X.][X.] bei Anwesenheit am Tatort ohne gesicherte eigenhändige Tatausführung [X.] führen. Es kann aber [X.] auch eingedenk der Feststellungen zur Rolle S

s bei den beiden anderen Kapitalverbrechen [X.] nicht sicher ausgeschlos-sen werden, daß eine fehlerfreie [X.]eweiswürdigung lediglich zu einer Mitwir-kung des Angeklagten [X.]als Gehilfe an dem [X.] hätte führen können.
a) Nach den Feststellungen des [X.] bestanden zwischen dem Zeugen [X.] und den Angeklagten [X.] und S

jahrelange per-sönliche [X.]indungen bis hin zur gemeinsamen [X.]egehung auch schwerster Straftaten und zu nachfolgend falschen Tatbezichtigungen.

(1) So hatten sie am 18. Dezember 1995 unter Mitwirkung und nach Weisungen des [X.]den jungen [X.]entführt, der sich in eine Freundin des [X.]verliebt hatte. [X.]glaubte der von [X.]entwickel-ten Legende, [X.]habe für [X.]bestimmte Drogen unterschlagen und müsse nun den Schaden ersetzen. Nach Mißhandlungen, deren Entdeckung [X.] fürchtete und zu deren [X.]egehung [X.] und [X.]Hilfe geleistet hat-ten, tötete [X.] den [X.], um die bisherigen Straftaten zu verdecken. [X.] verwahrte die Leiche mehrere Tage in seinem Transporter, mit dem er regelmäßig zu seiner Arbeitsstätte fuhr, und versenkte den Leichnam kurz - 5 - vor [X.] 1995 mit großem Aufwand gemeinsam mit [X.] in einem [X.]aggersee bei [X.].
(2) In der Tatnacht des 6. März 1996 telefonierte [X.]

zwischen 19.02 Uhr und 23.18 Uhr achtmal mit dem Organisator dieser Tat, dem [X.]. Dazu machte [X.] in zwei polizeilichen Vernehmungen im März 1996 und Mai 1996 widersprüchliche, [X.] entlastende Angaben. Nach dem Tod von [X.]war [X.] als Tatverdächtiger über sei-nen Verteidiger in den [X.]esitz der kompletten Ermittlungsakte gelangt. [X.]zeigte [X.] Kopien von [X.] und machte Witze über den [X.]. Gegenüber der Zeugin [X.]räumte er ein, für die Tötung des [X.]

—seine [X.] gehabt zu haben.
(3) Nach dem hier in Frage stehenden Tatgeschehen transportierte der Angeklagte [X.] dann am 6. September 2001 einen von ihm kon-struierten Verbrennungsofen von [X.] in eine in der Nähe von [X.] gelegene [X.]. Er hatte vor, die in ihn verliebte Prostituier-te Po zu töten und ihren Leichnam in dem Ofen zu verbrennen. Der von [X.] aus [X.] herbeigerufene [X.]

half bei der [X.] und der Verbrennung der von [X.] getöteten Frau.
Am 13. September 2001 traf [X.]während seiner Flucht vor der Po-lizei mit [X.] zusammen. [X.] äußerte gegenüber [X.] , er werde [X.]massiv belasten, und stimmte mit [X.] dessen Falschaussage im Fall [X.]ab, mit der [X.] den Angeklagten [X.]zu Unrecht als Alleintäter bezichtig-te. Auch für den Fall [X.] verlangte [X.] eine entlastende Aus-sage von [X.] . [X.]ei seiner Festnahme am 14. September 2001 bezichtigte [X.]den Angeklagten [X.]als Alleintäter hinsichtlich der Tötung des [X.] . [X.] bekundete während seiner polizeilichen Zeugenver-nehmung am 2. Oktober 2001 erst- und letztmalig, daß er am 6. März 1996 auf dem Autobahnparkplatz von [X.]eine Plastiktüte mit dem Portemon-naie des Getöteten und eine Pistole zur Entsorgung erhalten hätte. [X.] 6 - ßend zeigte [X.] der Polizei von ihm verborgene Waffenreste, darunter ein Griffstück der Tatwaffe.
b) Das [X.] hält die polizeiliche Aussage [X.] s, [X.] ha-be ihm die Waffe zur Entsorgung übergeben, für glaubhaft, weil [X.] für den Fall der Nichterweislichkeit einer Tatbegehung durch S

mit seiner Of-fenbarung ein hohes Selbstbelastungsrisiko eingegangen wäre. Die Alibilü-cke des [X.], daß am 6. März 1996 eine Fahrt von [X.] nach [X.] und zurück doch möglich war, sei ihm nämlich nicht bekannt gewesen. Diese Erwägung hätte bei der [X.]esonderheit der vorliegenden [X.]eweislage ange-sichts der Verstrickung des [X.] in das kriminelle Umfeld des [X.]und in die von [X.]konzipierten Falschaussagen zum Nachteil des Angeklagten [X.] aber nur nach besonders kritischer Prüfung zur Grundlage der [X.]e-weiswürdigung gemacht werden dürfen. Solches hat das [X.] aber unterlassen, weshalb es das hier naheliegende Motiv für eine Falschaussa-ge, ein von [X.]konzipiertes Komplott zum Nachteil S

s, nicht in den [X.]lick genommen hat (vgl. [X.]GHR StG[X.] § 176 Abs. 1 [X.]eweiswürdigung 3; [X.]GH, [X.]. vom 26. November 1996 [X.] 1 StR 405/96). Damit entfällt auch die Tragfähigkeit der Waffenübergabe für einen Schluß auf die unmittelbare [X.] des [X.].
Nach den Feststellungen des [X.] ist [X.] ein Gefolgsmann des die jeweiligen Tatausführungen beherrschenden Angeklagten [X.], der, ausgestattet mit überlegener Intelligenz und Durchsetzungsvermögen, [X.] die polizeilichen Aussagen ihm nahestehender Personen erfolgreich steuerte. Vor dem Hintergrund vollständiger Aktenkenntnis des [X.] und der den Ermittlungsbehörden und [X.] bekannten möglichen Alibilücke des [X.] ist angesichts des Inhalts und der Entwicklung dieser Aussagen eine Einbindung des die Anweisungen [X.] s stets befolgenden Zeugen [X.] in ein Komplott zum Nachteil des Angeklagten [X.]hinsichtlich der Überga-be der Waffe zur Entsorgung so naheliegend, daß dieser Gesichtspunkt der Erörterung bedurft hätte. - 7 - Daran vermag die Feststellung, daß sich [X.] zur Tatzeit im [X.]esitz der Tatwaffe befand und diese entsorgte, nichts zu ändern. Denn das Land-gericht hat seiner [X.]ekundung zur Waffenübergabe durch S

eine zu große indizielle [X.]edeutung [X.] jedenfalls für eine alleinige unmittelbare Tataus-führung durch [X.][X.] beigemessen (vgl. für den umgekehrten Fall zur An-nahme eines zu starken Gewichts eines Indizes zur Entlastung [X.]GH wistra 2002, 260, 262; [X.]GH, [X.]. vom 16. März 2004 [X.] 5 StR 490/03). Zwar stellt das [X.] zutreffend darauf ab, daß eine Fahrt des Angeklagten [X.]von [X.] nach [X.] überflüssig gewesen wäre, falls [X.] die Tat unmittelbar allein ausgeführt hätte. Das [X.] hat aber bei seinem hieraus und aus [X.] s [X.]ekundung zur Waffenübergabe gezogenen Schluß, [X.]habe [X.] allein erschossen, dem entgegenstehende er-hebliche [X.]edenken außer acht gelassen. In diesem Fall wäre nämlich die Übergabe der Tatwaffe an einen unbeteiligten Dritten zur bloßen Entsorgung ein für die erstrebte Tatverschleierung unsinniger, das Entdeckungsrisiko für den Angeklagten [X.]erheblich steigernder Vorgang gewesen. [X.] der Verstrickung des [X.] in das kriminelle Umfeld des Angeklagten [X.], seiner Einbindung in von [X.] gesteuerte unrichtige [X.]elastungen des [X.] und der vom [X.] festgestellten, auf die Telefongespräche am Tattag gestützten konspirativen Verbindung zwischen beiden und schließlich der [X.]erufung [X.] s auf § 55 StPO, die schon allein zu besonders vorsichtiger [X.]eweiswürdigung nötigt (vgl. [X.]GHSt 47, 220, 223 f.), kann die vom [X.] ohne kritische Wertung dieser Umstände in ihrer Gesamt-heit hingenommene Aussage des Zeugen [X.] keine tragende Grundlage für den Schuldspruch wegen Mordes sein.
2. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und [X.]ewertung, so-weit der Angeklagte [X.]wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt worden ist. Der [X.] kann die für sich fehlerfrei getroffenen Feststellungen, mit denen das [X.] das Alibi [X.] s widerlegt hat, nicht [X.]. - 8 - 3. Zur Anwendung des § 55 Abs. 1 StG[X.] weist der [X.] auf folgen-des hin: Für den Fall, daß die gegen den Angeklagten durch [X.]eil des Amts-gerichts [X.] vom 24. November 1999 verhängte und zur [X.]ewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sechs Monaten am [X.] des angefochtenen [X.]eils (23. März 2004) noch nicht erlassen war, begründet die Verurteilung durch das Amtsgericht eine Zäsur. Es ist dann eine Gesamt-freiheitsstrafe aus der rechtskräftigen Einzelfreiheitsstrafe von zehn Jahren (erpresserischer Menschenraub im Fall [X.] ), der sechsmonatigen Frei-heitsstrafe und einer (möglichen) Strafe wegen des Verbrechens zum Nach-teil des [X.] zu bilden. Die vom [X.] am 25. März 2003 verhängte Freiheitsstrafe von sieben Jahren würde bestehen bleiben. Allerdings würde § 358 Abs. 2 StPO einen Nachteil in Gestalt einer härteren [X.]estrafung verbieten ([X.]GHSt 45, 308, 310 m.w.N.). Ein solcher würde nicht vorliegen, falls der Angeklagte [X.] in dem aufgehobenen Fall zu zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt und folglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe bis zu 15 Jahren erkannt würde; dann stünde er angesichts insgesamt zeitiger Stra-fen und niedrigerer Mindestverbüßungszeiten nach § 57 StG[X.] jedenfalls günstiger als durch die bisher verhängte lebenslange Freiheitsstrafe als Ge-samtstrafe. Wird jedoch in dem aufgehobenen Fall wiederum auf eine le-benslange Freiheitsstrafe erkannt, gebietet § 358 Abs. 2 StPO allerdings die erneute Einbeziehung der siebenjährigen Freiheitsstrafe in eine - 9 - dann wieder zu verhängende lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe, damit der Angeklagte durch seine Revision nicht schlechter als bislang ge-stellt wird.
[X.]asdorf Häger Gerhardt [X.]rause Schaal

Meta

5 StR 490/04

16.02.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.02.2005, Az. 5 StR 490/04 (REWIS RS 2005, 4981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4981

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.