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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 159/06 Verkündet am: 1. Februar 2007 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 193, § 271 Abs. 1, § 286 (F: 1. Januar 2002) § 193 BGB gilt sowohl für Fristen, nach deren Ablauf die Fälligkeit einer For-derung eintritt, als auch für solche, nach deren Ende der Verzug beginnt. BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 - III ZR 159/06 - OLG Köln
LG Bonn - 2 - Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dr. Kapsa und Dr. Herrmann für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des 18. Zivilse-nats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2006 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Sie streiten über Zinsansprüche der Klägerin wegen angeblich verspäteter Zahlungen der Be-klagten. 1 Die Parteien schlossen 1998 einen seither mehrfach geänderten Vertrag über die Zusammenschaltung ihrer Netze. Die Beklagte erbringt außerdem für die Klägerin aufgrund eines 2001 geschlossenen Fakturierungs- und Inkasso-vertrages (im Folgenden: F+I-Vertrag) Leistungen im Zusammenhang mit der Rechnungserstellung und dem Einzug von Forderungen gegenüber Dritten. 2 - 3 - Diesem Vertrag liegen die jeweils von der Beklagten gestellten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preise Fakturierung und Inkasso" (im Folgenden: AGB) und die "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" (im Folgen-den: Leistungsbeschreibung) zugrunde. Hinsichtlich der wechselseitigen Ansprüche aus dem F+I-Vertrag enthält Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung (Abrechnung zwischen den Vertragspar-teien) folgende Regelungen: 3 "Der Vertragspartner (= Klägerin) kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelie-ferten und von der D. T. als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungsdaten zuzüglich Umsatzsteuer mit der D. T. abrechnen. – Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein. – Die D. T. stellt dem Vertragspartner zum Monatsen-de eine Rechnung über ihre Leistungen. – Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein. Fällige Forderungen aus dem Fakturierungsvertrag werden mit-einander verrechnet. –" Bezüglich des Entgelts, das die Beklagte für ihre Leistungen von der Klägerin verlangen kann, sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Nummer 4 (Zahlungsbedingungen) weiter Folgendes vor: 4 - 4 - "Die D. T. stellt dem Vertragspartner ihre Leistungen in Rechnung. Der Rechnungsbetrag ist mit Zugang der Rechnung fällig. Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben sein." Die aufgrund des Zusammenschaltungs- und des F+I-Vertrags jeweils erbrachten Leistungen stellten sich die Parteien wechselseitig in Rechnung. Nach Verrechnung verbleibende Beträge wurden im Bankverkehr überwiesen. 5 In den Jahren 2002 und 2003 kam es teilweise zu verzögerten Zahlun-gen der Beklagten. Hierfür berechnete die Klägerin Verzugszinsen. Die Beklag-te beglich die Zinsforderungen nur teilweise. Sie ist insbesondere der Auffas-sung, sofern die jeweilige 30-Tages-Frist auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag gefallen sei, habe sich die Zahlungsfrist entgegen der Ansicht der Klä-gerin gemäß § 193 BGB verlängert. 6 In erster Instanz hat die Klage weitgehend Erfolg gehabt. Auf die Beru-fung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt, soweit die Klägerin Verzugszinsen auf Forderungen aus dem Zusammenschaltungsvertrag geltend macht (ZIP 2006, 1986). Hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Anspruchs der Klägerin auf Zahlung von Zinsen aus dem F+I-Vertrag in Höhe von insgesamt 495.815,20 • hat es die Berufung der Beklagten durch Teilurteil zurückgewie-sen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten. 7 - 5 - Entscheidungsgründe Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. 8 I. Das Berufungsgericht hat die Zinsforderung der Klägerin aus dem F+I-Vertrag unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 288 BGB für begründet erachtet. Die Hauptforderungen der Klägerin seien nach den vertraglichen Abreden der Parteien bereits mit Zugang der ent-sprechenden Rechnungen fällig geworden. Die in Abschnitt 8 der Leistungsbe-schreibung geregelte 30-Tages-Frist bestimme, ab wann der Verzug der Be-klagten mit der Erfüllung der Hauptforderung eintrete. Für eine derartige Frist gelte § 193 BGB nicht. Abweichende Abreden hätten die Parteien nicht getrof-fen. 9 II. Dies hält in einem entscheidenden Punkt der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin kann von der Beklagten insoweit keine Zinsen auf For-derungen aus dem F+I-Vertrag verlangen, als diese ohne Berücksichtigung von § 193 BGB berechnet wurden. 10 1. Der geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen folgt nicht aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB beziehungsweise für die im Jahr 2002 entstandenen Haupt-11 - 6 - forderungen aus § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (Art. 229 § 5 EGBGB), jeweils i.V.m. § 288 BGB. Die Leistungszeit lässt sich nicht, wie es diese Vorschrift vor-aussetzt, unmittelbar aus dem Kalender bestimmen. Vielmehr hängt sie von einem Ereignis - dem Zugang der Rechnung - ab. 2. Für die ab dem 1. Januar 2003 entstandenen Hauptforderungen ergibt sich auch aus § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 288 BGB ein Anspruch der Klä-gerin auf Leistung von Verzugszinsen jedenfalls nicht über den eingangs ge-nannten Umfang hinaus. Nach dieser Bestimmung tritt Verzug auch ohne Mah-nung ein, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine ange-messene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Ereignis im Sinne dieser Be-stimmung kann auch der Zugang einer Rechnung sein (MünchKommBGB/ Ernst, 4. Aufl., § 286 Rn. 58; Staudinger/Löwisch (2004), § 286 Rn. 76). 12 Voraussetzung für den Verzugseintritt ist, wie in den anderen Fällen des § 286 Abs. 1 bis 3 BGB auch, dass der Anspruch des Gläubigers fällig ist (siehe § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Hauptforderungen der Klägerin waren jedoch noch nicht an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällig, wenn die 30-Tages-Frist nach Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung rechnerisch an ei-nem dieser Tage ablief. Vielmehr trat die Fälligkeit gemäß § 193 BGB erst am folgenden Werktag ein, so dass sich die Klägerin frühestens ab dem anschlie-ßenden Tag in Verzug befinden konnte. 13 a) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanzen, nach der Ab-schnitt 8 der Leistungsbeschreibung dahin auszulegen ist, dass die jeweilige Hauptforderung der Klägerin bereits mit Zugang der Rechnung fällig sein sollte. 14 - 7 - aa) Der Senat kann den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag selbständig und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts ausle-gen. Zwar ist die Interpretation von Verträgen grundsätzlich nur eingeschränkt revisionsgerichtlich nachprüfbar (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2006 - III ZR 257/05 - NJW 2006, 3642 Rn. 10 m.w.N.). Es entspricht aber ständiger Recht-sprechung, dass das Revisionsgericht in der Auslegung Allgemeiner Geschäfts-bedingungen frei ist, wenn deren Anwendungsbereich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgeht (Senat aaO m.w.N.). Die von der Beklagten ge-stellten AGB sowie die Leistungsbeschreibung sind zur bundesweiten Verwen-dung in einer Vielzahl von Fällen bestimmt, so dass die maßgebliche Regelung eine über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinausgehende Bedeutung für zahlreiche Vertragsbeziehungen hat und damit ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (vgl. hierzu Senat aaO m.w.N.). Da überdies weitere tat-sächliche Feststellungen zu Umständen, die für die Auslegung der Leistungs-beschreibung und der AGB von Bedeutung sein können, nicht mehr zu erwar-ten sind, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen (vgl. z.B.: BGHZ 121, 284, 289; Senatsurteil vom 5. Oktober 2006 - III ZR 166/05 - NJW 2006, 3777 Rn. 12; BGH, Versäumnisurteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 - NJW 1998, 1219 jew. m.w.N). 15 bb) Der Begriff der Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann (z.B.: Bamberg/Roth/Grüneberg, BGB, § 271 Rn. 2; MünchKommBGB/Krüger, aaO § 271 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., § 271 Rn. 1). Dieser Zeitpunkt richtet sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Parteien (Bamberger/Roth/Grüneberg aaO Rn. 5; Palandt/ Heinrichs aaO Rn. 2). Haben diese eine Zeit bestimmt, so ist gemäß § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann. Das be-16 - 8 - deutet, dass die Forderung zwar erfüllbar, jedoch noch nicht fällig ist (vgl. z.B. Bamberg/Roth/Grüneberg aaO Rn. 23; Palandt/Heinrichs aaO Rn. 11). cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Klauseln, die, wie die hier maßgebende, ein Zahlungsziel einräumen, grundsätzlich als eine Leistungszeitbestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB anzusehen und nicht lediglich als ein Verzicht auf die Durchsetzung eines schon früher fälligen Anspruchs oder als die Bestimmung des Verzugsbeginns (z.B. BGHZ 125, 343, 344, 348; BGH, Urteil vom 16. März 1994 - VIII ZR 246/92 - NJW-RR 1994, 880, 881; vgl. auch Senatsurteil vom 16. Januar 1992 - III ZR 197/90 - NJW 1992, 2086; ferner Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., S. 258). Auch das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung lasse sich nicht ohne Hinzuziehung wei-terer Gesichtspunkte entnehmen, dass die Forderungen der Klägerin bereits mit Zugang der Rechnung fällig werden sollten. 17 dd) Konkrete Abreden der Parteien, aus denen sich ergibt, dass die 30-Tages-Frist von Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung keine Leistungszeit-bestimmung im Sinne von § 271 Abs. 2 BGB darstellt, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Entgegen der Auffassung des Land- und des Berufungs-gerichts folgt auch aus dem Zusammenhang dieser vertraglichen Regelung mit anderen Vertragsbestimmungen oder aus den sonstigen Umständen nichts hiervon Abweichendes. Vielmehr bestätigen - ohne dass es auf sie im Ergebnis ankommt - gewichtige Gesichtspunkte die Auslegung der vertraglichen 30-Tages-Frist als Fälligkeitsfrist. 18 (1) Insbesondere lässt sich nicht aus Nummer 4 Satz 2 der AGB der Be-klagten darauf schließen, dass Ansprüche der Klägerin bereits mit Zugang ihrer Rechnungen fällig sein sollten. Diese Bestimmung, die sich nur auf die Entgelt-19 - 9 - forderungen der Beklagten gegen die Klägerin bezieht, wird durch die speziellen Regelungen in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung über die Überweisung oder Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche verdrängt. (2) Auch der Vertragsabwicklungspraxis der Parteien ist nicht das Ein-verständnis der Parteien darüber zu entnehmen, dass die Ansprüche der Kläge-rin bereits zum Zeitpunkt des Zugangs ihrer Rechnungen bei der Beklagten fäl-lig werden sollten. Das Berufungsgericht hat hierzu als einzige konkrete Tatsa-che festgestellt, dass sich auf einem Teil der Rechnungen der Klägerin der Auf-druck "Der Rechnungsbetrag wird mit Zugang der Rechnung fällig" befindet. 20 Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass auch die einvernehmliche Praxis der Parteien nach Vertragsschluss grundsätz-lich zur Auslegung ihrer Erklärungen und Handlungen herangezogen werden kann. Zwar vermag das nachträgliche Verhalten eines Betroffenen den Inhalt und die rechtliche Qualität des Vertrags nicht mehr zu beeinflussen. Es kann aber für die Auslegung bedeutsam sein, weil es Anhaltspunkte für den tatsäch-lichen Willen der Beteiligten beim Vertragsschluss enthalten kann (z.B.: BGH, Urteile vom 26. November 1997 - XII ZR 308/95 - NJW-RR 1998, 801, 803 und vom 16. Oktober 1997 - IX ZR 164/96 - NJW-RR 1998, 259 jew. m.w.N.). Es ist aber nichts dafür festgestellt oder sonst ersichtlich, dass der Rechnungsauf-druck der Klägerin nicht lediglich auf deren einseitigem Rechtsverständnis be-ruhte, sondern sich mit der Auffassung der Beklagten deckte. Insbesondere folgt dies nicht daraus, dass sich die Beklagte auf den Standpunkt stellte, ihre Forderungen gegen die Klägerin seien mit Zugang der entsprechenden Rech-nungen fällig. Dies kann darauf beruhen, dass sie - unzutreffend - von der An-wendbarkeit der Nummer 4 Satz 2 ihrer AGB ausging. 21 - 10 - Auch eine nachträgliche Änderung der getroffenen Fälligkeitsregelung für die Forderungen der Klägerin infolge des Rechnungsaufdrucks kommt nicht in Betracht. Eine nach Vertragsschluss abgegebene Erklärung einer Partei kann die Rechtsverhältnisse nur dann ändern, wenn die andere Seite das damit ver-bundene Angebot auf Modifizierung des Vertrages annimmt. Umstände, aus denen sich ergibt, dass sich die Beklagte mit der Änderung der sich aus der Leistungsbeschreibung ergebenden Fälligkeitsbestimmung zugunsten der Klä-gerin einverstanden erklärt hat, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich. 22 Die Vertragsabwicklungspraxis gibt vielmehr einen umgekehrten Anhalts-punkt für die Übereinstimmung der Parteien, dass die Fälligkeit der Forderun-gen der Klägerin nicht bereits mit Zugang der Rechnungen eintreten sollte. Nach § 353 Satz 1 HGB sind Kaufleute untereinander berechtigt, für ihre An-sprüche aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zin-sen zu verlangen. Eine solche Forderung hat die Klägerin jedoch erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits hilfsweise geltend gemacht, nicht aber während der laufenden Geschäftsbeziehungen. Die Parteien waren sich - wie das Land-gericht festgestellt hat - ursprünglich darüber einig, dass eine Verzinsungspflicht erst nach Ablauf der 30 Tage ab Rechnungszugang eintreten sollte; strittig war nur das Fristende. Werden zwischen zwei Kaufleuten für einen bestimmten Zeitraum einvernehmlich keine Zinsen nach § 353 Satz 1 HGB geltend ge-macht, ist dies ein - wenn auch nicht zwingender - Anhaltspunkt dafür, dass die betreffende Forderung nach ihrem übereinstimmenden Verständnis noch nicht fällig war. 23 b) Tritt danach die Fälligkeit der Hauptforderung der Klägerin erst nach 30 Tagen ab Zugang der jeweiligen Rechnung ein, richtet sich die Berechnung dieser Frist grundsätzlich nach §§ 186 bis 193 BGB. Insbesondere die letztge-24 - 11 - nannte Bestimmung ist, wovon auch die Vorinstanzen ausgehen, - vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen - auf Fristen anzuwenden, die für die Fälligkeit einer Forderung gelten (z.B.: MünchKomm-BGB/Grothe, 5. Aufl., § 193 Rn. 13; Staudinger/Repgen, BGB (2004), § 193 Rn. 26; vgl. auch BAGE 98, 1, 9; BPatG, Urteil vom 28. März 2003 - 10 W (pat) 705/01 - juris Rn. 12; Bamber-ger/Roth/Henrich, BGB, § 193 Rn. 9). Fällt der letzte Tag der Fälligkeitsfrist rechnerisch auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich dem-entsprechend der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten und der (frühestmögliche) Eintritt des Verzuges auf den darauf folgenden Werk-tag (BAG aaO). aa) Nicht zu folgen ist der teilweise vertretenen Ansicht, § 193 BGB ver-schiebe zwar die Leistungspflicht, nicht aber die Fälligkeit (Palandt/Heinrichs aaO § 193 Rn. 5 möglicherweise in Widerspruch hierzu: Heinrichs aaO § 271 Rn. 4; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 193 Rn. 6, letzterer meint aller-dings, für die Verzugszinsen gelte § 193 BGB; so wohl auch in einem obiter dictum: BGH, Versäumnisurteil vom 10. Mai 2001 - XII ZR 60/99 - NJW 2001, 2324, 2325). Die Differenzierung zwischen der Zeit der Leistungspflicht und dem Fälligkeitstermin ist schon begrifflich kaum möglich (Staudinger/Repgen aaO Rn. 27). Vor allem aber widerspricht der Zweck der Regelung dieser Auf-fassung. Der gesetzgeberische Grund für § 193 BGB ist der Schutz der Sonn- und Feiertage (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV) sowie die Rücksichtnah-me auf die Wochenend- und Feiertagsruhe der Bevölkerung und auf das allge-meine Ruhen der bürgerlichen Geschäfte an den betreffenden Tagen (Begrün-dung des Entwurfs eines Gesetzes über den Fristablauf am Sonnabend BT-Drucks. IV/3394, S. 3). Ohne diese Bestimmung würden Fristen unangemessen verkürzt, weil zur Vermeidung von Nachteilen Leistungen bereits rechtzeitig vor den Wochenenden und den Feiertagen und damit vorzeitig vorgenommen wer-25 - 12 - den müssten (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über den Fristablauf am Sonnabend aaO). Dieser Gesetzeszweck würde weitgehend leerlaufen, wenn § 193 BGB zwar die Leistungspflicht verschieben würde, nicht aber den Eintritt der Fälligkeit. Insbesondere stellt die hierauf beruhende Verzinsungs-pflicht für den Schuldner einer Geldforderung eine bedeutsame Konsequenz seiner Nichtleistung dar. bb) Die Parteien haben die Anwendbarkeit von § 193 BGB auch nicht abbedungen. Ausdrückliche Abreden hierzu sind nicht vorgetragen. Das Schrei-ben der Beklagten vom 23. März 2004 gibt - unbeschadet des für ergänzende Abreden ohnehin bestehenden Schriftformerfordernisses (Nummern 5, 11.2 der AGB) - entgegen der Ansicht der Klägerin keinen durchgreifenden Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien schlüssig vereinbarten, die dreißigtägige Frist für die Leistungen der Beklagten solle auch an einem Wochenende oder Feiertag en-den können. Zwar ließ die Beklagte bei ihrer dem Schreiben beigefügten Be-rechnung der Ansprüche der Klägerin § 193 BGB selbst außer acht. Dies kann jedoch auch darauf beruhen, dass ihre mit der Abrechnung betrauten Mitarbei-ter sich der Problematik nicht bewusst waren. 26 c) Im Übrigen wäre § 193 BGB auf die zwischen den Parteien vereinbar-te 30-Tages-Frist auch dann anzuwenden, wenn bereits der Zugang der Rech-nung der Klägerin die Fälligkeit der Forderung bewirkt hätte und die Fristverein-barung mithin als Regelung des Verzugseintritts aufzufassen wäre. Der Senat folgt insoweit entgegen dem Berufungsgericht der in der Literatur überwiegend vertretenen Meinung (Erman/Hager, BGB, 11. Aufl., § 286 Rn. 53; Jauernig/ Stadler, BGB, 11. Aufl., § 286 Rn. 34; Palandt/Heinrichs, aaO, § 286 Rn. 30; Prütting/Schmidt-Kessel, BGB, § 286 Rn. 20; Staudinger/Löwisch, aaO, § 286 Rn. 104 jeweils zu § 286 Abs. 3 BGB; wohl auch MünchKommBGB/Grothe, 27 - 13 - aaO § 193 Rn. 13; a.A: Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 286 Rn. 47; Huber JZ 2000, 743, 744 Fn. 8; MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., § 286 Rn. 88), nach der § 193 BGB auch für die Berechnung der für den Verzugseintritt maßgebli-chen Fristen anzuwenden ist. Diese Vorschrift gilt gemäß § 186 BGB unter an-derem für sämtliche in Gesetzen und Rechtsgeschäften bestimmten Fristen. Eine Ausnahme für die verzugsbestimmenden Fristen ist nicht vorgesehen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, den nach dem Gesetz umfassenden Anwen-dungsbereich des § 193 BGB zu reduzieren, überzeugt nicht. Die Vorinstanz meint, der Zweck dieser Vorschrift, die Wochenend- und Feiertagsruhe zu schützen, rechtfertige es nicht, dem Schuldner einer bereits fälligen Leistung einen weiteren Aufschub bis zum Eintritt der Verzugsfolgen zu gewähren, da dieser ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Leistung gehabt habe. Dies ist mit dem Sinn der §§ 186 ff BGB nicht zu vereinbaren. Ein solcher teleologischer Ansatz bei der Auslegung der Vorschriften über die Fristen brächte ein beträcht-liches Maß an Unsicherheit mit sich, während gerade Fristbestimmungen klar überschaubar und leicht handhabbar sein müssen (Senatsurteil BGHZ 162, 175, 180). Die mit den §§ 186 ff BGB bezweckte Rechtssicherheit würde durch schwer berechenbare und nicht selten erst in einem Rechtsstreit zu klärende, vielfach auf den Einzelfall bezogene Wertungen ersetzt (Senat aaO, m.w.N.). Überdies würden, wäre § 193 BGB nicht sowohl auf verzugsbestimmende Fris-ten als auch auf Fälligkeitsbestimmungen anwendbar, erhebliche, dem Zweck der §§ 186 ff BGB widersprechende Unsicherheiten bei der Anwendung der weit verbreiteten vertraglichen 30-Tages-Fristen entstehen. Es wäre zur Be-stimmung, ob § 193 BGB anzuwenden ist, notwendig, zu ermitteln, ob die Re-gelung im jeweiligen Einzelfall nur deklaratorisch § 286 Abs. 3 BGB wiedergibt oder ob sie eine Zahlungsfrist im Sinne einer Fälligkeitsregelung enthält. - 14 - Nicht zu überzeugen vermag auch das Argument, der in § 193 BGB ge-regelte Fall, dass innerhalb einer Frist eine Leistung zu bewirken sei, liege bei einer nur den Verzug bestimmenden Frist nicht vor, da die Leistung bei Fällig-keit gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort zu bewirken sei (Bamberger/Roth/Grüne-berg aaO; Huber aaO). Die Pflicht, die Leistung nach Eintritt der Fälligkeit sofort zu bewirken, schließt nicht aus, dass hierfür (weitere) Fristen gelten. Ist die fäl-lige Forderung noch nicht erfüllt, ist die geschuldete Leistung weiterhin zu be-wirken, und zwar zur Vermeidung der Verzugsfolgen innerhalb der für den Ver-zugseintritt geltenden Frist. 28 3. Ein Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen in dem verlangten Umfang ergibt sich auch nicht aus § 286 Abs. 3 Satz 1 - beziehungsweise für die im Jahr 2002 entstandenen Hauptforderungen aus dem im wesentlichen inhalts-gleichen § 284 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. (Art. 229 § 5 EGBGB) - i.V.m. § 288 BGB. Tritt die Fälligkeit der Forderung - wie hier (siehe oben Nr. 2 a) - nicht be-reits mit Zugang der Rechnung ein, sondern danach, beginnt die 30-Tages-Frist des § 286 Abs. 3 Satz 1 BGB erst mit der Fälligkeit zu laufen (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts BT-Drucks. 14/6040 S. 147; Bamberger/Roth/Grüneberg, aaO, Rn. 45; Erman/Hager aaO § 286 Rn. 53; MünchKommBGB/Ernst aaO, Rn. 86). Verzug nach dieser Be-stimmung konnte deshalb erst 30 Tage nach Ablauf der unter Berücksichtigung von §§ 186 bis 193 BGB zu berechnenden in Abschnitt 8 der Leistungsbe-schreibung bestimmten Frist eintreten. 29 - 15 - 4. Schließlich kann die Klägerin die von ihr hilfsweise verlangten Fälligkeits-zinsen gemäß § 353 Satz 1 HGB jedenfalls nicht in der geltend gemachten Hö-he beanspruchen. Aus den vorstehenden Gründen wurden die Forderungen der Klägerin unter Berücksichtigung von § 193 BGB erst am nachfolgenden Werk-tag fällig, wenn die in Abschnitt 8 der Leistungsbeschreibung bestimmte Zah-lungsfrist rechnerisch auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fiel. Vorher können dementsprechend keine Fälligkeitszinsen anfallen. 30 5. Der Senat kann noch nicht selbst abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da die Klägerin, wie sie in ihrer Berufungserwiderung unter Buch-stabe A klargestellt hat, geltend macht, auch unter Anwendung von § 193 BGB stünden ihr Fälligkeits- und Verzugszinsen zu, weil bis zu neun Tage zwischen dem rechnerischen Ablauf der 30-Tagefrist ab Rechnungszugang und dem 31 - 16 - Eingang der Zahlungen der Beklagten verstrichen seien. Insoweit sind noch tat-sächliche Feststellungen nachzuholen. Schlick Wurm Streck
Kapsa Herrmann Vorinstanzen: LG Bonn, Entscheidung vom 01.04.2005 - 11 O 112/04 - OLG Köln, Entscheidung vom 26.05.2006 - 18 U 78/05 -
Meta
01.02.2007
Bundesgerichtshof III. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.02.2007, Az. III ZR 159/06 (REWIS RS 2007, 5450)
Papierfundstellen: REWIS RS 2007, 5450
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
18 U 101/08 (Oberlandesgericht Köln)
18 U 78/05 (Oberlandesgericht Köln)
VIII ZR 215/15 (Bundesgerichtshof)
Stromlieferungsvertrag: Verzug des grundversorgten Stromkunden; einseitiges Leistungszeitbestimmungsrecht des Grundversorgers
VIII ZR 215/15 (Bundesgerichtshof)
13 U 154/07 (Oberlandesgericht Köln)