Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. IV ZR 240/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9203

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 240/14

Verkündet am:

24. Juni 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin
Mayen, die
Richter
Felsch, [X.],
die Richterin Dr.
Brockmöller
und [X.]
Schoppmeyer auf die mündliche Verhandlung vom 24.
Juni 2015

für Recht erkannt:

Die Revision
der Beklagten gegen das Urteil des [X.] -
9. Zivilsenat -
vom 23. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Revision mit Ausnahme der Kosten ihres Streithelfers, die dieser selbst trägt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin
macht als Insolvenzverwalterin
der J.

GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) Ansprüche auf Auszahlung des
Rückkaufs-werts
einer
von der Schuldnerin zugunsten des
Streithelfers bei der [X.] unterhaltenen
Rentenversicherung geltend.
Bei dem Streithelfer handelt es sich um einen von zwei zu je 50% an der Schuldnerin
beteilig-ten Gesellschaftern und zugleich einzelvertretungsberechtigten Ge-schäftsführern der im September 2006 gegründeten Schuldnerin.

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Zuvor war der Streithelfer Geschäftsführer und [X.] mit einem Anteil von 10% in der N.

GmbH gewesen. Diese Gesellschaft hatte mit dem Streithelfer als versicherter Person eine arbeitgeberfinanzierte Rentenversicherung bei der [X.] abgeschlossen. Versicherungsbeginn war der 1. März 2006. Zum Be-zugsrecht heißt es im Versicherungsschein:

"Die versicherte Person ist sowohl für den Todes-
als auch für den Erlebensfall unwiderruflich bezugsberechtigt. Die Abtretung oder Beleihung des unwiderruflichen Bezugs-rechtes ist ausgeschlossen.
Für das unwiderrufliche Bezugsrecht gelten folgende Vor-behalte:

Dem Arbeitgeber bleibt das Recht vorbehalten, alle [X.] für sich in Anspruch zu nehmen, wenn

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das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles endet, es sei denn, die versicherte Person hat zu diesem Zeitpunkt das 30. Lebensjahr vollendet und die [X.] hat 5 Jahre bestanden.

-
die versicherte Person Handlungen begeht, die den Ar-beitgeber berechtigen, die Versicherungsansprüche zu mindern oder zu entziehen."

Mit Wirkung vom 22. Dezember 2006 übernahm die Schuldnerin den [X.] vom früheren Arbeitgeber des Streithel-fers. Die vorstehend zitierte Passage ist auch im daraufhin erstellten Nachtrag zum Versicherungsschein wortgleich enthalten. Im [X.] daran heißt es weiter:

"Die oben aufgeführten Widerspruchsvorbehalte bezüglich des unwiderruflichen [X.] gelten nur für den Teil der Versicherung, der sich aus den Beitragszahlungen wäh-rend des aktuellen Dienstverhältnisses ergibt. Ansonsten 2
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besitzt die versicherte Person ein uneingeschränkt unwider-rufliches Bezugsrecht."

Auf Seite 5 ist weiter vereinbart:

"Scheidet die versicherte Person aus den Diensten des [X.] aus und hat sie eine unverfallbare Anwartschaft nach §
1
b des [X.] ([X.]) erworben, so erklärt der Arbeitgeber, dass er der versicherten Person unter Anwen-dung des §
2 Abs.
3 dieses Gesetzes (Mitgabe der Versi-cherung), die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers

Am 18. Oktober 2010 wurde aufgrund Eigenantrags der Schuldne-rin vom 31. Mai 2010 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Diese kündigte
mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 den
Ge-schäftsführerdienstvertrag des Streithelfers
fristlos. Am 13.
Februar 2012 erklärte sie die Kündigung des [X.]es
und [X.] nachfolgend mit Schreiben vom 22.
März 2012 die Auskehr des Rückkaufswerts. Diesen gab die Beklagte zum 1.
Juli 2012 mit 6.598,30

Dienstverhältnis des Streithelfers entfielen. Eine Auszahlung verweigerte sie.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr auf die Berufung der Klägerin

unter Abzug des auf das frühere Dienstverhältnis entfallenden Anteils

e-ben. Dagegen richtet
sich die Revision der Beklagten.

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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist
unbegründet.

[X.] Das Berufungsgericht
hat ausgeführt, dass die vom [X.] entwickelten [X.] des eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts auf den Streithelfer nicht angewendet werden könnten, weil diese insbesondere darauf abstellten, dass dem Arbeitnehmer die erworbenen Versicherungsansprüche nicht auch in den Fällen entzogen werden sollen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründen beruhe, die sich seiner Einfluss-nahme entziehen und auch sonst nicht seiner Sphäre zuzuordnen sind. Dagegen habe der Streithelfer aufgrund seiner Beteiligung an der Schuldnerin und seiner Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer je-derzeit maßgeblichen wirtschaftlichen Einfluss auf die Schuldnerin [X.] können, und durch die Insolvenz habe sich gerade sein unterneh-merisches Risiko verwirklicht.
Außerdem hätten die Parteien bei der Ausgestaltung des Bezugsrechts auch auf die betriebsrentenrechtlichen Wertungen abgestellt, indem die versicherte Person das Recht zur Fort-führung des Vertrages mit eigenen Beiträgen im Falle des Ausscheidens beim Arbeitgeber erst nach Erwerb einer unverfallbaren Anwartschaft gemäß §
1
b des Gesetzes
zur Verbesserung der betrieblichen [X.] ([X.]) erhalten sollte.
In dieser Konstellation gebe es keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung des [X.] dahingehend, dass ein Widerruf bei Insolvenz des [X.] nicht zulässig sein solle.

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I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung
stand.

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats steht das ein-geschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht einem uneingeschränkt unwider-ruflichen Bezugsrecht in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht gleich, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des vereinbarten [X.] nicht erfüllt sind, und kann das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen bei insolvenzbedingter Beendigung des [X.] aufgrund einer einschränkenden Auslegung der [X.] zu verneinen sein, wobei
es insoweit auf die Auslegung der gegen-über dem Versicherer abgegebenen Erklärung im Einzelfall ankommt
(Senatsbeschluss vom 6. Juni 2012 -
IV [X.] 23/11, [X.], 762 Rn.
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f. m.w.N.);
diese Auslegung ist
in erster Linie Sache des Tatrichters.

2.
Eine solche hat das Berufungsgericht im Streitfall vorgenom-men, ohne dass ihm hierbei revisionsrechtlich beachtliche Fehler unter-laufen sind.

a) Zwar trifft es zu, dass bei einer reinen Wortlautauslegung auch die insolvenzbedingte Beendigung von Arbeitsverhältnissen von dem Vorbehalt "ohne weiteres" erfasst wird, weil dort nicht auf den Grund der Beendigung abgestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2014 -
IV ZR 201/13, [X.], 321 Rn. 14). Hierauf darf sich die Auslegung aber
nicht beschränken, sondern es sind auch Sinn und Zweck der [X.] unter Berücksichtigung der Interessenlage der [X.] für die Auslegung heranzuziehen (Senat aaO Rn. 15 ff.).

Insoweit sind vor allem die typischen Arbeitnehmer-
und Arbeitge-berinteressen in die Würdigung einzubeziehen, die das maßgebliche 15
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Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers und der [X.] (vgl. zu diesem Auslegungsmaßstab Senat aaO Rn. 13) beein-flussen. Das ist zum einen das Interesse der Arbeitnehmer, dass ihnen
die Versicherungsansprüche nicht in Fällen genommen
werden, die sich ihrer
Einflussnahme entziehen und auch sonst nicht ihrer
Sphäre zuzu-ordnen sind, und zum anderen das [X.], sich der weite-ren Betriebstreue des Arbeitnehmers zu vergewissern (Senat aaO Rn. 16 m.w.N.).
Ergänzend ist zu prüfen, ob im Einzelfall sonstige Gesichts-punkte vorliegen, die auch unter Berücksichtigung dieser Interessenlage ein Festhalten am Wortlaut der Klausel gebieten (Senat aaO Rn. 23).

b) Alles dies hat das Berufungsgericht beachtet. Insbesondere hat es, anders als
die Revision meint,
durch die Berücksichtigung der Ein-flussmöglichkeiten eines maßgeblich beteiligten [X.] nicht in unzulässiger
Weise pauschalierend angenommen, dass regelmäßig eine Mitverschuldung der Insolvenz durch den [X.] anzunehmen wäre.

Des Weiteren ist die von ihm vorgenommene Auslegung auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es aufgrund der Regelung auf Seite 5 des Nachtrags zum Versicherungsschein einen Zusammenhang zwischen der Versicherung und betriebsrentenrechtlichen Regelungen angenommen hat. Nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung handelt es sich hierbei nur um einen von mehreren Auslegungsgesichtspunkten, und es ist jedenfalls nicht unzutreffend, dass die dem Versicherten in diesem [X.] zugedachte verbesserte Rechtsstellung allein von einer Unverfallbarkeit seiner Ansprüche nach dem [X.] abhän-gen sollte. Insoweit durfte diese Regelung durchaus als ein Indiz gegen 20
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eine einschränkende Auslegung des [X.] herangezogen werden.

Dass der Senat in einem anderen Einzelfall eines Gesellschafter-Geschäftsführers auch in der Bejahung einer einschränkenden Ausle-gung durch das dort entscheidende Berufungsgericht Rechtsfehler nicht feststellen konnte (Senatsbeschluss vom 6. Juni 2012 -
IV [X.] 23/11, [X.], 762 Rn. 4), rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Auch dort lag eine tatrichterliche Beurteilung zugrunde, die keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler aufwies.

c) Anders als die Revision meint, hat das
Berufungsgericht für die Auslegung des Vorbehalts auch zu Recht auf die Stellung des Streithel-fers in der Schuldnerin abgestellt.

Mit dem Übergang des Versicherungsvertrages auf die Schuldnerin ist ein neuer Vorbehalt erklärt worden, der für die Frage der Widerruf-lichkeit des Bezugsrechts zukünftig maßgeblich sein sollte. Das ergibt sich aus dem weiteren Zusatz nach der Wiederholung des ursprüngli-chen [X.], in dem ein eindeutiger Bezug des [X.] zum aktuellen Dienstverhältnis hergestellt ist.

Zwar kommt
es nach der Senatsrechtsprechung für die Auslegung des Vorbehalts auf die Interessenlage an, wie sie sich im Zeitpunkt der Begründung des Versicherungsschutzes darstellt (Senatsurteil vom 22.
Januar 2014 -
IV
ZR 201/13, [X.], 321 Rn. 17).
Da aber
der Zusatz durch seine Differenzierung gerade festlegt, in welchem Umfang Ansprüche aus dem früheren und in welchem Umfang Ansprüche aus dem neuen Beschäftigungsverhältnis gesichert und vor einem Widerruf 22
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geschützt sein sollen, und damit den Umfang des Versicherungsschutzes neu regelt, stellt es eine revisionsrechtlich nicht zu beanstandende tat-richterliche Beurteilung dar, dass das Berufungsgericht insoweit auf die 22.12.2006" zum Aus-druck gekommene Interessenlage abgestellt hat.

Die vorstehend wiedergegebene Aussage des Senats diente [X.] vor allem der Klarstellung, dass erst später aufgrund einer In-solvenz hinzutretende Gläubigerinteressen nicht maßgeblich für die Aus-legung des Vorbehalts sind.

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II[X.] Die Kostenentscheidung
beruht auf §§
97
Abs.
1, 101 Abs.
1 ZPO.

Mayen

Felsch

[X.]

Dr. Brockmöller

Dr.
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.05.2013 -
332 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 23.05.2014 -
9 [X.] -

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Meta

IV ZR 240/14

24.06.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2015, Az. IV ZR 240/14 (REWIS RS 2015, 9203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9203

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