Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2014, Az. III ZR 502/13

III. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4330

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BUNDESGERICHTSHO[X.]

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 502/13

Verkündet am:

3. Juli 2014

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 839 Cb, [X.]e; [X.] § 37 Abs. 1, § 92 Abs. 3 ([X.]: 8. September 2005)

a)
Die sich aus § 37 Abs. 1 [X.] ergebende Verpflichtung des [X.], die leiblichen Eltern über die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie zu unterrichten, hat nicht den Zweck, den Kindesvater vor der Zahlung nicht mehr geschuldeten Kindes-
und [X.] an seine geschiedene Ehefrau zu schützen.

b)
Die besondere, sich aus § 92 Abs. 3 Satz 1 [X.] ergebende Pflicht des [X.], eine unterhaltspflichtige Person über die [X.]olgen für ihre Unter-haltspflicht aufzuklären, besteht nur im Zusammenhang mit der Erhebung ei-nes [X.].

[X.], Urteil vom 3. Juli 2014 -
III ZR 502/13 -
OLG [X.]

LG [X.]lensburg
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2

-

Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.] Herr-mann, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 30. Juli 2013
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist die Erbin des im Laufe des Berufungsverfahrens
verstor-benen ursprünglichen Klägers (im [X.]olgenden: Kindesvater). Dieser hat
gegen den beklagten [X.] einen Amtshaftungsanspruch geltend gemacht, weil ihn der zuständige Mitarbeiter des [X.] nicht zeitnah über die Unter-bringung seiner beiden Kinder in einer [X.]
informiert und er deshalb zu Unrecht Ehegatten-
und Kindesunterhalt gezahlt habe.

Nach der Trennung der Ehegatten
übertrug das [X.]amiliengericht im April 1998 das alleinige Sorgerecht für die beiden ehelichen Kinder zunächst dem Kindesvater. Nach einem Aufenthalt
Ende Dezember 1998 bei der Mutter [X.] die Kinder von dieser
zu der befreundeten [X.]amilie S.

gebracht. [X.] das [X.]amiliengericht die Herausgabe der Kinder angeordnet hatte, gelang 1
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es dem Kindesvater nicht, sie wieder zu sich zu nehmen, weil die [X.]amilie S.

nicht auffindbar war. Der Kontakt zu seinen Kindern, die in der [X.]olgezeit wieder bei ihrer Mutter lebten, brach ab. Schließlich wurde ihr die alleinige elterliche Sorge übertragen. Auf ihren Antrag brachte das Jugendamt des beklagten [X.] die Kinder ab dem 1. Oktober 2001 in Vollzeitpflege bei der [X.]amilie S.

unter, ohne den
Kindesvater hiervon in Kenntnis zu setzen. In den [X.] 2000 bis 2006 erstritt die Mutter mehrere Unterhaltstitel gegen ihn, offenbar-te den Aufenthaltsort der Kinder aber nicht. Mit Schreiben vom 26. [X.]ebruar und 30. März 2004 teilte der beklagte [X.] dem Kindesvater mit, dass für seine beiden Kinder laufend [X.] nach §§ 27, 33 [X.] erbracht würden und er verpflichtet sei, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an den Kosten der Jugendhilfe zu beteiligen. Unter dem 13. April
2006
wies ihn der Beklagte darauf hin, dass er mit der [X.]estsetzung eines [X.] zu rech-nen habe, wobei im Betreff
dieses Schreibens erstmals die Art der Hilfe (Voll-zeitpflege) konkret beschrieben und der Zeitpunkt ihres Beginns (1. Oktober 2001) angegeben waren. Ein zu zahlender Kostenbeitrag wurde im Hinblick auf die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des
[X.] nicht fest-gesetzt. Am 30. Mai 2006 erwirkte er ein Anerkenntnisurteil des zuständigen [X.]amiliengerichts, mit dem der letzte Unterhaltstitel zugunsten seiner geschie-denen Ehefrau und der Kinder (Anerkenntnisurteil vom 6. April 2006) dahinge-hend
abgeändert wurde, dass er ab dem 15. Mai 2006 keinen Kindes-
und Ehegattenunterhalt mehr zu zahlen habe.

Der Kindesvater hat vorgetragen, er sei bei seinen Unterhaltszahlungen stets davon ausgegangen, dass seine Kinder weiter bei ihrer Mutter lebten. Wegen der Unterbringung in einer Pflegefamilie habe seine geschiedene Ehe-frau keinen Anspruch auf Ehegattenunterhalt gehabt. Mangels [X.] habe auch kein Anspruch auf Kindesunterhalt bestanden; er
habe [X.]
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wohl gezahlt in der Hoffnung, irgendwann die entzogenen Kinder zurückzube-kommen, und selbst
am Existenzminimum gelebt,
um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, nicht für seine Kinder
sorgen zu wollen. Die Mutter der Kinder sei nicht in der Lage, die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurückzuerstatten.

Das [X.] hat die
Schadensersatzklage über zunächst 44.240,02

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nach teilwei-ser Klagerücknahme -
erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt die jetzige Klägerin einen Schadensersatzanspruch
von noch 35.734

nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht (die Entscheidung ist in [X.] 2014, 105 =
[X.] 2014, 145 veröffentlicht)
hat
die Auffassung vertreten, der beklagte [X.] habe zwar eine Amtspflicht gegenüber dem Kindesvater verletzt, weil dieser nicht zeitnah über den Wechsel seiner Kinder in eine [X.] zum 1. Oktober 2001 informiert worden sei. Eine solche Pflicht ergebe sich bereits aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 [X.], weil wegen der Schwere eines derartigen Eingriffs die Anhörung beider Elternteile Voraus-setzung für eine derartige Maßnahme sei. Darüber hinaus bestehe eine Ver-pflichtung des [X.] nach §§
33, 37 [X.] zur Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie, um einen das Kindeswohl gefährdenden Abbruch des 4
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Kontakts zu seinen leiblichen Eltern zu vermeiden. Dem sei das Jugendamt nicht nachgekommen.

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei gleichwohl nicht [X.], weil mutmaßlich überhöhte Zahlungen auf Kindesunterhalt und
rechts-grundlose Zahlungen auf Betreuungsunterhalt nicht vom Schutzzweck der [X.] Normen erfasst seien. Die Regelungen der §§ 32 ff
[X.] verfolgten das Ziel, die Rückkehr des Kindes in die Ursprungsfamilie zu ermöglichen. Das Jugendamt sei grundsätzlich verpflichtet, zur Verbesserung der Erziehungsbe-dingungen in der [X.]amilie sowie zur [X.]örderung des Kontaktes
zwischen Kindern und Eltern beratend und unterstützend tätig zu werden, und dabei auch den
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vorliegend -
nicht sorgeberechtigten Vater einzubeziehen. Ein Schutz der [X.] vor möglichen Beeinträchtigungen ihrer finanziellen Verhältnisse [X.] das Gesetz
dagegen nicht. Zwar sei ein Rechtsreflex insoweit denkbar, dass dem Kindesvater im [X.]alle rechtzeitiger Informationserteilung praktisch fi-nanzielle Mittel erhalten worden wären, die er unter Umständen auf anderem Wege zu Gunsten der Kinder hätte einsetzen können, so dass sich sein [X.] zu ihnen hätte stabilisieren und verbessern können. Dies sei jedoch nur eine theoretische Erwägung, zumal der Kindesvater
über Jahre keinen Kontakt zu seinen Kindern gesucht habe. Die [X.] einer grundsätzlichen Ver-pflichtung des [X.], bei der Amtsausübung die finanziellen Belange der Kindeseltern jedenfalls mittelbar zu berücksichtigen, liefe dem Zweck des [X.] zuwider, da bei entsprechenden Informationen die Gefahr weiterer Streitigkeiten bestünde. Eine Erweiterung
des Pflichtenkreises des beklagten [X.] dahin, Informationen im Hinblick auf sich möglich-erweise verändernde
Unterhaltsansprüche zu erteilen, könne vorliegend auch deshalb keine Haftung begründen, weil mögliche Schäden des [X.] ganz überwiegend auf das Verhalten der Kindesmutter zurückzuführen seien, 7
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die ihn nicht über den Wechsel des Aufenthaltsorts der Kinder informiert und die an sie gezahlten Unterhaltsbeträge vereinnahmt habe.

II.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision
stand.

Ein Amtshaftungsanspruch (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 GG) ist nicht begründet.

1.
Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass
die Bediensteten des [X.] des beklagten [X.] eine
ihnen gegenüber dem Kindesvater als Dritten bestehende Amtspflicht verletzt haben.

Nachdem die beiden Kinder auf Antrag ihrer Mutter ab dem 1. Oktober 2001 bei einer Pflegefamilie untergebracht worden waren, bestand für das Jugendamt des beklagten [X.] die Verpflichtung, einerseits darauf hinzuwirken, dass die Pflegepersonen und die leiblichen Eltern zum Wohle der Kinder zusammenarbeiten, andererseits auch beratend und unterstützend tätig zu werden (§ 37 Abs. 1 Satz
1 bis 3 [X.] in der [X.]assung der Bekannt-machung vom 19. Juni 2001, [X.] I, S. 1046). Diese Aufgaben des Jugend-amts
sind vor dem Hintergrund und der primären Zielsetzung zu sehen, die [X.] in der Herkunftsfamilie zu verbessern und die Be-ziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern zu fördern, um eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie und damit deren Refunktionalisierung zu ermöglichen (vgl. [X.], 6. Aufl., [X.] § 37 Rn. 1, 2; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 37 Rn. 2, 14 f; v. Koppenfels-Spies in jurisPK-[X.], 1. Aufl., § 37 Rn. 14 f; [X.] u.a., [X.]K-[X.], 8
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5.
Aufl., § 37 Rn. 13; [X.] in [X.], [X.], Stand Juni 2012, § 37 Rn. 6, 9; [X.], [X.]amRZ 1991, 253, 259). Die Regelung in § 37 Abs. 1 [X.] berücksichtigt damit das trotz der Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie fortbestehende und nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht (vgl. [X.]
aaO und Rn. 8)
und setzt zudem das Recht der Eltern auf Achtung des [X.]amilienlebens nach Art. 8 Abs. 1 [X.] um (vgl. [X.], NJW 2005, 3401, 3403
Rn. 82). Hierbei handelt es sich um eine Regelverpflichtung (vgl. [X.]
aaO Rn. 2), von der nur unter besonderen Umständen abgewichen werden kann. Solche sind hier nicht erkennbar, zumal
auch nicht sorgeberechtigte Elternteile mit in diese Regelung einbezogen
sind, weil die Pflege von Beziehungen und Kontakten zu beiden Elternteilen im Vordergrund steht (vgl. v. Koppenfels-Spies aaO
Rn.
11, 13; [X.] u.a. aaO Rn. 3, 5; [X.] aaO
Rn. 5; DIJu[X.]-Rechtsgutachten, [X.] 2003, 239).

Aus dem Gesagten ergibt sich ohne Weiteres, dass die
Einschaltung und zeitnahe Unterrichtung des [X.] bei der Anordnung und Durchführung
der
Vollzeitpflege der Kinder auch
seinem Interesse
diente, er mithin geschütz-ter Dritter im Sinne des §
839 Abs. 1 Satz 1 BGB
ist (s. allgemein dazu nur Senatsurteile vom 6. Juni 2013 -
III [X.], NJW 2013, 3370, 3371 Rn.
14 mwN und vom 8. November 2012 -
III ZR 151/12, [X.]Z 195, 276, 283 Rn. 15 mwN).

2.
Das Berufungsgericht hat trotz Nichtbeachtung dieser dem Kindesvater gegenüber bestehenden Amtspflicht eine Haftung des beklagten [X.] verneint und dies damit begründet, dass der geltend gemachte Schaden in [X.]orm der Zahlung von Kindesunterhalt und nachehelichem Betreuungsunterhalt
an die geschiedene Ehefrau nicht vom Schutzbereich der verletzten Normen 12
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und den sich daraus ergebenden Pflichten des [X.] umfasst sei. Dies hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet
die [X.]eststellung, dass der Geschädigte zum Kreis der geschützten Dritten
gehört,
nicht, dass er Aus-gleich aller ihm durch die verletzte Amtspflicht zugefügten Nachteile verlangen kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob gerade das im Einzelfall berührte Inte-resse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] geschützt werden soll. Entscheidend ist demnach, ob der Schutzzweck der [X.] Amtspflicht auch den jeweils geltend gemachten Schaden erfasst (vgl. nur
Senatsurteile vom 6.
Juni 2013
-
III [X.], NJW 2013, 3370, 3371 Rn.
14 mwN; vom 8. November 2012 -
III ZR 151/12, [X.]Z 195, 276, 283 Rn.
15 mwN;
vom 13. Oktober 2011 -
III ZR 231/10, [X.]Z 191, 187, 193 Rn.
13, vom 22. Januar 2009 -
III ZR 197/08, [X.], 1207, 1208 Rn.
11 und vom 10.
März 1994 -
III ZR 9/93, [X.]Z 125, 258, 269). Von einer derarti-gen Sachlage kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

b) Die Pflicht des [X.] aus § 37 Abs. 1 [X.], auf eine ent-sprechende Zusammenarbeit hinzuwirken, zu beraten und zu unterstützen und damit einhergehend die notwendigen Informationen zu erteilen, hat nicht den Zweck, den Unterhaltspflichtigen, hier den Kindesvater, vor der Zahlung
gege-benenfalls nicht mehr geschuldeten
Unterhalts an seine Kinder oder seine ge-schiedene Ehefrau zu bewahren.

Die mit dieser gesetzlichen Regelung in Verbindung mit Art. 6 Abs.
2 Satz 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] vorgesehene gemeinsame Gestaltung des [X.] dient vor allem dem Interesse des Kindes oder Jugendlichen, um damit den bestehenden Beziehungen und Bindungen zur Pflegeperson und zu 14
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den leiblichen Eltern Rechnung zu tragen, Loyalitätskonflikten entgegen zu [X.] und die Ressourcen von Eltern und Erziehungspersonen nutzbar zu ma-chen (vgl. [X.] § 37 Rn. 8; [X.] aaO § 37 Rn. 2; [X.] u.a. aaO § 37
Rn. 4, 14 f). Der Schutzzweck der sich danach ergeben-den Pflichten des [X.] ist somit aus Sicht der Eltern allein darauf ausge-richtet, diesen
die Möglichkeit zu geben, das (fortbestehende) Elternrecht sowie die elterliche Erziehungsverantwortung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 [X.] in einer am
Kindeswohl orientierten
Weise wahrzunehmen und daran mitzuwirken, dass durch eine Verbesserung der [X.] die Voraussetzungen für eine Rückkehrperspektive geschaffen werden. Zwar [X.] die finanziellen Verhältnisse grundsätzlich einen Beitrag dazu leisten [X.], eine Rückkehr zu fördern. Die beschriebenen Pflichten des [X.], die eine Einbeziehung und Information des [X.] umfassen, haben [X.] nicht die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahme im Blick. Die anzu-strebende sachgerechte Zusammenarbeit und die Aufrechterhaltung der emoti-onalen Bindung zwischen dem Kind oder Jugendlichen und seiner Herkunfts-familie während der [X.] bei einer Pflegestelle
sind auf
das Recht der Eltern ausgerichtet, das Kind erziehen und mit ihm Umgang pflegen zu können. Die Beachtung zivilrechtlicher Unterhaltsverpflichtungen eines [X.] steht damit in keinem unmittelbaren Zusammenhang, vielmehr ist die
Regelung derartiger Ansprüche grundsätzlich Sache der Kindeseltern unterei-nander.

nicht
soweit,
dass er
bei familiären Konfliktsituationen die Beteiligten generell dabei zu unterstützen hat, berechtig-te Unterhaltsforderungen durchzusetzen oder unberechtigte Unterhaltsforde-rungen abzuwehren. Dies findet auch in den einschlägigen Bestimmungen des Unterhaltsrechts seinen Niederschlag. Danach wird das Jugendamt nur dann Beistand eines Kindes für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen
und damit -
ausnahmsweise -
zu einem Verfahrensbeteiligten, wenn dies von einem -

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-

Elternteil beantragt wird (vgl. § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB; § 53a ZPO a[X.]
= §
234 [X.]am[X.]G).

c) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus den
maßgebli-chen gesetzlichen Regelungen für die Heranziehung von Eltern und anderen Verpflichteten zu den für die Hilfe zur Erziehung, hier in [X.]orm der Vollzeitpflege nach § 33 [X.], erbrachten Leistungen und entstehenden Kosten nichts anderes; insbesondere kann diesen Bestimmungen nicht entnommen werden, dass die den Eltern gegenüber obliegenden Informations-
und Unterrichtungs-pflichten des [X.] allgemein (auch)
den Zweck verfolgen, einen unter-haltspflichtigen Elternteil vor nicht (mehr) berechtigten Unterhaltszahlungen zu schützen.

aa)
Die bis zum 30. September 2005 geltende Vorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 [X.] in der [X.]assung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 ([X.] I S.
3546) regelte die Heranziehung der Eltern eines unterhaltsberechtig-ten Kindes zum Ersatz der Kosten unter anderem bei auswärtiger Unterbrin-gung dahin, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch des Kindes oder Jugendlichen kraft Gesetzes, begrenzt durch die Höhe der geleisteten Aufwendungen, auf den Träger der öffentlichen Jugendhilfe überging
(vgl. dazu auch
[X.] u.a., aaO, § 94 Rn.
7
f). Diese Bestimmung betraf damit lediglich den gesetzlichen Übergang des Unterhalts-anspruchs des Kindes gegen einen barunterhaltspflichtigen Elternteil, nicht [X.] die materiell-rechtliche Unterhaltsverpflichtung eines oder beider Elterntei-le als solche. Da somit die [X.] auf die Unterhaltspflicht ge-genüber einem Kind dem Grunde und der Höhe nach keine Auswirkungen hat-ten, konnte sich unter diesem Gesichtspunkt ein Informationsinteresse des [X.] nicht
ergeben.
Soweit in § 94 Abs. 3 Satz 3 [X.] a[X.] eine Mittei-17
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-

lungspflicht über die Gewährung von Jugendhilfe normiert war, handelte
es sich lediglich um eine notwendige Voraussetzung für eine Inanspruchnahme von erstattungspflichtigen Personen für die Vergangenheit (vgl. [X.] u.a. aaO
Rn. 10). Diese Regelung diente deshalb allein dem Interesse des [X.]-trägers
an der Durchsetzung der auf ihn von Gesetzes wegen übergegangenen Unterhaltsansprüche, jedoch
nicht dem Schutz eines Elternteils vor möglicher-weise nicht (mehr) gerechtfertigten
Zahlungen von Kindesunterhalt.

bb)
Auch der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Vorschrift des § 92
[X.] in der [X.]assung des Kinder-
und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes vom 8. September 2005 ([X.] I, [X.]) lässt sich ein derartiger Schutz-zweck nicht entnehmen. Nach Abs. 3 Satz 1 dieser Regelung kann ein Beitrag zu den Kosten von Leistungen und vorläufigen Maßnahmen nach § 91 [X.] unter anderem bei den Eltern des Kindes von dem Zeitpunkt an erhoben wer-den, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Jugendhilfeleistung mitge-teilt und er über die [X.]olgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt worden ist. Diese Bestimmung bezieht sich damit [X.] allein auf den Kindesunterhalt und regelt lediglich, von welchem Zeitpunkt an ein Kostenbeitrag bei dem Kostenschuldner erhoben werden darf. Deshalb handelt es sich lediglich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung hierfür (vgl. [X.] in jurisPK-[X.], 2014, § 92 Rn. 35).

Das Jugendamt wird zwar zusätzlich verpflichtet, über die [X.]olgen der Jugendhilfeleistung für eine bestehende Unterhaltspflicht aufzuklären. Diese Pflicht
wurde im Hinblick auf die in das Gesetz eingefügte Regelung des § 10 Abs. 2 [X.] geschaffen (vgl. [X.] aaO, Rn. 20; [X.], aaO, § 92 Rn. 22). Nach der bisher geltenden Vorschrift des § 94 Abs. 3 [X.] hatte die aus-wärtige Unterbringung eines Kindes keine Auswirkungen auf die Höhe seines 19
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-

Unterhaltsanspruchs gegenüber einem barunterhaltspflichtigen Elternteil. Mit den neu geschaffenen Bestimmungen wird dagegen geregelt, dass der Bedarf des Kindes durch die Jugendhilfe ganz oder teilweise gedeckt werden kann und dementsprechend seine Unterhaltsberechtigung in Höhe der Bedarfsdeckung entfällt (vgl. BT-Drucks. 15/3676, [X.], 41; [X.] u.a., aaO, § 92, Rn. 22).

Der Revision ist zuzugeben, dass nunmehr
-
im Unterschied zur früheren Rechtslage -
die Unterrichtung der kostenbeitragspflichtigen
Person
nicht mehr nur dem Interesse
des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe dient, seinen [X.] auf Erhebung des [X.] zu sichern; vielmehr soll darüber hin-aus auch die kostenbeitrags-
und unterhaltspflichtige Person davor geschützt werden, sowohl unterhaltsrechtlich als auch öffentlich-rechtlich in Anspruch ge-nommen zu werden (vgl. BT-Drucks. 15/3676, [X.]; vgl. [X.] in [X.]/
[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 92 Rn. 8; [X.], aaO; [X.] u.a., aaO, Rn.
20, 23; [X.], aaO, § 92 Rn. 13). Daraus folgt jedoch nicht, dass die
Verpflich-tung zur Information über eine Jugendhilfemaßnahme, hier die auswärtige Un-terbringung,
(auch) allgemein dem Zweck dienen würde, den unterrichteten [X.] in die Lage zu versetzen, die Berechtigung
eines
geltend gemachten
Unterhaltsanspruchs zu überprüfen. Vielmehr steht die besondere Belehrungs-
und Hinweispflicht des § 92 Abs. 3 Satz 1 [X.] in untrennbarem Zusam-menhang mit der
Erhebung eines [X.]. Auch soweit die Bestimmung dem [X.]pflichtigen die Möglichkeit zu Vermögensdispositionen
er-öffnen
soll, ist dies nur in Bezug auf eine mögliche
[X.]pflicht zu se-hen
(vgl. BVerwGE 144,
313, 316 f Rn. 12, 13). Die nach
§ 92 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorgesehene Mitteilung über die [X.] bezieht sich damit nicht auf die Verpflichtung zu einer Unterhaltszahlung für das Kind oder den Jugendlichen schlechthin; sie
hat insbesondere nicht den Zweck, den Un-terhaltspflichtigen vor
den finanziellen
Nachteilen zu bewahren, die ihm durch 21
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das prozessbetrügerische
Verhalten desjenigen
entstehen können, der Unter-haltsansprüche geltend macht.

cc) Im Streitfall kam
die besondere Aufklärungspflicht des § 92 Abs. 3 Satz 1 [X.] hinsichtlich des gezahlten Kindesunterhalts deshalb nicht zum Tragen, weil
es wegen der fehlenden
Leistungsfähigkeit des [X.] zu keinem Zeitpunkt zur [X.]estsetzung eines [X.] gekommen
ist. Die Ge-fahr einer doppelten Inanspruchnahme stand damit ohnehin nicht im Raum.

dd) Da
§ 94 Abs. 3 [X.] a[X.]
und § 92 Abs. 3 [X.] lediglich [X.] von Kindern und Jugendlichen gegenüber unterhaltspflichti-gen Personen zum Gegenstand haben, wird
der Schaden, der dem Kindesvater durch den zu Unrecht an die
geschiedene Ehefrau weiter gezahlten Betreu-ungsunterhalt (vgl. § 1570 BGB) entstanden ist,
von vorneherein nicht vom
Schutzzweck der Vorschriften erfasst.

3.

Eine
Haftung des beklagten [X.]
lässt
sich vorliegend auch nicht aus der Verletzung einer im Zusammenhang mit den
Angaben des [X.] zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen Anfang April 2004
stehenden Auf-klärungs-
oder Hinweispflicht des zuständigen Mitarbeiters des [X.]
herleiten.
Dies kann der Senat, da insoweit weitere [X.]eststellungen nicht zu er-warten sind, selbst entscheiden.

a) Eine derartige Belehrungspflicht
ergäbe
sich
allerdings -
entgegen der Auffassung der Revision -
nicht aus der
(entsprechenden) Heranziehung
ver-tragsrechtlicher Haftungsgrundsätze, sondern wäre
allenfalls nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats
anzuerkennen, nach der sich auf Grund der besonderen tatsächlichen Lage und der bestehenden Verhältnisse 22
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-

im Einzelfall eine Hinweis-
und Aufklärungspflicht ergeben
kann. Insbesondere darf ein
Beamter nicht "sehenden Auges"
zulassen, dass der bei ihm vorspre-chende Bürger Schaden erleidet, der durch einen kurzen Hinweis, eine Beleh-rung mit wenigen Worten oder eine entsprechende Aufklärung hätte vermieden werden können (vgl. etwa Senatsurteile vom 5. April 1965 -
III
ZR 11/64, NJW 1965, 1226, 1227;
vom 24. Juni 1982 -
III ZR 19/81, [X.]Z
84, 285, 291;
vom 5.
Mai 1994 -
III ZR 78/93, NJW 1994, 2415, 2417 vom 7. Dezember 1995
-
III ZR 141/94, NVwZ 1996, 512, 514;
vom 20. Juli 2000 -
III ZR 64/99, [X.], 1108, 1110, zusammenfassend Senatsurteil vom 2. Oktober 2003 -
III ZR 420/02, [X.], 1730, 1731, jeweils mwN; [X.]/[X.],
[X.]. 2013, §
839 Rn. 157 ff).

Unter Zugrundelegung der nach dieser Rechtsprechung zu beachtenden Grundsätze ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt für einen derartigen Amtshaf-tungsanspruch vor allem, dass der Amtsträger das besondere Interesse des Betroffenen an der jeweiligen Information und das aus der Verletzung einer Hinweis-
und Aufklärungspflicht resultierende Schadensrisiko erkennt oder je-denfalls
erkennen kann. Daran
fehlt es im Streitfall.

Dass den Mitarbeitern des [X.] des Beklagten die [X.] bekannt gewesen sind, ist weder durch das [X.] festgestellt worden noch sonst ersichtlich. Auch die Revision stützt sich nicht auf eine entsprechende dem beklagten [X.] zurechenbare Kenntnis bezüglich der Unterhaltszahlungen. Sie meint allerdings, eine Aufklä-rungspflicht habe sich ab
Mai 2004 auf Grund des Umstands ergeben, dass der Kindesvater auf das Schreiben des Beklagten vom 30. März 2004 seine wirt-schaftlichen Verhältnisse in einem so genannten
Wirtschaftsfragebogen [X.] und dabei einen "Selbstbehalt"

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habe. Daraus habe das Jugendamt des beklagten [X.] erkennen [X.] und müssen, dass der Kindesvater Unterhalt
für seine beiden Kinder leiste; dies
hätte den sofortigen Hinweis darauf erforderlich gemacht, dass durch die mittlerweile vollzogene Vollzeitpflege Unterhaltszahlungen hinfällig geworden seien.

Dem kann nicht gefolgt werden. Allein aus der vom Kindesvater gewähl-ten [X.]ormulierung in dem von ihm ausgefüllten [X.]ormular, es liege eine Gehalts-pfändung bis auf den "Selbsterhalt"

, konnte nicht ohne [X.] auf eine Zahlung von Unterhalt an seine beiden in einer [X.] untergebrachten Kinder geschlossen werden. Unabhängig von der Verwendung des -
vom Kindesvater ersichtlich so gemeinten -
Begriffs "Selbstbehalt"
erga-ben sich insoweit Unklarheiten im Hinblick darauf, dass er ein weiteres unter-haltsberechtigtes Kind in seiner Erklärung über seine wirtschaftlichen [X.] angegeben hatte. Auch spricht gegen das von der Revision zugrunde ge-legte Verständnis der Angaben des [X.], dass in dem Wirtschaftsfra-gebogen ausdrücklich die [X.]rage nach Unterhaltszahlungen gestellt wurde, die betragsmäßig aufzuschlüsseln waren, er hierzu jedoch keine Angaben gemacht hat. Schließlich ergaben sich weitere Zweifel schon deshalb, weil
die Kindes-mutter in ihrem Antrag auf Gewährung von [X.] die [X.] durch den Kindesvater verschwiegen hatte, obwohl gerade sie als Empfängerin der Unterhaltsleistungen dazu verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte ist im Übrigen
nach den unklaren Angaben des [X.] auch nicht gänzlich untätig geblieben, sondern hat ihn mit Schreiben vom 13. April 2004 um Ergänzung seiner Angaben zu der mitgeteilten Pfändung aufgefordert. Eine Antwort ist jedoch ausgeblieben. Bei dieser Sachlage war für den
zustän-digen
Mitarbeiter des [X.] nicht ausreichend erkennbar, dass der [X.] ohne Rechtsgrund weiterhin Unterhalt für seine Kinder und seine ge-28
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-

schiedene Ehefrau zahlt. [X.] Nachfragen und Nachforschungen waren unter den
gegebenen
Umständen nicht erforderlich, zumal
ein Kostenbeitrag im Hinblick auf die angegebenen wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] ohnehin nicht festgesetzt worden ist.

Danach ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht hinsichtlich der
durch den Kindesvater zwischen Mai 2004 und Mai 2006 geleis-teten Unterhaltszahlungen ein Schadensersatzanspruch gegen den beklagten [X.].

[X.]
Herrmann

[X.]

Remmert
[X.]
Vorinstanzen:
LG [X.]lensburg, Entscheidung vom 15.06.2010 -
2 O 367/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.07.2013 -
11 [X.] -

29

Meta

III ZR 502/13

03.07.2014

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2014, Az. III ZR 502/13 (REWIS RS 2014, 4330)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4330

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 502/13

III ZR 196/12

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